Eingelangt am 04.04.2024
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Anfrage
der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und
Kollegen
an den Bundeskanzler
betreffend Folgeanfrage: Warum befinden sich
"Staatsgeheimnisse" in den Emails des BKA?
Im
Zusammenhang mit der ÖVP-Inseratenaffäre und dem sogenannten
Beinschaab-Tool hat die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA)
im August 2022 die Sicherstellung der Daten im Bundeskanzleramt angeordnet. Die
Sicherstellungsanordnung wurde damit begründet, dass frühere
Mitarbeiter:innen vom damaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz massenhaft Mails
gelöscht und ihre Handys getauscht hätten.
"Die
Sicherstellungsanordnung umfasst alle Daten auf E-Mail-Postfächern und
persönlich zugeordneten Laufwerken sowie eOffice-Dokumente von
sämtlichen Mitarbeitern des Bundeskanzleramtes, die zwischen 19. Dezember
2017 und 6. Oktober 2021 etwa im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit bzw. in
der Stabsstelle für strategische Kommunikation tätig waren. Umfasst
sind auch Mitarbeiter im Bereich der Informationstätigkeit der
Bundesregierung (insbesondere Informationsinitiativen, Mediaplanung und
-Budget) sowie jene Kabinettsmitarbeiter, die für die beiden genannten
Bereiche zuständig waren. Insgesamt dürften rund 100 Mitarbeiter von
der Sicherstellung betroffen sein."
Dagegen
wurde von der Finanzprokuratur ein Rechtsmittel eingelegt, mit der
Begründung, dass die Anordnung der Sicherstellung für einen Vollzug
zu unbestimmt sei und sich möglicherweise auch private Daten auf den
Servern befinden könnten. Anstatt sich der Transparenz zu verpflichten,
hat die Finanzprokuratur Einspruch gegen die Sicherstellungsanordnung
erhoben. Das Rechtsmittel wurde vom Landesgericht für Strafsachen
Wien teils ab-, teils zurückgewiesen. Der dagegen erhobenen Beschwerde
wurde im September 2023 vom Oberlandesgericht Wien mit Beschluss nicht Folge
gegeben. In der Zwischenzeit hat die WKStA die beschriebenen Daten im Juni 2023
sichergestellt, da sie die Gefahr einer routinemäßigen Löschung
sieht.
Bundeskanzler
Karl Nehammer hat im Anschluss an die Sicherstellung im Juni 2023 vorgebracht,
dass die sichergestellten Daten möglicherweise klassifizierte
Informationen beinhalten könnten und deswegen Widerspruch eingelegt. Das
Besondere daran ist, dass §112a StPO vorsieht, dass sichergestellte
schriftliche Aufzeichnungen oder Datenträger von der Staatsanwaltschaft
und der Kriminalpolizei nicht eingesehen werden dürfen, wenn die
betroffene Behörde oder öffentliche Dienststelle dem widerspricht und
wenn bestimmte Informationen enthalten sind. Darunter fallen klassifizierte
nachrichtendienstliche Informationen, deren Geheimhaltung das Interesse an der
Strafverfolgung im Einzelfall überwiegt (§112a Abs 1 Z 1) oder auch
von ausländischen Sicherheitsbehörden oder Sicherheitsorganisationen
klassifiziert übermittelte Informationen, die nur mit deren vorheriger
Zustimmung zu anderen als den der Übermittlung zugrundeliegenden Zwecken
verarbeitet werden dürfen (§112a Abs 1 Z 2).
Gemäß
Abs 2 hat die Behörde die Teile, die der Geheimhaltung unterliegen sollen,
genau zu bezeichnen und das überwiegende Interesse an der
Geheimhaltung im Einzelnen anzuführen und zu begründen.
Die
Anfragebeantwortung 16183/AB vom 19.12.2023 (https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/AB/16183)
auf unsere parlamentarische Anfrage 16650/J (https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/J/16650)
zu der Causa irritiert mehr als sie Klarheit brachte und lässt
befürchten, dass Kanzler Nehammer vielmehr die Ermittlungen der
Korruptionsbehörden unredlich torpediert und mit der
„Staatsgeheimnis“-Argumentation die Herausgabe der E-Mails ein weiteres
Mal verhindert werden sollte.
Mittlerweile
bat das Oberlandesgericht Wien entschieden, dass die Wirtschafts- und
Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) nun grundsätzlich die auf Basis
der Anordnung im August 2022 im Bundeskanzleramt
sichergestellten Daten auswerten darf. Das Entsiegelungsverfahren am
Landesgericht betreffend der möglichen "Staatsgeheimnisse" in
den Mails läuft aber noch.
Quellen:
https://kurier.at/politik/inland/daten-sicherstellung-im-kanzleramt-olg-gibt-wksta-recht/402593831
https://www.kleinezeitung.at/politik/innenpolitik/6322410/OeVPInseratenaffaere_Datensicherstellung-im-Kanzleramt-fuer-OLG
https://www.falter.at/maily/20230725/nehammer-gegen-die-wksta
https://www.falter.at/zeitung/20230919/nehammer-gegen-die-staatsgewalt
https://www.derstandard.de/story/3000000207158/wksta-darf-sichergestellte-daten-aus-kanzleramt-auswerten
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
Anfrage:
- Wurden die Inhalte mit klassifizierten Informationen, die
den Vermerk "Eingeschränkt" erhalten haben, im Sinne der
Geheimschutzordnung des Bundes ordnungsgemäß verschlüsselt
und sind somit ohne Schlüssel nicht einsehbar?
- Wenn ja, warum wehrt sich dann das BKA gegen die
Auswertung der Mails, wenn klassifizierte Informationen ohne
Schlüssel nicht gelesen werden können?
- Wenn ja, wie viele Mails wurden in diesem Sinn
verschlüsselt?
- Wenn nein, warum nicht?
- Wurden alle Mitarbeiter des BKA über den Umgang mit
klassifizierten Informationen im Sinne der Geheimschutzordnung bzw. des
InfoSiG geschult?
- Wenn ja, wurden diese Schulungen nachweislich erfasst?
- Wenn ja, was ist Inhalt dieser Schulung?
- Wenn ja, wie oft wird diese Schulung wiederholt?
- Wenn nein, warum nicht?
- Wenn nein, welche Stelle wäre für die
Durchführung dieser Schulung verantwortlich laut jeweiliger
Geschäftseinteilung für die Jahre 2017 bis 2024?
- Ist eine solche Schulung in Form einer Online-Schulung
verfügbar?
- Wann und wie haben sie erfahren, dass sich klassifizierte
Informationen im Sinne der Geheimschutzordnung oder InfoSiG oder Staatsgeheimnisse
in den sichergestellten Daten befinden würden?
- Von wem haben sie erfahren, dass sich klassifizierte
Informationen im Sinne der Geheimschutzordnung oder InfoSiG oder
Staatsgeheimnisse in den sichergestellten Daten befinden würden?
- Haben sie überhaupt konkrete Erkenntnisse, dass sich
klassifizierte Informationen im Sinne der Geheimschutzordnung oder InfoSiG
oder Staatsgeheimnisse in den sichergestellten Daten befinden würden,
oder ist das eine reine “Vorsichtsmaßnahme”?
- Wurden irgendwelche disziplinarrechtlichen Schritte im BKA
eingeleitet, die im Zusammenhang mit klassifizierten Informationen im
Sinne der Geheimschutzordnung oder InfoSiG oder Staatsgeheimnisse in den
sichergestellten Daten in Zusammenhang stehen?
- Wenn ja, wie viele Suspendierungen sind erfolgt?
- Wenn ja, wie viele Mitarbeiter sind betroffen?
- Haben sie konkrete Informationen, wonach sich
klassifizierte Informationen im Sinne der Geheimschutzordnung oder InfoSiG
oder Staatsgeheimnisse in den sichergestellten E-Mails befinden?
- Besteht die Möglichkeit, dass Mitarbeiter:innen des
BKA Informationen, die im Sinne der Geheimschutzordnung bzw. des InfoSiG
unter diese Regelungen fallen, einfach ignorieren?
- Wenn ja, gibt es da häufigere Fälle in
bestimmten Abteilungen oder Referaten?
- Gemäß der Informationssicherheitsvorschriften
iSd InfoSiG und der dazugehörenden Verordnung müssen alle
klassifizierten Informationen in einem Register erfasst werden. In diesem
Register ist ersichtlich, wer die Informationen an wen weitergegeben hat.
Gibt es dieses Register im BKA?
- Wenn ja, wer führt dieses Register?
- Wenn ja, gibt es in diesem Register Einträge aus der
Zeit der Sicherstellung der E-Mails?
- Wenn ja, betreffen Einträge in diesem Register von
der Sicherstellung betroffene Mitarbeiter?
- Wenn nein, warum nicht?
- Wurde der Informationssicherheitsbeauftragte des BKA
bereits tätig?
- Wenn ja, welche Maßnahmen hat er genau
getätigt?
- Wenn nein, warum nicht?
- Wer ist derzeit der Informationssicherheitsbeauftragte des
BKA?
- Welche IKT-Systeme sind von der Informationssicherheitskommission
im BKA für die Verarbeitung von klassifizierten Informationen
akkreditiert?
- Sind IKT-Systeme, die von der Sicherstellung betroffen
sind, von der Informationssicherheitskommission im BKA für die
Verarbeitung von klassifizierten Informationen akkreditiert?
- Haben sie als Minister mit anderen Beschuldigten in
gegenständlicher Causa Kontakt gehabt?
- Wenn ja, mit wem und wann?
- Haben Ihre Mitarbeiter mit anderen Beschuldigten in
gegenständlicher Causa Kontakt gehabt?
- Wenn ja, mit wem und wann?
- Haben sie als Minister in gegenständlicher Causa
Kontakt mit ihrem Generalsekretär der ÖVP gehabt?
- Wenn ja, mit wem und wann und was wurde besprochen?
- Waren alle Empfänger der klassifizierten
Informationen (auch CC und BCC) in den E-Mails berechtigt, die Staatsgeheimnisse
zu erhalten?
- Wenn nein, wusste der
Informationssicherheitsbeauftragte des Bundeskanzleramtes davon Bescheid?
i. Wenn
nein, warum nicht und warum wurde dieser nicht benachrichtigt?
ii. Wenn
ja, hat der Informationssicherheitsbeauftragte dies bemängelt?
iii. Wenn
ja, wie hat der Informationssicherheitsbeauftragte jeweils davon
Kenntnis erlangt?
- Wenn nein, welche Maßnahmen wurden dagegen
getroffen?
- Wie viele der betroffenen E-Mail Konten haben die E-Mails
auf Handys empfangen?
- Gab oder gibt es Bedienstete, die ihre E-Mails samt
Staatsgeheimnissen auch auf privaten Handys empfangen haben?
- Wenn ja, wusste der
Informationssicherheitsbeauftragte des Bundeskanzleramtes davon Bescheid?
i. Wenn
nein, warum nicht und warum wurde dieser nicht benachrichtigt?
ii. Wenn
ja, hat der Informationssicherheitsbeauftragte dies bemängelt?
iii. Wenn
ja, wie hat der Informationssicherheitsbeauftragte jeweils davon Kenntnis
erlangt?
- Wenn ja, welche Maßnahmen wurde daraufhin
getroffen?
- In Ihrem ZIB 2-Interview am 28.02.2024 gaben Sie, Herr
Bundeskanzler an, zur Causa mit der WKStA an, dass sie "in Abstimmung
mit der Finanzprokuratur vorgehen". Auf die Frage, wie ein
Staatsgeheimnis in ein E-Mail kommen könnte, antworteten Sie, dass
eine genaue Prüfung geboten sei und es sich um eine Empfehlung der
Finanzprokuratur handele "so vorzugehen, auch im Sinne der
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter."
- Wie viele Gespräche mit der Finanzprokuratur fanden
seit August 2022 (Anordnung der Sicherstellung durch die WKStA) statt?
i. Wer
nahm wann daran Teil und was war der jeweilige Gesprächsinhalt?
- Wurde das vorgebrachte rechtliche Argument, dass sich
möglicherweise "Staatsgeheimnisse" in den Mails befinden,
von der Finanzprokuratur vorgeschlagen?
i. Wenn
ja, aus welchen Gründen?
ii. Wenn
nein, wer hat sonst das Argument vorgebracht?
- Wurde das vorgebrachte rechtliche Argument der
"privaten Daten" von der Finanzprokuratur vorgeschlagen?
i. Wenn
ja, aus welchen Gründen?
ii. Wenn
nein, wer hat sonst das Argument vorgebracht?
- Welcher Auftrag mit welchem Inhalt wurde von Seiten des
BKA sowie der Republik der Finanzprokuratur erteilt?
- Wurde von Seiten der Finanzprokuratur Bedenken bzgl. eines
Widerspruchs mitgeteilt?
i. Wenn
ja, welche(r) mit welchem Inhalt?
- Befinden sich in den Mails klassifizierte Informationen
von anderen Staaten, mit denen bilaterale Abkommen über den Austausch
und Gleichbehandlung von klassifizierten Informationen abgeschlossen
wurden?
- Wenn ja, welche Pflichten und Anforderungen waren alle
einzuhalten?
i. Die
logische Netztrennung von Netzwerken?
ii. Die
Implementierung von "Data Loss Prevention"?
iii. Die
komplette logische Trennung von höher klassifizierten Informationen zu
Informationen anderer Klassifizierung?
iv. Andere?
- Befinden sich in den Mails klassifizierte Informationen
der Stufe "Eingeschränkt" von den USA?
- Wo jeweils wurden die Mails mit den klassifizierten
Informationen abgespeichert?
- Wurden die Mails mit den klassifizierten Informationen
jeweils separat abgespeichert?
i. Wurde
diese schon zu Beginn separat abgespeichert?
- Wurden die Mails mit den klassifizierten Informationen
jeweils als solche ausgewiesen?
i. Wurden
diese schon zu Beginn als solche ausgewiesen?
- Wurden klassifizierte Informationen betreffend
"SkyShield" im Mailpostfach und/oder auf dem Laptop gespeichert?
- Wenn ja, sind diese von anderen Staaten übermittelt
worden?
- Wenn ja, sind diese vom BMLV übermittelt worden?
- Befanden sich in der Mailbox und/oder auf dem Laptop von
Sebastian Kurz Mails mit klassifizierten Informationen und/oder wurden
diese verarbeitet?
- Wenn ja, inwiefern?
- In Ihrer Anfragebeantwortung 16183/AB vom 19.12.2023
(https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/AB/16183) auf unsere
parlamentarische Anfrage 16650/J (https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/J/16650),
verwiesen Sie bzgl der Frage, welche sichergestellten Unterlagen von
welchen (ehemaligen) Mitarbeiter:innen welcher Abteilung, Sektion, oder
welcher anderen Organisationseinheit klassifizierte nachrichtendienstliche
Informationen oder klassifiziert übermittelte Informationen nach
§112a Abs 1 beinhalten, die der Geheimhaltung unterliegen sollen,
dass dies eine Sichtung benötigen würde und die Information
außerdem unter Amtsverschwiegenheit fallen würde. Welche
Gründe der Amtsverschwiegenheit iSd § 20 Abs 3 B-VG wären
denn erfüllt?
- In Ihrer Anfragebeantwortung 16183/AB vom 19.12.2023
(https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/AB/16183) auf unsere
parlamentarische Anfrage 16650/J (https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/J/16650),
verwiesen Sie bzgl der Frage 9, wie oft und wann der Informationssicherheitsbeauftragte
auf einen Mangel iSd § 7 Abs 1 InfoSiG hingewiesen hat, auf die
Amtsverschwiegenheit? Welche Gründe der Amtsverschwiegenheit iSd
§ 20 Abs 3 B-VG wären denn erfüllt?
- In Ihrer Anfragebeantwortung 16183/AB vom 19.12.2023
(https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/AB/16183) auf unsere
parlamentarische Anfrage 16650/J (https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/J/16650),
verwiesen Sie bzgl. der Frage 10, wie oft und wann der
Informationssicherheitsbeauftragte Ihnen, Herr Bundeskanzler, oder jemand
anderem in Ihrem Ressort Vorschläge zur Verbesserung der
Informationssicherheit gem § 7 Abs 4 InfoSiG gemacht hat und ob Sie
oder Ihr Ressort dem jedes Mal nachgekommen sind, auf
Amtsverschwiegenheit. Welche Gründe der Amtsverschwiegenheit iSd
§ 20 Abs 3 B-VG wären denn erfüllt?