18299/J XXVII. GP

Eingelangt am 08.04.2024
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Anfrage

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Lässt Österreich EU-Millionen einfach liegen?

 

Der Reformstau der Regierung droht Österreich jetzt EU-Zuschüsse in Höhe von mehreren hundert Millionen Euro zu kosten. Konkret geht es um eine Reihe von Reformvorhaben, zu denen sich die Bundesregierung gegenüber der Europäischen Kommission (EK) in ihrem Aufbau- und Resilienzplan zwar verpflichtet hat, die sie aber bisher noch nicht umgesetzt hat. Erfüllt die Bundesregierung ihre eigenen Ankündigungen und Verpflichtungen nicht, gibt es auch kein Geld von der EK. Für Österreichs Steuerzahler:innen könnte das teuer werden. 

EU-weite Aufbau- und Resilienzpläne sollen Wachstum in Europa ankurbeln

Ausgelöst durch die Covid-Pandemie und der von ihr verursachten massiven gesamtökonomischen Wachstumsdelle startete die EU eine gemeinsame Wachstums- und Transformationsoffensive - Next Generation EU. Zentrales Instrument dabei: die sogenannte Aufbau- und Resilienzfazilität (Recovery and Resilience Facility - RRF). Ziel dieser Fazilität, die ausnahmsweise und (vorerst) einmalig über gemeinsam aufgenommene EU-Schulden finanziert wird, ist es, die negativen Effekte der Covid-Krise auf die EU Mitgliedstaaten und die europäischen Wirtschaft abzufedern und Europa auf einen höheren nachhaltigen Wachstumspfad zu heben. Den Mitgliedstaaten stehen im Rahmen dieser Fazilität gemeinsam 672,5 Mrd. EUR an Darlehen und Zuschüssen zur Unterstützung von Reformen und Investitionen zur Verfügung. Die Verteilung der Zuschüsse erfolgt über eine komplexen Verteilungsschlüssel aus Krisenbetroffenheit, wirtschaftlicher Resilienz und Bevölkerungsanzahl. 

Voraussetzung für den Erhalt von Zuschüssen ist die Vorlage eines sogenannten Aufbau- und Resilienzplans, über den wachstumsfördernde Reformen und Investitionen umgesetzt werden müssen. In diesem Plan werden Umsetzungsdetails, Meilensteine und genaue Zeitpläne gefordert. Nur wenn die Mitgliedstaaten ihre Hausaufgaben tatsächlich erledigen und die angekündigten Reformen und Investitionen zeitgerecht umsetzen, fließen die dafür beantragten EU-Zuschüsse. Falls nicht oder nicht rechtzeitig umgesetzt wird, dann werden die Zuschüsse entsprechend gekürzt. Die Auszahlung erfolgt in Tranchen, denen mit den Investitions- und Reformvorhaben verbundene Ziel(werte) und Meilensteine zugeordnet sind. Wird ein Zahlungsantrag zu einer Tranche gestellt, so prüft die EK, ob die vereinbarten Meilensteine umgesetzt wurden. Wird dabei festgestellt, dass einzelne Meilensteine nicht oder nur teilweise umgesetzt wurden, so können die ausbezahlten Mittel gekürzt werden. 

Österreich bekommt bis zu 4 Mrd. EUR von der EU

Österreich stehen bis zu 3,95 Mrd. EUR aus der Aufbau- und Resilienzfazilität zu, rund 210 Mio. EUR davon über den REPowerEU-Plan, in den mittlerweile ein Teil der RRF-Mittel fließt. Finanziert werden sollen damit Investitionen in grüne und digitale Infrastruktur, Investitionen in Humankapital (va. Bildung und Gesundheit) und Reformen. Die auf Basis des Österreichischen Aufbau- und Resilienzplans 2020-2026 beantragten Zuschüsse teilen sich auf sechs Zahlungstranchen auf. Diese fließen nach Übermittlung der erledigten "Pflichtenhefte" an die Kommission, allerdings zeitlich losgelöst von den tatsächlichen budgetären Auszahlungen für die ARP-Maßnahmen. Bereits im Herbst 2021 wurde die Vorfinanzierung iHv 450 Mio. EUR überwiesen, diese noch unabhängig von einer Erfüllung des Plans. 

Da die Reformen- und Investitionen des ARPs von so zentraler Bedeutung für Österreichs Wachstumspfad und Wohlstand sind und zwischen Finanzierung der Maßnahme und Zuschussleistung der Kommission zum Teil sehr viel Zeit vergeht, hat Neos sich von Anfang an für maximale Transparenz bei der Umsetzung und Finanzierung eingesetzt und über eine gemeinsame parlamentarische Entschließung eine unterjährige Berichterstattung des BMFs zur Umsetzung des ARP im Rahmen des Budgetvollzugs erwirkt.(1)

Der Budgetdienst des Parlaments fasst daher in seiner Analyse zum Budgetvollzug auch regelmäßig den Umsetzungsstand des österreichischen Aufbau- und Resilienzplans zusammen - zuletzt im Rahmen des Budgetvollzugs bis Juli (2) und Oktober 2023 (3), sowie auch anlässlich der Überarbeitung von Österreichs Aufbau- und Resilienzplan analysiert (4). 

Reformverweigerung der Regierung droht mehrere hundert Millionen EUR zu kosten

Der Budgetdienst stellt darin fest, dass Österreich die der ersten Tranche zugeordneten Meilensteine bereits zur Gänze abgeschlossen und daher im Frühjahr 2023 die entsprechenden Rückflüsse iHv 700 Mio. EUR erhalten hat.  Für das Jahr 2024 sind, so der Budgetdienst, im BVA 2024 Einzahlungen aus den Rückflüssen aus der zweiten und dritten Tranche iHv insgesamt rd. 1,62 Mrd. EUR veranschlagt.

 

Für die 2. Tranche iHv 922,8 Mio. EUR müssen insgesamt 39 Meilensteine umgesetzt werden, im Oktober 2023 waren davon jedoch nur 30 Meilensteine abgeschlossen. Folgende acht Maßnahmen lagen Ende Oktober 2023 jedoch bereits deutlich hinter dem Zeitplan:

  1. Erneuerbare-Wärme-Gesetz 
  2. Bodenschutzstrategie
  3. Pensionssplitting - Gesetzesvorschlag
  4. Pensionssplitting - Inkrafttreten
  5. Verpflichtender Klimacheck für neue Gesetzesentwürfe
  6. Messung Umsetzungserfolg Green Climate Agenda
  7. Inkrafttreten Gründerpaket
  8. Liberalisierung von gewerblichen Rahmenbedingungen - Inkrafttreten Grace-Period-Gesetz

Werden diese Regierungsvorhaben nicht termingerecht umgesetzt droht eine Kürzung der EU-Zuschüsse zum ARP - im Falle der oben genannten 8 Maßnahmen jeweils in Höhe von bis zu 110 Mio. EUR pro Meilenstein. Bei der 3. Tranche (Wert: 700,2 Mio. EUR) wurden von den 28 Meilensteine bislang 17 Meilensteine abgeschlossen, bei 7 Meilensteinen erfolgt die Umsetzung im Zeitplan, 4 Meilensteinen werden verzögert umgesetzt (Stand Oktober 2023). Nicht zuletzt aufgrund der gegenseitigen Blockade der Koalitionspartner bei zentralen Gesetzesvorhaben, kann die Regierung die von ihnen angekündigten und im Plan verankerten Maßnahmen nicht termingerecht umsetzen. Damit fällt Österreich auch um die ihm aus der Aufbau- und Resilienzfazilität zustehende Zuschüsse um. Es ist zudem nicht klar, wie es mit den im Aufbau- und Resilienzplan verankerten Maßnahmen unter einer neuen Regierungskonstellation weitergeht. 

 

Quellen:

  1. https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVII/UEA/955/imfname_1483404.pdf
  2. https://www.parlament.gv.at/fachinfos/budgetdienst/Budgetvollzug-Jaenner-bis-Juli-2023
  3. https://www.parlament.gv.at/fachinfos/budgetdienst/Budgetvollzug-Jaenner-bis-Oktober-2023
  4. https://www.parlament.gv.at/fachinfos/budgetdienst/Ueberarbeitung-Oesterreichischer-Aufbau-und-Resilienzplan-2020-2026

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Wie hoch sind die im BVA 2024 veranschlagten ARP-Zuschüsse? 
  2. Aus welchen ARP-Tranchen erfolgen diese veranschlagten Zuschüsse?
  3. Wie hoch werden die tatsächlichen ARP-Zuschüsse 2024 aus derzeitiger Sicht voraussichtlich sein? 
  4. Wie ist der Umsetzungsstand der Ziele und Meilensteine der 2. Auszahlungstranche?
    1. Wie viele der im Oktober 2023 noch ausstehenden Maßnahmen wurden seither umgesetzt? Welche sind das?
    2. Wie viele der im Oktober 2023 noch ausstehende Maßnahmen werden noch bis Ende der Legislaturperiode umgesetzt? Welche sind das?
    3. Wie viele der im Oktober 2023 noch ausstehenden Maßnahmen werden bis Ende der Legislaturperiode nicht mehr umgesetzt? Welche sind das?

                                          i.    Warum werden diese nicht mehr umgesetzt?

                                        ii.    Welche (finanziellen) Auswirkungen hat das auf die Auszahlung der 2. Tranche?

    1. Werden die Meilensteine Pensionssplitting, Klima-Check und Grace-Period-Gesetz vor Ende der Legislaturperiode noch umgesetzt?

                                          i.    Welche Konsequenzen hat eine etwaige Nicht-Erfüllung für die die Auszahlung der 2. Tranche? Um wieviel werden die Zuschüsse in diesem Fall gekürzt?

  1. Wie ist der Umsetzungsstand der Ziele und Meilensteine der 3. Auszahlungstranche?
    1. Wie viele der im Oktober 2023 noch ausstehenden Maßnahmen wurden seither umgesetzt? Welche sind das?
    2. Wie viele der im Oktober 2023 noch ausstehende Maßnahmen werden noch bis Ende der Legislaturperiode umgesetzt? Welche sind das?
    3. Wie viele der im Oktober 2023 noch ausstehenden Maßnahmen werden bis Ende der Legislaturperiode nicht mehr umgesetzt? Welche sind das?

                                          i.    Warum werden diese nicht mehr umgesetzt?

                                        ii.    Welche (finanziellen) Auswirkungen hat das auf die Auszahlung der 3. Tranche?

  1. Was passiert, wenn bis Ende der Legislaturperiode nicht all jene Maßnahmen/Meilensteine, deren Umsetzung für diesen Zeitraum geplant wurde (also Tranche 2. und 3.), umgesetzt werden? 
    1. Mit welchen finanziellen Konsequenzen hat Österreich in diesem Fall jeweils zu rechnen?
    2. Bis wann muss der Zahlungsantrag für die jeweiligen gestellt werden, damit diese noch im Jahr 2024 fließen?
    3. Gibt es eine Frist, bis wann etwaige nicht-umgesetzte Meilensteine und Maßnahmen nachgereicht werden können? Wie lange ist diese?

                                          i.    Was passiert, wenn diese Frist nicht eingehalten werden kann? Verfallen dann dann die entsprechenden ARP-Zuschüsse?

    1. Welche Auswirkungen hat eine Nichtumsetzung auf die im Plan ursprünglich angegebenen und modellierten makroökonomischen Auswirkungen?
  1. Was passiert mit den im Aufbau- und Resilienzplan verankerten Reformen und Investitionsvorhaben und Zeitplänen nach Ende der Legislaturperiode?
    1. Ist vorgesehen, dass der ARP unverändert von der nächsten Regierung weitergeführt wird oder muss der ARP überarbeitet werden? 
    2. Wie wird sichergestellt, dass die Reformvorhaben und Investitionen bis 2026 - auch unter einer neuen Regierung - tatsächlich umgesetzt und die EU-Zuschüsse tatsächlich abgeholt werden?
  1. Ist eine Evaluierung des Aufbau- und Resilienzplans geplant?