18311/J XXVII. GP

Eingelangt am 12.04.2024
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Anfrage

der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Bildung‚ Wissenschaft und Forschung

betreffend Ethik- und Religionsunterricht

 

In Österreichs Schulsystem ist Religionsunterricht ein reguläres Fach, das konfessionell ausgerichtet ist und von den jeweiligen religiösen Gemeinschaften gestaltet wird. Schüler:innen ohne religiöses Bekenntnis besuchen keinen Religionsunterricht, Schüler:innen mit religiösem Bekenntnis können sich vom Religionsunterricht der jeweiligen Konfession abmelden. Mit Beschluss des Nationalrates vom 20. November 2020 wurde das Schul-Organisations-Gesetz geändert und in der Sekundarstufe II Ethik als Pflichtgegenstand für alle Schülerinnen und Schüler eingeführt, die keinen Religionsunterricht besuchen. Dieser Pflichtgegenstand Ethik ist derzeit im dritten Schuljahr seines Bestehens

Zum Bedauern der unterzeichneten Abgeordneten ist kein gemeinsamer Ethikunterricht für alle Schülerinnen und Schüler vorgesehen. Ein gemeinsamer Ethikunterricht - im Idealfall ab der Primarstufe - wäre wichtig für die Integration und den Zusammenhalt der Gesellschaft und könnte Kindern und Jugendlichen als Diskurs- und Werteplattform dienen, die das gegenseitige Verständnis und die Identifikation mit unserer demokratischen Gesellschaftsordnung stärkt. 

Auf der Website des BMBWF1 ist über den Ethikunterricht zu lesen: "Der Ethikunterricht ist den grundlegenden Menschen- und Freiheitsrechten verpflichtet. Er zielt auf selbständiges begründetes Argumentieren und Reflektieren in Fragen der Ethik und Moral ab und soll Schülerinnen und Schülern zu gelingender Lebensgestaltung befähigen, ihnen Orientierungshilfen geben und sie zur fundierten Auseinandersetzung mit den Grundfragen des Lebens anleiten. In der Auseinandersetzung mit unterschiedlichen philosophischen, weltanschaulichen, kulturellen und religiösen Traditionen und Menschenbildern soll der Ethikunterricht einen Beitrag zur individuellen Persönlichkeitsentwicklung leisten. Hierbei soll die Bereitschaft gestärkt werden, Verantwortung für das eigene Leben und das Zusammenleben mit anderen in sozialen, ökologischen, ökonomischen, politischen und kulturellen Verhältnissen zu übernehmen."

Aus den Schulen ist zu hören, dass der Ethikunterricht gut angenommen wird, dass es aber sowohl im Ethik- als auch im Religionsunterricht Probleme mit den Gruppengrößen gibt. Beide sind sehr ressourcenintensiv, da durch die Zersplitterung in verschiedene konfessionelle Gruppen und die Ethik-Gruppe viele Kleingruppen zustande kommen, in denen die Personalkosten pro Schüler:in hoch sind. Geklagt wird darüber, dass diese Ressourcen zulasten anderer Fächer (z.B. Teilungen in Fremdsprachen, Wahlpflichtfächer etc.) gehen. 

Anderseits gibt es auch die Beschwerde, z.B. vorgebracht seitens der Bundes-ARGE Ethik, dass der Ethikunterricht bei weniger als zehn Teilnehmer:innen schulübergreifend zusammengelegt werden müsse, was vor allem im ländlichen Raum mit größeren Distanzen zu unzumutbaren Situationen führe oder Schüler:innen vom Ethikunterricht abhalte, um lange Wegstrecken zu vermeiden. Oft entscheiden Schüler:innen nicht nach ihrem Gewissen und ihrem Unterrichtswunsch, sondern nach zeitökonomischen Überlegungen, z.B. um Freistunden am Vormittag und Zusatzstunden am späten Nachmittag zu vermeiden. 

Auch wenn alle Religionsgruppen und die Ethikgruppe am eigenen Standort unterrichtet werden können, führt die Zersplitterung dazu, dass aus räumlichen Gründen oder aufgrund unterschiedlicher Stundenpläne der Klassen eines Jahrgangs die Ethikstunden und die Stunden der verschiedenen Konfessionen nicht zeitgleich, sondern teils an Randzeiten stattfinden. Das läuft dem bei der Einführung des Ethikunterrichts angekündigten Prinzip zuwider, dass es gemeinsame Stunden und Projekte der verschiedenen Gruppen geben soll, um den Austausch und Dialog zu fördern. Bildungsminister Heinz Faßmann sagte damals, der Ethikunterricht sei nicht isoliert sondern würde mit dem Religionsunterricht interagieren, wozu sich auch die Religionsvertreter bekennen würden. Er legte dar, dass in der Stundenplangestaltung Religions- und Ethikunterricht parallel stattfinden sollten, sodass Teamteaching möglich und gefördert werde. Ähnlich äußerten sich die Grünen: In der Schule brauche es einen verbindenden Raum zwischen den verschiedenen Bekenntnissen, für übergreifende Projekte und eine Zusammenarbeit der Lehrkräfte, erklärte die Abgeordnete Sibylle Hamann.2)

1) https://www.bmbwf.gv.at/Themen/schule/schulpraxis/ugbm/ethik.html

2) https://www.parlament.gv.at/aktuelles/pk/jahr_2020/pk1233 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Wie viele Schüler:innen besuchen derzeit in Österreich das Pflichtfach Religion? Bitte um Aufschlüsselung nach Konfessionen, Schularten und Bundesländern. 
  2. Wie viele Schüler:innen besuchen derzeit in Österreich das Pflichtfach Ethik? Bitte um Aufschlüsselung nach Schularten und Bundesländern. 
  3. Wie hoch war die Zahl der Abmeldungen vom Religionsunterricht (in Prozent der Gesamtschüler:innenzahl) in den letzten 10 Schuljahren? Bitte um Aufschlüsselung nach Schularten. 
  4. Wie viele Schulklassen, wie viele Religionsgruppen (aufgeschlüsselt nach Konfessionen) und wie viele Ethikgruppen gibt es derzeit in Österreich? Bitte um Aufschlüsselung nach Schularten.
  5. Wie groß ist die durchschnittliche Anzahl der Schüler:innen in diesen Religionsgruppen (aufgeschlüsselt nach Konfessionen) und Ethikgruppen? Bitte um Aufschlüsselung nach Schularten.
  6. In wieviel Prozent der Fälle finden Ethikunterricht und Religionsunterricht gleichzeitig statt und in wieviel Prozent der Fälle zu unterschiedlichen Zeiten?
    1. Wie sorgen Sie dafür, dass auch in jenen Fällen, in denen Ethikunterricht und Religionsunterricht zu unterschiedlichen Zeiten stattfinden, Austausch und Zusammenarbeit zwischen den Gruppen stattfindet?
  1. Ist es zutreffend, dass seit der Einführung des Pflichtfachs Ethik die Zahl der Abmeldungen vom Religionsunterricht abgenommen hat?
    1. Wenn ja, mit welchen Ressourcen wird der dadurch zusätzlich notwendig gewordene Religionsunterricht bestritten? Müssen die Schulen sie von ihren sonstigen Personalressourcen/Werteinheiten "abzwacken"?
  1. Wie viele Anfänger:innen, Studierende und Absolvent:innen gibt es bisher im Lehramtsstudium Ethik und in den entsprechenden Hochschullehrgängen?
  2. Wie viele Anfänger:innen, Studierende und Absolvent:innen gibt es bisher im Lehramtsstudium Religionspädagogik? Bitte um Aufschlüsselung nach Konfessionen.
  3. Wie viele Lehrkräfte unterrichten aktuell Ethik und wie viele Religion, aufgeschlüsselt nach Konfessionen? Wie haben sich diese Zahlen in den letzten drei Schuljahren entwickelt?
  4. Über welche Ausbildungen verfügen die Lehrkräfte, die derzeit Ethik unterrichten? Bitte um Angaben in Prozent der Lehrkräfte, die Ethik unterrichten. 
  5. Wie beurteilen Sie die aktuelle Implementierung und die Qualität des Ethikunterrichts an österreichischen Schulen?
    1. Gibt es Pläne zur Weiterentwicklung dieses Faches? Wenn ja, welche?
  1. Ist geplant, die Schulen anzuhalten, den Ethikunterricht zukünftig tatsächlich zeitgleich mit dem Religionsunterricht der größten Religionsgesellschaft abzuhalten, um Austausch und Zusammenarbeit zu erleichtern und gleiche zeitliche Attraktivität für die Schüler:innen herzustellen?
    1. Wenn ja, wie?
    2. Wenn nein, warum nicht?
  1. Wie hoch sind im aktuellen Schuljahr die Personalkosten für den Ethikunterricht und für den Religionsunterricht, aufgeschlüsselt nach Konfessionen?
  2. Gibt es Pläne oder Überlegungen, das Pflichtfach Ethik in absehbarer Zeit auch in der Sekundarstufe 1 einzuführen?
    1. Wenn ja, bis wann?
    2. Wenn nein, warum nicht?
  1. Gibt es Pläne oder Überlegungen, das Pflichtfach Ethik in absehbarer Zeit auch in der Primarstufe einzuführen?
    1. Wenn ja, bis wann?
    2. Wenn nein, warum nicht?
  1. Ist geplant, die Einführung und Umsetzung des Pflichtfachs Ethik zu evaluieren?
    1. Wenn ja, in welcher Form und bis wann?
    2. Wenn nein, wieso nicht?