Eingelangt am 17.04.2024
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Anfrage
der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und
Kollegen
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend Unabhängige und verfassungskonforme
Rechtsberatung
Am
16. Mai 2019 wurde das Bundesgesetz über die Errichtung der Bundesagentur
für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen Gesellschaft mit
beschränkter Haftung (BBU-Errichtungsgesetz) - trotz heftiger Kritik im
Begutachtungsverfahren - von ÖVP und FPÖ im Nationalrat beschlossen.
Für die Rechtsberatung ist die BBU seit Januar 2021
zuständig.
Die
Durchführung der Rechtsberatung durch die BBU GmbH umfasst jene vor dem
Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 49 BFA-VG
sowie jene vor dem Bundesverwaltungsgericht gemäß § 52 BFA-VG.
Die BBU GmbH ist jedoch sowohl finanziell als auch organisatorisch und
personell eng mit dem BMI verflochten. Dies ist vor allem im Hinblick darauf
problematisch, dass das BFA dem Bundesminister für Inneres als unmittelbar
nachgeordnete Behörde gegenüber dem BMI weisungsgebunden
ist. Obgleich die BBU seit Aufnahme ihrer Tätigkeit vor allem durch
eine fundierte Rechtsberatung auffiel, bleibt das rechtsstaatliche Risiko
bestehend, dass strukturelle Schwächen in der Zukunft ausgenutzt
werden.
Der
Verfassungsgerichtshof hat daher ein Gesetzprüfungsverfahren
eingeleitet und die gesetzliche Ausgestaltung der Rechtsberatung in der
BBU GmbH auf Verfassungskonformität geprüft. Konkret wurde
geprüft, ob die BBU mit der Weisungsbindung bzw. der Weisungsfreistellung
mit Aufsichtsrecht mit dem Rechtsstaatsprinzip und mit Artikel 47 GRC (Recht
auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht) vereinbar ist.
Der
VfGH kam zum Schluss, dass die Rechtsberatung teilweise verfassungswidrig
bzw. die Unabhängigkeit der Rechtsberatung bloß vertraglich,
aber nicht hinreichend gesetzlich abgesichert ist, wodurch das Recht auf einen
wirksamen Rechtsbehelf verletzt wird. Die entsprechenden Bestimmungen werden
als verfassungswidrig aufgehoben. Bis 1. Juli 2025 hat der Gesetzgeber nun
Zeit, eine gesetzliche Neuregelung vorzunehmen. Die privatrechtsförmige
Gestaltung der BBU GmbH ist hingegen verfassungskonform (1).
Die
strikte Unabhängigkeit des Rechtsbeistandes ist für die
Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes und eines fairen Verfahrens
unabdingbar. Wir NEOS haben seit Errichtung der BBU gefordert, dass die
Unabhängigkeit der Rechtsberatung im Sinne der Rechtsstaatlichkeit
sichergestellt wird (2). In den Anfragebeantwortung zu den NEOS-Anfragen
12615/J, 14521/J und 14522/J stellte sich jedoch heraus, dass entsprechende
Maßnahmen weder geplant noch gesetzt wurden (3). Aufgrund des Urteils des
VfGH stellt sich nun die Frage, welche Neuregelung beabsichtigt ist, um einen
verfassungskonformen Zustand herzustellen und die Unabhängigkeit der
Rechtsberatung zu garantieren.
- https://www.vfgh.gv.at/medien/BBU.php
- https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/A/347
- https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/J/14522; https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/J/14521; https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/J/12165
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
Anfrage:
- Haben Sie bzw. Ihr Ressort seit Einleitung des
VfGH-Verfahrens Maßnahmen gesetzt, um die Unabhängigkeit der
Rechtsberatung sicherzustellen?
- Wenn ja, wann und welche?
- Wenn nein, warum nicht?
- Planen Sie bzw. Ihr Ressort aufgrund der Entscheidung des
VfGH Maßnahmen, um die Unabhängigkeit der Rechtsberatung
sicherzustellen?
- Wenn ja, welche und wann?
- Wenn ja, planen Sie eine Umsetzung in dieser
Legislaturperiode?
- Wenn nein, warum nicht?
- Bereits im Jahr 2021 stellte ein mit Expert:innen
besetzter Qualitätsbeirat fest, dass die Unabhängigkeit der
Rechtsberatung nicht ausreichend garantiert ist und vertrat die Meinung,
dass legistische Maßnahmen angestrebt werden sollten, um eine
unabhängige Rechtsberatung nachhaltig abzusichern: Aus welchen
Gründen wurden - als Antwort auf den Bericht des
Qualitätsbeirats - keine Maßnahmen zur Sicherstellung der
Unabhängigkeit der Rechtsberatung getroffen?
- Welche Position vertreten Sie bzw. Ihr Ressort
hinsichtlich
- der Ausgliederung der Rechtsberatung aus der BBU bzw.
einer kompletten Neuaufstellung der Rechtsberatung?
- einer Gesetzesnovelle zur Sicherung der
Unabhängigkeit der Rechtsberatung?
- der Stärkung und Festigung der Unabhängigkeit
der Rechtsberatung innerhalb des aktuellen gesetzlichen Rahmens?
- Gibt es bereits einen Entwurf zur gesetzlichen
Neuregelung?
- Wenn ja, welchen Inhalts?
- Welche Maßnahmen sind geplant, um die
Weisungsfreiheit der Rechtsberater:innen bzw. des/der
Leiters/Leiterin Rechtsberatung und der BBU vis-à-vis des
Innenministers sicherzustellen?
- Was wird mit dem Rahmenvertrag passieren, in dem bis dato
verankert ist, dass die Geschäftsführung der BBU in
gesellschaftsrechtlicher Hinsicht an Weisungen des/der
Innenministers/Innenministerin, gemeinsam mit der/dem
Justizminister/Justizministerin, gebunden ist?
- Gab es seit Errichtung der BBU je Weisungen an die
Geschäftsführung der BBU?
i. Wenn
ja, wann und welchen Inhalts?
- Welche weiteren Maßnahmen sind konkret geplant
hinsichtlich
- der Stellung der Rechtsberater:innen innerhalb der BBU
GmbH (einschließlich Fragen der Dienst- und Fachaufsicht)?
- des Aufgabenfelds der Rechtsberater:innen
(einschließlich Fragen der Zuweisung und allfälligen Abnahme
von Beratungs- und Vertretungsfällen)?
- einer die Unabhängigkeit sichernde Ausgestaltung des
Dienstverhältnisses sowie einen besonderen Entlassungs- und
Kündigungsschutz?
- Sie, Frau Justizministerin, begrüßten die
Entscheidung des VfGH und sehen das Innenministerium als primär
zuständig, um einen verfassungskonformen Zustand herzustellen (https://www.derstandard.at/story/3000000200784/rechtsberatung-fuer-asylwerber-durch-bbu-laut-vfgh-teils-verfassungswidrig): Waren
Sie bzw. sind Sie bzw. Ihr Ressort seit der Entscheidung des
VfGH mit der Innenminister bzw. Vertreter:innen des Innenministeriums
bezüglich der Sicherstellung der Unabhängigkeit der
Rechtsberatung im Austausch?
- Wenn ja, wann und mit wem?
- Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
- Waren Sie bzw. sind Sie bzw. Ihr Ressort seit der
Entscheidung des VfGH mit der Geschäftsführung der BBU bzw. Vertreter:innen
der BBU bezüglich der Sicherstellung der Unabhängigkeit der
Rechtsberatung im Austausch?
- Wenn ja, wann und mit wem?
- Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
- Mit welchen weiteren Akteuren waren Sie bzw. Ihr
Ressort seit der Entscheidung des VfGH bezüglich der
Sicherstellung der Unabhängigkeit der Rechtsberatung im
Austausch?
- Wann jeweils?
- Mit welchem Ergebnis?
- Wurden seit der Entscheidung des VfGH von Asylwerber:innen
Anträge auf Verfahrenshilfe gestellt?
- Wenn ja, wie viele?
i. In
wie vielen Fällen wurde eine Verfahrenshilfe gewährt, in wie vielen
abgelehnt?