18436/J XXVII. GP

Eingelangt am 24.04.2024
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ANFRAGE

 

des Abgeordneten Christian Hafenecker, MA

an den Bundesminister für Inneres

betreffend Versuchter Brandanschlag auf die ehemalige Unzensuriert-Redaktion

 

 

„Unzensuriert.at“ berichtete am 13. April 2024 über einen Brandanschlag auf seine ehemalige Redaktion:[1]

 

Kurz nach ÖVP-Kampagne im U-Ausschuss: Brandanschlag auf ehemalige Unzensuriert-Redaktion

 

Auf die ehemalige Redaktion von unzensuriert wurde in der Nacht auf Samstag ein Brandanschlag verübt. Zwei bruchsichere Fensterscheiben wurden mit massiver Gewalt mithilfe von Betonsteinen eingeschlagen und danach vor dem Haus eine brennbare Flüssigkeit verschüttet und angezündet. Der Anschlag geschah nur etwas mehr als einen Tag, nachdem die ÖVP im parlamentarischen Untersuchungsausschuss massiv gegen unzensuriert.at gehetzt hatte.

 

Mit Betonsteinen durch bruchsichere Fensterscheiben

Die verstärkten Fensterscheiben hielten der Gewalt zwar nicht völlig stand, verhinderten aber offenbar doch Schlimmeres. Sie zerbrachen nicht vollständig und hinderten die Täter wohl daran, den Brandbeschleuniger ins Innere des Hauses zu schütten und dieses dadurch in Brand zu setzen. Die Flüssigkeit verbrannte schließlich auf dem Gehsteig vor dem Haus.

 

Täter nahmen auch Verletzte und Tote in Kauf

Das Haus im 8. Wiener Gemeindebezirk, in dem auch eine Burschenschaft untergebracht ist, wird von mehreren Personen bewohnt, die in der Nacht durch Zufall allesamt nicht anwesend gewesen sein dürften. Es kann jedoch kein Zweifel daran bestehen, dass die Täter auch bereit waren, Verletzte und gar Tote in Kauf zu nehmen.

 

ÖVP spielte im U-Ausschuss Video vor, das an dieser Adresse gedreht wurde

Unzensuriert.at benutzt die Räumlichkeiten seit etwa zweieinhalb Jahren nicht mehr als Redaktion, doch just im Untersuchungsausschuss wurde auch diese Adresse wieder thematisiert. Denn die ÖVP spielte bei der Einvernahme von Alexander H. – einst Kommunikationschef im Kabinett von Herbert Kickl und früher auch für unzensuriert.at tätig – ein Video vor, das aus einer Reportage des deutschen Privatsenders RTL zusammengeschnitten wurde, für deren Produktion sich eine Reporterin 2017 mit versteckter Kamera bei unzensuriert.at eingeschlichen hatte – just an der Adresse, die nun Schauplatz des Anschlags wurde. Das Video ist zwar nicht mehr online – aus Berichten darüber ist aber mühelos zu recherchieren, dass sich der unzensuriert-Sitz damals an dieser Adresse befand.

 

Massive Hetze von Hanger gegen unzensuriert.at

ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger hatte die Ausstrahlung des Videos bereits in seinem Pressestatement vor Beginn der Sitzung angekündigt. Er behauptete in diesem Zusammenhang, die FPÖ und insbesondere Kickls früherer Kabinettsmitarbeiter würden mit unzensuriert.at die Bevölkerung manipulieren. Schon davor hatte der ÖVP-Politiker unzensuriert in zwei Presseaussendungen als „Fake-News-Plattform“ verunglimpft.

 

Nachdem die Tat von FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker via Presseaussendung bekanntgemacht worden war,[2] äußerte sich die Polizei gegenüber der „Austria Presse Agentur“ wie folgt:[3]

 

Bei der Polizei wurde auf Anfrage der APA ein Einsatz in Wien-Josefstadt bestätigt, es sei eine versuchte Brandstiftung gegen Unbekannt angezeigt worden. Die Beamten vor Ort hätten allerdings keinen Brand wahrgenommen, es eine beschädigte Fensterscheibe, eine zersprungene Glasflasche und ein Ziegelstein vorgefunden worden, so ein Behördensprecher. Man habe vor Ort biologische Spuren sichergestellt.

 

Weiterführende Informationen erhielt der „Kurier“:[4]

 

Polizei-Sprecher Matthias Schuster bestätigte, dass es am Samstag um 1.15 Uhr Früh in Wien-Josefstadt zu einem Polizeieinsatz gekommen sei. Es sei eine versuchte Brandstiftung gegen Unbekannt angezeigt worden. Die Beamten vor Ort hätten allerdings keinen Brand mehr wahrgenommen, eine beschädigte Fensterscheibe, eine zersprungene Glasflasche und ein Ziegelstein seien vorgefunden worden. Man habe vor Ort biologische Spuren sichergestellt. Damit kann man feststellen, ob ein Brandbeschleuniger eingesetzt worden ist. Am Gehsteig vor dem Haus wurden Brandspuren festgestellt.

 

Die Brandermittler der Polizei und zuständige Stellen hätten die Ermittlungen aufgenommen, so Schuster. Auch die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DNS) ist mit an Bord. 

 

 

In diesem Zusammenhang stellt der unterfertigte Abgeordnete an den Bundesminister für Inneres folgende

 

Anfrage

 

1.    Wann und durch wen wurde die Polizei über den Anschlag auf das Gebäude im 8. Wiener Gemeindebezirk, in dem sich bis Ende 2021 die Redaktion des Mediums „unzensuriert.at“ befand, informiert?

2.    Welche konkreten Handlungen setzte die Polizei daraufhin in der Nacht auf 13. April 2024?

3.    Welche Spuren wurden vor Ort gesichert?

4.    Auf welche Weise wurden die Geschädigten informiert?

5.    Welche Informationen liegen der Polizei in Zusammenhang mit den Tatwerkzeugen vor?

6.    Entspricht es den Tatsachen, dass zumindest zwei Betonsteine für die Tatbegehung verwendet wurden?

7.    Entspricht es den Tatsachen, dass die Betonsteine von der Polizei am Tatort zurückgelassen wurden?

a.    Wenn ja, warum wurden die Tatwaffen nicht zur weiteren Untersuchung mitgenommen?

8.    Entspricht es den Tatsachen, dass sich am Tatort auch eine zerbrochene Flasche befand?

9.    Entspricht es den Tatsachen, dass am Gehsteig vor dem betroffenen Haus eine brennbare Flüssigkeit verschüttet wurde?

10. Geht die Polizei davon aus, dass die Täter möglicherweise einen „Molotow-Cocktail“ zum Einsatz bringen wollten?

11. Welche „biologischen Spuren“ wurden festgestellt?

12. Wurde mittlerweile ermittelt, ob Brandbeschleuniger eingesetzt wurde?

13. Welche Brandspuren wurden auf dem Gehsteig festgestellt?

14. Hat die Polizei das auf Fotos erkennbare Bindemittel, das offenbar zum Aufsaugen der Flüssigkeit eingesetzt wurden, ausgebracht?

a.    Wenn nein, wer sonst?

15. Welche Delikte wurden von der Polizei zur Anzeige gebracht?

16. Wurden auch Delikte gegen Leib und Leben zur Anzeige gebracht, zumal das betroffene Haus bewohnt ist und sich nur durch Zufall zum Tatzeitpunkt niemand darin aufhielt?

a.    Wenn nein, warum nicht?

17. Aufgrund welcher Umstände wurde die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) bei den Ermittlungen „an Bord“ genommen?

18. Gehen die zuständigen Ermittler von einem politischen Hintergrund der Täter aus?

a.    Wenn ja, warum und von welchem Hintergrund?

19. Wird die Tat als linksextremistisch motiviert eingestuft und entsprechend statistisch erfasst?

20. Welche Rolle spielt in den Ermittlungen der Umstand, dass das betroffene Haus am 11. April im Zuge einer Sitzung des parlamentarischen Untersuchungsausschusses in einem Video gezeigt wurde, welches die ÖVP-Fraktion als Beweismittel vorlegte?

21. Gehen die Ermittler der Möglichkeit nach, dass es Hinweisgeber aus dem Kreis der beim Untersuchungsausschuss anwesenden Personen an die Täter gegeben haben könnte?

a.    Wenn ja, welche Erkenntnisse liegen dazu vor?

22. Gehen die Ermittler der Möglichkeit nach, dass das Video, für welches die ÖVP-Fraktion vom herstellenden Sender RTL Rechte zur ausschließlichen Vorführung im Untersuchungsausschuss eingeräumt wurden, auch Personen außerhalb des beim U-Ausschuss zur Anwesenheit berechtigten Personenkreis übermittelt worden sein könnte?

a.    Wenn ja, welche Erkenntnisse liegen dazu vor?

23. Welche Erkenntnisse haben die bisherigen Ermittlungen erbracht?

24. Gibt es insbesondere bereits Erkenntnisse zu den Tätern?

25. Gibt es Erkenntnisse, ob es sich um einen oder mehrere Täter gehandelt hat?

26. Gibt es Zeugen des Vorfalls?

a.    Wenn ja, wurden diese Zeugen einvernommen?

b.    Wenn ja, welche Aussagen haben die Zeugen gemacht?

27. Wurde im Zuge der Ermittlungen Videomaterial aus allfälligen Überwachungskameras sichergestellt?

a.    Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

b.    Wenn nein, warum nicht?

28. Wurde mit dem Bundesministerium für Justiz Kontakt aufgenommen, ob sich auf Überwachungskameras der in unmittelbarerer Nähe gelegenen Gerichte (Landesgericht, Bezirksgericht Josefstadt) Videomaterial befindet, das Anhaltspunkte für die Ausforschung der Täter liefern könnte?

a.    Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

b.    Wenn nein, warum nicht?

29. Welche Erkenntnisse leiten Sie aus diesem Anschlag hinsichtlich der von linksextremistischen Gruppierungen oder Einzeltätern ausgehenden Gefahr ab?

30. Sehen sie über den Anschlag hinaus derzeit eine erhöhte Gefahr für Journalisten bzw. Räumlichkeiten von alternativen Medien wie „unzensuriert.at“?

a.    Wenn ja, wie begegnen Sie dieser Gefahr?

b.    Wenn ja, ist diesbezüglich eine Information an potenziell betroffene Journalisten bzw. Medien ergangen?

                                          i.    Wenn nein, warum nicht?

 

 

Sollten einzelne Antworten einer Vertraulichkeit bzw. Geheimhaltung unterliegen, wird ersucht, diese unter Einhaltung des Informationsordnungsgesetzes klassifiziert zu beantworten.



[1] https://unzensuriert.at/255997-kurz-nach-oevp-hetze-im-u-ausschuss-brandanschlag-auf-ehemalige-unzensuriert-redaktion/

[2] https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20240414_OTS0007/fpoe-hafenecker-brandanschlag-nach-oevp-hetze-gegen-unzensuriertat

[3] https://www.vienna.at/anschlag-auf-ehemalige-unzensuriert-at-redaktion-in-wien-fpo-sieht-zusammenhang-mit-ovp/8675653

[4] https://kurier.at/chronik/wien/versuchter-brandanschlag-in-wien-auf-ehemalige-redaktion-unzensuriertat/402857371