18442/J XXVII. GP
Eingelangt am 25.04.2024
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Anfrage
des Abgeordneten David Stögmüller, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Inneres
betreffend Beschaffungen im DSN und die damit verbundenen Firmen: „msg-Plaut GmbH“, „RISE GmbH“ und „EMV-Tectum GmbH“
im Lichte der Enthüllungen der Wochenzeitung Falter vom 23.04.2024 und basierend auf zusätzlich Informationen, erheben sich Fragen bezüglich der Vergabepraktiken und der Sicherheitsüberprüfungen im Zusammenhang mit Verträgen zwischen dem Bundesministerium des Inneren (BMI) und verschiedenen Unternehmungen, insbesondere in Bezug auf die Aufträge zur Beratung und Implementierung von Hochsicherheitsnetzen durch die Unternehmen „msg Plaut Austria GmbH“, „RISE GmbH“ und „EMV-Tectum GmbH“ und deren eventuellen Subunternehmen. Diese Anfragen sind vor dem Hintergrund potenzieller Verbindungen dieser Unternehmen zu Jan Marsalek, einem mutmaßlichen Russen-Spion und zentraler Figur in diversen internationalen Skandalen, besonders relevant. Die Anfragesteller:innen haben bereits am 22.08.2022 eine parlamentarische Anfrage 12036/J eingebracht.
Der Artikel in der Wochenzeitung „Falter“[1] beschreibt detailliert, wie Jan Marsalek versucht hat, durch Netzwerke und Verbindungen innerhalb des österreichischen Sicherheitsapparates Einfluss zu nehmen, speziell durch die Vergabe von staatlichen Aufträgen an vertraute Unternehmen für kritische IT-Infrastrukturen.
Der frühere Wirecard-COO Jan Marsalek pflegte über Jahre enge geschäftliche Beziehungen mit Wolfgang Gattringer, ehemals im Kabinett des Innenministeriums von BM a. D. Strasser und seit 2011 Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Repuco, sowie mit Thomas Grechenig, Chef der RISE GmbH.
Den Anfragsteller:innen liegen umfassende Dokumente vor, die eine enge geschäftliche Verbindung zwischen den Akteuren und Jan Marsalek belegen können.
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Abb.: Ein exemplarischer Auszug der Geschäftsverbindungen der genannten Personen.
Dies umfasst die Bereitstellung von Dienstleistungen, die direkt die nationale Sicherheit betreffen könnten, wie die Entwicklung und Wartung von Hochsicherheitsnetzen, die für die neue Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) von Bedeutung sind.
Die Verträge waren entsprechend interessant, weil bereits seit Jahren diese Verbindung zwischen Gattringer bekannt sind. Auch waren die Verbindungen zwischen RISE GmbH von Thomas Grechenig und Jan Marselk bekannt, er war an mehreren Wirecard-Projekten beteiligt. So hat die RISE GmbH in Indonesien für eine Wirecard-Tochter ab 2016 an Softwareprojekten gearbeitet. Im Herbst 2016 informierte Thomas Grechenig Jan Marsalek unter dem Betreff „Libyen Flüchtlingscamp Issue für einen befreundeten Politiker“ über ein Konzept zur Steuerung von Flüchtlingsbewegungen in dem Land. Wie diese Causa weitergegangen ist, haben wir bereits in vielen Anfragen erläutert. Dennoch wurden Verträge für den Hochsicherheitsapparat unterschrieben.
Nach unseren Recherchen hat die Firma msg Plaut Austria GmbH wurde mit einem Auftrag im Wert von 188.520 Euro betraut, wobei der Zuschlag im August 2021 erfolgte und der Leistungszeitraum von August 2021 bis April 2022 festgelegt wurde.
Des Weiteren erhielt die Firma RISE GmbH einen Auftrag für Beratungs- und Analysetätigkeiten bezüglich Hochsicherheitsnetzen, der mit 109.200 Euro bewertet wurde. Der Auftrag erfolgte im Juli 2021 erteilt. Der Vertrag wurde auf unbestimmte Zeit mit einer Mindestdauer von
fünf Jahren gemäß den BMI-Geschäftsbedingungen abgeschlossen, wobei im BMI-Antrag für das Jahr 2021 ein Budget von 120.000 Euro vorgesehen war.
Zusätzlich wurde ein weiterer Vertrag an die RISE GmbH vergeben für die Umsetzung mehrerer Hochsicherheitsnetze mit einem Volumen von etwa 1.248.000 Euro. Das Angebot für diesen Vertrag wurde Oktober 2021 gemacht und kurz darauf kam auch der Zuschlag. Die Vertragsdauer ist ebenfalls auf unbestimmte Zeit angelegt, für die Projektphasen I und II, wobei Phase II Ende 2022 abgeschlossen sein sollte. Es wurde festgelegt, dass der Vertrag mit der vollständigen Ausschöpfung der Mittel endet.
Die jüngsten Informationen und die historischen Kontexte der Beteiligten werfen Fragen nach der Angemessenheit der Sicherheitsüberprüfungen und der Transparenz der Vergabepraktiken auf. Insbesondere die Rückweisung eines Vertrags durch die neue Leitung der DSN aufgrund von Sicherheitsbedenken, trotz vorheriger Genehmigung durch das BMI, deutet auf eine mögliche Unterminierung der Überprüfungsprozesse hin.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende
1) Welche Unternehmen haben im Rahmen des Projektes „Aufbaues eines Hochsicherheitsnetzwerkes“ und anderer damit verbundener Sicherheitsinitiativen Verträge vom BMI erhalten?
2) Wie hoch waren die Gesamtkosten dieser Verträge und wurden diese Verträge vollständig umgesetzt?
3) Wurden Verträge mit den genannten Unternehmen oder einem ihrer Subunternehmen durch den Leiter der DSN oder eine andere Instanz storniert?
a. Falls ja, bitte um detaillierte Angabe der betroffenen Verträge.
b. Geben Sie bitte an wann diese konkreten Verträge aufgelöst wurden.
4) Welche Kosten sind durch die Stornierung oder Auflösung dieser Verträge entstanden und wer hat diese Kosten getragen?
5) Wurden die angesprochenen Projekte, die aufgrund von Bedenken nicht im DSN umgesetzt wurden, stattdessen in einer anderen, untergeordneten Abteilung des BMI realisiert? Geben Sie bitte an um welche Projekte es sich handelt und in welche Dienststelle diese gekommen sind?
6) Wurden vor der Vergabe der Verträge ausreichende Sicherheitsüberprüfungen durchgeführt, insbesondere im Hinblick auf die Verbindungen der Unternehmensführungen zu Jan Marsalek?
7) Welche Sicherheits- und sonstige Überprüfungen erfolgten vor der Vergabe von Verträgen an juristische Personen durch das BMI oder nachgeordnete Dienststellen, insb. bei kritischer Infrastruktur und sensiblen Bereichen wie dem Staatsschutz und Nachrichtendienst?
8) Liegen Informationen vor, dass Interessenkonflikte oder andere problematische Verbindungen die Vertragsvergabe beeinflusst haben könnten?
9) Wie transparent und nach welchen Kriterien wurden die Verträge an die Unternehmen msg Plaut Austria GmbH, RISE GmbH und EMV-Tectum GmbH vergeben?
10) Nach unseren Informationen wurde das Projekt von GS Mag. Helmut Tomac gezeichnet und auch in Auftrag gegeben. Liegen Ihnen Informationen vor, ob es Gespräche zwischen Herrn GS Mag. Tomac und Herrn Gattringer und Herrn Grechenig zu diesem Projekt gegeben hat?
a. Liegen Ihnen, Ihren Kabinett oder dem Büro des Generalsekretärs Unterlagen, Aktennotizen oder ein Akt im ELAG diesbezüglich vor?
b. Wenn ja, wann waren diese Gespräche/ Treffen und zu welchen Themen hat Herr GS Mag. Tomac diese Personen einzeln oder gemeinsam getroffen?
11) Gibt es Dokumentationen oder Korrespondenzen, die die Entscheidungsprozesse für diese Vergaben belegen und liegen diese Ihnen vollständig vor?
12) Inwiefern wurden die im Rahmen der Verträge zugesagten Leistungen von den Unternehmen erbracht und wie wurde die Qualität und Vollständigkeit dieser Leistungen bewertet?
13) Wie hat das Bundesministerium des Inneren auf etwaige Mängel oder Unregelmäßigkeiten bei der Vertragserfüllung reagiert?
14) Geben Sie alle Verträge die mit den Unternehmen MSG Plaut GmbH, Rise GmbH, EMV-Tectum GmbH, Repuco GmbH seit 01.01.2022 abgeschlossen wurden an. Inkl. Leistungsumfang, Kosten und Vertragsdauer (bzw. Ende der vereinbarten Leistungserbringung)
Sollte eine detaillierte Beantwortung einzelner Fragen aus Geheimhaltungsgründen nicht möglich sein, so wird dennoch um eine Beantwortung mit möglichst hohem Informationsgehalt im Sinne des parlamentarischen Interpellationsrecht ersucht. Allenfalls ersuchen die Abgeordneten um eine Beantwortung in klassifizierter Weise nach dem Bundesgesetz über die Informationsordnung des Nationalrates und des Bundesrates (InfOG).
[1] Der Falter (2024) Agenten: Jan Marsalek, sein Buddy und ein Regierungsauftrag für heikle Software; Eva Konzett von 23.04.2024 abgerufen unter: https://www.falter.at/zeitung/20240423/agenten-jan-marsalek-sein-buddy-und-ein-regierungsauftrag-fuer-heikle-software (abgerufen am 24.04.2024)