18453/J XXVII. GP

Eingelangt am 30.04.2024
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Anfrage

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Wie positioniert sich Österreich zum Digitalen Euro?

 

Im Juni 2023 hat die EU-Kommission einen Vorschlag für eine Verordnung zur Einführung des Digitalen Euro vorgelegt (COM(2023)369). Der Digitale Euro wäre die elektronische Form von Bargeld, die von der EZB ausgegeben wird. Einige Experten äußern Bedenken bezüglich des disruptiven Potenzials des Digitalen Euro. Es wird damit die technische Möglichkeit für sehr unmittelbare Eingriffe der Europäischen Zentralbank in Geldmenge und elektronischen Zahlungsverkehr geschaffen. Technischer Zugriff auf Nutzerdaten ist ebenso Teil des Konzepts. Das birgt Risiken.

WKÖ sieht den Digitalen Euro kritisch

Ein Gutachten vom Juli 2023 im Auftrag der Bundessparte Bank und Versicherung der WKÖ zeigte viele offene Fragen im Zusammenhang mit dem Projekt des Digitalen Euro auf. (1) Die Ökonomen weisen auf erhebliche Kosten für die Etablierung eines neuen Abrechnungssystems hin, da für den Digitalen Euro eine parallele, komplett neue Zahlungsverkehrsinfrastruktur aufgebaut werden müsste. Die Kosten der Kontoeröffnung und -führung müssten von den Geschäftsbanken getragen werden.

Neuere Informationen wiederum deuten darauf hin, dass der Digitale Euro keine eigene Infrastruktur nutzen solle, sondern über bestehende Infrastruktur von Payment Service Providers laufen werde. Auch dieser Lösungsweg wirft Fragen auf, weil nicht alle Mitgliedstaaten mit einem einheitlichen Payment Service Provider arbeiten.

Derzeit arbeiten verschiedene europäische Banken an einem gemeinsamen System, der European Payment Initiative EPI. Ob der Digitale Euro und EPI miteinander verbunden werden können, ist zumindest laut Burkhard Balz von der Deutschen Bundesbank offen. An EPI sind bisher Banken aus Deutschland, den Niederlanden, Belgien, Spanien, Italien und Frankreich beteiligt. Wenn es zu einer Verbindung von EPI und Digitalem Euro kommt, kann das auch Auswirkungen auf österreichische Banken haben.

Kritisch sehen die Gutachter Bofinger und Haas das Fehlen einer verbindlichen oder festgelegten Obergrenze im Verhältnis von Geschäftsbanken und Notenbank für das Halten von Digitalen Euros im Legislativvorschlag der Europäischen Kommission. (2) Die Experten gehen davon aus, dass ohne eine Obergrenze die Gefahr besteht, dass Guthaben über 100.000 Euro die zu Wertspeicher-Zwecken gehalten werden, von den Geschäftsbanken auf die EZB übertragen werden, wodurch die Banken verstärkt als bisher in ihrem Kreditgeschäft von der Refinanzierungspolitik der EZB abhängig werden könnten.

Ungeklärt ist auch die Frage, was es für die kleinteilige österreichische Bankenstruktur für Auswirkungen hätte, wenn viele Bürger 3.000 digitale Euro von ihrem Konto abziehen und in Form von digitalem Bargeld in ihrer Wallet halten. Das würde in Summe einen Entzug von Liquidität für die Banken bedeuten, die nicht zu vernachlässigen wäre. Hier könnten beispielsweise auch Probleme mit den Anforderungen der Basel-Regularien entstehen.

Welches Problem löst der Digitale Euro?

Gemäß dem Gutachten der WKÖ ist das wahrscheinlichste Szenario, dass das Interesse der Bürger am Digitalen Euro äußerst gering sein wird. Er stiftet für die Bürger nämlich keinen Zusatznutzen, weil er nichts kann, was eine Debitkarte oder eine Kreditkarte derzeit nicht könnte. 

Die Kosten der Einführung

Zudem wird darauf hingewiesen, dass die Einführung des Digitalen Euros das Bezahlen im Euroraum nicht billiger, sondern teurer machen könnte. Die Kosten der Einführung und der Infrastruktur muss ja jemand tragen. Selbst wenn die Haushalte keine Kosten tragen und wesentliche Kosten bei den Notenbanken verbleiben, reduziert das die Ausschüttungen der Notenbanken an die jeweiligen Mitgliedsstaaten. Umstritten ist zudem die geplante Verpflichtung der Händler, den digitalen Euro annehmen zu müssen. Für Bargeld ist eine derartige Verpflichtung nicht im selben Ausmaß vorgesehen. (3)

Allein das Auftragsvolumen für die Ausschreibungen der EZB beläuft sich auf 430 Millionen bis 1,2 Milliarden Euro. Hinzu kommen zusätzliche Personalkosten in den Notenbanken für neue Experten. Die deutschen Banken schätzen, dass auf sie ebenfalls zusätzliche Investitionen von einer Milliarde Euro zukämen. (4)

Die finale Entscheidung, ob der Digitale Euro kommt, wird von der Politik getroffen - konkret von Europäischer Kommission im Zusammenspiel mit dem europäischen Parlament und dem europäischen Rat. Es ist daher entscheidend, wie sich Österreichs Finanzministerium derzeit zu einer potentiellen Einführung des Digitalen Euros positioniert, in welcher Form und Tiefe man sich mit Folgen, Nutzen und Risiken eines Digitalen Euros auseinandergesetzt hat und welche Vorbereitungen auf eine Einführung bisher getroffen wurden. 

Einbeziehung der Betroffenen

Bei der Entwicklung des Digitalen Euro hat die EZB die Bankenbranche nicht mit einbezogen. So liegt nun ein Legislativvorschlag der EK vor, der - anders als auf europäischer Ebene sonst üblich - ohne Einbeziehung der Betroffenen entstanden ist. 

 

  1. Der digitale Euro: Nutzen, Kosten und Risiken-Gutachten im Auftrag der WKÖ-https://www.wko.at/oe/bank-versicherung/gutachten-digitaler-euro.pdf
  2. Vorschlag der EK zur Einführung des digitalen Euro: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=CELEX:52023PC0369
  3. https://www.derstandard.at/story/3000000215322/den-digitalen-euro-muessen-haendler-annehmen-normales-bargeld-aber-nicht
  4. https://www.bundesbank.de/de/presse/interviews/-der-digitale-euro-hat-fuer-die-bundesbank-top-prioritaet--919452 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Wie ist der aktuelle Stand der Arbeiten zum Digitalen Euro im BMF?
  2. Welche Vorbereitungen auf eine Einführung des Digitalen Euros wurden im BMF bisher getroffen? Bitte Inhalt und Zeitpunkt der geplanten/umgesetzten Maßnahme angeben.
  3. Wie ist der Zeitplan der Einführung des Digitalen Euros? Bitte um Angabe von Daten und Meilensteinen, sofern schon festgelegt?
    1. Gibt es einen "point of no return", nach dem die Einführung des digitalen Euros unausweichlich ist?
  1. Welche technischen Herausforderungen hat das BMF bei der Einführung des Digitalen Euros identifiziert? 
  2. Ist nach dem Informationsstand des BMF eine eigene Infrastruktur für den Zahlungsverkehr mittels Digitalem Euro vorgesehen oder soll die Infrastruktur bestehender Payment Service Provider dafür genutzt werden?
  3. Wie hoch sind nach den Informationen des BMF die Kosten der Einführung des Digitalen Euros?
    1. Wie setzen sich diese Kosten zusammen?

                                          i.    Kosten der Einführung

                                        ii.    Kosten des laufenden Betriebs

    1. Wie hoch werden die Kosten für die OeNB sein?
    2. Welche zusätzlichen Personalkosten fallen bei der OeNB für Experten rund um die Einführung des Digitalen Euro an?
    3. Wie hoch werden die Kosten für die FMA sein?
    4. Welche zusätzlichen Personalkosten fallen bei der FMA für Experten rund um die Einführung des Digitalen Euro an?
    5. Wie hoch werden die Kosten für die österreichischen Banken sein?
  1. Chancen und Risiken des Digitalen Euros
    1. Chancen

                                          i.    Welche Chancen hätte ein Digitaler Euro aus Sicht des BMFs für den österreichischen Staat?

                                        ii.    Welche Chancen hätte ein Digitaler Euro aus Sicht des BMFs für Endverbraucherinnen und Endverbraucher in Österreich?

                                       iii.    Welche Chancen hätte ein Digitaler Euro aus Sicht des BMFs für die österreichischen Banken und Zahlungsinstitute?

    1. Risiken

                                          i.    Welche Risiken hätte ein Digitaler Euro aus Sicht des BMFs für den österreichischen Staat?

                                        ii.    Welche Risiken hätte ein Digitaler Euro aus Sicht des BMFs für Endverbraucherinnen und Endverbraucher in Österreich?

                                       iii.    Welche Risiken hätte ein Digitaler Euro aus Sicht des BMFs für die österreichischen Banken und Zahlungsinstitute?

                                       iv.    Gab es bereits eine Risikobewertung?

1.    Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

2.    Wenn nein, warum nicht? 

  1. Welche Branchen würden aus Sicht des BMFs am meisten von der Einführung eines Digitalen Euros profitieren?
  2. Welche Branchen zögen aus Sicht des BMFs die meisten Nachteile aus der Einführung eines Digitalen Euros?
  3. Welche Vor-und Nachteile hätte ein Digitaler Euro aus Sicht des BMFs für den Handel?
  4. Wie stellt das BMF sicher, dass die Einführung eines Digitalen Euros die Stabilität der kleinen Regionalbanken nicht gefährdet?
  5. Wie beurteilt das BMF eine mögliche Verbindung des Digitalen Euro mit dem System der European Payment Initiative EPI?
  6. Wie beurteilt das BMF die fehlende Obergrenze für das Halten von Digitalen Euros im Verhältnis von Geschäftsbanken zur Notenbank? 
  7. Annahmepflicht für Händler
    1. Wie steht das BMF zur Verpflichtung für Händler den Digitalen Euro bedingungslos anzunehmen?
    2. Wie steht das BMF zur Verpflichtung für Händler Euro-Bargeld bedingungslos anzunehmen?
  1. Hat die Einführung des digitalen Euros durch die EZB Auswirkungen auf die Architektur der europäische Banken- und Finanzmarktaufsicht? Wenn ja, welche?
  2. Studien:
    1. Hat das BMF Studien zu Folgen, Nutzen, Kosten oder Risiken des Digitalen Euros in Auftrag gegeben?

                                          i.    Wenn ja, wann werden die Ergebnisse präsentiert?

                                        ii.    Wenn ja, wer ist der Auftragnehmer?

                                       iii.    Wenn nein, warum wurden keine Studien ausgeschrieben?

  1. Gab es einen Austausch mit anderen EU Mitgliedstaaten (MS) zum digitalen Euro, seinem Nutzen und den damit verbundenen Chancen und Risiken?
    1. Wenn ja, mit welchen MS und mit welchem Ergebnis? 
  1. Gab es einen Austausch. mit der EK zum digitalen Euro, seinem Nutzen und den damit verbundenen Chancen und Risiken?
  2. Gab es einen Austausch mit anderen Ministerien bezüglich der Wahrung der Privatsphäre und Anonymität bei den geplanten Bezahlvorgängen?
    1. Wenn ja, mit welchen Ministerien und mit welchem Ergebnis? 
    2. Wenn ja, wie viele Termine seit dem Start der Analysephase im Oktober 2021 haben stattgefunden? 
  1. Gab es einen Austausch des BMF mit OeNB und FMA in Hinblick auf die Einführung eines Digitalen Euros? 
    1. Wenn ja, wie viele Termine gab es und mit welchem Ergebnis? 
    2. Welche Aspekte werden kritisch gesehen? 
  1. Gab es einen Austausch des BMF mit anderen Stakeholdern über den Digitalen Euro?
    1. Wenn ja, mit welchen Stakeholdern?  
    2. Welche Aspekte werden kritisch gesehen? 
  1. Welche Position vertritt Österreich als Ergebnis dieser Gespräche bei den Gesprächen mit den restlichen EU-Mitgliedstaaten bezüglich der Einführung des Digitalen Euros? 
    1. Welche EU-Länder sprechen sich für die Einführung des Digitalen Euros aus?
    2. Welche EU-Länder sprechen sich dagegen aus? 
    3. Welche Forderungen stellen Sie seitens Österreichs aktiv in europäischen Gremien in Hinblick auf das Projekt?