18463/J XXVII. GP

Eingelangt am 07.05.2024
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Anfrage

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Illegales Online-Glücksspiel: EU-Rechtsbruch durch Malta und Versagen der Bundesregierung

 

Im Juni 2023 beschloss das maltesische Parlament die sogenannte Bill No. 55. Das Gesetz droht nicht nur die Hoffnungen tausender Opfer von illegalem Online-Glücksspiel zu zerschlagen, sondern rüttelt zugleich auch an den Grundsäulen des EU-Rechts. Es verbietet nämlich sämtlichen maltesischen Gerichten, Urteile anderer EU-Mitgliedsstaaten anzuerkennen oder zu vollstrecken, wenn sich diese gegen ein in Malta lizenziertes Glücksspielunternehmen richten. Das Gesetz wurde vor dem Hintergrund erlassen, dass maltesische Glücksspielunternehmen von zahlreichen Zivilgerichten innerhalb der EU, unter anderem Österreich und Deutschland, zu Zahlungen verurteilt wurden, und zwar, weil sie ihre Tätigkeit rechtswidrig, also ohne nationale Glücksspiellizenzen angeboten haben (1).

An Österreichs Gerichten klagen seit einigen Jahren zahlreiche Spieler:innen und Spielsüchtige gegenüber illegalen Online-Glücksspiel-Anbietern - viele davon mit Firmensitz in Malta - ihre Spielverluste ein. In Österreich darf aufgrund des Glücksspielmonopols nur Win2day Online-Glücksspiel anbieten - alle anderen Anbieter agieren de facto illegal. Aus diesem Grund sind Klagen, mit denen die bei diesen illegalen Anbietern erzielte Spielverluste, nahezu immer erfolgreich - weshalb auf diese Klagen spezialisierte Anwaltsfirmen diese Verfahren auch vorfinanzieren. Die Urteile der österreichischen Gerichte müssen dann von maltesischen Gerichten gegenüber den maltesischen Glücksspielunternehmen vollstreckt werden. Aus Sicht des BMF war das zivilrechtliche Vorgehen von Spieler:innen gegen illegale Onliner in den letzten Jahren so erfolgreich, dass man recht freimütig zugab, es bestünde keine Notwendigkeit von Seiten Österreichs, anderweitig gegen illegales Online-Glücksspiel vorzugehen (so im Finanzausschuss Frühjahr 2023). 

Damit ist es aber anscheinend nun erst mal vorbei: Das nun beschlossene maltesische Gesetz verbietet den maltesischen Gerichten, die von Österreichs Gerichten erlassenen Urteile gegen die maltesischen Glücksspielunternehmen zu vollstrecken. Damit zerschlägt das Gesetz nicht nur die Hoffnungen vieler Spielsüchtiger, ihre an illegale Anbieter verlorenen Einsätze wieder zurückzuerhalten. Es verstößt auch gegen den Grundsatz der EuGVVO 2012 (Brüssel-Ia-VO), wonach EU-Gerichte Urteile anderer EU-Mitgliedsstaaten grundsätzlich anzuerkennen und zu vollstrecken haben. Dieses Gesetz verstößt daher gegen EU-Recht und würde die europäische Rechtsstaatlichkeit vollkommen aushöhlen (2). Schon der Gesetzesvorschlag hat daher die EU-Kommission auf den Plan gerufen, die derzeit den „Gaming Act, Cap. 583“ auf seine Vereinbarkeit mit EU-Recht prüft (3). Die Mühlen in Brüssel mahlen aber langsam. Bis die EU gegen das maltesische Gesetz und die Knebelung der maltesischen Gerichte vorgeht, vergehen womöglich Jahre. Bis dahin können die Urteile womöglich nicht mehr vollstreckt werden, weil die beklagten maltesischen Glücksspielunternehmen in der Zwischenzeit umstrukturiert wurden und nicht mehr greifbar sind (4).

Was aber tun die in Österreich zuständigen Regierungsvertreter:innen gegen diesen eklatanten EU-Rechtsbruch vonseiten Maltas? Die für Österreichs Behörden bequeme Lösung, dass sich die Spieler selbst um ihr Recht gegenüber den illegalen Anbietern kümmern, ist ja nun vorbei.  Ende 2023 trafen daher Österreichs Regierungsvertreter mit jenen Maltas zusammen, um die aktuelle Situation im Glücksspielbereich zu besprechen - Ergebnisse dieses Treffens wurden bisher nicht kommuniziert (5).

Österreichs Regierung versagt beim Vorgehen gegen illegalen Online-Glücksspieler seit Jahren eklatant: Anstatt mit Verwaltungsstrafen und Blocking (DNS-Blocking wurde bereits Februar 2021 angekündigt, aber bis dato nicht umgesetzt) konsequent gegen illegale Anbieter vorzugehen, streift sich der Finanzminister lieber deren im Vergleich zu ihren Gewinnen wohl dürftigen Zahlungen auf Basis einer Selbsteinschätzung (!) ein - und das überhaupt von allen? 

Quellen:

  1. https://www.anwalt.org/malta-ein-neues-gluecksspielgesetz-schuetzt-die-glueckspielbranche/
  2. https://www.anwaltaktuell.at/alte-ausgabe/ausgabe-06-23/wie-malta-den-%C3%B6sterreichischen-rechtsstaat-br%C3%BCskiert/
  3. https://igamingbusiness.com/legal-compliance/european-commission-to-scrutinise-malta-gaming-bill/ (https://igamingbusiness.com/legal-compliance/european-commission-to-scrutinise-malta-gaming-bill/
  4. https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/E-9-2023-001722-ASW_EN.html UND https://www.quotenmeter.de/n/145315/maltas-neues-gluecksspielgesetz-stellt-die-eu-auf-den-kopf
  5. https://tvmnews.mt/en/news/malta-and-austria-to-continue-discussions-in-the-field-of-gaming/

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Ist dem BMF das im Juni beschlossene maltesische Gesetz Bill No. 55 bekannt?
  2. Fand in diesem Zusammenhang bereits ein Austausch, bzw. eine Kontaktaufnahme mit anderen Ressorts statt und wenn ja, wann, mit welchen und mit welchem Ergebnis?
    1. Falls ja, wann und mit welchem Ergebnis?
    2. Falls nein, warum nicht?
    3. Falls nein, ist eine Kontaktaufnahme geplant und wenn ja, wann?
  1. Erfolgte in diesem Zusammenhang bereits eine Aussprache oder Kontaktaufnahme mit den maltesischen Behörden oder der diplomatischen Vertretung in Österreich?
    1. Falls ja, wann und mit welchem Ergebnis?
    2. Falls nein, warum nicht?
    3. Falls nein, ist eine Kontaktaufnahme geplant und wenn ja, wann?
  1. Fand in diesem Zusammenhang bereits ein Austausch, bzw. eine Kontaktaufnahme mit der Europäischen Kommission statt?
    1. Falls ja, wann und mit welchem Ergebnis?
    2. Falls nein, warum nicht?
    3. Falls nein, ist eine Kontaktaufnahme geplant und wenn ja, wann?
  1. Fand in diesem Zusammenhang bereits ein Austausch, bzw. eine Kontaktaufnahme mit Vertretern von geschädigten Spieler:innen oder Spielerschutzvereinen statt - falls ja, wann und mit welchem Ergebnis?
    1. Falls ja, wann und mit welchem Ergebnis?
    2. Falls nein, warum nicht?
    3. Falls nein, ist eine Kontaktaufnahme geplant und wenn ja, wann?
  1. Welche sonstigen Schritte wurden von Ihrem Ressort im Zusammenhang mit dieser Angelegenheit zu setzen?
  2. Welche weiteren Schritte plant Ihr Ressort im Zusammenhang mit dieser Angelegenheit zu setzen?
  3. Welche Auswirkungen hat das neue maltesische Gesetz auf das Vorgehen der österreichischen Behörden gegen illegales Online-Glücksspiel?
  4. Welche Maßnahmen hat das BMF 2023 und 2024 gegen illegale Anbieter von Online-Glücksspiel am österreichischen Markt gesetzt?
  5. Welche Maßnahmen plant das BMF im Hinblick auf illegales Online-Glücksspiel bis zum Ende der Legislaturperiode umzusetzen?
  6. Welche der im Februar 2021 im Rahmen des Ministerratsvortrags 49/13 angekündigten Maßnahmen im Zusammenhang mit einer Glücksspielreform könnten auch ohne gesetzlichen Beschluss, nur von Seiten Ihres Ressorts umgesetzt werden? 
    1. Welche von diesen Maßnahmen werden Sie noch bis zum Ende der Legislaturperiode umsetzen?
  1. Wie viele Online-Glücksspielanbieter stellen ihre Dienste dem österreichischen Markt illegal zur Verfügung, wie hoch sind deren erzielten Spielerlöse, und wie hoch wird deren Marktanteil geschätzt?
    1. Wie viele davon sind mit den österreichischen Steuerbehörden in Kontakt und zahlen regelmäßig Steuern und Abgaben?
  1. Wie hoch waren die Steuereinnahmen aus Glücksspiel im Zeitraum 2020-2024?  Bitte um Aufschlüsselung nach Jahr, Rechtsgrundlage der Steuer/Abgabe, Anzahl der Steuersubjekte und Sitz der Steuersubjekte (sofern nicht in Österreich).
  2. Wie hoch waren die Steuereinnahmen aus den legalen Online-Glücksspiel im Zeitraum 2020-2024?  Bitte um Aufschlüsselung nach Jahr, Rechtsgrundlage der Steuer/Abgabe).
  3. Wie hoch waren die Steuereinnahmen aus dem illegalen Online-Glücksspiel im Zeitraum 2020-2024? Bitte um Aufschlüsselung nach Jahr, Rechtsgrundlage der Steuer/Abgabe, Anzahl der Steuersubjekte und Sitz der Steuersubjekte (sofern nicht in Österreich).
  4. Nach welcher Grundlage wird der Betrag der zu zahlenden Steuern und Abgaben durch diese Anbieter berechnet?
  5. Wie überprüft das Finanzamt die Einkünfte, Selbstberechnungen und Erklärungen der illegalen Betreiber:innen?
    1. Prüft das Finanzamt alle Anbieter, eine Stichprobe oder nur auf Verdacht?
    2. Wie viele Prüfungen nach § 147 BAO haben in den Jahren 2020-24 stattgefunden?
    3. In wie vielen Fällen erfolgten Zwangsstrafen gem. § 111 BAO?
    4. In wie vielen Fällen erfolgte eine Schätzung gem. §184 BAO?
    5. In wie vielen Fällen kam es 2020-24 nach einer Prüfung zu einem Rechtsmittelverfahren?