18495/J XXVII. GP

Eingelangt am 15.05.2024
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Anfrage

 

des Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried,

Kolleginnen und Kollegen

 

an die Bundesministerin für EU und Verfassung

 

betreffend Umsetzung von EU-Richtlinien – Sonntagsreden vs. Realität

 

Am 9. Juni 2024 wählt Europa die Mitglieder zum Europäischen Parlament, der Wahlkampf spitzt sich gegenwärtig dem Höhepunkt zu. Die Vertreter der beiden Regierungsfraktionen überschlagen sich in Aussagen, wie bedeutsam die Europäische Union insgesamt und insbesondere für Österreich sei.

 

Soweit die Sonntagsreden, was ist aber die Realität, die die türkis-grüne Bundesregierung auszeichnet? Ein Beispiel: Am 24.12.2020 ist die Verbandsklagen-Richtlinie in Kraft getreten und hätte bis zum 25.12.2022 in nationales Recht umgesetzt werden müssen. Ziel der Verbandsklagen-Richtlinie ist eine grundlegende Reform des kollektiven Rechtsschutzes auf europäischer Ebene. Anerkannten Verbraucherschutzorganisationen soll ermöglicht werden, bei Verstößen von Unternehmen, die eine große Zahl von Verbrauchern schädigen, die Ansprüche von betroffenen Verbrauchern stellvertretend für diese in einer Klage geltend zu machen. Erfasst werden Verstöße gegen verbraucherschützende Vorschriften aus zahlreichen Rechtsgebieten, zu denen neben dem Verbraucherschutzrecht auch Bereiche wie Datenschutz, Finanzdienstleistungen, Reiseverkehr und Tourismus sowie Energie und Telekommunikation gehören. Bei Erfolg der Verbandsklage sollen die Verbraucher ihre Leistungen, zum Beispiel Schadenersatz, direkt von Unternehmen erhalten, ohne einen weiteren Prozess führen zu müssen.

 

Wenn die Vertreter*innen der ÖVP und der Grünen in der Bundesregierung, wie sie vorgeben, der EU eine bedeutsame Rolle zumessen, wäre es selbstverständlich gewesen, die Umsetzung der Richtlinie so rechtzeitig zu machen, dass die Österreicherinnen und Österreicher diese Möglichkeit zur besseren Rechtsdurchsetzung bereits mit 25.12.2022 erhalten hätten. Doch bis heute wurde diese Umsetzung noch nicht durch den Gesetzgeber beschlossen, da die Bundesregierung bis heute keine Vorlage dem Nationalrat zugeleitet hat. Die Österreicherinnen und Österreicher werden also gezielt durch die Bundesregierung nunmehr seit mehr als 500 Tagen in ihren Rechten als Konsument*innen geschädigt und dies in einer für Verbraucher*innen schwierigen und fordernden Zeit, in welcher die Möglichkeit von Verbandsklagen äußerst wichtig gewesen wäre. Man denke nur an die steigenden Energiepreise und die damit zusammenhängenden undurchsichtigen Vertragsänderungen. Die Konsumentinnen und Konsumenten wurden also von der Regierung alleine und im Stich gelassen und dadurch grob geschädigt. Und die Verbandsklagen-Richtlinie ist nur ein Beispiel von vielen.

 

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgende

 

Anfrage:

 

1. Wie viele Richtlinien hat die EU seit 1.1.2020 beschlossen, die durch gesetzliches Maßnahmen in nationales Recht umzusetzen waren bzw. sind?

 

2. Bei wie vielen Richtlinien wurden die notwendigen gesetzlichen Maßnahmen im Bundesgesetzblatt veröffentlicht, bevor die Frist für die Umsetzung abgelaufen sind?

 

3. Wie viele Richtlinien wurden nicht rechtzeitig umgesetzt und zu welcher durchschnittlichen Verzögerung kam es zwischen Ablauf der Frist und Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt?

 

4. Welche Ressorts hatten die längsten Verzögerungen zwischen Fristende und Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt bei Richtlinien, für deren Umsetzung sie federführend waren?

 

5. Bei wie vielen Richtlinien, die noch nicht umgesetzt wurden, läuft die offene Frist und bei wie vielen wurde die Frist schon überschritten?

 

6. Bei welchen Richtlinien ist die notwendige gesetzliche Umsetzung gegenwärtig noch offen, welche Frist sieht die Richtlinie jeweils für die Umsetzung vor und wer ist jeweils das federführende Ressort?

 

7. Wann haben Sie einen Entwurf zur Umsetzung der Verbandsklagen-Richtlinie aus dem zuständigen Ressort erhalten und in welcher Regierungssitzung plant die Bundesregierung den Beschluss einer diesbezüglichen Regierungsvorlage?

 

8. Was unternehmen Sie als Europaministerin konkret, um eine fristgerechte Umsetzung von EU-Richtlinien zu fördern und dadurch die Republik Österreich vor Schaden auch in finanzieller Hinsicht zu schützen?