18701/J XXVII. GP

Eingelangt am 17.05.2024
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend Folgeanfrage: Reaktionen auf Sonderbericht der Volksanwaltschaft zu Terrornacht?

 

Der Sonderbericht der Volksanwaltschaft zum Terroranschlag in Wien vom 2. November 2020 kam unter erschwerten Bedingungen zustande, da laut Volksanwaltschaft das Innenministerium die Untersuchungen aufgrund von vermeintlichen Rechtsirrtümern über Aktenlieferungen und in Antworten verzögerte.

Der Sonderbericht war letztlich umfassend und deckte schwerwiegende Mängel auf. Besonders alarmierend ist die konstatierte fehlende Kommunikation zwischen den Sicherheitsbehörden, die dazu führte, dass die Staatsanwaltschaft nicht über den Munitionskaufversuch des Attentäters informiert wurde. Der Sonderbericht attestiert weiters "Rechtsunsicherheit", bedingt durch die Trennung der neuen Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) in die Bereiche Nachrichtendienst und Staatsschutz. Im Detail ortet die Volksanwaltschaft dringenden gesetzlichen Klärungsbedarf hinsichtlich der Frage, ob "auch im Zuge des Nachrichtendienstes gewonnene Erkenntnisse bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen an die StA berichtet werden" müssen.1 

Der Sonderbericht übt auch Kritik am Ermittlungsverfahren durch das Bundesamt für Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK): im Zuge der Vernehmungen sei nicht ausreichend auf die Aufklärung hingearbeitet worden, wer über die von Europol Slowakei übermittelten Informationen zu welchem Zeitpunkt Kenntnis hatte, Ähnliches gilt für die Observation des „Islamistentreffens“ im Juli 2020. Die Volksanwaltschaft ortet einen Verwaltungsmissstand im Sinne des Art. 148a B-VG und verlangt konsequente disziplinarrechtliche Maßnahmen.

Am 20. Februar 2023 stellten wir eine Anfrage betreffend die Konsequenzen des Sonderberichts der Volksanwaltschaft an das Bundesministerium für Inneres (14182/J), die jedoch in weiten Teilen nicht, oder nur unzureichend, beantwortet wurde. Der Sonderbericht der Volksanwaltschaft hat aber akribisch Missstände aufgezeigt, deren Beseitigung äußerst wichtig für die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit ist.

 

 

Quellen:

1.     Pressekonferenz Sonderbericht zum Terroranschlag 2020 https://volksanwaltschaft.gv.at/downloads/chi4p/Presseunterlage%20Sonderbericht%20Terroranschlag%2018.01.2023.01



Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Die Volksanwaltschaft attestierte eine Verletzung der Kooperationspflicht des BMI gegenüber der Volksanwaltschaft gemäß Art 148b B-VG im Prüfverfahren. Durch welche wann gesetzten Handlungen durch welche Behörde des BMI kam es dazu?
  2. Gab es Konsequenzen aufgrund der Verletzung der Kooperationspflicht (Schulungen, Rundschreiben, ...)? Bitte um chronologische Auflistung der gesetzten Maßnahmen.
  3. Gab es dienstrechtliche Konsequenzen aufgrund der Verletzung der Kooperationspflicht?
    1. Wenn ja, wann welche?
  1. Welche Maßnahmen wurden bzw. werden wann in Ihrem Ressort ergriffen, um in Zukunft die Kooperation mit der Volksanwaltschaft zu verbessern?
  2. Laut des Sonderberichts langte am 27.7.2020 ein Europol-Bericht samt Fotos beim BVT ein, der vom versuchten Waffenkauf des Attentäters berichtete, das BVT leitete diese Informationen aber erst am 25.8.2020 an das LVT Wien weiter. Welche Abteilung war für die Weiterleitung zuständig?
    1. Wieso wurden die Informationen erst einen Monat nach Einlangen weitergeleitet?
    2. Welche Maßnahmen wurden bzw. werden wann getroffen, damit eine solche Weiterleitung in Zukunft rascher erfolgt?
  1. Laut des Sonderberichts urgierte in der zweiten Septemberhälfte 2020 "die Systemkoordinatorin beim LVT Wien dreimal die Aufnahme der slowakischen Information in die RADAR-iTE-Bewertung des K.F.,
    was die aus ihrer Sicht bestehende Dringlichkeit deutlich zeigt". Laut der Volksanwaltschaft hätte das BVT nachdrücklicher auf eine rasche Veranlassung dringen und Beschleunigungsmöglichkeiten nützen müssen. Auf welche Weise erfolgte das Urgieren durch das LVT Wien wann?
    1. In welchen zeitlichen Abständen wurde urgiert?
    2. Wieso wurde nicht von den auf Seite 22 des Sonderberichts angeführten Beschleunigungsmöglichkeiten Gebrauch gemacht?
    3. Welche Maßnahmen wurden bzw. werden wann getroffen, um in Zukunft in ähnlich gelagerten Fällen auf eine raschere Veranlassung zu drängen?
  1. Laut des Sonderberichts führte - neben anderen Faktoren - auch ein Rechtsirrtum dazu, dass die Staatsanwaltschaft nicht informiert wurde, denn entgegen der damaligen Ansicht der verantwortlichen Stellen im BMI kriminalisieren §§ 278a und 278b Abs. 2 StGB bereits Vorbereitungshandlungen- und damit wäre auch eine Berichterstattung gemäß § 100 Abs 1 und 2 STPO an die StA möglich und geboten gewesen. Welche Abteilung wäre für die Weiterleitung zuständig gewesen?
    1. Gab es Konsequenzen für diesen Rechtsirrtum (Schulungen, Rundschreiben, ...)?

                                          i.    Wenn ja, bitte um chronologische Auflistung der gesetzten Maßnahmen.

                                        ii.    Wenn nein, warum nicht?

    1. Welche Maßnahmen wurden bzw. werden wann gesetzt, um solche Rechtsirrtümer in Zukunft zu vermeiden?
    2. Gab es für diesen Rechtsirrtum dienstrechtliche Konsequenzen?
  1. Informationen, welche die DSN von Partnerdiensten erhält, können oft nicht unter Wahrung des Quellenschutzes gerichtlich verwertet werden. In Deutschland besteht die Möglichkeit für Sicherheitsbehörden wie Kriminalämter oder Nachrichtendienste, Informationen von Partnerdiensten mithilfe eines „Behördenzeugnis“ an die Staatsanwaltschaften zu übermitteln und sie auf diesem Weg gerichtlich verwertbar zu machen und gleichzeitig den Quellenschutz zu wahren. In der Anfragebeantwortung 13739/AB wurde auf den Austausch zwischen dem BMI und dem BMJ hinsichtlich einer Überarbeitung des Staats- und Nachrichtenschutzgesetzes bzgl. der gerichtlichen Verarbeitung nachrichtendienstlich gewonnener Informationen verwiesen. Zu welchen Ergebnissen führte dieser Austausch? 
    1. Ist eine Überarbeitung des Staats- und Nachrichtenschutzgesetzes, der Strafprozessordnung, und etwaiger anderer Gesetze geplant, um sicherzustellen, dass auch nachrichtendienstlich gewonnene Informationen an die Justiz gemeldet werden können? 

                                          i.    Falls ja, welche konkreten legistischen Änderungen sind bis zu welchem Zeitpunkt geplant?

1.    Fanden diesbezüglich Gespräche innerhalb Ihres Ressorts statt?

a.    Falls ja, wer war wann daran beteiligt und was war der konkrete Gesprächsinhalt?

2.    Fanden diesbezüglich Gespräche mit anderen Ressorts statt?

a.    Falls ja, wer war wann daran beteiligt und was war der konkrete Gesprächsinhalt?

                                                                                          i.    Welche Position nahm das BMI jeweils ein?

                                        ii.    Falls nein, warum erachtetet das BMI legistische Änderungen als nicht notwendig?

    1. Fanden Gespräche des BMI mit Ressorts aus anderen Staaten statt bzgl. der gerichtlichen Verwertung nachrichtendienstlich gewonnener Informationen statt?

                                          i.    Falls ja, welche Erkenntnisse konnten gewonnen werden?

  1. In der Anfragebeantwortung 13739/AB wurde darauf verwiesen, dass die Ermittlungen gegen zwei Bedienstete des LVT Wien wegen des Verdachts des Missbrauchs der Amtsgewalt gemäß § 190 StPO eingestellt wurden. Wurde die Einstellungsbegründung gemäß § 35a StAG veröffentlicht?
    1. Falls ja, wann?
    2. Falls nein, warum nicht? 
  1. In der Anfragebeantwortung 13739/AB wurde als Konsequenz auf den Sonderbericht der Volksanwaltschaft auf die zum damaligen Zeitpunkt erneut stattfindende Prüfung der dargelegten Sachverhalte im disziplinarrechtlichen Kontext verwiesen. In welchem Zeitraum erfolgte die Prüfung, ist diese bereits abgeschlossen und welche konkreten Ergebnisse lieferte sie bis zum Tag der Anfrage?
    1. Wie viele Disziplinarverfahren wurden in Zusammenhang mit den im Sonderbericht erhobenen Vorwürfen bis zum Tag der Anfrage eingeleitet?
    2. Welche Dienstpflichtverletzungen wurden jeweils wann vorgeworfen?
    3. Wie viele dieser Disziplinaranzeigen führten jeweils wann zu einer Verurteilung der Beamt:innen?
    4. Wie viele der Verfahren wurden wann eingestellt?
    5. Falls keine Disziplinarverfahren eingeleitet wurden, wieso nicht?
  1. Welche anderen Maßnahmen wurden als Reaktion auf die im Sonderbericht festgestellten Verwaltungsmissstände wann durch wen getroffen?
  2. In der Anfragebeantwortung 13739/AB wurde als Reaktion auf den Sonderbericht der Volksanwaltschaft auf geplante Aus- und Fortbildungen von Bediensteten, rechtlichen Schulungen, ein umfassendes Wissensmanagement und eine Stärkung der Fachkompetenz zu Analyse und IT-Ermittlungen verwiesen. Welche konkreten Maßnahmen wurden diesbezüglich bis zum Tag der Anfrage gesetzt?
    1. Wurden bereits Aus- und Fortbildungen abgehalten?

                                          i.    Falls ja, in welchem Zeitraum, zu welchen Themen und wie viele Mitarbeiter:innen haben jeweils daran teilgenommen?

                                        ii.    Falls nein, warum nicht?

    1. Wurden bereits rechtliche Schulungen abgehalten?

                                          i.    Falls ja, in welchem Zeitraum, zu welchen Themen und wie viele Mitarbeiter:innen haben jeweils daran teilgenommen?

                                        ii.    Falls nein, warum nicht?

    1. Wurden bereits Maßnahmen zum Wissensmanagement bezüglich interner Dienstanweisungen und Richtlinien gesetzt?

                                          i.    Falls ja, welche konkreten Maßnahmen wurden in welchem Zeitraum und zu welchen Dienstanweisungen und Richtlinien gesetzt?

                                        ii.    Falls nein, warum nicht?

    1. Wurden bereits Schulungen zu Analyse und IT-Ermittlungen abgehalten?

                                          i.    Falls ja, in welchem Zeitraum, zu welchen Themen und wie viele Mitarbeiter:innen haben jeweils daran teilgenommen?

                                        ii.    Falls nein, warum nicht?

    1. Wurden bereits Maßnahmen gesetzt, um den internen und externen Informationsaustausch weiter zu intensivieren?

                                          i.    Falls ja, welche konkreten Maßnahmen wurden in welchem Zeitraum jeweils zum internen als auch externen Informationsaustausch gesetzt?

                                        ii.    Falls nein, warum nicht?

    1. Welche weiteren Aus- und Fortbildungen, rechtliche Schulungen, Maßnahmen zum Wissensmanagement, Schulungen zu Analyse und IT-Ermittlungen sowie Maßnahmen zum internen und externen Informationsaustausch sind für die Zukunft geplant?