Eingelangt am 29.05.2024
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Anfrage
der Abgeordneten Dr. Stephanie
Krisper, Kolleginnen und Kollegen
an den Bundesminister für
Inneres
betreffend Arbeitspflicht
für Asylwerber:innen?
Laut Medienberichten wurde in den letzten Monaten, u.a. im
Rahmen der letzten Landesflüchtlingsreferent:innen Konferenz am 7.
Dezember, immer wieder die Einführung einer Arbeitspflicht für
Asylwerber:innen diskutiert. Seitens des Innenministeriums heißt es,
"die Prüfung der rechtlichen Umsetzbarkeit sei positiv
ausgefallen", es bestünden "Möglichkeiten, beispielsweise
das Taschengeld oder auch Sachleistungen zu kürzen", sollten die
Betroffenen keine Dienste leisten wollen.1
Ob es tatsächlich ein konkretes Konzept gibt, ist
unklar. Rein rechtlich gesehen, wäre eine Arbeitspflicht für
Asylwerber:innen mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK)
jedenfalls unvereinbar - Art. 4 Abs. 2 besagt klar: "Niemand darf
gezwungen werden, Zwangs- oder Pflichtarbeit zu verrichten". Des weiteren
enthält die EU-Aufnahmerichtlinie (2013/33/EU) einen Katalog an
Mindestnormen für die Aufnahme von Asylsuchenden in den
EU-Mitgliedstaaten, von Vorgaben zur medizinischen Grundversorgung über
Unterbringung bis hin zum Zugang zu Bildung und Beschäftigung. Angesichts
der Tatsache, dass Asylwerber:innen neben einer Unterbringung und Verpflegung
lediglich 40€ Taschengeld im Monat bekommen, wurden Kürzungen von
Taschengeld oder Sachleistungen mit hoher Wahrscheinlichkeit auch gegen die
EU-Aufnahmerichtlinie verstoßen.
Das größte Paradoxon, das sich hinter dem
Vorschlag einer solchen Arbeitspflicht verbirgt, ist jedoch, dass die
Arbeitsaufnahme von Asylsuchenden über die letzten 20 Jahre stets
gehindert wurde. Zuerst per Bartensteinerlass, der außer für
Saisonarbeit ein de facto Arbeitsverbot für Asylwerber:innen darstellte.
Dann - nachdem der VfGH den Bartensteinerlass für rechtswidrig
erklärte - durch andere restriktive Regeln, die weiterhin Hürden
darstellen, wie die Notwendigkeit einer Beschäftigungsbewilligung mit
Ersatzkräfteverfahren oder komplizierte Zuverdienstmodelle. In den ersten
drei Monaten des Asylverfahrens dürfen Asylwerber:innen laut
Ausländerbeschäftigungsgesetz gar nicht arbeiten.
Neben diesen zahlreichen bürokratischen Hürden
belegen auch sämtliche Studien, dass Geflüchtete am Arbeitsmarkt
benachteiligt sind: Gründe dafür sind u.a. die strengen Zugangsbeschränkungen
für Asylsuchende zum Arbeitsmarkt, die mangelnden Anerkennungen von
Bildungsabschlüssen und auch mangelnde Deutschkenntnisse. Sinnvoll
wären dementsprechend schnelle und effiziente Asylverfahren, und - gerade
für jene Personen mit einer hohen Anerkennungswahrscheinlichkeit -
umfassende Maßnahmen für eine Integration ab Tag 1.3
- https://www.derstandard.at/story/3000000198657/laender-beraten-ueber-moegliche-arbeitspflicht-fuer-asylwerber
- https://wien.orf.at/stories/3236183/;
https://volksgruppen.orf.at/diversitaet/stories/3236216/
- https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/A/3392
Die unterfertigten Abgeordneten
stellen daher folgende
Anfrage:
- Wie lautet Ihr Konzept für die
Arbeitspflicht von Asylwerber:innen?
- Gibt es hinsichtlich der etwaige
Einführung einer Arbeitspflicht für Asylwerber:innen eine
ressortübergreifende Einigung?
- Wurde das Konzept für eine
Arbeitspflicht von Asylwerber:innen mit den anderen zuständigen
Ressorts akkordiert, etwa
i. mit dem Bundesminister für Arbeit und
Wirtschaft?
1.
Wenn ja, wann und inwiefern?
2.
Wenn nein, warum nicht?
ii. mit der Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend
und Integration?
1.
Wenn ja, wann und inwiefern?
2.
Wenn nein, warum nicht?
- Sollte es keine Einigung geben: Wieso
werden Maßnahmen verkündet, die nicht ressortübergreifend
abgestimmt sind?
- Gibt es hinsichtlich der etwaige
Einführung einer Arbeitspflicht für Asylwerber:innen eine
Einigung mit allen Bundesländern?
- Wenn nein, mit welchen gibt es eine
Einigung und mit welchen nicht?
- Sollte es keine Einigung geben: Wieso
werden Maßnahmen verkündet, die noch nicht abgestimmt
sind?
- Inwiefern prüfte Ihr Ressort die
rechtliche Umsetzbarkeit einer Einführung einer Arbeitspflicht
für Asylwerber:innen?
- Welche Stelle war hierfür
zuständig?
- Wann?
- Mit welchem Ergebnis? Bitte um
Übermittlung der vollständigen Ergebnisse der
Prüfung.
- Wurde die Expertise von anerkannten
externen Expert:innen im Bereich internationales
Recht/Menschenrechte/Asylrecht eingeholt?
i. Wenn ja, von wem?
ii. Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Bitte um Übermittlung
der vollständigen Ergebnisse der Prüfung.
iii. Wenn nein, warum nicht?
- Inwiefern unterscheidet sich eine
Arbeitspflicht für Asylwerber:innen von Zwangsarbeit? Bitte um
konkrete Erläuterung.
- Inwiefern prüfte Ihr Ressort die
Möglichkeiten von Kürzungen von Sachleistungen für den
Fall, dass Asylsuchende der Arbeitspflicht nicht nachgehen?
- Welche Stelle war hierfür
zuständig?
- Wann?
- Mit welchem Ergebnis? Bitte um
Übermittlung der vollständigen Ergebnisse der Prüfung.
- Welche Sanktionsmöglichkeiten
sind konkret vorgesehen? Welche Sachleistungen sollen inwiefern
gekürzt werden?
i. Ist die Möglichkeit eines Verlustes der
Unterkunft/Unterbringung vorgesehen?
ii. Ist die Möglichkeit einer Kürzung der Verpflegung
vorgesehen (Essen, Kleidung usw.)?
iii. Ist die Möglichkeit einer Beschränkung der
medizinischen Versorgung vorgesehen?
- Inwiefern ist dies mit dem Katalog an
Mindestnormen zur Aufnahme von Asylsuchenden vereinbar?
- Wie soll die Arbeitspflicht von
Asylwerber:innen umgesetzt werden?
- Wer bzw. welche Stelle wird für
die Umsetzung zuständig sein?
- Wann ist eine Umsetzung
geplant?
- Welche Art von Arbeit soll im Rahmen
der Arbeitspflicht geleistet werden?
- In welchem Stundenausmaß?
- Wie viele Stellen gibt es, wie viele
sollen hierfür geschaffen werden?
- Welche Entlohnung ist vorgesehen und
wie soll Lohndumping vermieden werden?
- Welches
Beschäftigungsverhältnis werden die Betroffenen haben?
- Soll die Arbeitspflicht auch für
Asylwerber:innen, die weniger als drei Monate zum Verfahren zugelassen
sind, eingeführt werden?
i. Steht hierfür eine Novellierung des
Ausländerbeschäftigungsgesetzes in Aussicht? Wann?
- Inwiefern wurden Frage 8 und Frage
8.a. bis 8.f. mit dem Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft
akkordiert?
i. Gab es einen diesbezüglichen Austausch?
1.
Wann?
2.
Welche Positionen wurden jeweils
vertreten?
3.
Mit welchem Ergebnis?
- Aus welchen Gründen wird eine
Arbeitspflicht für Asylwerber:innen angedacht, obwohl aktuell viele
Hürden zur Arbeitsaufnahme bestehen?
- Welche Maßnahmen sind angedacht,
um diese Hürden zu beseitigen?
i. Gab es einen diesbezüglichen Austausch mit dem
Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft?
1.
Wenn ja, wann? Welche Positionen wurden
jeweils vertreten? Mit welchem Ergebnis?
2.
Welche Maßnahmen sollen in dieser
Legislaturperiode noch gesetzt werden?
ii. Gab es einen diesbezüglichen Austausch mit der
Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration?
1.
Wenn ja, wann? Welche Positionen wurden
jeweils vertreten? Mit welchem Ergebnis?
2.
Welche Maßnahmen sollen in dieser
Legislaturperiode noch gesetzt werden?
iii. War das Thema „Arbeitspflicht“ auf der
Tagesordnung für die Landesflüchtlingsreferent:innenkonferenz am
6.12.2023 und 7.12.2023?
1.
Können Sie die Tagesordnung und
das Protokolls des Treffens der Landesflüchtlingsreferent:innenkonferenz
übermitteln?
- Wie lange dauerten Asylverfahren im
Jahr 2023 im Durchschnitt, aufgeschlüsselt nach Bundesland?
- Gemäß Art. 6 der
Grundversorgungsvereinbarung umfasst die Grundversorgung die
Gewährung eines monatlichen Taschengeldes für Personen in
organisierten Unterkünften und für unbegleitete
minderjährige Fremde, ausgenommen bei individueller Unterbringung
gemäß Art. 9 Z 2: Wie viel ist der Kostenhöchstsatz
für das Taschengeld?
- Wann wurde dieser
Kostenhöchstsatz festgesetzt?
i. Wann wurde er letztmalig (z.B. inflationsbedingt)
angepasst?
- Gibt es einen Rechtsanspruch auf
dieses Taschengeld?
i. Wenn ja, unter welchen Bedingungen?
- Gibt es Vereinbarung unter den
Bundesländern und dem Bund, die die Grundversorgung in
partnerschaftlichem Einvernehmen besorgen sollen, hinsichtlich der
Auszahlungsbedingungen des Taschengeldes?
i. Wenn ja, welche?
- Wie viele Kosten wurden vom Bund seit
2022 an die Länder an Grundversorgungsleistungen refundiert? Bitte
um Auflistung nach Bundesland und Monat.
- Wie viele Kosten für die
Auszahlung des Taschengeldes wurden vom Bund seit 2022 an die Länder
refundiert? Bitte um Auflistung nach Bundesland und Monat.
- Ist Ihnen bekannt, welche Länder
wie viel an Taschengeld an Asylwerber:innen 2022 und 2023 ausgezahlt
haben? Bitte um Auflistung nach Bundesland und Monat.
- Ist Ihnen bekannt, dass im Bundesland
Oberösterreich kein Taschengeld an Asylwerber:innen, die in
Selbstversorgung in organisierten Quartieren untergebracht sind,
ausgezahlt wird?
i. Ist dies mit dem Bund abgestimmt? Wenn ja, in welcher Form?
ii. Seit wann wird dies so gehandhabt?
iii. Wie viele Asylwerber:innen waren im Jahr 2022 und 2023 in
Oberösterreich organisiert und privat untergebracht?
iv. Wie viele Asylwerber:innen waren im Jahr 2022 und 2023 in
organisierter Unterkunft im Selbstversorgungsmodus, Vollversorgungsmodus und
Teilversorgungsmodus untergebracht? Bitte um Aufschlüsselung nach
Bundesland.
1.
Sollten diese Daten dem Ministerium
nicht vorliegen: Wie erfolgt die Kontrolle der Refundierung der Beträge,
wenn dem Ministerium nicht bekannt ist, wie viele Asylwerber:innen in welchem
Modus untergebracht sind und waren? Bitte um Ausführung.
- Der Beschluss der
Landesflüchtlingsreferent:innen vom September 2023 lautet wie folgt:
„Der Herr Bundesminister für Inneres wird um Prüfung
ersucht, ob gemeinnützige Hilfs- oder Remunerationstätigkeiten
bzw. soziale Dienste verpflichtend normiert werden können. Die
LandesflüchtlingsreferentInnenkonferenz ersucht Herrn Bundesminister
für Inneres darüber hinaus, den Leistungskatalog für
gemeinnützige Hilfstätigkeiten im Sinne von § 7 Abs. 3 Z 2
GVG-Bund 2005 zu evaluieren und gegebenenfalls auszuweiten. In diesem
Zusammenhang wird Herr Bundesminister für Inneres überdies
ersucht, Verordnungen gem. § 7 Abs. 3a und Abs. 5 GVG-Bund 2005 zu
erlassen, um sowohl die Einsatzmöglichkeiten für
gemeinnützige Hilfstätigkeiten entsprechend zu erweitern, als
auch eine einheitliche Höhe für den Anerkennungsbeitrag festzulegen.“Die
ursprüngliche Beschlussempfehlung des LR Hattmannsdorfer beinhaltete
folgenden Satz: „Bei schuldhaftem Nichtnachkommen dieser
Verpflichtung wären Sanktionsmöglichkeiten
anzudenken.“Dieser Satz findet sich nicht im Beschluss. Aus welchem
Grund hat das Ministerium dennoch Sanktionsmöglichkeiten
vorgeschlagen?
- Wie viele
Remunerationstätigkeiten gab es 2022 und 2023? Bitte um Auflistung
nach Bundesland und Monat.
- In wie vielen Fällen haben
Asylwerber:innen ihr Einverständnis verweigert und die
Remunerationstätigkeit nicht erledigt?
- Ist Ihnen bekannt, dass in § 7
Abs 3 GVG-Bund vorgesehen ist, dass Asylwerber:innen für diese
Tätigkeiten „nur mit ihrem Einverständnis“
herangezogen werden können?
- Wurde geprüft, ob diese Passage
ersatzlos gestrichen werden kann?
- Wenn ja, was war das Ergebnis?
- Wenn nein, warum wurde dies nicht
geprüft?
- Im GVG-Bund ist festgehalten, dass
durch die Tätigkeit kein Dienstverhältnis begründet wird
und kein Entgelt, sondern nur ein Anerkennungsbeitrag zu gewähren
ist. Im Leistungskatalog, abrufbar unter https://www.bmi.gv.at/303/files/Leistungskatalog_fuer_gemeinnuetzige_Hilfstaetigkeiten_von_Asylwerberinnen_und_Asylwerbern.pdf,
ist angeführt, dass es nicht auf die Bezeichnung, sondern es auf die
tatsächliche Ausgestaltung ankommt. Seitens des
Innenministeriums wurde eine Überarbeitung des Leistungskatalogs
angekündigt: Ist diese Überarbeitung bereits erfolgt?
- Wenn ja, können Sie die
Überarbeitung übermitteln?
- Es ist festgehalten, dass „die
Mitarbeit unter größtmöglicher zeitlicher
Gestaltungsfreiheit (Freiwilligkeit)“ zu erfolgen hat: Was ist der
Hintergrund dieser Betonung der Freiwilligkeit?
i. Hat sich diese Ansicht des Innenministeriums geändert?
ii. Wie ist eine Arbeitspflicht mit der Betonung von
Freiwilligkeit vereinbar?
iii. Wenn auf die tatsächliche Ausgestaltung der
Tätigkeit abzustellen ist: Wie erfolgt hier die Abgrenzung zu einer
Tätigkeit, wonach nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz eine
Beschäftigungsbewilligung erforderlich ist?