18751/J XXVII. GP

Eingelangt am 29.05.2024
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend Arbeitspflicht für Asylwerber:innen?

 

Laut Medienberichten wurde in den letzten Monaten, u.a. im Rahmen der letzten Landesflüchtlingsreferent:innen Konferenz am 7. Dezember, immer wieder die Einführung einer Arbeitspflicht für Asylwerber:innen diskutiert. Seitens des Innenministeriums heißt es, "die Prüfung der rechtlichen Umsetzbarkeit sei positiv ausgefallen", es bestünden "Möglichkeiten, beispielsweise das Taschengeld oder auch Sachleistungen zu kürzen", sollten die Betroffenen keine Dienste leisten wollen.1

Ob es tatsächlich ein konkretes Konzept gibt, ist unklar. Rein rechtlich gesehen, wäre eine Arbeitspflicht für Asylwerber:innen mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) jedenfalls unvereinbar - Art. 4 Abs. 2 besagt klar: "Niemand darf gezwungen werden, Zwangs- oder Pflichtarbeit zu verrichten". Des weiteren enthält die EU-Aufnahmerichtlinie (2013/33/EU) einen Katalog an Mindestnormen für die Aufnahme von Asylsuchenden in den EU-Mitgliedstaaten, von Vorgaben zur medizinischen Grundversorgung über Unterbringung bis hin zum Zugang zu Bildung und Beschäftigung. Angesichts der Tatsache, dass Asylwerber:innen neben einer Unterbringung und Verpflegung lediglich 40€ Taschengeld im Monat bekommen, wurden Kürzungen von Taschengeld oder Sachleistungen mit hoher Wahrscheinlichkeit auch gegen die EU-Aufnahmerichtlinie verstoßen.  

Das größte Paradoxon, das sich hinter dem Vorschlag einer solchen Arbeitspflicht verbirgt, ist jedoch, dass die Arbeitsaufnahme von Asylsuchenden über die letzten 20 Jahre stets gehindert wurde. Zuerst per Bartensteinerlass, der außer für Saisonarbeit ein de facto Arbeitsverbot für Asylwerber:innen darstellte. Dann - nachdem der VfGH den Bartensteinerlass für rechtswidrig erklärte - durch andere restriktive Regeln, die weiterhin Hürden darstellen, wie die Notwendigkeit einer Beschäftigungsbewilligung mit Ersatzkräfteverfahren oder komplizierte Zuverdienstmodelle. In den ersten drei Monaten des Asylverfahrens dürfen Asylwerber:innen laut Ausländerbeschäftigungsgesetz gar nicht arbeiten.

Neben diesen zahlreichen bürokratischen Hürden belegen auch sämtliche Studien, dass Geflüchtete am Arbeitsmarkt benachteiligt sind: Gründe dafür sind u.a. die strengen Zugangsbeschränkungen für Asylsuchende zum Arbeitsmarkt, die mangelnden Anerkennungen von Bildungsabschlüssen und auch mangelnde Deutschkenntnisse. Sinnvoll wären dementsprechend schnelle und effiziente Asylverfahren, und - gerade für jene Personen mit einer hohen Anerkennungswahrscheinlichkeit - umfassende Maßnahmen für eine Integration ab Tag 1.3

 

  1. https://www.derstandard.at/story/3000000198657/laender-beraten-ueber-moegliche-arbeitspflicht-fuer-asylwerber
  2. https://wien.orf.at/stories/3236183/; https://volksgruppen.orf.at/diversitaet/stories/3236216/
  3. https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/A/3392

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Wie lautet Ihr Konzept für die Arbeitspflicht von Asylwerber:innen?
  2. Gibt es hinsichtlich der etwaige Einführung einer Arbeitspflicht für Asylwerber:innen eine ressortübergreifende Einigung? 
    1. Wurde das Konzept für eine Arbeitspflicht von Asylwerber:innen mit den anderen zuständigen Ressorts akkordiert, etwa 

                                          i.    mit dem Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft? 

1.    Wenn ja, wann und inwiefern? 

2.    Wenn nein, warum nicht? 

                                        ii.    mit der Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration? 

1.    Wenn ja, wann und inwiefern? 

2.    Wenn nein, warum nicht? 

    1. Sollte es keine Einigung geben: Wieso werden Maßnahmen verkündet, die nicht ressortübergreifend abgestimmt sind? 
  1. Gibt es hinsichtlich der etwaige Einführung einer Arbeitspflicht für Asylwerber:innen eine Einigung mit allen Bundesländern? 
    1. Wenn nein, mit welchen gibt es eine Einigung und mit welchen nicht? 
    2. Sollte es keine Einigung geben: Wieso werden Maßnahmen verkündet, die noch nicht abgestimmt sind? 
  1. Inwiefern prüfte Ihr Ressort die rechtliche Umsetzbarkeit einer Einführung einer Arbeitspflicht für Asylwerber:innen? 
    1. Welche Stelle war hierfür zuständig? 
    2. Wann? 
    3. Mit welchem Ergebnis? Bitte um Übermittlung der vollständigen Ergebnisse der Prüfung. 
    4. Wurde die Expertise von anerkannten externen Expert:innen im Bereich internationales Recht/Menschenrechte/Asylrecht eingeholt?

                                          i.    Wenn ja, von wem?

                                        ii.    Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Bitte um Übermittlung der vollständigen Ergebnisse der Prüfung. 

                                       iii.    Wenn nein, warum nicht? 

  1. Inwiefern unterscheidet sich eine Arbeitspflicht für Asylwerber:innen von Zwangsarbeit? Bitte um konkrete Erläuterung. 
  2. Inwiefern prüfte Ihr Ressort die Möglichkeiten von Kürzungen von Sachleistungen für den Fall, dass Asylsuchende der Arbeitspflicht nicht nachgehen?
    1. Welche Stelle war hierfür zuständig? 
    2. Wann? 
    3. Mit welchem Ergebnis? Bitte um Übermittlung der vollständigen Ergebnisse der Prüfung. 
    4. Welche Sanktionsmöglichkeiten sind konkret vorgesehen? Welche Sachleistungen sollen inwiefern gekürzt werden? 

                                          i.    Ist die Möglichkeit eines Verlustes der Unterkunft/Unterbringung vorgesehen? 

                                        ii.    Ist die Möglichkeit einer Kürzung der Verpflegung vorgesehen (Essen, Kleidung usw.)? 

                                       iii.    Ist die Möglichkeit einer Beschränkung der medizinischen Versorgung vorgesehen? 

    1. Inwiefern ist dies mit dem Katalog an Mindestnormen zur Aufnahme von Asylsuchenden vereinbar? 
  1. Wie soll die Arbeitspflicht von Asylwerber:innen umgesetzt werden?
    1. Wer bzw. welche Stelle wird für die Umsetzung zuständig sein? 
    2. Wann ist eine Umsetzung geplant? 
  1. Welche Art von Arbeit soll im Rahmen der Arbeitspflicht geleistet werden? 
    1. In welchem Stundenausmaß? 
    2. Wie viele Stellen gibt es, wie viele sollen hierfür geschaffen werden? 
    3. Welche Entlohnung ist vorgesehen und wie soll Lohndumping vermieden werden? 
    4. Welches Beschäftigungsverhältnis werden die Betroffenen haben? 
    5. Soll die Arbeitspflicht auch für Asylwerber:innen, die weniger als drei Monate zum Verfahren zugelassen sind, eingeführt werden?

                                          i.    Steht hierfür eine Novellierung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes in Aussicht? Wann? 

    1. Inwiefern wurden Frage 8 und Frage 8.a. bis 8.f. mit dem Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft akkordiert?

                                          i.    Gab es einen diesbezüglichen Austausch?

1.    Wann?

2.    Welche Positionen wurden jeweils vertreten?

3.    Mit welchem Ergebnis? 

  1. Aus welchen Gründen wird eine Arbeitspflicht für Asylwerber:innen angedacht, obwohl aktuell viele Hürden zur Arbeitsaufnahme bestehen? 
    1. Welche Maßnahmen sind angedacht, um diese Hürden zu beseitigen? 

                                          i.    Gab es einen diesbezüglichen Austausch mit dem Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft? 

1.    Wenn ja, wann? Welche Positionen wurden jeweils vertreten? Mit welchem Ergebnis? 

2.    Welche Maßnahmen sollen in dieser Legislaturperiode noch gesetzt werden? 

                                        ii.    Gab es einen diesbezüglichen Austausch mit der Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration?

1.    Wenn ja, wann? Welche Positionen wurden jeweils vertreten? Mit welchem Ergebnis? 

2.    Welche Maßnahmen sollen in dieser Legislaturperiode noch gesetzt werden? 

                                       iii.    War das Thema „Arbeitspflicht“ auf der Tagesordnung für die Landesflüchtlingsreferent:innenkonferenz am 6.12.2023 und 7.12.2023?

1.    Können Sie die Tagesordnung und das Protokolls des Treffens der Landesflüchtlingsreferent:innenkonferenz übermitteln? 

    1. Wie lange dauerten Asylverfahren im Jahr 2023 im Durchschnitt, aufgeschlüsselt nach Bundesland?
  1. Gemäß Art. 6 der Grundversorgungsvereinbarung umfasst die Grundversorgung die Gewährung eines monatlichen Taschengeldes für Personen in organisierten Unterkünften und für unbegleitete minderjährige Fremde, ausgenommen bei individueller Unterbringung gemäß Art. 9 Z 2: Wie viel ist der Kostenhöchstsatz für das Taschengeld?
    1. Wann wurde dieser Kostenhöchstsatz festgesetzt?

                                          i.    Wann wurde er letztmalig (z.B. inflationsbedingt) angepasst?

    1. Gibt es einen Rechtsanspruch auf dieses Taschengeld?

                                          i.    Wenn ja, unter welchen Bedingungen?

    1. Gibt es Vereinbarung unter den Bundesländern und dem Bund, die die Grundversorgung in partnerschaftlichem Einvernehmen besorgen sollen, hinsichtlich der Auszahlungsbedingungen des Taschengeldes?

                                          i.    Wenn ja, welche?

    1. Wie viele Kosten wurden vom Bund seit 2022 an die Länder an Grundversorgungsleistungen refundiert? Bitte um Auflistung nach Bundesland und Monat.
    2. Wie viele Kosten für die Auszahlung des Taschengeldes wurden vom Bund seit 2022 an die Länder refundiert? Bitte um Auflistung nach Bundesland und Monat.
    3. Ist Ihnen bekannt, welche Länder wie viel an Taschengeld an Asylwerber:innen 2022 und 2023 ausgezahlt haben? Bitte um Auflistung nach Bundesland und Monat.
    4. Ist Ihnen bekannt, dass im Bundesland Oberösterreich kein Taschengeld an Asylwerber:innen, die in Selbstversorgung in organisierten Quartieren untergebracht sind, ausgezahlt wird?

                                          i.    Ist dies mit dem Bund abgestimmt? Wenn ja, in welcher Form?

                                        ii.    Seit wann wird dies so gehandhabt?

                                       iii.    Wie viele Asylwerber:innen waren im Jahr 2022 und 2023 in Oberösterreich organisiert und privat untergebracht? 

                                       iv.    Wie viele Asylwerber:innen waren im Jahr 2022 und 2023 in organisierter Unterkunft im Selbstversorgungsmodus, Vollversorgungsmodus und Teilversorgungsmodus untergebracht? Bitte um Aufschlüsselung nach Bundesland.

1.    Sollten diese Daten dem Ministerium nicht vorliegen: Wie erfolgt die Kontrolle der Refundierung der Beträge, wenn dem Ministerium nicht bekannt ist, wie viele Asylwerber:innen in welchem Modus untergebracht sind und waren? Bitte um Ausführung.

  1. Der Beschluss der Landesflüchtlingsreferent:innen vom September 2023 lautet wie folgt: „Der Herr Bundesminister für Inneres wird um Prüfung ersucht, ob gemeinnützige Hilfs- oder Remunerationstätigkeiten bzw. soziale Dienste verpflichtend normiert werden können. Die LandesflüchtlingsreferentInnenkonferenz ersucht Herrn Bundesminister für Inneres darüber hinaus, den Leistungskatalog für gemeinnützige Hilfstätigkeiten im Sinne von § 7 Abs. 3 Z 2 GVG-Bund 2005 zu evaluieren und gegebenenfalls auszuweiten. In diesem Zusammenhang wird Herr Bundesminister für Inneres überdies ersucht, Verordnungen gem. § 7 Abs. 3a und Abs. 5 GVG-Bund 2005 zu erlassen, um sowohl die Einsatzmöglichkeiten für gemeinnützige Hilfstätigkeiten entsprechend zu erweitern, als auch eine einheitliche Höhe für den Anerkennungsbeitrag festzulegen.“Die ursprüngliche Beschlussempfehlung des LR Hattmannsdorfer beinhaltete folgenden Satz: „Bei schuldhaftem Nichtnachkommen dieser Verpflichtung wären Sanktionsmöglichkeiten anzudenken.“Dieser Satz findet sich nicht im Beschluss. Aus welchem Grund hat das Ministerium dennoch Sanktionsmöglichkeiten vorgeschlagen?
  2. Wie viele Remunerationstätigkeiten gab es 2022 und 2023? Bitte um Auflistung nach Bundesland und Monat.
    1. In wie vielen Fällen haben Asylwerber:innen ihr Einverständnis verweigert und die Remunerationstätigkeit nicht erledigt?
  1. Ist Ihnen bekannt, dass in § 7 Abs 3 GVG-Bund vorgesehen ist, dass Asylwerber:innen für diese Tätigkeiten „nur mit ihrem Einverständnis“ herangezogen werden können?
    1. Wurde geprüft, ob diese Passage ersatzlos gestrichen werden kann?
    2. Wenn ja, was war das Ergebnis?
    3. Wenn nein, warum wurde dies nicht geprüft?
  1. Im GVG-Bund ist festgehalten, dass durch die Tätigkeit kein Dienstverhältnis begründet wird und kein Entgelt, sondern nur ein Anerkennungsbeitrag zu gewähren ist. Im Leistungskatalog, abrufbar unter https://www.bmi.gv.at/303/files/Leistungskatalog_fuer_gemeinnuetzige_Hilfstaetigkeiten_von_Asylwerberinnen_und_Asylwerbern.pdf, ist angeführt, dass es nicht auf die Bezeichnung, sondern es auf die tatsächliche Ausgestaltung ankommt. Seitens des Innenministeriums wurde eine Überarbeitung des Leistungskatalogs angekündigt: Ist diese Überarbeitung bereits erfolgt?
    1. Wenn ja, können Sie die Überarbeitung übermitteln?
    2. Es ist festgehalten, dass „die Mitarbeit unter größtmöglicher zeitlicher Gestaltungsfreiheit (Freiwilligkeit)“ zu erfolgen hat: Was ist der Hintergrund dieser Betonung der Freiwilligkeit? 

                                          i.    Hat sich diese Ansicht des Innenministeriums geändert?

                                        ii.    Wie ist eine Arbeitspflicht mit der Betonung von Freiwilligkeit vereinbar?

                                       iii.    Wenn auf die tatsächliche Ausgestaltung der Tätigkeit abzustellen ist: Wie erfolgt hier die Abgrenzung zu einer Tätigkeit, wonach nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz eine Beschäftigungsbewilligung erforderlich ist?