18754/J XXVII. GP

Eingelangt am 31.05.2024
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend Rechtskonformes Vorgehen der Exekutive oder faires Beschwerdeverfahren

 

In einem Rechtsstaat hat sich hoheitliches Verhalten an Verhältnismäßigkeit zu orientieren. Bei Fehlverhalten braucht es ein effizientes Beschwerdeverfahren und Konsequenzen - dies ist für das Vertrauen in die fast immer rechtskonform agierende Polizei wichtig. In diesem Sinne werfen weiterhin Einzelfälle systematische Fragen auf. 

Am 9. Mai 2023 haben wir aufgrund des Polizeimisshandlungsvorfalls vom 7. Mai 2023 in Simmering eine schriftliche Anfrage an den Bundesminister für Inneres gestellt, die am 7. Juli 2023 beantwortet wurde. In der Anfragebeantwortung stellte sich heraus, dass zum Zeitpunkt der Anfrage weder disziplinären Maßnahmen gegen den von den Vorwürfen betroffenen Polizisten ergriffen noch eine Suspendierung vorgenommen wurde, sondern er vielmehr weiterhin im Außendienst tätig ist.1

Mittlerweile hat die Staatsanwaltschaft Wien (StA Wien) in dieser Causa Anklage gegen den betroffenen Polizeibediensteten erhoben, der den Kopf eines 19-Jährigen mehrfach auf den Asphaltboden geschlagen hatte. Der junge Mann wurde, nachdem man ihm Handschellen angelegt hatte, von der Rettung versorgt, eine Mitfahrt ins Krankenhaus lehnte er nach Angaben der Landespolizeidirektion ab. Ein Kameramann des TV-Senders Puls 24 filmte die Szene mit.2 Das Video ging im Anschluss viral.

Zu den Gewaltszenen war es gekommen, nachdem der 19-Jährige einen abgesperrten Bereich gegenüber eines Tatorts auf der Simmeringer Hauptstraße betreten wollte, um an einem Bankomaten Geld zu beheben. In dem Geschäftslokal war zuvor nämlich ein 38-Jähriger erschossen worden. Laut Puls 24 war die Absperrung am Tatort allerdings nicht gut sichtbar. Die Polizei ließ sich dessen ungeachtet auf keine Diskussionen mit dem 19-Jährigen ein. Er wurde schließlich zu Boden gebracht, fixiert und festgenommen. Der 19-jährige trug Kopfverletzungen davon – und wurde wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt gem. § 269 StGB sowie schwerer Körperverletzung gem. § 84 Abs. 2 StGB angezeigt, weil einer der an der Amtshandlung beteiligten Exekutivbeamten Blessuren am Knie und am Ellbogen erlitten und sich zur ärztlichen Behandlung in ein Spital begeben hatte. Das Ermittlungsverfahren gegen den 19-Jährigen hat die StA bereits eingestellt.

Gegen den Beamten wurde beim Landesgericht für Strafsachen ein Strafantrag eingebracht. Die Anklagebehörde warf dem Beamten Amtsmissbrauch gem. § 302 Abs. 1 StGB vor. Dem Polizisten droh(t)en somit sechs Monate bis fünf Jahre Haft. Nachdem die Gerichtsverhandlung bereits Ende Jänner 2024 begonnen hatte, wurde sie - zur Ladung weiterer Zeugen - auf den 21. Februar vertagt.Schlussendlich wurde er freigesprochen, weil der Polizist bei seiner Gewaltausübung „nicht das gerechtfertigte Ausmaß“ überschritten hätte. Der Freispruch ist allerdings nicht rechtskräftig und die Staatsanwaltschaft meldete bereits ein Rechtsmittel dagegen an. Es kommt also voraussichtlich zu einem zweitinstanzlichen Verfahren.4

 

Quellen:

1.    https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/J/14995 bzw. https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/J/15945?selectedStage=100

2.    https://www.puls24.at/news/chronik/polizeigewalt-in-simmering-polizist-schlaegt-mann-mit-kopf-auf-boden/296721

3.    https://www.sn.at/panorama/oesterreich/polizist-montag-misshandlungsvorwurfs-gericht-152082655

4.    https://wien.orf.at/stories/3245693/

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Warum wurde das Verfahren gegen den 19-Jährigen eingestellt?
  2. Liefen bzw. laufen weiterhin strafrechtliche Ermittlungen gegen andere einschreitende Polizeibeamt:innen?
    1. Wenn ja, seit wann gegen wie viele Beamt:innen aufgrund welcher Tatsachen?
    2. Wenn ja, aufgrund welcher präzisen Strafnormen wird ermittelt?
  1. Wurden etwaige Ermittlungsverfahren (in Bezug auf Frage 2) bereits abgeschlossen?
    1. Wenn ja, wann mit welchem Ergebnis?
    2. Wenn nein, wann ist mit einem Abschluss zu rechnen?
  1. In wie vielen Fällen seit 1.9.2023 wurde ein Verfahren wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt gegen eine von einer polizeilichen Amtshandlung betroffenen Person eingeleitet (um Auflistung nach Jahren und Landespolizeidirektionen wird ersucht)?
    1. In wie vielen Fällen ist es zu einer Verurteilung gekommen?

                                          i.    In wie vielen Fällen betraf das Beschwerdeführer:innen, die eine Maßnahmen- und oder Richtlinienbeschwerde gegen das polizeiliche Handeln erhoben?

    1. Wie viele davon waren bedingt? Wie viele unbedingt?

                                          i.    In wie vielen Fällen betraf das Beschwerdeführer:innen, die eine Maßnahmen- und oder Richtlinienbeschwerde gegen das polizeiliche Handeln erhoben?

  1. In wie vielen von allen Fällen seit 1.9.2023 wurde ein Verfahren wegen schwerer Körperverletzung an einem Beamten gem. § 84 Abs. 2 StGB eingeleitet (um Auflistung nach Jahren und Landespolizeidirektionen wird ersucht)?
    1. In wie vielen Fällen ist es zu einer Verurteilung gekommen?

                                          i.    In wie vielen Fällen betraf das Beschwerdeführer:innen, die eine Maßnahmen- und oder Richtlinienbeschwerde gegen das polizeiliche Handeln erhoben?

    1. Wie viele davon waren bedingt? Wie viele unbedingt?
  1. In wie vielen von allen Fällen von Vorwürfen polizeilicher Misshandlung seit 1.9.2023 wurde ein Verfahren wegen des Vorwurfes des Amtsmissbrauches eingeleitet (um Auflistung nach Jahren und Landespolizeidirektionen wird ersucht)?
    1. In wie vielen Fällen ist es zu einer Verurteilung gekommen?
    2. Wie viele davon waren bedingt? Wie viele unbedingt?
    3. In wie vielen Fällen von Vorwürfen polizeilicher Misshandlung seit 1.9.2023 wurde ein Verfahren wegen anderer Straftatbestände eingeleitet? (Bitte um genaue Auflistung der Delikte)
    4. In wie vielen Fällen ist es zu einer Verurteilung auf Grund welcher Straftat gekommen?
    5. Wie viele davon waren bedingt? Wie viele unbedingt?
  1. Wurde im o.g. Fall bereits über die Zulässigkeit der Berufung und/oder Nichtigkeitsbeschwerde entschieden?
    1. Falls ja, wie wurde entschieden?

                                          i.    Sofern zurückgewiesen: Aus welchen Gründen?

                                        ii.    Sofern abgewiesen: Aus welchen Gründen?

                                       iii.    Sofern ihr folgegeleistet wurde: Wann ist mit einem zweitinstanzlichen Urteil zu rechnen?