18759/J XXVII. GP
Eingelangt am 04.06.2024
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen
an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft
betreffend Neue Erkenntnisse zur BauID-Karte - Kaufhaus Österreich 2.0?
Schwarzarbeit stellt seit Ewigkeiten ein großes Problem für die österreichische Volkswirtschaft dar. Anders als Österreich haben mehrere EU-Länder in den letzten Jahren Systeme und Teilsysteme implementiert, um der Problematik des Lohn- und Sozialdumpings zu begegnen. In Österreich dagegen wurde nicht einmal ein Versuch unternommen, ein derartiges System neutral zwischen den Stakeholdern und ihrer jeweiligen Interessen zu etablieren. Von kausaler Bedeutung für das Problem ist auch die komplexe Kompetenzverteilung zwischen den öffentlich-rechtlichen Stakeholdern, sowie Überschneidungen in den Kompetenzen bezüglich Kontrollen - nämlich zwischen der Finanzpolizei (Amt für Betrugsbekämpfung beim BMF), der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) und den Sozialversicherungsträgern.
Die Sozialpartner haben das Projekt der BauID-Karte an sich gezogen und zu diesem Zweck die Bau-ID GmbH als 100 % - Tochter der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) im Februar 2020 gegründet. In den Folgejahren wurden die gesetzlichen Rahmenbedingungen dafür geschaffen. Die damit verbundene Einführung einer BauID-Karte verfolgt gemäß § 34 Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (BUAG) drei Ziele:
Sinn der Gründung der Bau-ID GmbH war die Etablierung eines modernen, schlanken und effizienten Dienstleisters für die gesamt Baubranche. Man wollte einen eigenen von allen Marktteilnehmern unabhängigen Softwaredienstleister schaffen, der in der Folge Bauunternehmen dabei unterstützt, die gesetzlich notwendigen Verpflichtungen im Rahmen der Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping auf österreichischen Baustellen zu erfüllen.
Laut BauID-GmbH würde das System so funktionieren:
Die Datenabfrage erfolgt über digitale Schnittstellen, wodurch schnellstmögliche Rückmeldungen garantiert sind. Die Ergebnisse der Datenabfragen stehen Arbeitnehmern/innen, Arbeitgebern/innen und den Kontrollbehörden zur Zielerreichung der Sozialbetrugsvermeidung, bzw. -bekämpfung im erforderlichen Umfang zur Verfügung.
Für die Teilnahme an der BauID-Karte besteht allerdings keine gesetzliche Verpflichtung. Es nehmen daher nicht alle Unternehmen der Branche an diesem System teil. Die Daten der unterschiedlichen Systeme sind aber wechselseitig nicht verbunden, sodass vom System der BauID-Karte nicht auf die Daten der Unternehmen zugegriffen werden kann, die andere Systeme nutzen. Dem Vernehmen nach fehlt auch ein Datenzugriff für die Finanzpolizei, sodass die Finanzpolizei (Amt für Betrugsbekämpfung) das System der BauID nicht (nicht voll) für ihre Kontrollen nutzen kann.
Auch mehr als 4 Jahre nach Gründung der Bau-ID GmbH ist und bleibt die gesamte Ausgestaltung der BauID und die Lösung durch die GmbH aus mehreren Gründen fragwürdig. In Österreich gibt es bereits ein Arbeitsinspektorat, das für alle Branchen zuständig ist. Außerdem gibt es die Finanzpolizei im Amt für Betrugsbekämpfung. Die Notwendigkeit einer zusätzlichen Institution, die noch dazu losgekoppelt von bisherigen Einrichtungen arbeitet, ist nicht ersichtlich. Zusätzlich führt die Schaffung der GmbH zu einer Auslagerung staatlicher Aufgaben an eine private Einrichtung. Das widerspricht jeder Logik und führt auch dazu, dass Regierungseinheiten digitale Ausweise erstellen (digitaler Führerschein, ID Austria), während eine ausgelagerte GmbH gleichzeitig ein neues System mit physischen Karten einführt.
Außerdem findet nicht nur in der Baubranche Sozial- und Lohndumping statt. Gesetzesänderungen, die für die Einrichtung der Plattform in der Bauarbeiterurlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) nötig waren, müssten bei Ausweitungen auf weitere Branchen für jede ebenjener Branchen einzeln eingeführt werden. Das hätte einen überbordenden bürokratischen Aufwand zur Folge und es würde die Einrichtung mehrfacher Schnittstellen in den jeweiligen Ministerien und nachgeordneten Organisationen bedeuten. Das sorgt für eine falsche Aufgabenverteilung zwischen BMF (Amt für Betrugsbekämpfung) und Sozialpartnern.
Aus der Antwort zu 6609/J betreffend die BauID-Karte aus dem Jahr 2021 geht hervor, dass sich das Aufsichtsrecht des Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft auf die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen und der Geschäftsordnung sowie auf die Gebarung der BUAK und wichtige Fragen der Geschäftsführung erstreckt. Die Aufsicht sei somit in ihrem Umfang wie in ihren Mitteln gesetzlich genau determiniert. Ausschreibungen beispielsweise, die durch die Bau-ID GmbH vorgenommen wurden bzw. werden, seien daher nicht Gegenstand der Aufsicht. Beantwortungen dieser Art waren leider bereits damals zu Beginn im Februar 2020 mit Gründung der Bau-ID GmbH und Auslagerung solcher Thematiken in ebenjene GmbH vorhersehbar. Es wird also eine gesetzliche Aufgabe der parlamentarischen Kontrolle entzogen. Das Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft muss aber als Aufsichtsbehörde wissen, ob es Überschreitungen der Kosten des Projekts gab und in welcher Höhe. Weiters liegt der Verdacht nahe, dass das Projekt nicht dem Data Governance Act entspricht und dies in Grundzügen auch bereits 2020 klar war. Auch darüber sollte das Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft als Aufsichtsbehörde Informationen haben.
Mehr als 4 Jahre nach Gründung der Bau-ID GmbH fragt man sich nach dem gegenwärtigen Stand der Dinge. Fahrplan und Konzeption des Projekts gerieten in den vergangen Jahren öfters ins Wanken. So dürften sich z.B. der Datenaustausch und die Verknüpfung mit Handydaten als große Herausforderungen darstellen. Bauunternehmen mit vergleichbaren IT-Lösungen haben beispielsweise derzeit keine Schnittstelle für den Transfer ihrer Daten in das neue Bau-ID System. Die Gefahr der Etablierung von zwei oder mehreren miteinander nicht kompatiblen Parallelsystemen ist hoch. Es liegt der Verdacht nahe, dass der Kauf des damaligen ISHAP-Systems der Porr AG (das System wurde mittlerweile an ein Unternehmen in Karlsruhe verkauft) die kostengünstigere und effizientere Lösung gewesen wäre. Vor allem hätte man mit einer solchen Lösung vermutlich die ganze Branche inkludiert.
Es wird kolportiert, dass sich die Kosten für das Projekt - und damit für die BUAK-Versicherten - auf mittlerweile EUR 10 Millionen belaufen. Wurde hier einen Millionengrab geschaffen? Ein Kaufhaus Österreich 2.0?
Quellen:
https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/J/6608
https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/J/6609
https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/J/6610
https://www.derstandard.at/story/2000126696704/gezerre-um-bauarbeiterausweis
https://www.derstandard.at/story/2000126948783/ausweis-fuer-bauarbeiter-im-schnellgang
https://www.derstandard.at/story/3000000215189/elektronischer-bauarbeiterausweis-braucht-umfangreiche-reparaturarbeiten
https://bauid.at/faq/
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende