18781/J XXVII. GP

Eingelangt am 11.06.2024
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Anfrage

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend Aufsicht der Justizministerin im Fall Traunsee

 

In einem Fall in Oberösterreich wurde Anklage beim Landesgericht Wels wegen schweren Betrugs erhoben, weil einer nicht mehr geschäftsfähigen Frau ihre Immobilie am Traunsee zu einem zu niedrigen Preis abgekauft wurde. Dabei soll die Eigentümerin von Rechtsanwälten und einem Notar um 900.000€ geschädigt worden sein.1 Die Staatsanwaltschaft (StA) Wels hat daher eine Durchsuchung der Kanzleiräumlichkeiten der Juristen angeordnet. Die Juristen sollen die Verträge aufgesetzt, währenddessen ein Psychiater Gefälligkeitsgutachten erstellt haben.

Eine Rechtsanwältin und der Notar werden aber in einer weiteren Causa aus dem Jahr 2022 verdächtigt, eine demenzkranke Frau dazu gebracht zu haben, einen Übergabevertrag, zwei Schenkungsverträge für den Fall ihres Todes und eine Vorsorgevollmacht zu unterschreiben. Die StA gehe Medienberichten zufolge davon aus, dass sich die Frau nicht bewusst war, dass sie mit ihrer Unterschrift ihr gesamtes landwirtschaftliches Anwesen in Pasching samt Liegenschaftsvermögen an ihren Neffen übertrug. Die Verträge wurden laut Aussendung der StA2 von der Rechtsanwältin errichtet und vom Notar beurkundet, obwohl die Demenzerkrankung der Betroffenen offenkundig gewesen sei. Die Rechtsanwältin habe allerdings im Erwachsenenschutzverfahren zwei Privatgutachten eines Psychiaters vorgelegt, die der Pensionistin volle Geschäfts- und Testierfähigkeit attestierten. Die Staatsanwaltschaft gehe davon aus, dass es sich um Gefälligkeitsgutachten gehandelt haben könnte. In weiterer Folge legte die Rechtsanwältin neuerlich ein Gutachten desselben Sachverständigen vor, der sodann zum Schluss kam, die Frau sei nicht mehr geschäfts- und testierfähig, weshalb die Vorsorgevollmacht, die zugunsten der Rechtsanwältin selbst errichtet worden war, schlagend werde.

Gegen die Anwältin, den Notar und den Psychiater werden in diesem Fall Ermittlungen wegen schweren Betrugs geführt. Letzterer wird zudem verdächtigt, 2023 ein Gefälligkeitsgutachten im Zusammenhang mit der beabsichtigten Testamentserrichtung einer dementen Person angeboten zu haben.3 Der Akt ist inzwischen von der Staatsanwaltschaft Wels an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gegangen, die nun weiter ermittelt.4

Der Präsident der Rechtsanwaltskammer (RAK) Oberösterreich hält in einer Stellungnahme fest, dass jede Form einer Vorverurteilung entschieden zurückzuweisen sei. Die RAK sei verpflichtet, bei jedem Verdacht eines Verstoßes gegen Disziplinarvorschriften ein eigenes Verfahren zu führen, wobei in besonders schwerwiegenden Fällen nach dem Disziplinarstatut auch die Streichung aus der Liste der Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen möglich sei.

Die RAK teilte mittlerweile mit, dass die Rechtsanwältin freiwillig mit sofortiger Wirkung auf die Ausübung ihrer Berufsberechtigung als Rechtsanwältin bis zur rechtskräftigen Beendigung der anhängigen Straf- und Ermittlungsverfahren verzichtet hätte.

Der Präsident der Notariatskammer Oberösterreich, wollte zu den öffentlich gemachten Sachverhalten keine konkrete Auskunft erteilen, außer dass die Ermittlungen der StA abgewartet werden sollten, die die derzeit belastenden und entlastenden Beweismittel prüfe und sichere.5

Gem. § 153 Notariatsordnung (NO) steht die oberste Aufsicht über das Notariatswesen der Bundesministerin für Justiz zu. Nach § 180 Abs. 1 lit b NO ist als Vorkehrung "die Suspension vom Amte durch das Disciplinargericht zu verhängen, wenn die Fortsetzung seiner Amtsführung während einer Disciplinaruntersuchung oder eines Strafverfahrens nach der StPO bedenklich erscheint". Zudem kann die Justizministerin in bestimmten Fällen Notare des Amtes entheben (§ 19 Abs. 2 NO).

 

Quellen:

1https://volksblatt.at/chronik/regionales/verdacht-auf-millionen-immobilien-betrug-weitet-sich-aus-943223/

2https://www.justiz.gv.at/sta-wels/staatsanwaltschaft-wels/medienstelle/pressemitteilungen/verdacht-des-schweren-betrugs-durch-rechtsanwaeltin-notar-und-sachverstaendigen-staatsanwaltschaft-wels-ordnete-hausdurchsuchungen-und-festnahme-an.df0.de.html

3https://www.derstandard.at/story/3000000215549/anw228ltin-notar-und-psychiater-sollen-demente-klienten-betrogen-haben, https://www.nachrichten.at/oberoesterreich/nach-anklage-wegen-immobilien-geschaefts-am-traunsee-ermittelt-justiz-in-neuem-fall;art4,3939091

4https://www.krone.at/3342320

5https://ooe.orf.at/stories/3252716/

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Seit wann ist Ihnen der beschriebene Sachverhalt bekannt?
    1. Wie wurde er Ihnen zugetragen?
  1. Welche Maßnahmen wurden diesbezüglich von Ihnen gesetzt?
  2. Wurden bereits Auskünfte im Zusammenhang mit den beschriebenen Fällen von der RAK und/oder der Notariatskammer eingeholt?
    1. Wenn ja, welche?
    2. Wenn nein, warum nicht?
  1. Gab es im beschriebenen Sachverhalt hinsichtlich des Notars sonstige Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern der Notariatskammer und/oder Dienstbesprechungen darüber?
  2. Übt der im Sachverhalt beschriebene Notar seinen Beruf weiterhin aus?
  3. In welchem Verfahrensstadium befindet sich das jeweilige Strafverfahren?
  4. Wurde bereits eine Suspension vom Amte gegenüber dem Notar iSd § 180 NO verhängt?
  5. Wurde bereits ein Disziplinarverfahren gegen den Notar eingeleitet?
    1. Wenn ja, in welchem Stadium befindet es sich?
    2. Wenn nein, wurden Sie über die Gründe der Nichteinleitung informiert?

                                          i.    Wenn ja, über welche konkret?

  1. Gab es bereits eine gerichtliche Verurteilung und/oder ein auf Entsetzung vom Amte lautende Disziplinarerkenntnis gegen den Notar?
    1. Wenn ja, wurde die Enthebung des Notars vom Amt gem. § 19 Abs. 2 NO von Ihnen ausgesprochen?

                                          i.    Wurde dies der Notariatskammer bereits mitgeteilt?

                                        ii.    Wurde der Enthebungsbescheid bereits zugestellt?

    1. Wenn nein, wann ist mit einem Abschluss des jeweiligen Verfahrens zu rechnen?