18788/J XXVII. GP

Eingelangt am 12.06.2024
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Endlich korrekte Vergabe von Glücksspiel-Konzessionen?

 

Im seit Jahrzehnten massiv lobbyierten und hoch korruptionsanfälligen Bereich des Glücksspiels steht im Jahr 2027 eine Neuvergabe der Glücksspiel-Konzessionen an. Sie, Herr Finanzminister, haben nun Fakten geschaffen und den Vergabeprozess für die nächsten Glücksspiel-Lizenzen gestartet. Dies geschieht, weil die Regierung sich nicht auf eine Gesetzesnovelle einigen konnte, und somit nach den alten Regeln (§§ 14 und 21 Glücksspielgesetz) vorgegangen wird (https://www.diepresse.com/18203161/finanzministerium-startet-vergabeprozess-fuer-gluecksspiel-lizenzen). Laut der Bundesregierung sollte in einem Ministerratsvortrag von 2021 die Reform angekündigt werden, die eine Entflechtung der staatlichen Interessen im Bereich Aufsicht, Regulierung und Lizenzen, fiskalische und Eigentümerinteressen beinhaltete. Die Zuständigkeiten sollten an eine unabhängige, weisungsfreie Aufsichtsbehörde bzw. einen richterlichen Konzessions-Senat übertragen werden (https://www.bundeskanzleramt.gv.at/dam/jcr:e1e4a9c8-27c2-46e0-8a0a-15b800c2ec5f/49_13_mrv.pdf).

Diese Reform sollte den bestehenden Interessenskonflikt des Finanzministeriums, das derzeit sowohl Casino-Eigentümer, Aufsichtsbehörde, Lizenzvergeber als auch zuständige Abgabenbehörde ist, entschärfen.

Die letzte Lizenzvergabe im Jahr 2011 endete für das Finanzministerium in einem Debakel, weil das Bundesverwaltungsgericht die Vergabe von drei Casinolizenzen 2015 aufhob. Die Entscheidungskriterien waren nicht nachvollziehbar. Seitdem hat sich kein Finanzministerium mehr getraut, drei Lizenzen auszuschreiben (Profil 01/2023 vom 8.1.2023).

Der Bericht des Rechnungshofes aus dem Jahr 2016 zur Vergabe der Glücksspiel-Konzessionen fiel vernichtend aus. Es wurde festgestellt, dass die Ausgestaltung des Konzessionsregimes, die Ausschreibungsprozesse und die Entscheidungsfindung durch Mängel der Transparenz und sachlichen Nachvollziehbarkeit gekennzeichnet waren (https://www.rechnungshof.gv.at/rh/home/home/Vergabe_der_Gluecksspielkonzessionen_des_Bundes.pdf).

Die Bedeutung des Spielerschutzes ist durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) vom 14.12.2022 (G259/2022) weiter gestiegen. Der VfGH betont, dass die Regelungen zum Spielerschutz für Spielbanken unzureichend sind und dass das Monopol ohne klare Spielerschutzvorschriften europarechtlich keinen Bestand haben kann. § 14 GSpG sieht vor, dass bei der Vergabe einer Konzession für ein Online-Casino auf die besten Voraussetzungen zur Spielsuchtvorbeugung und andere gesetzliche Bestimmungen geachtet werden muss. Das Glücksspielgesetz enthält jedoch keine spezifischen Vorschriften zum Spielerschutz bei elektronischen Lotterien (online-Casino). Das von win2day festgesetzte maximale Einzahlungslimit kann – gemäß der Entscheidung des VfGH vom 14.12.2022 – den Spielerschutz nicht gewährleisten. Schon nach dem ersten Monat könnte ein durchschnittlich verdienender österreichischer Staatsbürger bei Ausschöpfung des Maximalbetrages existenziell bedroht sein. Statistische Daten zur Spielsucht und Beschaffungskriminalität liegen der Republik nicht vor.

Um einen objektiven und gesetzeskonformen Entscheidungsprozess zu garantieren, sind maximale Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Entscheidungen notwendig. Die Kriterien für Entscheidungen müssen klar ausgeschildert sein. Die bestehenden gesetzlichen Verpflichtungen, deren Einhaltung die Bewerber garantieren müssen, sind als Kriterien anzusehen. Problematisch ist, dass unter den Lizenzbewerbern Unternehmen sind, die geltende Gesetze ignorieren und brechen.

Herr Finanzminister, folgende Fakten und Verdachtslagen sollten berücksichtigt werden:

Novomatic:

Österreichische Lotterien:

Casinos Austria:

Illegale Online-Glücksspiel-Anbieter:

Cashpoint:

Diese Fakten unterstreichen die Notwendigkeit einer transparenten und nachvollziehbaren Lizenzvergabe, um den Spielerschutz zu gewährleisten und die Integrität des Glücksspielmarktes zu sichern.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

 

  1. Wie viele und welche Glücksspiel-Konzessionen müssen bis 2027 neu vergeben werden (bitte um vollständig Aufzählung der ausgeschriebenen, bzw. auszuschreibenden Konzessionspakete)?
  2. Für welchen Zeitraum werden die Konzessionen vergeben (bitte um Angabe für jedes Konzessionspaket)?
  3. Wann wurde der Prozess zur Neuvergabe der Konzessionen gestartet?
  4. Welche Meilensteine sollen bis wann erreicht werden?
  5. Welche Abteilung in Ihrem Ressort ist für die Vergabe der Glücksspiel-Konzessionen zuständig?
  6. Wie viele Mitarbeiter sind in ihrem Ressort mit den Vergabeprozessen der Glücksspiel-Konzessionen beschäftigt?
  7. Welche externen Berater:innen werden zum Vergabeverfahren hinzugezogen?
  8. Für welche Aufgaben oder Fragestellungen werden die jeweiligen Berater hinzugezogen?
  9. Wie und wann erfolgt(e) die Vergabe der Berateraufträge?
  10. Wie hoch sind die dafür vorgesehenen/bezahlten Mittel?
  11. Hat die offizielle Ausschreibung der Lotterie- und Casino-Konzessionen bereits begonnen?
    1. Falls nicht - Gibt es bereits einen Start- und Endtermin für die Ausschreibung?
    2. Falls ja - bis wann geht die Ausschreibung?
  1. Gibt es bereits Interessensbekundungen, bzw. Konzessionswerber um die Konzessionen?
    1. Falls ja, bitte um Anzahl der Interessenbekundungen/Konzessionswerber.
    2. Falls ja, bitte um Anzahl der Interessenbekundungen/Konzessionswerber mit Sitz im Inland, im EU-Ausland, in Drittstaaten.
  1. Welche Kriterien müssen Konzessionswerber erfüllen?
  2. Fanden bereits Gespräche mit Konzessionswerbern statt?
    1. Wenn ja, wie viele und wann?
  1. Wird zur Begutachtung der Interessensbekundungen ein Beirat beigezogen?
    1. Falls ja, ist der bereits konstituiert, bzw. für wann ist dessen Einrichtung geplant?
    2. Falls ja, wer bestellt die Mitglieder?
    3. Falls ja, gibt es bereits Beiratsmitglieder, bzw. Kanditat:innen?
    4. Welche fachlichen Kriterien müssen die Beiratsmitglieder erfüllen?
    5. Wird bei der Besetzung des Beirats auch ein Mitglied mit Erfahrung im Bereich der Kriminalitätsprävention/Geldwäschebekämpfung geben?
    6. Wird es bei der Besetzung des Beirats auch ein Mitglied mit Erfahrung im Bereich des Spielerschutzes geben?
    7. Wird es bei der Besetzung des Beirats auch ein Mitglied mit Erfahrung im Bereich der europäischen Regelung im Online-Glücksspielbereich geben (um best-practice Beispiele einfließen lassen zu können)?
    8. Ist eine finanzielle Kompensation für Arbeit/Zeit der Beiratsmitglieder vorgesehen und in welcher Höhe?
  1. Wer trifft die finale Entscheidung über die Zuteilung der Konzessionen?
  2. Wer erstellt die Entscheidungsgrundlage?
  3. Wie genau erfolgt die Zuteilung der Konzession? Bitte um Beschreibung des jeweiligen Zuteilungsverfahrens, zB Auswahlkriterien und Gewichtung.
  4. Was sind genau die Auswahlkriterien?
    1. Welche sind jedenfalls zu erfüllen?
  1. Wie werden diese gewichtet?
  2. Der RH stellte in seinem Bericht aus 2016 fest, dass bei den untersuchten Vergaben von Konzessionen in den Jahren 2010-15 "die Ausgestaltung des Konzessionsregimes, die Ausschreibungsprozesse und die Entscheidungsfindung durch Mängel der Transparenz und sachlichen Nachvollziehbarkeit gekennzeichnet" waren. Inwiefern wurde diesen Kritikpunkten jeweils durch welche wann gesetzte Maßnahme im derzeitigen Vergabeverfahren Rechnung getragen?
  3. Der RH stellte 2016 fest, dass wegen "unzureichender Dokumentation vieler Entscheidungsschritte (z.B. Konzeption des Verfahrens, Paketgestaltung, Beiratsbestellung, Diskussion und Entwicklung der Bewertungen im Beirat) nur eingeschränkt nachvollziehbar" und "bei der Ausgestaltung des Konzessionsregimes als auch bei der Abwicklung der Ausschreibungen die Gründe für die im BMF getroffenen Entscheidungen teilweise nicht transparent" waren. Inwiefern wurde diesen Kritikpunkten jeweils durch welche wann gesetzte Maßnahme im derzeitigen Vergabeverfahren Rechnung getragen?
  4. Inwiefern werden bei den laufenden Ausschreibungen die Entscheidungen transparent dokumentiert (werden)?
  5. Der RH stellte 2016 fest, dass eine "aus ordnungspolitischer Sicht optimale räumliche Verteilung der Konzessionen sowie eine optimale räumliche Abgrenzung der Pakete" vom BMF nicht belegt werden konnten. Inwiefern wurde diesen Kritikpunkten jeweils durch welche wann gesetzte Maßnahme im derzeitigen Vergabeverfahren Rechnung getragen?
  6. Der RH stellte 2016 fest, dass aufgrund des geringen Punkteabstands (1-2% Punkte) zwischen den Bewerbern "bereits eine geringfügige — gleichermaßen argumentierbare — Andersbewertung in einzelnen Kriterien durch das BMF zu einem anderen Ergebnis geführt hätte" - Wie wird bei den aktuellen Neuausschreibungen sichergestellt, dass die gewählten Kriterien, Gewichtungen und Bewertungen zu weniger willkürlich wirkenden Ergebnissen bei der Bewertung führen? Inwiefern wurde diesen vom RH geäußerten Kritikpunkten im derzeitigen Vergabeverfahren Rechnung getragen?
  7. Der RH stellte 2016 fest, dass für den Beirat kein Mitglied mit spezieller Erfahrung im Bereich der Kriminalitätsprävention/Geldwäschebekämpfung bestellt wurde. Wie wird sichergestellt, dass im Beirat genug Know-how im Bereich Geldwäsche und Kriminalitätsbekämpfung vorhanden ist, zumal es sich bei Glücksspiel um ein besonders geldwäschegeneigtes Geschäft handelt? Inwiefern wurde also diesen Kritikpunkten jeweils durch welche wann gesetzte Maßnahme im derzeitigen Vergabeverfahren Rechnung getragen?
  8. Sind Ihnen Studien bekannt, die das Argument der ÖVP, zu niedrige Limits für Einsätze würden laut Experten zum "Abwandern" der Konsument:innen in die Illegalität führen, stützen?
  9. Wenn ja, welche Studien? Bitte um Verweis bzw. Anhang an Ihre Beantwortung.
  10. Wird bei den Bewerbern um eine Lizenz unterschieden zwischen jenen Anbietern, die über gültige Lizenzen innerhalb der EU verfügen und jenen, die über keine EU-Glücksspiellizenzen verfügen, ihren Sitz in Drittstaaten haben und keine Steuern in Österreich zahlen?
    1. Wenn ja, inwiefern?
  1. Wurden die mit der Entscheidung befassten Personen umfassend über gesetzwidrige oder ähnlich kritische Handlungen der Konzessionswerber unterrichtet?
    1. Wenn ja, über welche?
    2. Wenn nein, werden Sie persönlich dafür Sorge tragen, dass dies geschieht?
    3. Wenn nein, warum nicht?
  1. Inwiefern wurde für die Entscheidungsfindung vonseiten der Justiz die Information eingeholt, welche einschlägigen gerichtlichen oder sonstigen Entscheidungen welcher Behörden zu Unternehmen, die sich um eine Lizenz bewerben, bzw. zu in diesen agierenden Personen erfolgt sind?
    1. Mit welchem Ergebnis? Bitte um Aufschlüsselung nach Bewerber und Urteil.
  1. Inwiefern wurde für die Entscheidungsfindung vonseiten der Justiz die Information eingeholt, welche einschlägigen Verfahren (Verwaltungsstraf-, straf- und zivilrechtlich) zu Unternehmen, die sich um eine Lizenz bewerben, bzw. zu in diesen agierenden Personen anhängig sind?
    1. Mit welchem Ergebnis? Bitte um Aufschlüsselung nach Bewerber und Verfahren.
  1. Welche gerichtlichen oder sonstigen Entscheidungen welcher Behörden bzw. Institutionen zu Unternehmen, die sich um eine Lizenz bewerben, bzw. zu in diesen agierenden Personen wurden dem Beirat zur Kenntnis gebracht?
  2. Inwiefern berücksichtigt das BMF das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs aus dem Jahr 2022 betreffend die Sicherung des Spielerschutzes im Rahmen des Glücksspielmonopols?
    1. Verstoß von Teilen einer Bestimmung des Glücksspielgesetzes betreffend den Schutz des Vermögens einzelner Spieler gegen den Gleichheitsgrundsatz
    2. Unsachlichkeit der bloßen Einholung von Bonitätsauskünften bei problematischem Spielverhalten
    3. kein effektiver Spielerschutz aufgrund der erst sehr spät einsetzenden weitergehenden Schutz- und Sorgfaltspflichten der Spielbankleitung (nämlich erst bei Gefährdung des Existenzminimums)
  1. Inwiefern wurde für die Entscheidungsfindung die Information eingeholt, welche Unternehmen, die sich um eine Lizenz bewerben, wann eine Sperrdatenbank einführten bzw. eine derartige planen?
    1. Mit welchem Ergebnis? Bitte um Aufschlüsselung nach Bewerber und Verfahren.
  1. Wie weit sind die Bemühungen um eine Einrichtung einer Sperrdatenbank gediehen?
  2. Illegales Online-Glücksspiel: Falls in Zukunft das Online-Glückspiel nicht mehr über einen einzigen Anbieter angeboten (Monopol), sondern mehrere Lizenzen vergeben werden sollten, sind dann jene Bewerber, bzw. deren Geschäftsführer:innen, die davor illegalerweise Online-Glücksspiel in Österreich angeboten haben, von einer Bewerbung, bzw. Vergabe ausgeschlossen?
    1. Welche Vorkehrungen wurden getroffen, um einen Ausschluss jener Anbieter zu erreichen, welche bereits jetzt illegal online-Glücksspiel in Österreich anbieten, insbesondere im Hinblick auf etwaige Verschleierungskonstruktionen im Hinblick auf die Eigentümerstruktur?
  1. Wie sollen die Spieler:innen in Österreich künftig vor illegalen Online-Glücksspiel-Anbietern geschützt werden?
  2. Welche Gesellschaften haben sich im Rahmen der letzten Konzessionsvergabe zum Betrieb von VLT-Automaten beworben?
  3. Welcher Gesellschaft wurde bei diesem Verfahren eine Konzession erteilt und wie lange gilt diese noch?
  4. Verfügt bzw. verfügte im Zeitpunkt der Konzessionserteilung, die Österreichische Lotterien GmbH über alle in § 14 Abs 2 GSpG festgelegten Anforderungen?
  5. Wird diese Konzession zum Betrieb von VLT-Automaten - analog zu anderen Konzessionen - neu ausgeschrieben?