18946/J XXVII. GP

Eingelangt am 20.06.2024
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend Diplomat:innen und das Sicherheitsrisiko Spionage

 

Von Spionage geht ein immenses Gefahrenpotential aus: Sie untergräbt die Staatssicherheit des betroffenen Landes durch die Weitergabe sensibler Informationen, beeinflusst politische Entscheidungen, schädigt die Wirtschaft durch den Diebstahl von Unternehmensgeheimnissen und infiltriert wichtige Institutionen. Darüber hinaus führt sie zu einem Vertrauensverlust unter Verbündeten, ist Teil hybrider Kriegsführung, die demokratische Strukturen gefährdet, und kann Personen in Schlüsselpositionen kompromittieren. Zudem zielt sie darauf ab, Wahlprozesse zu beeinflussen und das Vertrauen in die Demokratie zu untergraben. 

Der Verfassungsschutzbericht 2023 streicht hinsichtlich etwaiger Spionagetätigkeiten in Österreich jene von Russland, China, Iran und der Türkei hervor.

Die Spionagetätigkeiten Russlands sind auch als Teil der hybriden Kriegsführung zu sehen. Um seinen Angriffskrieg zu rechtfertigen und weiter zu befeuern, betreibt Russland kontinuierliche Desinformationsmaßnahmen, die sich auch gezielt gegen die Europäische Union, die NATO und auch gegen Österreich richten. Diese Desinformationskampagnen sind auch dafür gedacht, Misstrauen und Ablehnung gegenüber den Regierungen in Europa zu erzeugen. Auch Österreich ist davon betroffen. Die „Neuen Rechten“ sind dabei traditionell Echokammern russischer Desinformation. Die Propaganda wird übernommen und weiterverbreitet, wodurch die Herkunft aus Russland oftmals nicht mehr unmittelbar erkennbar ist. Der Bericht hält fest: "Wien wird weiterhin ein organisatorischer Knotenpunkt für russische Nachrichtendienste bleiben, solange sich an der hohen Zahl von russischem diplomatischen Personal in Österreich nichts ändert". 

Zu China sagt der Verfassungsschutzbericht: "Österreich und insbesondere Wien sind für chinesische Nachrichtendienste aufgrund der geopolitischen Lage im Zentrum Europas und der wenig restriktiven Gesetzeslage äußerst attraktive Operationsräume. [...] China ist, um seine geopolitischen Großambitionen vorantreiben zu können, insbesondere im Bereich der Wirtschafts- und Wissenschaftsspionage ein zentraler Akteur, da er auf einen Wissens- und Technologietransfer angewiesen ist. [...] Chinas Nachrichtendienste erachten die chinesische Diaspora in Österreich als eine wichtige Ressource, um ihre Ziele zu erreichen. In der Instrumentalisierung, Repression und Überwachung chinesischer Bürgerinnen und Bürger spielen auch die sogenannten chinesischen „Übersee-Polizeidienststellen“ („OPS“) eine essentielle Rolle".

Chinas Spionage wird laut Verfassungsschutz teilweise auch nicht-professionell betrieben. So werden chinesische Student:innen oft dazu angehalten ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse an chinesische Botschaften und Konsulate weiterzugeben. China hat erst im Juli 2023 sei rigides Spionagegesetz weiter verschärft und verpflichtet "jede chinesische Firma sowie jede Staatsbürgerin und jeden Staatsbürger der Volksrepublik im In- und Ausland zur Kooperation mit chinesischen Nachrichtendiensten. Nicht zuletzt kriminalisiert das Spionagegesetz eine Vielzahl ausländischer Forschungs- und Geschäftsaktivitäten in China und untergräbt in Österreich geltende Datenschutzbestimmungen".

"Irans Nachrichtendienste fungieren als Herrschaftsinstrumente für den Machterhalt des repressiven Regimes. Sie agieren im In- und Ausland, um für die iranische Führung relevante Informationen zu beschafen sowie Bedrohungen durch angebliche Feinde der Islamischen Republik zu identiizieren und gegen sie vorzugehen. Regimegegnerinnen und Regimegegner sowie Oppositionelle werden nicht nur auf iranischem Boden, sondern auch in der Diaspora im Ausland und damit auch in Österreich bedroht und eingeschüchtert". Iran unterhält in Wien auch einen nachrichtendienstlichen Stützpunkt. Irans Botschaft in der Bundeshauptstadt gilt als bedeutende Einrichtung zur Tarnung von Nachrichtendienstmitarbeiterinnen und Nachrichtendienstmitarbeitern und als wichtige Steuerungszentrale iranischer Nachrichtendienstaktivitäten in Europa. Auch begleiten iranische Nachrichtendienste die Delegationen zu Tagungen internationaler Organisationen, so der Verfassungsschutzbericht.

In Österreich existieren laut Bericht zahlreiche Vereine und Unternehmen mit Verbindungen zum iranischen Regime, an denen die iranischen Nachrichtendienste interessiert sind. Explizit genannt wird das Islamische Zentrum Imam Ali. Auch die Manipulation von Asylwerber:innen ist möglich zur gezielten Beschaffung von Informationen, um potenzielle Regimegegner:innen zu identifizieren, Geflohene zur Zusammenarbeit zu bewegen oder belastendes Material gegen Zielpersonen der Islamischen Republik Iran zu sammeln.

Zwar benennt der Verfassungsschutzbericht die Türkei als eine Hauptakteurin bei Spionage, ein eigenes Kapitel mit Informationen zu Spionageaktivitäten der Türkei im österreichischen Bundesgebiet findet sich aber nicht darin.

Wenn Diplomat:innen in Österreich Spionage betreiben und Aktivist:innen und Exilant:innen ausspähen oder sogar mittels Spionage Krieg führen, braucht es harte Konsequenzen und ein rasches, entschiedenes Handeln. Dass es weiterhin diplomatischen Austausch geben muss, steht außer Frage. Das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen erlaubt es aber ohne weiteres, die Zahl der Diplomat:innen auf das Allernotwendigste zu beschränken. Die Bundesregierung ist hinsichtlich Spionage fremder Staaten fahrlässig untätig. Dass die Bundesregierung die Gefahr, die von Spionage ausgeht, nicht erkennt, zeigt sich im Umstand, dass mehr als zwei Jahre nach Beginn des russischen Angriffskriegs wenige russische Diplomat:innen ausgewiesen wurden, während in Europa mehr als 600 Personen eine Ausweisung erfuhren. Zu den anderen einschlägigen Ländern sind überhaupt keine Ausweisungen bekannt.



Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

  1. Laut ZackZack empfahl die DSN dem BMeiA ,14 in Wien lebende Spione des russischen Auslandsgeheimdienstes SWR auszuweisen. Rund die Hälfte sei diplomatisches Personal, die andere Hälfte für Technik, Service und Infrastruktur zuständig. Das 14-köpfige Team würde vom SWR-Residenten an der russischen Botschaft in Wien geführt. Entspricht diese Berichterstattung den Tatsachen? 
    1. Wenn nein, inwiefern nicht?
    2. Wenn nein, warum wurde der faktisch korrekten Empfehlung von Ausweisungen nicht Folge geleistet?
  1. Wann gab es seit dem 1.12.2021 Gespräche Ihres Ressorts mit dem Außenministerium bezüglich russischen Diplomat:innen und der Frage, sie als „personae non gratae“ zu qualifizieren und auszuweisen?
  2. Laut der Anfragebeantwortung 17523/AB vom 10.05.2024 zu unserer Anfrage 18096/J wird das BMI hinsichtlich russischen diplomatischen Personals "jedesmal vor der notwendigen Erteilung des diplomatischen Agréments befasst sowie regelmäßig über den Personalstand diplomatischer Vertretungen in Österreich informiert". Wie sieht die Vorgehensweise hinsichtlich iranischen, chinesischen bzw. türkischen diplomatischen Personals aus?
  3. Wie sieht die Vorgehensweise hinsichtlich diplomatischen Personals aus anderen Staaten aus?
  4. Inwiefern gibt es Unterschiede in der Vorgehensweise? 
    1. Warum jeweils?
  1. Wie viele Ermittlungsverfahren aufgrund von § 256 StGB wurden in den letzten 5 Jahren geführt (mit der Bitte um Angabe der jeweiligen Staatsbürgerschaft)?
  2. Welche Bestrebungen gibt es hinsichtlich der Schließung der SIGINT-Station auf dem Dach der Ständigen Vertretung Russlands bei den Vereinten Nationen?
    1. Steht die DSN/das BMI hierzu in Kontakt mit anderen Ressorts oder Behörden?

                                          i.    Wenn ja, welche Gespräche wurden wann, mit welchem Inhalt und mit wem geführt?

1.    Welche Position nahm die DSN/welche Behörde Ihres Ressorts jeweils ein?

  1. Welche Bestrebungen gibt es hinsichtlich der Schließung welcher SIGINT-Station auf welchen anderen Gebäuden in Besitz Russlands?
    1. Steht die DSN/das BMI hierzu in Kontakt mit anderen Ressorts oder Behörden?

                                          i.    Wenn ja, welche Gespräche wurden wann, mit welchem Inhalt und mit wem geführt?

1.    Welche Position nahm die DSN/welche Behörde Ihres Ressorts jeweils ein?

  1. Laut dem Verfassungsschutzbericht 2023 bedienen sich iranische Nachrichtendienste nichtiranischer krimineller Akteurinnen und Akteure, oft mit Bezug zur organisierten Kriminalität, die jüdische/israelische Einrichtungen attackieren, Regimefeinde bedrohen und einschüchtern. Die bedrohliche Verbindung von nachrichtendienstlichen und kriminellen Netzwerken stelle ein signifikantes Gefährdungspotenzial für Österreich dar. Laut dem Bericht ist die iranische Botschaft in Wien einer der nachrichtendienstlichen Stützpunkte. Wie viele Mitarbeiter:innen der iranischen Nachrichtendienste konnte die DSN in Österreich identifizieren?
    1. Wie viele sind davon an iranischen Auslandsvertretungen tätig?
  1. Auch nutzen die iranischen Nachrichtendienste die enge Verwobenheit zwischen der iranischen Botschaft in Wien und dem Islamischen Zentrum Imam Ali, welche allgemein als verlängerter Arm des iranischen Regimes gilt, weswegen wir schon im März 2023 eine parlamentarische Anfrage betreffend effiziente Ermittlungen rund um das Imam Ali- Zentrum einbrachten. Am 28.5.2024 erschien in der Krone ein Artikel zum Imam Ali-Zentrum, welche als Propaganda-Zentrum des Regimes benutzt wird. Auch aus einem kürzlich erschienen Bericht der Dokumentationsstelle Politischer Islam ergibt sich die enge Verbindung zwischen dem iranischen Gottesstaat, der auf die Vernichtung Israels aus ist, und dem Imam Ali-Zentrum. Wurden in Ihrem Ressort Maßnahmen diskutiert, um das Imam Ali-Zentrum zu schließen?
    1. Wenn ja, wann durch wen?
    2. Wenn ja, inwiefern wurde wann mit anderen Ressorts oder Behörden der Austausch gesucht?
    3. Wenn nein, warum nicht?
  1. Wie viele Mitglieder der Iranischen Revolutionsgarde konnten von der DSN/welcher Behörde Ihres Ressorts in Österreich identifiziert werden?
    1. Wie viele sind an Auslandsvertretungen in Österreich tätig?
  1. Wie viele Mitglieder der chinesischen Nachrichten- und Geheimdienste konnten von der DSN/welcher Behörde Ihres Ressorts in Österreich identifiziert werden?
    1. Wie viele sind an Auslandsvertretungen in Österreich tätig?
  1. Österreich ist für China insbesondere in den Bereichen Wissenschaft und Wirtschaft interessant. Viele größere, aber auch kleine und mittlere Betriebe, Start-Ups und Forschungszentren fehlt es an Bewusstsein im Hinblick auf die eigene Attraktivität für chinesische Nachrichtendienste. Wie oft hat die DSN seit dem 1.12.2021 Gespräche mit
    1. Unternehmen,
    2. Forschungszentren,
    3. Universitäten und
    4. welchen anderen Einrichtungen betreffend Sensibilisierung in dieser Thematik geführt?
    5. Welche Verbesserungsvorschläge wurden jeweils von der DSN unterbreitet?
  1. China versucht auch durch Direktinvestitionen in österreichische Unternehmen an Daten und geistiges Eigentum zu gelangen. Durch vermehrte Firmenübernahmen in Österreich gewinnt der asiatische Staat an politischem Gewicht und Einfluss innerhalb des Bundesgebiets. Investiert China in kritische Infrastruktur oder in sensible Technologien, kann sich daraus ein beträchtliches Risiko für die Sicherheit Österreichs ergeben. Wie oft wurde das BMI seit 1.12.2021 aufgrund welcher Regelung des Investitionskontrollgesetzes im Rahmen nationaler Verfahren beigezogen?
    1. Wie oft aufgrund von Investitionen aus China?

                                          i.    Betreffend Investitionen in welche Branchen/Sektoren jeweils? 

    1. Wie oft aufgrund von Investitionen aus Russland?

                                          i.    Betreffend Investitionen in welche Branchen/Sektoren jeweils? 

    1. Wie oft aufgrund von Investitionen aus welchen anderen Staaten?

                                          i.    Betreffend Investitionen in welche Branchen/Sektoren jeweils? 

    1. Wie oft wurde von Seiten des BMI eine ablehnende Stellungnahme abgegeben?

                                          i.    Mit welcher Begründung jeweils? 

                                        ii.    Wie oft wurde dem entsprochen?

    1. Wie oft wurde das BMI seit 1.12.2021 aufgrund welcher Regelung des Investitionskontrollgesetzes im Rahmen von EU-Verfahren beigezogen?

                                          i.    Wie oft aufgrund von Investitionen aus China?

1.    Betreffend Investitionen in welche Branchen/Sektoren jeweils? 

                                        ii.    Wie oft aufgrund von Investitionen aus Russland?

1.    Betreffend Investitionen in welche Branchen/Sektoren jeweils? 

                                       iii.    Wie oft aufgrund von Investitionen aus welchen anderen Staaten?

1.    Betreffend Investitionen in welche Branchen/Sektoren jeweils? 

    1. Wie oft wurde von Seiten des BMI eine ablehnende Stellungnahme abgegeben?

                                          i.    Mit welcher Begründung jeweils? 

                                        ii.    Wie oft wurde dem entsprochen?

  1. Gab es in den Jahren 2022, 2023 und 2024 bis zum Zeitpunkt der Anfrage Ermittlungen in Investitionskontrollverfahren?
    1. Wenn ja, in wie vielen Fällen betreffend welche Staatsangehörigkeiten jeweils? Bitte um Aufschlüsselung nach Jahr. 
    2. Wenn ja, mit welchem Ergebnis jeweils?
    3. Wenn nein, warum nicht? 
  1. Ein kürzlich erschienener POLITICO-Bericht hält Folgendes fest: "Geheimdienstmitarbeiter sagen gegenüber POLITICO, dass neue Beweise darauf hindeuten, dass die BVT-Razzia Teil einer von Moskau gesteuerten Operation war, um Österreichs Spionagedienste zu diskreditieren, um sie mit einer neuen Führung unter dem Einfluss des Kremls neu aufzubauen. Entscheidend für diese Bemühungen sei der Juniorpartner in der damaligen Regierungskoalition gewesen: die rechtsextreme, russlandfreundliche Freiheitliche Partei (FPÖ), die heute die beliebteste Partei des Landes ist. Über welche Informationen und Erkenntnisse verfügt die DSN/welche Behörde Ihres Ressorts über eine Verstrickung Russlands in die BVT-Razzia?
  2. Inwiefern haben Sie sich wann des Themas angenommen, um für Aufklärung zu sorgen?