18947/J XXVII. GP

Eingelangt am 20.06.2024
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend Folgeanfrage: Wo bleibt die Novellierung des Spionageparagraphen?

 

Von Spionage geht ein immenses Gefahrenpotential aus: Sie untergräbt die Staatssicherheit des betroffenen Landes durch die Weitergabe sensibler Informationen, beeinflusst politische Entscheidungen, schädigt die Wirtschaft durch den Diebstahl von Unternehmensgeheimnissen und infiltriert wichtige Institutionen. Darüber hinaus führt sie zu einem Vertrauensverlust unter Verbündeten, ist Teil hybrider Kriegsführung, die demokratische Strukturen gefährdet, und kann Personen in Schlüsselpositionen kompromittieren. Zudem zielt sie darauf ab, Wahlprozesse zu beeinflussen und das Vertrauen in die Demokratie zu untergraben.

Der Verfassungsschutzbericht 2023 nennt hinsichtlich etwaiger Spionagetätigkeiten in Österreich jene von Russland, Iran, China und der Türkei.

Hinsichtlich des zahnlosen Spionageparagraphen § 256 StGB hält der Bericht folgendes fest:

"Österreich hat in Bezug auf Spionage durch ausländische Dienste eine Sonderstellung. Spionage ist in Österreich nach § 256 StGB (Geheimer Nachrichtendienst zum Nachteil Österreichs) nur dann gerichtlich strafbar, wenn sie gegen österreichische Interessen gerichtet ist. Ausgenommen ist nur die Einrichtung, der Betrieb und die Unterstützung eines militärischen Nachrichtendienstes, wobei jedoch auch diese Handlungen lediglich mit zwei Jahren Freiheitsstrafe bedroht sind (§ 319 StGB – Militärischer Nachrichtendienst für einen fremden Staat). Im internationalen Vergleich ist auch die Strafdrohung des § 256 StGB mit bis zu fünf Jahren als niedrig zu bewerten. Dies macht Österreich zu einem prädestinierten Zielland für ausländische Nachrichtendienste, vor allem als Plattform für Spionageaktivitäten gegen andere EU-Länder".1

Die Zahlen zu einschlägigen Ermittlungen sind auch ernüchternd: Aus der Anfragebeantwortung 17520/AB vom 10.05.20242 zu unserer parlamentarischen Anfrage 18095/J ergibt sich, dass seit dem 16.5.2023 keine neuen Ermittlungsverfahren geführt wurden.

Entschiedenes Handeln ist daher hinsichtlich der Novellierung des § 256 StGB gefragt. Um diesen Missstand zu beheben, haben wir NEOS schon in einem Entschließungsantrag vom 24.2.2021 (!) "Notwendige gesetzliche Anpassungen zur Stärkung der österreichischen Spionageabwehr" ((1321/A(E))3 mit SPÖ und FPÖ beantragt, dass die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Justiz, aufgefordert wird, dem Nationalrat ehest bald einen Gesetzesentwurf zuzuleiten, mit dem u.a. der Tatbestand des § 256 StGB erweitert wird. Der Entschließungsantrag vom 24.02.2021 wurde am 10.05.2021 im Justizausschuss behandelt, wo er auf Antrag des Abg. Gerstl (ÖVP) mit den Stimmen der Regierungsfraktionen vertagt wurde, mit der Begründung, dass das BMJ eine Präzisierung des Gesetzes erarbeiten und vorschlagen solle. Wir NEOS brachten in der Folge am 17.4.2023 einen Initiativantrag ein: "Wer zum Nachteil der Republik Österreich, eines fremden Staates oder einer internationalen Organisation einen geheimen Nachrichtendienst einrichtet oder betreibt oder einen solchen Nachrichtendienst wie immer unterstützt, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen."4 Auch dieser Antrag wurde zwei Mal vertagt.

Dass der Straftatbestand des § 256 StGB erweitert und auch die Spionage zum Nachteil fremder Staaten und Internationaler Organisationen erfassen muss, ist also seit Jahren bekannt. Laut og. Anfragebeantwortung findet anscheinend aber erst seit April 2024 ein ressortübergreifender Austausch statt. Laut der Anfragebeantwortung 17423/AB des BMEIA vom 10.05.20245 zu unserer parlamentarischen Anfrage 18096/J wurde das BMeiA nicht eingebunden. 

 

Quellen:

1) Verfassungsschutzbericht 2023, S.96 (https://www.dsn.gv.at/501/files/VSB/180_2024_VSB_2023_V20240517_BF.pdf)

2) https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/AB/17520

3) https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/A/1321?selectedStage=105

4) https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/A/3267

5) https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/AB/17523

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. In welchem Stadium befindet sich die Novellierung des § 256 StGB?
    1. Inwiefern soll der Straftatbestand des § 256 StGB geändert werden?
    2. Welche Schritte wurden bis dato unternommen?
  1. Welche Gespräche fanden seit der letzten Anfragebeantwortung innerhalb Ihres Ressorts zur Novellierung des § 256 StGB statt?
    1. Welche Sektion(en), Abteilung(en) und Person(en) war/waren beteiligt?

                                          i.    Welche Punkte wurden wann besprochen?

1.    Was war der jeweilige Gesprächsinhalt und welche Position nahm das BMJ ein?

  1. Welche Gespräche fanden seit der letzten Anfragebeantwortung mit anderen Ressorts zur Novellierung des § 256 StGB statt?
    1. Mit welchen Ressorts (bitte um genaue Auflistung der Sektion(en), Abteilung(en) und der beteiligten Person(en)) und zu welchen Punkten?

                                          i.    Welche Punkte wurden wann besprochen?

1.    Was war der jeweilige Gesprächsinhalt und welche Position nahm das BMJ ein?

  1. Für wann ist der Ministerialentwurf und für wann die Regierungsvorlage geplant?
  2. Wie wird bei Verdacht der Begehung von Spionage iSd § 256 StGB durch Diplomat:innen vonseiten der Staatsanwaltschaft vorgegangen (wird Anfangsverdacht geprüft, Ermittlungen aufgenommen,...)? 
  3. Wie viele Ermittlungsverfahren aufgrund von § 256 StGB werden derzeit geführt (mit der Bitte um Angabe der jeweiligen Staatsbürgerschaft)?
  4. Wie viele gerichtliche Hauptverfahren aufgrund von § 256 StGB werden derzeit geführt (mit der Bitte um Angabe der jeweiligen Staatsbürgerschaft)?
  5. Zu wie vielen Verurteilungen nach § 256 StGB kam es seit der letzten Anfragebeantwortung 17520/AB vom 10.05.2024 (Bitte um zusätzliche Aufschlüsselung nach Staatsbürgerschaft)?
    1. Wie viele Diversionen wurden seit der letzten Anfragebeantwortung 17520/AB ausgesprochen? (Bitte um zusätzliche Aufschlüsselung nach Staatsbürgerschaft)
    2. Wie viele Freisprüche gab es seit der letzten Anfragebeantwortung 17520/AB? (Bitte um zusätzliche Aufschlüsselung nach Staatsbürgerschaft)
  1. Wie wird bei Verdacht der Begehung von Spionage iSd § 256 StGB durch Diplomat:innen und dem Verwaltungs- und technischen Personal vonseiten der Staatsanwaltschaft vorgegangen (wird Anfangsverdacht geprüft, Ermittlungen aufgenommen,...)?"
    1. In welchem Stadium des Strafverfahrens wird die Immunität wirksam? 

                                          i.    Gibt es hierzu einen Erlass des BMJ?

1.    Wenn ja, welchen Inhalt hat dieser?

  1. China versucht auch durch Direktinvestitionen in österreichische Unternehmen an Daten und geistiges Eigentum zu gelangen. Durch vermehrte Firmenübernahmen in Österreich gewinnt der asiatische Staat an politischem Gewicht und Einfluss innerhalb des Bundesgebiets. Investiert China in kritische Infrastruktur oder in sensible Technologien, kann sich daraus ein beträchtliches Risiko für die Sicherheit Österreichs ergeben.
    1. Wie oft wurde das BMJ seit 1.12.2021 aufgrund welcher Regelung des Investitionskontrollgesetzes im Rahmen nationaler Verfahren beigezogen?

                                          i.    Wie oft aufgrund von Investitionen aus China?

1.    Betreffend Investitionen in welche Branchen/Sektoren jeweils? 

                                        ii.    Wie oft aufgrund von Investitionen aus Russland?

1.    Betreffend Investitionen in welche Branchen/Sektoren jeweils? 

                                       iii.    Wie oft aufgrund von Investitionen aus welchen anderen Staaten?

1.    Betreffend Investitionen in welche Branchen/Sektoren jeweils? 

    1. Wie oft wurde von Seiten des BMJ eine ablehnende Stellungnahme abgegeben?

                                          i.    Mit welcher Begründung jeweils? 

                                        ii.    Wie oft wurde dem entsprochen?

    1. Wie oft wurde das BMJ seit 1.12.2021 aufgrund welcher Regelung des Investitionskontrollgesetzes im Rahmen von EU-Verfahren beigezogen?

                                          i.    Wie oft aufgrund von Investitionen aus China?

1.    Betreffend Investitionen in welche Branchen/Sektoren jeweils? 

                                        ii.    Wie oft aufgrund von Investitionen aus Russland?

1.    Betreffend Investitionen in welche Branchen/Sektoren jeweils? 

                                       iii.    Wie oft aufgrund von Investitionen aus welchen anderen Staaten?

1.    Betreffend Investitionen in welche Branchen/Sektoren jeweils? 

    1. Wie oft wurde von Seiten des BMJ eine ablehnende Stellungnahme abgegeben?

                                          i.    Mit welcher Begründung jeweils? 

                                        ii.    Wie oft wurde dem entsprochen?

  1. Gab es in den Jahren 2022, 2023 und 2024 bis zum Zeitpunkt der Anfrage strafrechtliche Ermittlungen in Investitionskontrollverfahren? 
    1. Wenn ja, in wie vielen Fällen betreffend welche Staatsangehörigkeiten jeweils? Bitte um Aufschlüsselung nach Jahr. 
    2. Wenn ja, mit welchem Verfahrensausgang jeweils?