Eingelangt am 21.06.2024
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Anfrage
der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg
Sarre, Kolleginnen und Kollegen
an den Bundesminister für
Bildung‚ Wissenschaft und Forschung
betreffend Lehrkräftemangel und
Direktor:innenmangel an Österreichs Schulen
Wie zahlreiche parlamentarische
Anfragebeantwortungen und Medienberichte der letzten Jahre belegen, ist der -
schon lange absehbare und nun akute - Lehrkräftemangel eines der
drängendsten Probleme im österreichischen Schulwesen. Mit der
"Ressortstrategie Klasse Job" bearbeitet das BMBWF manche Aspekte
dieses Problems, aber bei weitem nicht alle. So sind etwa keine Vorhaben
bekannt, die die Arbeitsbedingungen in den Schulen substanziell verbessern und
damit den Beruf attraktiver machen würden.
Seitens des BMBWF wird zwar stets versichert,
dass alle Stunden gehalten werden. Aus den Schulen ist jedoch zu hören,
dass die Personalnot anders durchschlägt: Die Stunden werden gehalten,
doch oft nicht so wie vorgesehen. In vielen Fällen sollten zwei
Lehrpersonen in der Klasse sein, beispielsweise zur Unterstützung von
Kindern mit Behinderung, mit Lernschwierigkeiten, mit unzureichenden
Deutschkenntnissen oder einfach im Rahmen des in der Mittelschule in den
Hauptfächern vorgesehenen Team Teaching. De facto ist jedoch - trotz
vorgesehener Doppelbesetzung - oft nur eine Lehrkraft verfügbar. Damit
leiden gerade jene Kinder, die mehr Unterstützung bräuchten,
besonders unter dem jahrelang verschleppten Problem des Lehrerinnen- und
Lehrermangels.
Auch in den Zahlen zum Budgetvollzug 2023
zeigt sich, wie massiv der Lehrkräftemangel ist. Die Auszahlungen für
Personalaufwand liegen in der UG 30 (Bildung) deutlich unter den budgetierten
Zahlen, weil Stellen nicht besetzt und Förderstunden nicht angeboten
werden können, da die Lehrkräfte fehlen.
Im Bereich der Bundesschulen ist der Bund
unmittelbar für das Personalwesen zuständig, im Bereich der
Landesschulen trägt er zumindest eine Mitverantwortung: Die
Zuständigkeit für das Personalmanagement liegt dort zwar bei den
Ländern, der Bund ist jedoch für die Ausbildung der zukünftigen Lehrpersonen
und für die Rahmenbedingungen im Berufsfeld (Schulgesetze, Finanzierung
etc.) verantwortlich.
Zum Lehrkräfte-Mangel tritt immer
öfter auch ein Direktor:innen-Mangel. Für ausgeschriebene
Schulleitungsposten treffen keine oder nur sehr wenige Bewerbungen ein, sodass
Stellen unbesetzt bleiben oder Personen Direktor:in werden, die dafür nur
mäßig geeignet sind. Auch hier werden nur zögerlich
Maßnahmen gesetzt, um die Tätigkeit attraktiver zu machen. So wurden
zwar zuletzt die administrativen Unterstützungskräfte aufgestockt,
aber nicht flächendeckend im benötigten Ausmaß, wie auch der
Rechnungshof in seinem diesbezüglichen Bericht festgestellt hat. In
Pflichtschulen soll es, wie am 3. Juni 2024 präsentiert wurde,
zukünftig Stundenkontingente für "pädagogische-administrative
Fachkräfte" geben, die den Administrator:innen an höheren
Schulen entsprechen. Ein "Mittleres Management" mit
Teamleitungen/Abteilungsleitungen ist aber (mit Ausnahme der BMHS, wo es diese
bspw. an HTL schon gibt) weiterhin nicht vorgesehen - weder für
große AHS noch für große Pflichtschulen, obwohl das in solchen
Schulen notwendig und sinnvoll wäre. Auch für eine Gesamtreform des
bürokratischen Schulverwaltungssystems nach dem Motto "Autonomie
statt Bürokratie" fehlt offensichtlich der politische Wille. Auf
diese Weise bleibt die Schulleitungsfunktion weiterhin wenig
erstrebenswert.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher
folgende
Anfrage:
- Zur Pensionierungswelle: In früheren
Anfragebeantwortungen wurden Prognosedaten für die nächsten
Jahre vorgelegt. Bis zu welchem Jahr liegen derzeit Prognosen vor? Bitte
um Auflistung der voraussichtlichen Pensionierungen nach Gesamtzahl,
Bundesland und Schulart sowie auch nach Unterrichtsfächern, wobei den
Anfragesteller:innen bekannt ist, dass Lehrer:innen i.d.R. über Studienabschlüsse
in mindestens zwei Unterrichtsfächern verfügen und die Zahl der
Pensionierungen nach Schulfächern daher in Summe eine höhere
Anzahl ergibt, als die Zahl der in Pension gehenden Personen.
- Das Personalprognosemodell des BMBWF
ermöglicht österreichweite Prognosen für allgemein bildende
Unterrichtsfächer. Welcher Personalbedarf (in
Vollzeitäquivalenten) wurde dabei für die kommenden 5-10 Jahre
ermittelt? Bitte um Auflistung nach Gesamtzahl, Bundesland und Schulart
sowie nach Unterrichtsfächern, in absoluten Zahlen und in Prozent der
Beschäftigten.
- In zahlreichen Fällen (bspw.
Teamteaching in Mittelschulen, zur Unterstützung von Kindern mit
sonderpädagogischem Förderbedarf, zur Sprachförderung etc.)
ist im regulären Unterricht eine Doppelbesetzung mit zwei
Lehrkräften vorgesehen. Aus den Schulen wird berichtet, dass viele
dieser vorgesehenen Doppelbesetzungen aufgrund des akuten
Lehrkräftemangels nicht stattfinden, was insbesondere zulasten der
förderbedürftigen Schüler:innen geht. Aus Ihrer
Anfragebeantwortung 16251/AB geht hervor, dass im
Personalmanagementsystems des BMBWF "Doppelbesetzung" keine
erfasste Kategorie ist und Sie daher nicht wissen, in wie vielen Stunden
die vorgesehene zweite Lehrperson entfällt.
- Wie kann es gelingen, den
Lehrkräftemangel in Griff zu bekommen, wenn gar nicht bekannt ist,
wie groß die bestehenden Lücken sind?
- Was planen Sie, um dieses
Informationsdefizit zu ändern?
- Was planen Sie, um sicherzustellen, dass
künftig nicht nur die Stunden stattfinden, sondern diese auch mit
der vorgesehenen Anzahl von Lehrkräften (z.B. mit einer
Zweitlehrkraft für Inklusion, Sprachförderung etc.) abgehalten
werden?
- Wie viele Lehrpersonen mit Sondervertrag
gibt es im Schuljahr 2023/24? Bitte um Auflistung nach Gesamtzahl, Bundesland
und Schulart.
- Wie viele davon waren Lehramtsstudierende?
Bitte um Auflistung nach Gesamtzahl, Bundesland und Schulart.
- Wie hoch war die
Teilbeschäftigungsquote im Schuljahr 2023/24? Bitte um Auflistung
nach Gesamtzahl, Bundesland und Schulart.
- Wie ist der aktuelle Umsetzungsstand der
"Ressortstrategie Klasse Job"? Sind seit der letzten
diesbezüglichen Anfragebeantwortung weitere Aktivitäten bzw.
Maßnahmen hinzugekommen?
- Sind über die definierten
Handlungsfelder der "Ressortstrategie Klasse Job" hinaus
Maßnahmen in Umsetzung oder geplant, die die Attraktivität des
Lehrer:innenberufs erhöhen?
- Wie ist der aktuelle Stand zum
angekündigten Bürokratieabbau?
- Wie ist der aktuelle Stand bezüglich
effizienter und userfreundlicher IT-Lösungen für Verwaltungsaufgaben?
- Wie ist der aktuelle Stand bezüglich
Unterstützungspersonal im Bereich Administration? Welche
Schlüsse ziehen Sie aus dem diesbezüglichen
Rechnungshofbericht?
- Welche technischen und baulichen
Maßnahmen sind geplant (bspw. Arbeitsplätze, Dienstlaptops,
Diensthandy etc.)?
- Ist geplant, Aufstiegsmöglichkeiten
für Lehrer:innen zu schaffen und ein Mittleres Management in den
Schulen (bspw. Abteilungs- oder Teamleitungen sowie Expert:innenstellen)
zu etablieren?
- Welche weiteren Ausbaupläne gibt es
für den Bereich des psychosozialen Supportpersonals?
- Als Maßnahme gegen den
Lehrkräfte-Mangel sollen auch pensionierte Lehrpersonen für die
Rückkehr in den Schuldienst gewonnen werden.
- Ist geplant, diesbezüglich an den
Rahmenbedingungen zu ändern, damit pensionierte Lehrkräfte mit
Beamtenstatus nicht in der niedrigsten Gehaltsstufe
eingestuft werden, wenn sie wieder zu unterrichten beginnen?
- Wie viele Lehrer:innen, die zur
Pensionierung anstehen oder bereits in Pension sind,
i. haben um Verlängerung angesucht,
ii. bei wie vielen wurde die Verlängerung genehmigt,
iii. für wie lange wurde die Verlängerung durchschnittlich
genehmigt,
iv. bei wie vielen wurde die Verlängerung nicht genehmigt und
v. welche Gründe waren dafür ausschlaggebend?
- Wann kommt das im Zuge der Reform des Lehramtsstudiums
angekündigte "Schutzpaket" für Junglehrer:innen?
- Wie wird sich dieses Paket kurzfristig und
langfristig auf den Lehrkräftemangel auswirken?
- Wie viele Stellen als Schulleiter:in wurden
in den Schuljahren 2022/23 und 2023/24 jeweils ausgeschrieben? Bitte um
Auflistung nach Gesamtzahl, Bundesland und Schulart.
- Zu wie vielen dieser Ausschreibungen gab es
keine Bewerbungen?
- Zu wie vielen dieser Ausschreibungen gab es
eine bis drei Bewerbungen?
- Zu wie vielen dieser Ausschreibungen gab es
mehr als drei Bewerbungen?
- Gibt es Prognosen, wie viele Schulleitungen
in den nächsten 5 Jahren voraussichtlich jeweils ausgeschrieben
werden? Wenn ja, bitte um Auflistung nach Schulart und Bundesland in
absoluten Zahlen und in Prozent der Schulen.
- Wie viele Schulen werden derzeit von einer
provisorisch betrauten Leitungsperson geführt? Bitte um Auflistung
nach Schulart und Bundesland.
- Wie lange bleiben solche provisorischen
Besetzungen durchschnittlich bestehen?
- Welche Maßnahmen setzt das BMBWF gegen
den Mangel an Bewerber:innen für Schulleitungsposten?
- Gibt es seitens des BMBWF Überlegungen,
den für die Leitung einer Schule in Frage kommenden Personenkreis
auszuweiten, also nicht länger auf Lehrer:innen zu beschränken
sondern bspw. Führungskräften aus anderen Bereichen des
Bildungswesens (Kindergarten bis Erwachsenenbildung), HR-Manager:innen,
Psycholog:innen etc. zu ermöglichen, sich zu bewerben?
- Wenn ja, welche Überlegungen werden
diesbezüglich angestellt und welcher Zeithorizont für die
Umsetzung ist angedacht?
- Wenn nein, warum nicht?
- In den höheren Schulen gibt es
zusätzlich zu Sekretariatskräften auch Administrator:innen. Gibt
es seitens des BMBWF Überlegungen, ähnliche Stellen auch in
(größeren) Pflichtschulen zu etablieren (bzw. den Bundesländern
diese Stellen zu finanzieren), um Direktor:innen für
Führungsaufgaben (bspw. Begleitung und Führung der
Junglehrer:innen) freizuspielen und die Führungsposition zu
attraktivieren?
- Wenn ja, inwiefern?
- Wenn nein, warum nicht?