18948/J XXVII. GP

Eingelangt am 21.06.2024
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Anfrage

der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Bildung‚ Wissenschaft und Forschung

betreffend Lehrkräftemangel und Direktor:innenmangel an Österreichs Schulen

 

Wie zahlreiche parlamentarische Anfragebeantwortungen und Medienberichte der letzten Jahre belegen, ist der - schon lange absehbare und nun akute - Lehrkräftemangel eines der drängendsten Probleme im österreichischen Schulwesen. Mit der "Ressortstrategie Klasse Job" bearbeitet das BMBWF manche Aspekte dieses Problems, aber bei weitem nicht alle. So sind etwa keine Vorhaben bekannt, die die Arbeitsbedingungen in den Schulen substanziell verbessern und damit den Beruf attraktiver machen würden. 

Seitens des BMBWF wird zwar stets versichert, dass alle Stunden gehalten werden. Aus den Schulen ist jedoch zu hören, dass die Personalnot anders durchschlägt: Die Stunden werden gehalten, doch oft nicht so wie vorgesehen. In vielen Fällen sollten zwei Lehrpersonen in der Klasse sein, beispielsweise zur Unterstützung von Kindern mit Behinderung, mit Lernschwierigkeiten, mit unzureichenden Deutschkenntnissen oder einfach im Rahmen des in der Mittelschule in den Hauptfächern vorgesehenen Team Teaching. De facto ist jedoch - trotz vorgesehener Doppelbesetzung - oft nur eine Lehrkraft verfügbar. Damit leiden gerade jene Kinder, die mehr Unterstützung bräuchten, besonders unter dem jahrelang verschleppten Problem des Lehrerinnen- und Lehrermangels. 

Auch in den Zahlen zum Budgetvollzug 2023 zeigt sich, wie massiv der Lehrkräftemangel ist. Die Auszahlungen für Personalaufwand liegen in der UG 30 (Bildung) deutlich unter den budgetierten Zahlen, weil Stellen nicht besetzt und Förderstunden nicht angeboten werden können, da die Lehrkräfte fehlen. 

Im Bereich der Bundesschulen ist der Bund unmittelbar für das Personalwesen zuständig, im Bereich der Landesschulen trägt er zumindest eine Mitverantwortung: Die Zuständigkeit für das Personalmanagement liegt dort zwar bei den Ländern, der Bund ist jedoch für die Ausbildung der zukünftigen Lehrpersonen und für die Rahmenbedingungen im Berufsfeld (Schulgesetze, Finanzierung etc.) verantwortlich. 

Zum Lehrkräfte-Mangel tritt immer öfter auch ein Direktor:innen-Mangel. Für ausgeschriebene Schulleitungsposten treffen keine oder nur sehr wenige Bewerbungen ein, sodass Stellen unbesetzt bleiben oder Personen Direktor:in werden, die dafür nur mäßig geeignet sind. Auch hier werden nur zögerlich Maßnahmen gesetzt, um die Tätigkeit attraktiver zu machen. So wurden zwar zuletzt die administrativen Unterstützungskräfte aufgestockt, aber nicht flächendeckend im benötigten Ausmaß, wie auch der Rechnungshof in seinem diesbezüglichen Bericht festgestellt hat. In Pflichtschulen soll es, wie am 3. Juni 2024 präsentiert wurde, zukünftig Stundenkontingente für "pädagogische-administrative Fachkräfte" geben, die den Administrator:innen an höheren Schulen entsprechen. Ein "Mittleres Management" mit Teamleitungen/Abteilungsleitungen ist aber (mit Ausnahme der BMHS, wo es diese bspw. an HTL schon gibt) weiterhin nicht vorgesehen - weder für große AHS noch für große Pflichtschulen, obwohl das in solchen Schulen notwendig und sinnvoll wäre. Auch für eine Gesamtreform des bürokratischen Schulverwaltungssystems nach dem Motto "Autonomie statt Bürokratie" fehlt offensichtlich der politische Wille. Auf diese Weise bleibt die Schulleitungsfunktion weiterhin wenig erstrebenswert. 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Zur Pensionierungswelle: In früheren Anfragebeantwortungen wurden Prognosedaten für die nächsten Jahre vorgelegt. Bis zu welchem Jahr liegen derzeit Prognosen vor? Bitte um Auflistung der voraussichtlichen Pensionierungen nach Gesamtzahl, Bundesland und Schulart sowie auch nach Unterrichtsfächern, wobei den Anfragesteller:innen bekannt ist, dass Lehrer:innen i.d.R. über Studienabschlüsse in mindestens zwei Unterrichtsfächern verfügen und die Zahl der Pensionierungen nach Schulfächern daher in Summe eine höhere Anzahl ergibt, als die Zahl der in Pension gehenden Personen. 
  2. Das Personalprognosemodell des BMBWF ermöglicht österreichweite Prognosen für allgemein bildende Unterrichtsfächer. Welcher Personalbedarf (in Vollzeitäquivalenten) wurde dabei für die kommenden 5-10 Jahre ermittelt? Bitte um Auflistung nach Gesamtzahl, Bundesland und Schulart sowie nach Unterrichtsfächern, in absoluten Zahlen und in Prozent der Beschäftigten. 
  3. In zahlreichen Fällen (bspw. Teamteaching in Mittelschulen, zur Unterstützung von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf, zur Sprachförderung etc.) ist im regulären Unterricht eine Doppelbesetzung mit zwei Lehrkräften vorgesehen. Aus den Schulen wird berichtet, dass viele dieser vorgesehenen Doppelbesetzungen aufgrund des akuten Lehrkräftemangels nicht stattfinden, was insbesondere zulasten der förderbedürftigen Schüler:innen geht. Aus Ihrer Anfragebeantwortung 16251/AB geht hervor, dass im Personalmanagementsystems des BMBWF "Doppelbesetzung" keine erfasste Kategorie ist und Sie daher nicht wissen, in wie vielen Stunden die vorgesehene zweite Lehrperson entfällt.
    1. Wie kann es gelingen, den Lehrkräftemangel in Griff zu bekommen, wenn gar nicht bekannt ist, wie groß die bestehenden Lücken sind?
    2. Was planen Sie, um dieses Informationsdefizit zu ändern? 
    3. Was planen Sie, um sicherzustellen, dass künftig nicht nur die Stunden stattfinden, sondern diese auch mit der vorgesehenen Anzahl von Lehrkräften (z.B. mit einer Zweitlehrkraft für Inklusion, Sprachförderung etc.) abgehalten werden?
  1. Wie viele Lehrpersonen mit Sondervertrag gibt es im Schuljahr 2023/24? Bitte um Auflistung nach Gesamtzahl, Bundesland und Schulart.
    1. Wie viele davon waren Lehramtsstudierende? Bitte um Auflistung nach Gesamtzahl, Bundesland und Schulart.
  1. Wie hoch war die Teilbeschäftigungsquote im Schuljahr 2023/24? Bitte um Auflistung nach Gesamtzahl, Bundesland und Schulart.
  2. Wie ist der aktuelle Umsetzungsstand der "Ressortstrategie Klasse Job"? Sind seit der letzten diesbezüglichen Anfragebeantwortung weitere Aktivitäten bzw. Maßnahmen hinzugekommen?
  3. Sind über die definierten Handlungsfelder der "Ressortstrategie Klasse Job" hinaus Maßnahmen in Umsetzung oder geplant, die die Attraktivität des Lehrer:innenberufs erhöhen?
    1. Wie ist der aktuelle Stand zum angekündigten Bürokratieabbau?
    2. Wie ist der aktuelle Stand bezüglich effizienter und userfreundlicher IT-Lösungen für Verwaltungsaufgaben?
    3. Wie ist der aktuelle Stand bezüglich Unterstützungspersonal im Bereich Administration? Welche Schlüsse ziehen Sie aus dem diesbezüglichen Rechnungshofbericht?
    4. Welche technischen und baulichen Maßnahmen sind geplant (bspw. Arbeitsplätze, Dienstlaptops, Diensthandy etc.)?
    5. Ist geplant, Aufstiegsmöglichkeiten für Lehrer:innen zu schaffen und ein Mittleres Management in den Schulen (bspw. Abteilungs- oder Teamleitungen sowie Expert:innenstellen) zu etablieren?
    6. Welche weiteren Ausbaupläne gibt es für den Bereich des psychosozialen Supportpersonals?
  1. Als Maßnahme gegen den Lehrkräfte-Mangel sollen auch pensionierte Lehrpersonen für die Rückkehr in den Schuldienst gewonnen werden.
    1. Ist geplant, diesbezüglich an den Rahmenbedingungen zu ändern, damit pensionierte Lehrkräfte mit Beamtenstatus nicht in der niedrigsten Gehaltsstufe eingestuft werden, wenn sie wieder zu unterrichten beginnen?
    2. Wie viele Lehrer:innen, die zur Pensionierung anstehen oder bereits in Pension sind,

                                          i.    haben um Verlängerung angesucht,

                                        ii.    bei wie vielen wurde die Verlängerung genehmigt,

                                       iii.    für wie lange wurde die Verlängerung durchschnittlich genehmigt,

                                       iv.    bei wie vielen wurde die Verlängerung nicht genehmigt und 

                                        v.    welche Gründe waren dafür ausschlaggebend?

  1. Wann kommt das im Zuge der Reform des Lehramtsstudiums angekündigte "Schutzpaket" für Junglehrer:innen?
    1. Wie wird sich dieses Paket kurzfristig und langfristig auf den Lehrkräftemangel auswirken?
  1. Wie viele Stellen als Schulleiter:in wurden in den Schuljahren 2022/23 und 2023/24 jeweils ausgeschrieben? Bitte um Auflistung nach Gesamtzahl, Bundesland und Schulart.
    1. Zu wie vielen dieser Ausschreibungen gab es keine Bewerbungen?
    2. Zu wie vielen dieser Ausschreibungen gab es eine bis drei Bewerbungen?
    3. Zu wie vielen dieser Ausschreibungen gab es mehr als drei Bewerbungen?
  1. Gibt es Prognosen, wie viele Schulleitungen in den nächsten 5 Jahren voraussichtlich jeweils ausgeschrieben werden? Wenn ja, bitte um Auflistung nach Schulart und Bundesland in absoluten Zahlen und in Prozent der Schulen.
  2. Wie viele Schulen werden derzeit von einer provisorisch betrauten Leitungsperson geführt? Bitte um Auflistung nach Schulart und Bundesland. 
    1. Wie lange bleiben solche provisorischen Besetzungen durchschnittlich bestehen?
  1. Welche Maßnahmen setzt das BMBWF gegen den Mangel an Bewerber:innen für Schulleitungsposten?
  2. Gibt es seitens des BMBWF Überlegungen, den für die Leitung einer Schule in Frage kommenden Personenkreis auszuweiten, also nicht länger auf Lehrer:innen zu beschränken sondern bspw. Führungskräften aus anderen Bereichen des Bildungswesens (Kindergarten bis Erwachsenenbildung), HR-Manager:innen, Psycholog:innen etc. zu ermöglichen, sich zu bewerben?
    1. Wenn ja, welche Überlegungen werden diesbezüglich angestellt und welcher Zeithorizont für die Umsetzung ist angedacht?
    2. Wenn nein, warum nicht?
  1. In den höheren Schulen gibt es zusätzlich zu Sekretariatskräften auch Administrator:innen. Gibt es seitens des BMBWF Überlegungen, ähnliche Stellen auch in (größeren) Pflichtschulen zu etablieren (bzw. den Bundesländern diese Stellen zu finanzieren), um Direktor:innen für Führungsaufgaben (bspw. Begleitung und Führung der Junglehrer:innen) freizuspielen und die Führungsposition zu attraktivieren?
    1. Wenn ja, inwiefern?
    2. Wenn nein, warum nicht?