18968/J XXVII. GP
Eingelangt am 24.06.2024
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Anfrage
der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend Folgeanfrage Desaster Signa: Ermittlungsverfahren zum Verdacht der Insolvenzverschleppung, Gläubigerbeeinträchtigung und anderer Straftaten
Im Rahmen der Insolvenzverfahren der SIGNA Holding, SIGNA Prime und SIGNA Development stellt sich die immer drängendere Frage, wer für den entstandenen Schaden inwiefern zur Rechenschaft gezogen werden muss. Es wurde hier nämlich über viele Jahre zu Vermeidung von Transparenz ein Konstrukt geschaffen, mit dem die bestehende Gesetzeslage umgangen wurde. So stellte bereits die Rechnungshof-Präsidentin Margit Kraker in ihrer Befragung im ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschusses am 24. November 2022 klar: "Manche gesetzlichen Regelungen müssten im Hinblick auf mehr Transparenz noch umgesetzt werden, manche müssten nur strikt eingehalten werden".1 Deutlich wird daher rund um das Imperium von Rene Benko auf den ersten Blick eines: Es wäre vieles nicht passiert, wenn die Gesetze eingehalten worden wären- d.h. z.B. Wirtschaftsprüfer:innen ihrer gesetzlich bestehenden Verantwortung nachgekommen wären. Insbesondere allen redlichen Unternehmer:innen in unserem Land, die sich an die Gesetze halten, ist es der Rechtsstaat schuldig, dort wo bedauerlicherweise unsere Gesetze für jemanden nicht zu gelten schienen, für Konsequenzen zu sorgen, wie sie das Strafgesetzbuch vorsieht.
Zu der Causa Signa per se: Den Geschäftsführer trifft mit Eintritt der materiellen Insolvenz ein Zahlungsverbot, nachdem die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft eingetreten ist. § 25 (3) Z2 GmbHG normiert, dass der Geschäftsführer zum Ersatz des Schadens verpflichtet sind, wenn nach dem Zeitpunkt, in welchem sie die Eröffnung des Insolvenzverfahrens einleiten hätten müssen, weiter Zahlungen durch die Gesellschaft geleistet wurden.
Auch gegenüber den Gläubigern kann eine Haftung des Geschäftsführers einschlägig sein. Nach der hM wird § 69 (2) IO iVm § 1311 ABGB als Schutzgesetz zugunsten der Gläubiger des Insolvenzschuldners ausgelegt, was bei fahrlässiger Verletzung der Insolvenzantragspflicht zu einer Haftung des Geschäftsführers gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft führt. In ständiger Rechtsprechung des OGH wird daher die deliktische Haftung des Geschäftsführers gegenüber den geschädigten Gläubigern bejaht - vor allem dann, wenn der Geschäftsführer die Insolvenzantragspflicht schuldhaft verletzt.
Selbst wenn Rene Benko innerhalb der SIGNA Holding bereits 2013 als Geschäftsführer zurückgetreten ist, jahrelang "bloß" Vorsitzender des SIGNA Beirates war bzw. innerhalb der SIGNA Development einen Beratervertrag hinsichtlich der Beratung in strategischen Fragen der Gesellschaft abgeschlossen hatte, kommt für ihn eine Geschäftsführerhaftung trotzdem in Frage. Der OGH judiziert in ständiger Rechtsprechung, dass der faktische Geschäftsführer - eine Person, die ohne wirksam formell zum Geschäftsführer bestellt worden zu sein, das Unternehmen leitet oder zumindest maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung nimmt - auf den formellen Geschäftsführer aktiv einzuwirken hat, damit dieser seiner Pflicht nach § 69 (2) iVm. (3) IO nachkommt. Im Falle der Konkursverschleppungshaftung ist der OGH der Ansicht, dass es sich um jemanden handeln muss, der dauerhaft und ausgeprägt den Platz eines zum Insolvenzantrag legitimierten Organs einnimmt.
Benko selbst meinte in seiner Befragung im Rahmen des Ibiza-Untersuchungsausschusses am 21. Oktober 2020, dass er "nicht mehr in das Tagesgeschäft involviert" sei und sich "vielmehr mit Fragen der Strategie und der Weiterentwicklung" beschäftige.2 Angesichts der Machtposition, die Benko innerhalb der SIGNA Holding hatte, ist dies jedoch anzuzweifeln.
Zu den nun vorzunehmenden Ermittlungen hinsichtlich Unterlassens gesetzlicher Verpflichtungen etc.: Wichtig ist nun, dies in effizienten Verfahren zu klären. Solche brauchen dafür die entsprechenden Ressourcen. Denn für das Durchsetzen unseres Rechtsstaates sind gerade bei Verfahren zu "großen Fischen" solche vonnöten- der Faktor Zeit ist relevant.
Bzgl. der Vergangenheit ist es fraglich, inwiefern nach bisherigen Anzeigen und Prüfungen von Bestehen eines Anfangsverdachts bzw. geplanter Anklage ohne politischen Einfluss Verfahren beendet wurden. Bereits 2019 sorgte die Causa rund um das Chalet N in Lech am Arlberg für Aufsehen. Der Fall blieb wegen Unterlassen der Veröffentlichung der Einstellungsbegründung für Sorgen, weswegen wir dazu Anfragen stellten. Die Einstellungsbegründung wurde später öffentlich und 2019 wurde bekannt, dass die geplante Anklage, in welcher auch Benko als Beschuldigter geführt werden sollte, per Weisung der OStA Wien abgedreht wurde.3 Es besteht die Sorge, dass noch weitere Verfahren eingestellt wurden- und dies wegen Unterlassen der Veröffentlichung der Begründung gesetzwidrig unbekannt blieb. Auch dies will diese Anfrage ändern.
Auch nach der Veröffentlichung der Anfragebeantwortung ist ein Ende der Vorwürfe gegen Rene Benko und die SIGNA nicht abzusehen. Zuletzt wurde Mitte April bekannt, dass die WKStA auch gegen Benko persönlich wegen mutmaßlichen schweren Betrugs ermittelt.4 Es sind daher weitere Fragen und Aktualisierungen der abgefragten Daten notwendig.
Am 19.06.2024 veröffentlichte die Kronen-Zeitung den Bericht "Die politischen Verbindungen des SOKO-Signa-Chefs" (https://www.krone.at/3414791). Aus der Recherche geht hervor, dass der Leiter der SOKO Signa, Manuel Scherscher, ein exponierter ÖVP-Funktionär ist, der insbesondere nicht nur ein berufliches Naheverhältnis zu Sebastian Kurz, sondern auch zu Wolfgang Sobotka pflegt(e). Beide genannten Personen hatten wiederum eine auffällige Nähe zu Rene Benko, belegt durch zahlreiche Treffen zwischen Sobotka, Kurz und Benko; die beiden letzteren standen auch in geschäftlicher Beziehung.
1 Veröffentlichung des wörtlichen Protokolls über die öffentliche Befragung der Auskunftsperson Dr. Margit Kraker (701/KOMM) | Parlament Österreich
2 Veröffentlichung des wörtlichen Protokolls über die öffentliche Befragung der Auskunftsperson René Benko (111/KOMM) | Parlament Österreich
3 DOSSIER · Seltsame Einstellung
4 WKStA bestätigt Ermittlungen gegen Benko persönlich - Wirtschaftspolitik - derStandard.at › Wirtschaft
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
i. Von wem wann an wen erfolgte diese Weisung?
i. Von wem wann an wen erfolgte diese Weisung?
i. Von wem wann an wen erfolgte diese Weisung?
i. Wenn ja, zu welcher Verdachtslage durch wen wann?
i. Wenn ja, wer?
ii. Wenn ja, zu welcher Verdachtslage durch wen wann?
i. Wenn ja, wer?
ii. Wenn ja, zu welcher Verdachtslage durch wen wann?
i. Wenn ja, wer?
ii. Wenn ja, zu welcher Verdachtslage durch wen wann?
i. Von wem wann an wen erfolgte diese Weisung?
i. Von wem wann an wen erfolgte diese Weisung?
i. Von wem wann an wen erfolgte diese Weisung?
i. Von wem wann an wen erfolgte diese Weisung?
i. Wann hat welche Staatsanwaltschaft Ermittlungsverfahren in der Causa Signa/Benko eröffnet?
i. Wenn ja, inwiefern?
ii. Wenn nein, warum nicht?
i. Von welchem Ressorts stammen diese? Bitte um tabellarische Auflistung von welcher Behörde, wann, wie viele Personen zugeteilt wurden.
i. Wenn ja, wann?
ii. Wenn ja, mit welchem Inhalt?
iii. Wenn ja, hat die Frau Bundesminister davon Kenntnis erlangt?
1. Wenn ja, gab es Maßnahmen, die getroffen wurden?
a. Wenn ja, wann?
b. Wenn nein, warum nicht?
i. Wenn ja, inwiefern wer wann?
ii. Wenn nein, warum nicht?
i. Wenn ja, von wem?
i. Konnten sich die Staatsanwält:innen die Mitglieder der SOKO aussuchen?