18973/J XXVII. GP

Eingelangt am 26.06.2024
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Anfrage

 

der Abgeordneten Mario Lindner, Genossinnen und Genossen,

an die Bundesministerin für Landesverteidigung

 

betreffend Gleiches Recht für gleichen Dienst, gleich welches Geschlecht

 

Zu Recht wird in Politik und Medien aktuell angesichts der derzeitigen geopolitischen Krisen diskutiert, wie der Dienst im Österreichischen Bundesheer in Zukunft für mehr Menschen attraktiviert werden kann. Umso erstaunlicher muten vor diesem Hintergrund Medienberichte über bürokratische Hürden an, mit denen Berufssoldaten (!) in ihrer alltäglichen Arbeit konfrontiert sind. Unter dem Titel „Pferdeschwanz kommt Soldaten teuer zu stehen“ berichtete Die Presse am 10. Juni 2024 vom Fall eines Oberstleutnants, der seine Haare „aus Überzeugung und persönlichen sowie familiären Gründen“ mit Pferdeschwanz trug.[1] Der Soldat erstattete gegenüber der Bundesdisziplinarbehörde Selbstanzeige, da er seine Haare wachsen ließ und zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hat … und wurde deshalb zu EUR 3.000,- Disziplinarstrafe verurteilt.

 

Begründet wird die Ahndung dieses Soldaten mit einem Bruch des Erlasses des Bundesministeriums für Landesverteidigung, mit dem die Haarlänge von Soldat*innen geregelt wird. Entsprechend dieser Vorgaben müssen männliche Soldaten kurze Haare tragen, während Frauen im Bundesheer die Erlaubnis für lange Haare, die mit Zopf oder Pferdeschwanz getragen werden, haben. Die Presse zitiert zu dieser offensichtlichen Ungleichbehandlung von Soldat*innen aufgrund ihres Geschlechts einen Sprecher der zuständigen Bundesministerin wie folgt: „Und bei Frauen sind lange Haare Teil der Persönlichkeit, was bei Soldaten nicht der Fall ist.“[2] Entsprechend wird „die Pflicht zu kurzen Haaren für männliche Soldaten mit besserer Hygiene und der Vermeidung von Unfällen, etwa im Panzer“ gerechtfertigt – warum Frauen mit Zopf sich in Panzern weniger wahrscheinlich verletzen können als Männer mit Pferdeschwanz, bleibt aber offen.

 

Für Personen, die aufgrund des VfGH-Entscheids aus 2018 einen alternativen Geschlechtseintrag haben, gibt es keine konkreten Vorgaben … eine Möglichkeit für sie, im Bundesheer tätig zu sein, gibt es nämlich rechtlich noch gar nicht.

 

Es scheint mehr als hinterfragenswert, dass das zuständige Bundesministerium für Landesverteidigung an offensichtlich unsachlichen Unterscheidungen zwischen Männern und Frauen festhält und anscheinend mehr damit beschäftigt zu sein scheint, die Haarlänge seiner Soldat*innen zu regulieren, als unnötige bürokratische Schikanen für jene Menschen aus dem Weg zu räumen, die sich für das Bundesheer verpflichten und damit einen wichtigen Beitrag für unsere Republik leisten. Auch die Bundes-Gleichbehandlungskommission vertritt dementsprechend seit 2023 die Ansicht, dass die unterschiedlichen Richtlinien für Haarlängen entsprechend des Geschlechts der Soldat*innen eine unsachgemäße Diskriminierung darstellen. Gerade angesichts der aktuellen globalen Lage sollte das Verteidigungsressort seine Energien darauf verwenden, den Dienst im Heer attraktiver zu gestalten und mehr Menschen (unabhängig von ihrem Geschlecht … und ihrer Frisur) zum Diensteintritt zu begeistern, als veraltete, diskriminierende Bürokratie-Floskeln zu verteidigen, die mit Sicherheit zeitnah von Gerichten aufgehoben werden.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

Anfrage:

 

1.    Wie genau rechtfertigen Sie aus Sicht des verfassungsmäßigen Gebots der Gleichbehandlung den Erlass Ihres Ressorts, der unterschiedliche Regelungen für Männer und Frauen im Bundesheer hinsichtlich Ihrer Haarlänge festlegt?

2.    Wie genau bewerten Sie die erwähnte Beurteilung der Bundes-Gleichbehandlungskommission in dieser Frage?

3.    Wie genau bewerten Sie die Analyse, dass der gegenständliche Erlass eine nicht gehörig kundgemachte Verordnung sei, da diese nicht nur intern sondern auch nach außen wirke?

a.    Wurde diese Analyse seitens Ihres Ressorts geprüft?

b.    Wird es auf Basis dieser Analyse eine Novellierung des Erlasses geben?

4.    Ist seitens Ihres Ressorts noch in dieser Legislaturperiode eine Änderung der dahingehenden Regelungen geplant?

a.    Wenn ja, wann und in welcher Form soll dieser Erlass reformiert werden?

b.    Wenn nein, warum sehen Sie dazu keine Notwendigkeit?

c.    Wenn nein, warum ignorieren Sie damit bewusst die erwähnte Beurteilung der Bundes-Gleichbehandlungskommission?

5.    Ist die gesetzliche Pflicht zur sachlichen Gleichbehandlung aufgrund des Bundes-Gleichbehandlungsgesetzes nach Einschätzung Ihres Ressorts auch für das Bundesheer gültig?

a.    Wenn ja, wird diese Pflicht zeitnah durch eine Reform der Vorgaben für die Haarlänge von Soldat*innen umgesetzt?

b.    Wenn nein, warum nicht? Bitte begründen Sie Ihre Antwort.

6.    Welche genauen Unterschiede ergeben sich hinsichtlich der Sicherheits- und Hygienerisiken für männliche bzw. weibliche Soldat*innen aufgrund ihrer Haarlänge, wie von Ihrem Sprecher gegenüber der Presse ausgeführt? Bitte begründen Sie Ihre Antwort mit dem Ihnen dazu vorliegenden Datenmaterial?

7.    Gibt die, von der Zeitung Die Presse zitierte Aussage Ihres Sprechers, wonach „bei Frauen (…) lange Haare Teil der Persönlichkeit (sind, Anm.), was bei Soldaten nicht der Fall ist“, die Beurteilung Ihres Ressort hinsichtlich der Unterscheidung zwischen männlichen und weiblichen Soldat*innen adäquat wider?

8.    Wie genau beurteilen Sie die Tatsache, dass ähnliche Haar-Vorschriften im Polizeidienst aufgrund gleichbehandlungsrechtlicher Bedenken bereits 2017 abgeschafft und geschlechtsneutral neugeregelt wurden?

a.    Ist diese Reform im Polizeidienst aus Sicht Ihres Ressorts eine Vorlage für ähnliche Novellen im Bundesheer? Bitte begründen Sie Ihre Antwort.

9.    Wie viele weibliche Soldatinnen sind im Jahr 2023 im Zuge Ihrer Arbeit im Bundesheer mit direkten Diensten an Panzern befasst gewesen?

10. Wieso gibt es in Ihrem Ressort, sechs Jahre nach dem entsprechenden VfGH-Entscheid, noch immer keine konkreten Vorgaben oder Regelungen für Personen, die alternative Geschlechtseinträge haben?

11. Sind entsprechende Vorgaben bzw. die grundlegende Ermöglichung eines Dienstes im Heer für Personen mit alternativen Geschlechtseinträgen aktuell in Planung?

a.    Wenn ja, was genau soll wann umgesetzt werden?

b.    Wenn nein, warum sehen Sie dazu keine Notwendigkeit?

c.    Welche konkreten Gespräche wurden dahingehend bereits mit welchen Expert*innen geführt? Welche Studien oder Gutachten wurden dahingehend bereits eingeholt?



[1] https://www.diepresse.com/18563372/spoe-will-allen-soldaten-lange-haare-erlauben

[2] Ebd.