Eingelangt am 27.06.2024
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Anfrage
der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und
Kollegen
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend Riesige Korruptionsverfahren mit politischer
Brisanz - wo bleiben die Ressourcen für die WKStA?
Für
effiziente Ermittlungen im Bereich Korruption braucht es ausreichend
kompetentes Personal bei den relevanten Ermittlungsbehörden - d.h.
aufseiten der Justiz bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft
(WKStA).
Seit
Beginn der türkisgrünen Regierung sind zahlreiche Großverfahren
bei der WKStA angefallen: Was zunächst mit dem CASAG-Stammverfahren (17 St
5/19d) begonnen hat, weitete sich innerhalb kürzester Zeit auf eine
Vielzahl weiterer Verfahrensstränge aus, und auch andere ergaben sich
aufgrund entsprechend fundierter Verdachtslage. Beispielhaft sei hier genannt:
- Das sog. "Verein"-Verfahren (AZ 17 St 2/19p)
- Verfahren zu Siegfried Wolf:
- Gegengeschäftsverfahren iZm Eurofighter (§ 153
StGB)
- Steuerverfahren iZm einer Managervergütung aus der Schweiz
(§ 302 StGB)
- Verfahren zu Rene Benko:
- Steuerverfahren (§§ 302, 304 und 307 StGB)
- SIGNA-Pleite (§§ 146 und 159 StGB)
- Verfahren zum "Beinschab-Tool" (§§ 153, 304
und 307 StGB)
- Verfahrensstrang rund um die Beauftragung von ICG (teilweise
diversionell erledigt)
- Verfahren rund um das ÖVP-Umfrageinstitut DEMOX
- Verfahren zu Postenbesetzung in (iZm August Wöginger)
- Verfahren zu FPÖ-Inseraten (iZm allen ehemaligen
FPÖ-geführten Ministerien)
- mittlerweile nach langen Ermittlungen bzw. Gerichtsverhandlungen
beendet:
- Sophie Karmasin (rechtskräftiges Urteil)
- Sebastian Kurz (§ 288 Abs. 3 StGB, nicht
rechtskräftiges Urteil)
- Bernhard Bonelli (§ 288 Abs. 3 StGB, nicht
rechtskräftiges Urteil)
- Bettina Glatz-Kremser (§ 288 Abs. 3 StGB, Diversion)
- Eurofighter-Gegengeschäftsverfahren (teilweise eingestellt,
teilweise rechtskräftige Verurteilungen)
Die
Ressourcen der WKStA sind seit Langem alarmierend limitiert. Begonnen
haben die Ermittlungen im Jahr 2017 mit 4 Staatsanwält:innen. (S. 10
U-Ausschuss Adamovic: https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVII/KOMM/74/fname_844885.pdf).
Nach kurzer Zeit verließ eine Staatsanwältin die WKStA und eine
wurde anders eingesetzt (S. 5 U-Ausschuss Jilek: https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVII/KOMM/163/fname_949071.pdf).
Das hatte zur Folge, dass im Jahr 2021 nur 3 Staatsanwälte, mitunter sogar
nur zwei, den gesamten Ibiza-Komplex bearbeitet haben. Daraufhin kam eine
Staatsanwältin zurück und ein Staatsanwalt wechselte zur WKStA (S. 5
U-Ausschuss Adamovic: https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVII/KOMM/74/fname_844885.pdf).
Im Jahr 2024 verließ aufgrund der unzumutbaren Zustände im Februar
wieder eine Staatsanwältin aus dem Ibiza-Team die WKStA und selbst der
Gruppenleiter wechselt mit Juni in den Richterdienst (https://www.falter.at/morgen/20240411/die-fuehrenden-staatsanwaelte-im-prozess-gegen-sebastian-kurz-verlassen-die-wksta).
Auch die Leiterin der Medienkompetenzstelle verließ vor Kurzem die WKStA (https://www.derstandard.at/story/3000000215385/abgaenge-prominenter-staatsanwaelte-setzen-wksta-unter-druck).
Dieser
Missstand äußerst geringer Ressourcen hat zur Folge, dass in dieser
enormen Anzahl von Verdachtsfällen politischer Korruption nicht effizient
und zügig ermittelt werden kann. Statt diese für einen Rechtsstaat
inakzeptable Situation zu beenden, indem die WKStA mit ausreichend Personal ausgestattet
wird, bleibt die Regierung untätig. Damit ist sie auch bei der Umsetzung
des im türkisgrünen Regierungsprogramm selbst deklarierten Zieles der
"Stärkung der Korruptionsbekämpfung" säumig. Aber noch
schlimmer: die ÖVP verzögerte selbst die Ermittlungen gegen sich
selbst, indem Bundeskanzler Nehammer die Sicherstellung von Daten aus dem
Bundeskanzleramt torpedierte und somit die Ermittlungen der WKStA um 1,5
Jahre verzögerte (https://www.derstandard.at/story/3000000213712/214vp-ermittlungen-sichergestellte-daten-des-kanzleramts-entsiegelt).
Besonders
absurd wird es dann, wenn Bundesministerin Edtstadler die lange Verfahrensdauer
beklagt- die ja aber gerade auch auf die eigene Untätigkeit bzw.
Torpedieren von Ermittlungen zurückzuführen ist.
Nachdem
unser unselbständiger Entschließungsantrag zum Bundesfinanzgesetz
2022 (Justiz - Untergliederung 13) betreffend "Mehr Personalressourcen
für die WKStA" mit den Stimmen von ÖVP, FPÖ und Grünen
abgelehnt wurde und die letzte Anfrage zu dem Thema (14816/J https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVII/J/14816/imfname_1550787.pdf)
zu keiner Verbesserung führte, erwarten wir uns weiterhin von Ihnen, sehr
geehrte Frau Justizministerin, dass Sie Korruptionsermittlung in Ihrem Ressort
mit ausreichend Ressourcen ausstatten, damit der Rechtsstaat funktioniert.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
Anfrage:
- Laut der Anfragebeantwortung 14328/AB waren zum Stichtag
07.06.2023 44 Planstellen bei der WKStA für Staatsanwält:innen
ernannt. Wie viele staatsanwaltliche Planstellen hat die WKStA seitdem
vorzuweisen (mit der Bitte um absolute Zahlen und Vollzeitäquivalente
pro Quartal seit 3. Quartal 2023)?
- Wie viele Dienstzuteilungen zu Lasten von Planstellen der
WKStA bestehen zum Zeitpunkt der Anfrage?
i. Wo
sind diese Personen dienstzugeteilt?
- Wie viele Dienstzuteilungen zugunsten von Planstellen der
WKStA bestehen zum Zeitpunkt der Anfrage?
i. Wo
sind diese Personen dienstzugeteilt?
- Wie viele Ersatzplanstellen hat die WKStA zum Zeitpunkt
der Anfrage vorzuweisen?
- Wie viele Planstellen der WKStA sind aktuell vakant?
- Wie viele geeignete Bewerbungen langen durchschnittlich
für eine vakante Planstelle einer/eines Oberstaatsanwält:in
ein?
- Wie viele vakante Planstellen der WKStA
konnten/können wegen mangelnden geeigneten Bewerber:innen nicht
besetzt werden im Jahr 2023?
- Wurden die Stellen für die zwei Abgänge der
Oberstaatsanwält:innen Adamovic und Jilek erneut ausgeschrieben?
- Wenn ja, wann wurden sie ausgeschrieben?
i. Wie
viele Bewerber:innen gab es?
- Wenn nein, wann wir das geschehen?
i. Wie
stellen Sie sicher, dass diese Stellen so schnell wie möglich wieder
besetzt sind?
- Wurde die Stelle der/des Mediensprecher:in bereits erneut
ausgeschrieben?
- Wenn ja, wann wurden sie ausgeschrieben?
i. Wie
viele Bewerber:innen gab es?
- Wenn nein, wann wird das geschehen?
i. Wie
stellen Sie sicher, dass diese Stellen so schnell wie möglich wieder
besetzt sind?
- Welche Maßnahmen wurden seitens des BMJ im Jahr 2023
jeweils wann genau getroffen, um eine Ressourcenerhöhung der WKStA zu
bewerkstelligen?
- Mit welchem wann vorliegenden Ergebnis?
- Vergleichend mit dem Personalstand vom 07.06.2023:
Ermitteln seit dem genannten Datum mehr Staatsanwält:innen bei der
WKStA oder weniger (mit der Bitte um absolute Zahlen und
Vollzeitäquivalente)?
- Wenn es mehr sind, wie viele mehr (mit der Bitte um
absolute Zahlen und Vollzeitäquivalente)?
- Wenn es weniger sind, wie viele weniger (mit der Bitte um
absolute Zahlen und Vollzeitäquivalente)?
- In der Anfragebeantwortung vom 07.06.2023 (14328/AB) wird
von 65 Großverfahren geschrieben, welche bei der WKStA anhängig
sind. Dies bedeutet wiederum ein erneutes Plus von 2 Großverfahren
im Vergleich zur Anfragebeantwortung vom 07.12.2022 (12320/AB). Um welche
Verfahren handelt es sich (bitte um alle Informationen, die die Ermittlungen
nicht gefährden - insb. in clamorosen Causen)?
- Wie viele sogenannte Großverfahren werden von der
WKStA zum Zeitpunkt der Anfrage geführt?
- Wie viele Großverfahren wurden daher seit 7.6.2023
abgeschlossen?
- Welche mit welchem Ergebnis jeweils?
- Wie viele Großverfahren wurden daher seit 7.6.2023
eröffnet?
- Welche (bitte um alle Informationen, die die Ermittlungen
nicht gefährden - insb. in clamorosen Causen) mit welchem bisherigen
Verfahrensstand jeweils?
- Mit welchen Ressourcen jedenfalls jeweils seit Beginn des
Verfahrens (mit der Bitte um absolute Zahlen und Vollzeitäquivalente
pro Quartal)?
- Mit welchen personellen Ressourcen aufseiten der
Staatsanwaltschaften mussten die in der Begründung aufgelisteten
Verfahren bestritten werden (mit der Bitte um absolute Zahlen und
Vollzeitäquivalente pro Quartal)?
- Wie viele Staatsanwält:innen waren seit 7.6.2023
für das "CASAG"-Verfahren zuständig (mit der Bitte um
absolute Zahlen und Vollzeitäquivalente pro Quartal seit 3. Quartal
2023)?
- Wie viele Oberstaatsanwält:innen waren seit 7.6.2023
für das "CASAG"-Verfahren zuständig (mit der Bitte um
absolute Zahlen und Vollzeitäquivalente pro Quartal seit 3. Quartal
2023)?