Eingelangt am 27.06.2024
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Anfrage
der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und
Kollegen
an den Bundesminister für Inneres
betreffend Personalpolitik und Arbeitsbedingungen im
Bundesministerium für Inneres
Seit
dem Jahr 2018 wurden im Innenministerium fast 10 Millionen Euro für
Rekrutierungskampagnen ausgegeben, davon 2 Millionen Euro bisher im Jahr
2023. Das BMI brüstet sich mit einer steigenden Anzahl an Bewerbungen
und Polizeischüler:innen, weiß aber nicht wie viele davon sich
in der Folge auch für den Dienst als Exekutivbeamter/in
bewerben. Ohne Wirkungsmessung bis hin zum Berufsantritt ist
aber überhaupt nicht klar, wie viele davon in den letzten 5
Jahren überhaupt auf die Kampagnen zurückzuführen
sind.
Millionen
von Euro werden also jährlich im Blindflug ausgegeben, statt an der
Attraktivität des Berufes Polizist:in zu arbeiten. Eine beispiellose,
steuergeldverschwendende Personalpolitik. Denn die täglichen
Herausforderungen für Polizist:innen bleiben und sind nach Ausbildung
abschreckend bzw. führen zu Abgängen: Eine horrende Anzahl an Überstunden,
die mittlerweile sogar zur Aufrechterhaltung des Regelbetriebs und für
einen aufgrund der geringen Grundvergütung nötigen Zuverdienst
notwendig sind, Unvereinbarkeit von Beruf und Familie, fehlende
Flexibilität und Modernität in der Ausbildung.
An
diesen systematischen Mängeln sollten die ÖVP-Innenminister:innen der
letzten Jahre schon längst gearbeitet haben, statt die Aufnahmekriterien
für den Polizeiberuf immer weiter und weiter zu senken.
Der
Fokus sollte darauf liegen, Ausbildungen, Arbeitsbedingungen, Aufstiegschancen
und Bewerbungsverfahren attraktiver zu gestalten und so potentielle
Bewerber:innen dazu zu bringen, eine Karriere bei der Polizei anzustreben- um
zu bleiben. Gerade für Frauen bleiben die Bedingungen sehr schwierig. Der
geringe Frauenanteil in den Leitungsfunktionen im BMI von 11 %1 (!)
überrascht daher nicht. Im Sommer 2022 wurde eine Arbeitsgruppe unter der
Leitung der Kärntner Landespolizeidirektorin Dr. Michaela
Kohlweiß damit beauftragt, die Ursachen für den geringen Anteil
an weiblichen Führungskräften in der Polizei zu ergründen. Von
den neun Landespolizeidirektionen wird übrigens nur jene in Kärnten
mit Kohlweiß von einer Frau geleitet. Von den etwas mehr als 900
Polizeiinspektionen werden nur 46 von Frauen geleitet.
Im
kürzlich vorgestellten Zwischenbericht wurden unter anderem folgende
Ursachen genannt: konservative Geschlechterrollen, stereotype
Vorstellungen, Männerbünde und informelle Netzwerke, fehlende
Vorbilder, mangelndes Selbstvertrauen oder die schwierige Vereinbarkeit von
Beruf und Familie ausgemacht... Die Arbeitsgruppe hat nun 42 Empfehlungen an
den Dienstgeber vorgelegt. Darin werden etwa Mentoring-Programme, Kampagnen zur
Rekrutierung von Frauen, die paritätische Besetzung der
Bestellungskommissionen, mehr Einbindung während der Karenz und
Unterstützung beim Wiedereinstieg oder die Förderung sogenannter
später Karrieren empfohlen. Im Innenministerium wurde außerdem ein
neues Referat "Frauenkarrieren" geschaffen, das sich gezielt mit dem
Thema beschäftigen soll.2
Ergänzend
ist die weiterhin insbesondere im Innenministerium grassierende
Postenkorruption für redliche Interessent:innen abschreckend.
1 https://www.nachrichten.at/oberoesterreich/nur-elf-prozent-der-fuehrungspositionen-bei-der-polizei-sind-mit-frauen-besetzt;art4,3923770
2 Neues Referat 'Frauenkarrieren' im Innenministerium am
Weltfrauentag vorgestellt (bmi.gv.at)
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
Anfrage:
- Vor allem wegen des Personalmangels bei der Polizei wurden
die Kriterien des Polizeiaufnahmetests verändert. Welche
Mindestpunkteanzahl war für die Aufnahme in die
Polizeigrundausbildung in den letzten 5 Jahren (einschließlich 2023)
vorgesehen?
- Gibt es einen Unterschied hinsichtlich der zu erreichenden
Punkteanzahl, je nachdem ob ein "Grenzkurs" (6 Monate) oder eine
"volle" Polizeigrundausbildung absolviert wird?
- Wenn ja, wie hoch ist dieser Unterschied?
- Wenn ja, wieso besteht dieser Unterschied?
- Wie lange ist die durchschnittliche Wartedauer auf den 8
Monate langen Ergänzungskurs für Exekutivbeamt:innen, die den
"Grenzkurs" (6 Monate) abgeschlossen haben? Bitte um
Aufschlüsselung nach Bundesland.
- Wie viele der Bewerber:innen erreichten die vorgesehene
Mindestpunkteanzahl in den vergangenen 5 Jahren (einschließlich 2023)
nicht? Bitte um Aufschlüsselung nach Bundesland und nach Angabe in
Prozent und absoluten Zahlen gemessen an der Gesamtzahl an
Bewerber:innen.
- Wie viele Bewerber:innen, die in den Bundesländern
außerhalb von Wien nicht die gewünschte Punkteanzahl erreicht
haben, wurden anschließend in Wien aufgenommen?
- Wieso ist die Mindestpunkteanzahl für die Aufnahme in
die Polizeigrundausbildung in Wien niedriger als in anderen
Bundesländern?
- Wie wollen Sie einen qualitativ hochwertigen
Exekutivdienst aufrechterhalten, wenn gleichzeitig die Anforderungen
für die Aufnahme immer weiter sinken?
- Wie haben sich die Anforderungen hinsichtlich des
sport(medizinischen) Tests in den letzten 5 Jahren verändert?
- Welche sportlichen Anforderungen bestehen aktuell für
die Aufnahme in die Polizeigrundausbildung?
- Wie viele der Bewerber:innen scheiterten in den
vergangenen 5 Jahren am Sporttest? Bitte um Aufschlüsselung nach
Bundesland und nach Angabe in Prozent und absoluten Zahlen gemessen an der
Gesamtzahl an Bewerber:innen.
- Wie viele der Bewerber:innen scheiterten seit Abschaffung
des Sporttests am sportmedizinischen Test? Bitte um Aufschlüsselung
nach Bundesland und nach Angabe in Prozent und absoluten Zahlen gemessen
an der Gesamtzahl an Bewerber:innen.
- Wie haben sich die Anforderungen/ Testmodalitäten der
psychologischen Eignungsdiagnostik in den vergangenen 5 Jahren
verändert?
- Wurde diese in der Vergangenheit anders als durch einen
Computertest durchgeführt?
i. Wenn
ja, wie?
ii. Wenn
ja, wieso ist man vom Computertest abgegangen?
- Wie haben sich die Anforderungen/ Testmodalitäten des
klinisch psychiatrischen Verfahrens in den vergangenen 5 Jahren
verändert?
- Wurde dieses in der Vergangenheit anders als durch einen
Computertest durchgeführt?
i. Wenn
ja, wie?
ii. Wenn
ja, wieso ist man vom Computertest abgegangen?
- Wie viele Regeldienstergänzungen waren in den
Bundesländern außer Wien von 2020-2023 jährlich
nötig? Bitte um Aufschlüsselung nach Bundesland sowie nach Tag-
und Nachtdienst.
- Gibt es österreichweit eine einheitliche Vorgehensweise
bei der polizeilichen Untersuchung hinsichtlich Tätowierungen bei
Bewerber:innen?
- Können Sie ausschließen, dass
Polizeiärzt:innen im Zusammenhang mit vorhandenen Tätowierungen
unterschiedliche Maßstäbe anlegen und damit unterschiedliche
Entscheidungen treffen – zB eine:n Bewerber:in aufgrund von
Tatoos ablehnen, der in einer anderen LPD nicht abgelehnt werden
würde?
- Wenn nein, warum nicht?
- Wenn ein:e Bewerber:in ein Modul nicht besteht, so hat
diese:r nun die Möglichkeit, bereits nach einem halben Jahr dieses
Modul zu wiederholen. Wenn es in weiterer Folge bestanden wird, ist die
Aufnahme in die Grundausbildung möglich.
- Welchen empirischen Daten liegt diese Entscheidung zu
Grunde?
- Wer hat diese Entscheidung getroffen?
- Warum hat man sich für diese Vorgehensweise
entschieden?
- Was erwartet man sich von dieser Verkürzung von
einem Jahr auf ein halbes Jahr?
- Für das Anwerben anderer zur Polizeigrundausbildung
erhalten Polizist:innen seit Kurzem eine Prämie. Erhalten lediglich
Polizeibeamt:innen diese Prämie, oder auch höhere Beamtinnen des
BMI?
- Wie hoch ist diese Prämie?
- In welcher Höhe wurden seit Einführen dieses
Systems bereits Prämien ausbezahlt? Bitte um Aufschlüsselung
nach Bundesland.
- In diversen Anfragebeantwortungen und medialen Aussagen
erklärten Sie, Herr Innenminister, dass die österreichische
Polizei kein Personalproblem habe (z.B.: "Karner sieht kein Problem
mit dem Personal"- https://www.kleinezeitung.at/oesterreich/6319082/Nachwuchsprobleme_Immer-mehr-Polizisten-hoeren-auf-trotzdem-sind).
Inwiefern ist Ihre Aussage mit der Tatsache vereinbar, dass
Organisationseinheiten selbst zur Aufrechterhaltung des Regelbetriebes auf
Mehrdienstleistungen angewiesen sind?
- Welche Maßnahmen treffen Sie, um Ihre Beamt:innen
von diesem exorbitanten Ausmaß an Regeldienstergänzungen zu
befreien?
- Was ist der aktuelle Stand hinsichtlich der Umsetzung
einer Ballungsraumzulage für Wien?
- Welche Gespräche welchen Inhalts führten Sie,
Herr Innenminister, diesbezüglich wann mit wem?
- Binnen welchen Zeitraums soll über die
Einführung einer Ballungsraumzulage für Wien entschieden
werden?
- Werden Botschaften und andere Institutionen zukünftig
weiterhin vom Bundesheer überwacht oder ist vorgesehen, dass diese
Aufgabe wiederum von Polizist:innen übernommen werden muss?
- Wenn letzteres: Wieso?
- Wie viele Ansuchen auf Versetzung langten seitens
Beamt:innen in den vergangenen 5 Jahren ein? Bitte um Aufschlüsselung
nach Jahr und Bundesland.
- Wie viele Ansuchen wurden bewilligt?
- Wie viele Ansuchen wurden abgelehnt?
- Aus welchen Gründen werden Ansuchen auf Versetzung
abgelehnt?
- Wie viele Abgänge verzeichnete die Polizei in den
vergangenen 5 Jahren? Bitte um Aufschlüsselung nach Jahr, Bundesland
und Kategorisierung nach Exekutiv- und Verwaltungsbediensteten.
- Wie viele davon waren pensionsbedingte Abgänge, wie
viele freiwillige Abgänge?
- Welche Maßnahmen werden in Ihrem Ressort getroffen,
um die Verwaltungsarbeit zu modernisieren?
- Im Jahr 2023 sollte Home Office - sofern möglich -
eine Selbstverständlichkeit sein, um Mitarbeiter:innen mehr
Flexibilität zu ermöglichen. In welchen Landespolizeidirektionen
ist Home Office im Innendienst möglich?
- In welchem Ausmaß bzw. an wie vielen
Wochentagen?
- Bei jenen LPD, die kein Home Office ermöglichen: Was
sind die Gründe dafür?
- Welche Maßnahmen setzen Sie - abseits davon,
Millionen von Euro für Rekrutierungskampagnen und Werbezwecke
auszugeben - um den Polizeiberuf in Österreich attraktiver zu
machen?
- Die Arbeitsgruppe zur Situation von Mitarbeiterinnen im
BMI kam zu dem Ergebnis, dass Gründe für den geringen Anteil an
Frauen in Führungsfunktionen auch Männerbünde und
informelle Netzwerke seien.1 Welche Maßnahmen werden seit
wann gegen diese Zustände und daher dafür gesetzt, dass diese
keinen unsachlichen Einfluss mehr auf Postenbesetzungen nehmen?
- Die Arbeitsgruppe hat 42 Empfehlungen an den Dienstgeber
vorgelegt. Bitte um deren Auflistung.
- Inwiefern wurde wann durch wen die Umsetzung der
Empfehlungen durch das Setzen welcher Maßnahme in Angriff genommen?
Bitte um Auflistung nach Empfehlung, Maßnahme, Datum von deren
Beginn und Örtlichkeit, verantwortlicher Abteilung.