19060/J XXVII. GP

Eingelangt am 03.07.2024
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ANFRAGE

 

des Abgeordneten MMag. DDr. Hubert Fuchs

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Fehlende Bewaffnung der Finanzpolizei

 

 

Seit 1.1.2021 besteht im Bundesministerium für Finanzen (BMF) das Amt für Betrugsbekämpfung (ABB), in welchem die Finanzpolizei, die Steuerfahndung und die Finanzstrafbehörden konzentriert sind und – mit Ausnahme zollrechtlicher Finanzvergehen auch sämtliche (gerichtlichen) Strafverfahren, welche von Organen der Bundesfinanzverwaltung zu verfolgen sind, bearbeitet werden.

 

Laut Homepage des BMF sind derzeit rund 800 Mitarbeiter im ABB beschäftigt, wobei rund die Hälfte Bedienstete der Finanzpolizei sind. Personell stellt das ABB somit neben dem Bundeskriminalamt (BKA) die größte Betrugs- und Strafverfolgungsbehörde der Republik dar. Gemäß § 3 ABBG vollziehen die Organe des ABB vor allem Aufgaben im Dienste der Strafrechtspflege (kriminalpolizeiliche Aufgaben) sowie Kontroll- und Aufsichtstätigkeiten im Bereich der illegalen (Aus- und Inländer-)Beschäftigung und des illegalen Glücksspiels.

 

In operativer Hinsicht setzen die Organe der Finanzpolizei somit Festnahmen im Auftrag der Gerichte, der Finanzstrafbehörden oder der Fremdenpolizeibehörden um und vollziehen kriminalpolizeiliche Maßnahmen wie Hausdurchsuchungen, Observationen und Sicherstellungen. Darüber hinaus werden durch die Organe der Finanzpolizei Fahrzeuganhaltungen an Autobahnen und Rastplätzen sowie weitere Zwangsmaßnahmen – beispielsweise gewaltsame Öffnungen von Kontrollorten im illegalen Glücksspielbereich – durchgeführt. Gerade im Bereich des Sozialbetrugs, der illegalen Ausländerbeschäftigung und im Bereich des illegalen Glücksspiels finden schwerkriminelle Handlungen statt, die der Organisierten Kriminalität zuzurechnen sind (siehe zB Glücksspiel FinPol-Bericht 2016 bis 2018).

 

Da die Organe der Finanzpolizei einheitlich uniformiert auftreten und über Einsatzfahrzeuge mit Blaulichtbalken und dem sichtbaren Schriftzug „Finanzpolizei“ verfügen, stehen diese auch im Fokus der Öffentlichkeit, da sie neben den Organen der Bundespolizei und des österreichischen Bundesheeres aufgrund ihres Erscheinungsbildes „Staatsgewalt“ im engeren Sinn repräsentieren. Trotz der laufend steigenden Terrorgefahr und der stetig sinkenden Hemmschwelle von Normunterworfenen gegenüber staatlichen Vollzugsorganen verfügen die Organe der Finanzpolizei trotz ihres polizeilichen Auftretens und ihrer operativen Vollzugstätigkeiten über keine Bewaffnung oder Selbstverteidigungsbefugnisse. Kommt es zu körperlichen Auseinandersetzungen, müssen sich die Strafvollzugsorgane mit den Jedermannsrechten der Notwehr gemäß § 3 StGB und dem privaten Anhalterecht gemäß § 80 Abs 2 StPO behelfen.

 

Die ebenfalls im BMF angesiedelten Organe der Zollfahndung und der mobilen Zollkontrollen des Zollamts Österreich verfügen im Gegensatz dazu seit jeher über Schusswaffen und werden seit 2022 zusätzlich noch mit einem Teleskopeinsatzstock (TES) ausgerüstet. Rechtlich gesehen besteht mit § 35 Zoll-RDG auch eine Festnahmebefugnis für Gewalttäter, die Widerstand gegen Amtshandlungen leisten.

 

Eine Bewaffnung der Zollorgane – zu ihrem eigenen Schutz – wurde vom Gesetzgeber damit argumentiert, dass eine „besondere Gefährdung bei finanzstrafrechtlichen Ermittlungen, die nicht vorhersehbar ist und deren Vorliegen gerade bei Ermittlung von schweren Finanzvergehen [...] immer anzunehmen ist“ vorliege (vgl dazu ErIRV 405 BIgNR 22. GP 7 f). § 14 Zoll-RDG regelt: Zollorgane sind „soweit es für die Ausübung besonderer Aufgaben [...] oder zu ihrem eigenen Schutz erforderlich ist, [...] Dienstwaffen zur Verfügung zu stellen“. Da auch die Organe des Amtes für Betrugsbekämpfung (ABB) im Allgemeinen und der Finanzpolizei im Besonderen (finanz-)strafrechtliche Ermittlungen vollziehen, scheint eine Differenzierung bei der Ausstattung mit Dienstwaffen und Ausrüstung nicht gerechtfertigt.

 

Neben diesen Ausrüstungs- und Legistikmängeln besteht auch ein Dienstnehmerschutzmangel aufgrund des Dienstrechts. Die Organe der Finanzpolizei fallen nicht unter den besonderen Schutz der Definitivstellung iSd BDG, sondern werden Neuaufnahmen ausschließlich als Vertragsbedienstete iSd Vertragsbedienstetengesetzes (VBG) und damit zivilrechtlich Angestellte aufgenommen. Der besondere Schutz eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses entfällt somit. Jede andere Strafverfolgungsbehörde und die Gerichte in Österreich „pragmatisieren“ ihre Bediensteten weiterhin, um besonderen Schutz bei der Vollziehung dieser eingriffsintensiven Tätigkeit sicherzustellen.

 

In diesem Zusammenhang stellt der unterfertigte Abgeordnete an den Bundesminister für Finanzen folgende

 

 

Anfrage

 

1.     Warum sind die operativ tätigen Organe der Finanzpolizei nicht ebenso wie die operativ tätigen Organe des Zollamtes mit Dienstwaffen (Schusswaffen) ausgestattet?

a.    Durch welche Abteilung/welches Organ wurde die Entscheidung zur Nichtbewaffnung aufgrund welcher Gefahreneinschätzung getroffen?

 

2.     Warum werden die Organe des Zollamtes Österreich seit 2022 zusätzlich zur Schusswaffe mit einem Teleskopeinsatzstock (TES) ausgestattet?

a.    Welches Organ/welche Abteilung hat diese Entscheidung aufgrund welcher Gefahreneinschätzung getroffen?

b.    Falls Dienstnehmerschutzgründe vorliegen: Warum liegen diese Gründe nicht auch für den Bereich Finanzpolizei vor bzw warum liegen diese nicht vor?

 

3.     Wurde durch Verantwortliche (Leitung, etc) der Finanzpolizei jemals eine Bewaffnung eingefordert?

a.    Wenn ja, wann war das?

b.    Wenn ja, warum wurde dieser nicht stattgegeben bzw wie wurde auf diese Forderung reagiert?

c.    Welche Abteilung/welches Organ hat eine abschließende Entscheidung auf Basis welcher Risikobewertung dazu getroffen?

 

4.     Wurde durch die Personalvertretung der Finanzpolizei jemals eine Bewaffnung (Schusswaffen/sonstige Bewaffnung) eingefordert?

a.    Wenn ja, wann war das?

b.    Wenn ja, warum wurde dieser nicht stattgegeben bzw wie wurde auf diese Forderung reagiert?

c.    Welche Abteilung/welches Organ hat eine abschließende Entscheidung auf Basis welcher Risikobewertung dazu getroffen?

 

5.     Inwiefern unterscheidet sich die Gefährdungslage der Organe der Finanzpolizei im Vergleich zu den Organen des Zolls? Aufgrund welcher Feststellungen/Umstände wird für Zollorgane eine bestimmte Gefährdung (siehe oben: „aufgrund finanzstrafrechtlicher Ermittlungspflicht“), die eine Ausstattung mit Dienstwaffen erfordert, angenommen und für den finanzpolizeilichen Bereich nicht, obwohl die Organe der Finanzpolizei neben finanzstrafrechtlichen Ermittlungen zusätzlich auch Sozialbetrugsermittlungen und Glücksspielkontrollen durchführen?

 

6.     Inwiefern unterscheiden sich die Tätigkeiten der Organe der Finanzpolizei und des Zolls in Bezug auf die operative Umsetzung von Maßnahmen wie Fahrzeuganhaltungen, Hausdurchsuchungen, Sicherstellungen und Festnahmen?

a.    Für den Fall, dass – mit Ausnahme der gesetzlichen Grundlage – keine Unterschiede vorliegen: Wieso wird hinsichtlich einer Gefährdung/Bewaffnung unterschieden?

b.    Für den Fall, dass Unterschiede in Bezug auf die operative Tätigkeit vorliegen: Wo liegen diese Unterschiede und inwieweit ist dadurch die Gefährdungslage eine andere?

 

7.     Welche und wie viele Teams des Zollamtes Österreich sind wie bewaffnet (Schusswaffe, Teleskopeinsatzstock, sonstige Bewaffnung) und wie unterscheiden sich deren Aufgabenstellungen zueinander?

 

8.     Welche Organe des BMF bekommen eine Gefahrenzulage und aufgrund welcher Kriterien wird diese gewährt?

 

9.     Welche Organe des Zollamts Österreich erhalten eine Gefahrenzulage?

a.    Gibt es für Dienstwaffenträger eine andere Zulage und warum wird hier unterschieden?

 

10.  Mit dem Erlass des BMF „Sicherheitsvorschriften und Eigensicherung bei Kontrollen mit erhöhtem Sicherheitsrisiko“ vom 2.8.2016, BMF-28000/0131-IV/2/2016, wonach bei „Kontrollen mit erhöhtem Sicherheitsrisiko den Zollorganen das Tragen einer Geschossschutzweste und Dienstwaffe verpflichtend vorgeschrieben“ wird, wurde eine spezifische Regelung für Fahrzeuganhaltungen geschaffen. Gibt es eine gleichlautende oder ähnliche Regelung in Bezug auf Organe der Finanzpolizei, die ebenfalls Fahrzeuganhaltungen durchführen?

a.    Wenn nein, warum nicht? lnwiefern unterscheiden sich Fahrzeuganhaltungen des Zolls und der Finanzpolizei?

 

11.  Wie werden die Organe der Finanzpolizei in Bezug auf besondere Gefahrenlagen zB bei Fahrzeuganhaltungen geschult und inwieweit unterscheidet sich diese Ausbildung zu jener der Organe des Zolls?

 

12.  Wie werden bei derartigen Amtshandlungen übliche Standards wonach ein Kontroll- und ein Sicherungsorgan eine solche Amtshandlung abhandeln in Bezug auf die unterschiedliche Ausrüstung mit Dienstwaffen geschult?

 

13.  Wie werden die Amtshandlungen der Organe der Finanzpolizei üblicherweise gesichert?

a.    Falls es sich um Fälle von Amtshilfe durch die Polizei handelt: Nach welchen Kriterien erfolgt die Qualifizierung von Einsätzen, die eine Bedeckung durch die Polizei benötigen?

b.    Um wie viele Fälle handelt es sich dabei in Bezug auf alle Einsätze gesamt gesehen?

 

14.  Warum bestehen für die Organe der Finanzpolizei keine gesetzlichen Eigensicherungs- oder Notwehrbefugnisse, sondern müssen die allgemein gültigen Jedermannsrechte des § 3 StGB sowie des § 80 Abs 2 StPO während der Vollziehung hoheitlicher Maßnahmen eingesetzt werden?

 

15.  Da es sich bei Jedermansrechten ex-lege um keine hoheitlichen Befugnisse handelt, sondern um private Selbsthilferechte, stehen diese Maßnahmen auch nicht unter dem strafrechtlichen Schutz des § 269 StGB (Widerstand gegen die Staatsgewalt). Wie beurteilt das BMF diese Rechtschutzlücke?

 

16.  Warum wurden entsprechende gesetzliche Regelungen des Amtes für Betrugsbekämpfung (ABB) nicht an die des Zolls angeglichen?

 

17.  Mit der österreichischen Finanzpolizei vergleichbare Organisationen wie die italienische Guardia di Finanza oder die deutsche Finanzkontrolle Schwarzarbeit werden in den europäischen Nachbarländern ausschließlich bewaffnete und mit entsprechenden Befugnissen ausgerüstete Organisationen tätig. Warum orientiert man sich in dieser wichtigen Frage nicht an europäischen Standards?

 

18.  Aus welchem Grund werden im Amt für Betrugsbekämpfung (ABB) keine Pragmatisierungen (Definitivstellungen) durchgeführt? Aus welchem Grund wird diese besondere Verbundenheit und Schutzwürdigkeit bei Gesetzesvollziehung in der größten Betrugsbekämpfungsbehörde nicht für notwendig erachtet?

 

19.  Falls einzelne Fragen nicht beantwortet werden können, weil die entsprechenden Daten nicht vorliegen bzw nicht erhoben werden: Wieso werden diese Daten nicht erhoben bzw liegen nicht vor?