19087/J XXVII. GP

Eingelangt am 04.07.2024
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DRINGLICHE ANFRAGE

Gem. § 93 Abs. 1 GOG-NR

 

der Abgeordneten Dr. Susanne Fürst

und weiterer Abgeordneter

an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie

betreffend die eigenmächtige Zustimmung der Bundesministerin Gewessler zum EU-Renaturierungsgesetz

 

 

Das EU-Renaturierungsgesetz wird alle Österreicherinnen und Österreicher – Länder, Gemeinden, Städte, Tourismus, Land- und Forstwirtschaft – direkt und unmittelbar betreffen. Die Zustimmung von Ministerin Gewessler zu dieser als „Bauernvernichtungsgesetz“ bezeichneten EU-Verordnung gefährdet die Existenz unserer Bauern und die Versorgungssicherheit mit heimischen Lebensmitteln. Obwohl Bundeskanzler Nehammer vorab über das Abstimmungsverhalten informiert war, hat er es unterlassen, die „Willkürministerin“ zu stoppen oder ihre Entlassung vorzuschlagen. Er hat tatenlos zugesehen, wie die Interessen der österreichischen Bevölkerung aus ideologischen Gründen verraten wurden. Es stellt sich die Frage: Warum? Hat Bundesministerin Gewessler ein Druckmittel gegenüber dem Bundeskanzler oder ist dessen Angst vor Machtverlust so groß, dass er an ihr festhalten muss?

 

Das EU-Renaturierungsgesetz ist Teil des sogenannten Green Deals und legt den Mitgliedstaaten der EU verbindliche Wiederherstellungsziele und -verpflichtungen für Ökosysteme auf.

 

Mit dieser Verordnung wird ein Rahmen für unverzügliche wirksame und gebietsbezogene Wiederherstellungsmaßnahmen der Mitgliedstaaten geschaffen, die zusammen bis 2030 mindestens 20 % der Land- und Meeresgebiete der Union und bis 2050 alle Ökosysteme abdecken werden, die der Wiederherstellung bedürfen.[1]

 

20 Prozent der Landflächen in der EU sollen mit diesem Gesetz demnach „renaturiert“ werden. Das bedeutet, dass zum Beispiel Ackerböden nicht mehr bewirtschaftet werden dürfen und damit für die Nahrungsmittelproduktion nicht mehr zur Verfügung stehen. Eine solche Maßnahme gefährdet nicht nur die Versorgungssicherheit unserer Bevölkerung mit Nahrungsmitteln, sondern führt gleichzeitig zu einer weiteren künstlichen Verteuerung der Lebensmittel.

 

Weniger landwirtschaftliche Fläche bedeutet auch Einkommensverlust durch geringere Erträge für unsere Bauern, die hochwertige und gesunde Lebensmittel produzieren. Das wird das Bauernsterben weiter anheizen und mehr noch: Es wird zu Rückwidmungen von Flächen kommen, was einen massiven Eingriff in die Grund- und Eigentumsrechte im Sinne einer Enteignung darstellt.

 

Auch die österreichische Forstwirtschaft, die zu den nachhaltigsten der Welt zählt, ist bedroht. Eine großflächige Stilllegung würde unsere heimischen Wälder verwildern lassen. Durch ein Verbot der Holzernte würde österreichisches Holz in der Bauwirtschaft und als Brennstoff zum Heizen unserer Wohnungen und Häuser fehlen. Die Lücke müsste durch teure Importe geschlossen werden.

 

Zur Verdeutlichung dieser ideologiegetriebenen Politik sei darauf hingewiesen, dass für „die landwirtschaftlich genutzten organischen Böden, bei denen es sich um trockengelegte Torfmoorflächen handelt[2], die Mitgliedstaaten Wiederherstellungsmaßnahmen in einem exorbitanten Ausmaß ergreifen müssen:  nämlich für absurde 70 Prozent all dieser Flächen, von welchen mindestens die Hälfte bis 2050 wiedervernässt werden muss.

 

Der Schutz von Ökosystemen ist wichtig, kann und soll aber wie bisher nationalstaatlich geregelt und gehandhabt werden. Es ist hierfür keinesfalls eine supranationale Rechtsetzung notwendig, erst recht keine, welche Enteignungen für die heimische Landwirtschaft und eine beträchtliche Reduktion der Lebensmittelsicherheit nach sich zieht.

 

Anzuführen ist zudem noch der Kostenpunkt: Die Verwaltungskosten für die EU und die Mitgliedstaaten betragen schätzungsweise etwa 14 Milliarden Euro bis 2050,[3] wohingegen die Kosten zur Umsetzung der Renaturierungsmaßnahmen von der Europäischen Kommission mit circa 154 Milliarden Euro(!) angeführt werden.[4]

 

Es ist unverständlich, dass ÖVP-Abgeordnete, insbesondere jene des ÖVP-Bauernbundes, die Ministerin weiterhin unterstützen und damit den Verrat an unseren Bauern und der Versorgungssicherheit fortsetzen. Klar ist, dass dieses Gesetz der Tod unserer heimischen Landwirtschaft und damit der Tod der Versorgungssicherheit mit heimischen Lebensmitteln ist.

 

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie folgende

 


 

Anfrage

 

1.    Wie verlief die Koordination Ihres Abstimmungsverhaltens betreffend dem EU-Renaturierungsgesetz mit dem Koalitionspartner, den Bundesländern und dem Parlament?

 

2.    Wurden Sie aufgrund der Anzeige, die Ihnen Amtsmissbrauch aufgrund der eigenmächtigen Zustimmung zum EU-Renaturierungsgesetz vorwirft, bereits einvernommen?

 

3.    Gab es aufgrund der Anzeige, die Ihnen Amtsmissbrauch vorwirft, bereits Versuche Datenträger sicherzustellen?

 

4.    Ist Ihnen bekannt, ob der Bundespräsident in der Affäre um Ihre Zustimmung zum EU-Renaturierungsgesetz kontaktiert wurde?

 

a.    Wenn ja, von wem?

b.    Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

 

5.    Gibt es für Ihren Verbleib in der Bundesregierung einen Abtausch mit anderen Personalentscheidungen zugunsten der ÖVP?

 

6.    Was entgegnen Sie ÖVP-Stimmen innerhalb der Bundesregierung, die Ihre Zustimmung zum EU-Renaturierungsgesetz als „einen Verfassungs- und Gesetzesbruch[5] bezeichnen, aber dennoch an einer Zusammenarbeit mit Ihnen festhalten?

7.    Durften Sie damit rechnen, dass Bundeskanzler Nehammer an Ihnen als Ministern festhalten wird, zumal er Sie auch bei der Zustimmung zum Verbot von Verbrennungsmotoren gewähren ließ, während er gleichzeitig behauptete, Sie werden sich „dagegen aussprechen, den Verbrennungsmotor zu verbannen“?[6]

 

8.    Hat es zwischen Ihnen und Amtsträgern der EU sowie Umweltministern der EU-Mitgliedstaaten Absprachen zu Ihrer Zustimmung gegeben, zumal eine Abstimmung über das EU-Renaturierungsgesetz ursprünglich nicht auf der Tagesordnung des EU-Umweltministerrates stand?

 

9.    Wann wurde Ihnen bewusst, dass Sie mit Ihrem ideologisch motivierten Abstimmungsverhalten gegen Verfassung und Gesetze verstoßen könnten, und haben Sie sich erst angesichts dessen entschlossen, Gutachten in Auftrag zu geben, um Ihre Rechtsmeinung bzw. Ihr politisches Narrativ zu stützen?

 

10. Welche Kosten wurden für die Erstellung von Gutachten zum in Kauf genommenen Verfassungs- bzw. Gesetzesbruch budgetwirksam?

 

11. Inwiefern sahen Sie sich persönlich in der Lage, zwischen den Argumenten der von Ihnen mit Steuermitteln bezahlten Gutachtern und jener der Experten des Verfassungsdienstes, denen Sie sinngemäß mangelnde Unabhängigkeit von der ÖVP unterstellen, abzuwägen, zumal es sich um komplizierte Fragestellungen des öffentlichen Rechts handelt?

 

12. Wie gedenken Sie, den drohenden Einkommensverlust der österreichischen Bauern durch die Umsetzung des EU-Renaturierungsgesetzes auszugleichen?

 

13. Wie stellen Sie sicher, dass die Reduzierung der Agrarflächen durch das Renaturierungsgesetz nicht zu einer Gefährdung der Versorgungssicherheit mit heimischen Lebensmitteln führt?

 

14. Wie wollen Sie sicherstellen, dass die Landwirtschaft in Natura-2000-Gebieten weiterhin wirtschaftlich tragfähig bleibt, wenn der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Düngern stark eingeschränkt wird?

 

15. Wie wollen Sie sicherstellen, dass das Renaturierungsgesetz nicht zu einem Entwicklungsstopp in Natura-2000-Gebieten und anderen wichtigen landwirtschaftlichen Flächen führt?

 

16. Wie wollen Sie verhindern, dass die Verknappung der landwirtschaftlichen Produktion zu steigenden Lebensmittelpreisen führt, die insbesondere die einkommensschwachen Haushalte treffen werden?

 

17. Wird es aufgrund des Renaturierungsgesetzes neue EU-Finanzmittel für Naturschutzmaßnahmen geben?

 

a.    Wenn ja, wie hoch werden diese Finanzmittel sein?

b.    Wenn ja, wie wollen Sie sicherstellen, dass diese Mittel effektiv und zum Vorteil Österreichs genutzt werden?

 

18. Welche konkreten Pläne haben Sie, um die Auswirkungen auf die Forstwirtschaft und die damit verbundenen steigenden Kosten für Baumaterial und Heizen zu mildern?

 

19. Welche langfristigen wirtschaftlichen und sozialen Folgen erwarten Sie durch die Umsetzung des Renaturierungsgesetzes für die österreichische Landwirtschaft und die ländlichen Gebiete?

 

20. Gibt es in der Bundesregierung konkrete Überlegungen, die Folgen Ihrer Zustimmung zum EU-Renaturierungsgesetz legistisch abzufedern, und könnte dabei der sogenannte „koalitionsfreien Raum“ eine Rolle spielen?

 

 

 

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs. 1 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln und dem Erstanfragesteller Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.



[1] COM (2022) 304, S. 39

[2] COM (2022) 304, S. 47

[3] COM (2022) 304, S. 13-14

[4] COM (2022) 304, S. 12

[5] https://www.heute.at/s/edtstadler-knallhart-gewessler-begeht-verfassungsbruch-120042656; https://www.parlament.gv.at/dokument/BR/BRSITZ/968/A_-_19_18_13_00327338.html  

[6] Beim Umweltrat am 28. Juni 2022 hat Österreich, vertreten durch Bundesministerin Leonore Gewessler den Vorschlag des französischen Vorsitzes, und damit einem de facto Verkaufsende von neuen Benzin- und Dieselfahrzeugen in der EU ab 2035 unterstützt, https://twitter.com/lgewessler/status/1541938086212505601?s=20; ferner Karl Nehammer am 10.03.2023, https://www.oe24.at/video/politik/nehammer-die-rede-zur-zukunft-der-nation/548283114.