19198/J XXVII. GP

Eingelangt am 05.07.2024
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend Wo bleiben effiziente Ermittlungen zu mutmaßlich kriminellem Verhalten im Interesse Russlands in Österreich?

 

Eine gemeinsame Recherche von SPIEGEL, ZDF, dem österreichischen »Standard« und der russischen Investigativplattform »The Insider« veröffentlichte vor wenigen Wochen Berichte, die den schon lange bestehenden Verdacht weiter erhärten, dass Jan Marsalek schon jahrelang vor seiner Flucht nach dem Auffliegen des Wirecard-Skandals für die russischen Geheimdienste tätig war (https://www.spiegel.de/politik/deutschland/wirecard-skandal-wie-der-manager-jan-marsalek-zum-spion-wurde-a-5cb415ed-0029-4754-8bd5-f4120f4baf83). So berichtete unter anderem die Krone am 9.4.2024, dass der Generalsekretär der Österreich-Russischen-Freundschaftsgesellschaft Florian Stermann als Mittelsmann zwischen Jan Marsalek und Johann Gudenus fungiert hat. Immer wieder hat Jan Marsalek sehr konkrete Interna aus dem BVT über Stermann an Gudenus übermittelt. Dies ging so weit, dass Marsalek eine Aktenreferenz an Gudenus mit konkreten Aktenzahlen übermittelt und sich Gudenus zustimmend zur Anforderung geäußert hat (https://www.krone.at/3328711). In der Causa Marsalek kristallisieren sich daher drängende Fragen heraus, unter anderem inwiefern Ermittlungen gegen die involvierten Personen effizient geführt wurden bzw. werden, um das Netzwerk umfassend zu identifizieren und entsprechende Konsequenzen zu setzen. Auch der Verdacht, dass der ehemalige BVT-Beamte Egisto Ott Informationen an Russland verkauft hat, hat sich mittlerweile erhärtet. Erste Hinweise, dass Egisto Ott ein Spion sein könnte, gab es bereits im Jahr 2010 von einem nicht näher genannten ausländischen Geheimdienst. Dazu soll es auch damals schon interne Ermittlungen gegeben haben, die allerdings nichts zu Tage gebracht haben. Im Jahre 2015 ging es sogar so weit, dass die CIA Österreich in Bezug auf Ott warnte, weil dieser dienstliche Mails an seinen privaten Gmail-Account versendet haben soll. Eine Suspendierung erfolgte erst zwei Jahre später im Jahr 2017- und wurde ein Jahr später aufgehoben. Grund: Die Argumentation von Seiten des BMI sei zu schwach gewesen und es konnte nicht schlüssig dargelegt werden bzw. konkret bewiesen werden, warum Ott suspendiert wurde bzw. suspendiert bleiben sollte. (https://x.com/ArminWolf/status/1777927099048673306)

Ab 2018 bis 2021 soll Ott Abfragen im Auftrag von Martin Weiß, dieser wiederum im Auftrag von Jan Marasalek, getätigt haben. Eine dieser Abfragen betraf den kremlkritischen Investigativjournalisten Christo Grozev, in dessen Wohnung in Wien daraufhin eingebrochen wurde und der Österreich aus Sicherheitsgründen verlassen musste. Bis heute wurden von Seiten des BMI die von Ott abgefragten Personen nicht informiert (https://twitter.com/msulzbacher/status/1776992439049334796).
Auch scheint es keinerlei Sicherheitssysteme bzw. Kontrollsysteme gegeben zu haben, die die Aktenzahlen mit den entsprechenden Log-Files vergleichen. Ansonsten hätte es den Hinweis aus Großbritannien gar nicht bedurft (https://twitter.com/thomas_riegler/status/1777036171027120235).

Im Jahr 2021 wurde Ott neuerlich suspendiert (https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Bvwg/BVWGT_20210506_W208_2240359_1_00/BVWGT_20210506_W208_2240359_1_00.pdf) und im Jahr 2024 sogar in U-Haft genommen. Einhergehend mit der U-Haft hat sich das BMI mit dieser Entwicklung gerühmt- waren es aber doch Informationen vom britischen MI6, die diese auslösten. 

Christo Grozev war unter jenen Journalist:innen, die zum "Havana-Syndrom" aufdeckten, dass US-Diplomaten mit Mikrowellenwaffen beschossen worden sein sollen, womit lange Zeit rätselhafte Symptome wie Kopfschmerzen, Hörverlust, Schwindel und Übelkeit erklärt werden könnten. Hinter den Attacken solle der russische Militärgeheimdienst GRU stehen (https://www.spiegel.de/ausland/havanna-syndrom-setzten-russische-agenten-mikrowellenwaffen-gegen-us-diplomaten-ein-a-1d5d1c2e-ed83-44c8-a446-45bb50f712d5). Schließlich enthüllte das Wallstreet Journal: "Vienna-based Russian operatives are suspected of helping with the recruiting and financing of Russian operations such as tracking Western arms shipments to Kyiv in Poland and killing a Russian military helicopter pilot who defected to Ukraine and was living in Spain, Western security officials say. The killers, who shot the man five times and then ran him over with an SUV, were criminals paid with cash provided by Russian state employees from Vienna, these officials say" (https://www.wsj.com/world/a-den-of-spies-vienna-emerges-as-hub-for-russian-espionage-9dda8b4d?st=2fd7fnlb9sgbnqs).

Viel gilt es daher aufzuklären. Da andere Parteien kein prioritäres Interesse an einem U-Ausschuss zeigen, der sich mit den Verflechtungen der österreichischen Behörden und Ministerien mit Putins Russland beschäftigt, bleibt der Weg der parlamentarischen Anfrage für Aufklärung der Vergangenheit. Mit Blick auf Gegenwart und Zukunft ist weiters relevant zu eruieren, inwiefern die DSN gegen Einflussnahme von außen und Datenmissbrauch bzw. -abfluss resilient aufgestellt ist. 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

  1. Egisto Ott wurde am 26.6.2024 enthaftet, weil das Beschwerdegericht "nicht von einem dringenden Tatverdacht in Bezug auf die Fakten 'Grozev', 'Diensthandys' und 'SINA-Laptop'" ausgeht; es gäbe "keine tauglichen Ermittlungsergebnisse“. Welche Ermittlungsverfahren werden zu Egisto Ott in Österreich geführt?
    1. Seit wann zu welcher Verdachtslage durch welche Staatsanwaltschaft?
    2. Aufgrund welcher Straftatbestände?
    3. Welche Behörde wird aufseiten des BMI jeweils als Ermittlungseinheit hinzugezogen?
    4. Gab es zu Egisto Ott Anzeigen?

                                          i.    Wenn ja, wann und wie wurde mit diesen wann verfahren?

    1. Gab es zu Egisto Ott Berichte o.ä. vonseiten der DSN an die Justiz?

                                          i.    Wenn ja, wann und wie wurde mit diesen wann verfahren?

    1. Welche Ermittlungshandlungen wurden in der Folge gegen wen vorgenommen?
  1. Welche Ermittlungsverfahren werden zu der Bedrohung von, anzunehmenderweise sogar Mordkomplott gegen Christo Grozev in Österreich geführt?
    1. Seit wann zu welcher Verdachtslage durch welche Staatsanwaltschaft?
    2. Aufgrund welcher Straftatbestände?
    3. Welche Behörde wird aufseiten des BMI jeweils als Ermittlungseinheit hinzugezogen?
    4. Gab es zu der Bedrohung von Christo Grozev Anzeigen?

                                          i.    Wenn ja, wann und wie wurde mit diesen wann verfahren?

    1. Gab es zu der Bedrohung von Christo Grozev Berichte o.ä. vonseiten der DSN an die Justiz?

                                          i.    Wenn ja, wann und wie wurde mit diesen wann verfahren?

    1. Welche Ermittlungshandlungen wurden in der Folge gegen wen vorgenommen?
  1. Das OLG stellt in seinem Entschluss zur Enthaftung fest: „Dass zu Grozev eine Meldesperre vorlag, ist dem Akt nicht zu entnehmen, sondern derzeit nur Spekulation, sodass von allgemein zugänglichen Daten auszugehen ist“. Wurde dieses Sachverhalt nicht ermittelt?
    1. Wenn nein, warum nicht? 
    2. Wenn ja, lag eine Meldesperre vor oder nicht?
    3. Wenn ja, warum war dies nicht dem OLG zum Zeitpunkt der Beschlussfassung bekannt?
  1. Welche Ermittlungsverfahren werden zu Martin Weiss in Österreich geführt?
    1. Seit wann zu welcher Verdachtslage durch welche Staatsanwaltschaft?
    2. Aufgrund welcher Straftatbestände?
    3. Welche Behörde wird aufseiten des BMI jeweils als Ermittlungseinheit hinzugezogen?
    4. Gab es zu Martin Weiss Anzeigen?

                                          i.    Wenn ja, wann und wie wurde mit diesen wann verfahren?

    1. Gab es zu Martin Weiss Berichte o.ä. vonseiten der DSN an die Justiz?

                                          i.    Wenn ja, wann und wie wurde mit diesen wann verfahren?

    1. Welche Ermittlungshandlungen wurden in der Folge gegen wen vorgenommen?
  1. Welche Ermittlungsverfahren werden zu Florian Stermann in Österreich geführt?
    1. Seit wann zu welcher Verdachtslage durch welche Staatsanwaltschaft?
    2. Aufgrund welcher Straftatbestände?
    3. Welche Behörde wird aufseiten des BMI jeweils als Ermittlungseinheit hinzugezogen?
    4. Gab es zu Florian Stermann Anzeigen?

                                          i.    Wenn ja, wann und wie wurde mit diesen wann verfahren?

    1. Gab es zu Egisto Ott und Martin Weiss Berichte o.ä. vonseiten der DSN an die Justiz?

                                          i.    Wenn ja, wann und wie wurde in der Folge mit diesen wann verfahren?

    1. Welche Ermittlungshandlungen wurden gegen wen vorgenommen?
  1. Das OLG stellt in seinem Entschluss zur Enthaftung von Ott zu dem Komplex "SINA-Laptops" fest, dass, "da bislang keine tauglichen Ermittlungsergebnisse in diese Richtung vorliegen und nicht bekannt ist, ob und welche Daten sich auf gegenständlichem SINA-Laptop befunden haben, ist der Tatverdacht nicht als dringend anzusehen“. Welche Ermittlungsverfahren werden zu diesem Komplex geführt?
    1. Seit wann zu welcher Verdachtslage durch welche Staatsanwaltschaft?
    2. Aufgrund welcher Straftatbestände?
    3. Welche Behörde wird aufseiten des BMI jeweils als Ermittlungseinheit hinzugezogen?
    4. Gab es zu Florian Stermann Anzeigen?

                                          i.    Wenn ja, wann und wie wurde mit diesen wann verfahren?

    1. Gab es zu Egisto Ott und Martin Weiss Berichte o.ä. vonseiten der DSN an die Justiz?

                                          i.    Wenn ja, wann und wie wurde in der Folge mit diesen wann verfahren?

    1. Welche Ermittlungshandlungen wurden gegen wen vorgenommen?
  1. Gibt es Ermittlungen iZm dem sog. Havanna-Syndrom?
    1. Wenn ja, auf Basis welcher Delikte?
    2. Wenn ja, seit wann?
    3. Wenn ja, gegen wen?
    4. Wenn ja, welche konkreten Ermittlungsmaßnahmen wurden vom wem idZ durchgeführt? 
    5. Wenn ja, von wem werden diese durchgeführt? 
    6. Wenn ja, gab es idZ irgendeine Art von Zusammenarbeit mit dem BMEIA? 

                                          i.    Wenn ja, wie gestaltete sich diese? 

  1. Gibt es Ermittlungen iZm dem Mord an dem in Spanien ermordeten Überläufer und Finanzierung dessen über Österreich?
    1. Wenn ja, auf Basis welcher Delikte?
    2. Wenn ja, seit wann?
    3. Wenn ja, gegen wen?
    4. Wenn ja, welche konkreten Ermittlungsmaßnahmen wurden vom wem idZ durchgeführt? 
    5. Wenn ja, von wem werden diese durchgeführt? 
    6. Wenn ja, gab es idZ irgendeine Art von Zusammenarbeit mit dem BMEIA? 

                                          i.    Wenn ja, wie gestaltete sich diese? 

  1. Welche Hauptverfahren werden zu den Fragen 1-8 geführt?
    1. Vor welchem Gericht?
    2. Nach welchen Straftatbeständen aufgrund welcher strafbaren Handlungen?
  1. Hat eine Staatsanwaltschaft gegenüber bzw. zu den in Fragen 1-8 genannten Personen bzw. Unternehmen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abgesehen iSd §35c StAG?
    1. Wenn ja, welche Staatsanwaltschaft und aus welchen Gründen?
    2. Wann wurde von welcher Staatsanwaltschaft eine Anfangsverdachtprüfung durchgeführt?

                                          i.    Wann wurde diese, mit welchem Ergebnis beendet?

  1. Kam es gegenüber bzw. zu den in Fragen 1-8 genannten Personen bzw. Unternehmen zur Einstellung eines Ermittlungsverfahrens?
    1. Wenn ja, wurde die Einstellungsbegründung in der Ediktsdatei gem § 35a StAG veröffentlicht?

                                          i.    Wenn nein, warum nicht?

  1. Wann konkret wurde das BMJ über die Causa Ott vom BMI in Kenntnis gesetzt?
    1. Gab es bereits bis inkl. dem Jahr 2010 Anzeigen, Sachverhaltsdarstellungen o.ä. iZm Egisto Ott von Seiten des BMI, die dem BMJ zur Kenntnis gebracht wurden?

                                          i.    Wenn nein, warum nicht?

1.    Wie ist dies iZm § 78 StPO zu sehen?

                                        ii.    Wenn ja, wurde eine Anfangsverdachtsprüfung durchgeführt?

1.    Wenn ja, mit welchem Ausgang?

2.    Wenn nein, warum nicht?

    1. Gab es bereits bis inkl. dem Jahr 2015 Anzeigen, Sachverhaltsdarstellung etc. iZm Egisto Ott von Seiten des BMI, die dem BMJ zur Kenntnis gebracht wurden?

                                          i.    Wenn nein, warum nicht?

1.    Wie ist dies iZm § 78 StPO zu sehen?

                                        ii.    Wenn ja, wurde eine Anfangsverdachtsprüfung durchgeführt?

1.    Wenn ja, mit welchem Ausgang?

2.    Wenn nein, warum nicht?

  1. Konnte mittlerweile eruiert werden, ob und welche Datenträger-Inhalte von BMI-Mitarbeitern tatsächlich in Russland landeten?
    1. Waren Staatsgeheimnisse auf diesen Datenträgern?

                                          i.    Wenn ja, warum befinden sich diese auf den Handys von BMI-Mitarbeitern?

                                        ii.    Wenn ja, waren diese Staatsgeheimnisse verschlüsselt?

1.    Wenn nein, warum nicht?

                                       iii.    Wenn ja, ist bekannt, welche Staatsgeheimnisse es waren?

  1. Wie ist es möglich, dass Teile des Ermittlungsverfahrens, das die Justiz zum Teil unter Verschluss hält trotzdem Eingang in das Disziplinarverfahren gefunden haben und die jeweiligen Personen trotzdem Akteneinsicht haben?
    1. Gab es in diesem Zusammenhang Konsultationen mit dem BMI?

                                          i.    zu Egisto Ott?

                                        ii.    zu Martin Weiss?

                                       iii.    zu Anton Haidinger?

  1. Gab es bzgl. des britischen Strafverfahrens gegen die fünf bulgarischen Agenten Rechtshilfeersuchen von Österreich an England?
    1. Wenn, ja, wann inwiefern von wem an wen?
    2. Wenn ja, wie wurde damit durch wen wann verfahren?
  1. Per schriftlichem „Informationsaustausch ohne Ersuchen“ meldete sich die Leitende Oberstaatsanwaltschaft in München bei der Staatsanwaltschaft in Wien mit der Mitteilung, dass erlangte Informationen für die Verfahren in Österreich „von Bedeutung sein“ können- dies bereits im März. "Es geht um rund 500.000 Euro – exakt sind es 494.320 – die allein im September 2017 für “österreichische Spione” innerhalb Jan Marsaleks verschachteltem Firmennetzwerk geflossen sein sollen. Erst vor drei Wochen schickte die Staatsanwaltschaft Wien dazu eine Europäische Ermittlungsanordnung nach München, um mehr über die brisanten Zahlungsflüsse zu erfahren" (https://zackzack.at/2024/07/04/500-000-euro-fuer-austrian-spies-neue-spionage-spur-zu-wirecard-und-russland). Warum wurde die StA Wien erst nach vielen Wochen aktiv?
  2. Gab es bzgl. deutschen Strafverfahren zur Komplex Marsalek, Ott oder Weiß Rechtshilfeersuchen von Österreich an Deutschland?
    1. Wenn, ja, wann inwiefern von wem an wen zu welcher Sache?
    2. Wenn ja, wie wurde damit durch wen wann verfahren?
  1. Wurde Egisto Ott gegen Auflagen freigelassen?
    1. Wenn ja, gegen welche?
  1. Martin Weiß floh 2021 nach Dubai. Bestanden für ihn keine Auflagen? 
    1. Wenn ja, welche?