1920/J XXVII. GP

Eingelangt am 07.05.2020
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Anfrage

 

 

der Abgeordneten Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend EU Beihilferegeln

 

Finanzminister Gernot Blümel sprach in einem Interview mit der Frankfurter Allge-  meinen Zeitung am 27.04.2020 davon, dass er bereits zu Beginn der Krise österrei-chischen Betrieben nach dem Schweizer Modell "zu 100% vom Staat garantierte     Kredite ausgeben" wollte, Österreich bei der Europäischen Kommission dabei jedoch auf taube Ohren gestoßen war und bürokratische Hürden überwinden musste. Wie-ters behauptete er, Österreich könne derzeit aus EU-rechtlichen Gründen nicht mehr als 500.000 Euro an Krediten genehmigen. (FAZ, 27.04.2020: „EU sollte Corona-     Hilfen als Kredit gewähren“Auch in der Kleinen Zeitung vom 25. April 2020 sprach   er davon, dass das EU Beihilferecht Österreich daran hindere, den österreichischen Unternehmen zu helfen, denn das Vorgehen der Europäischen Kommission hätte die Ausschüttung der Unternehmenskredite um 14 Tage verzögert. 

Die Kommission wies diese Kritik in einer Pressemitteilung vom 29.4.2020 zurück. In den eingereichten Unterlagen des Finanzministeriums hätten wesentliche, für die     Bewertung des Vorhabens durch die Kommission erforderliche Elemente gefehlt.      Unklar sei unter anderem gewesen, ob nur Maßnahmen auf staatlicher Ebene oder auch auf Länderebene erfasst sein sollen und welche Wirtschaftssektoren einbezo-gen werden sollen. Zudem hätten für einige Maßnahmen noch die nationalen     Rechtsgrundlagen gefehlt, so die Kommission. Nachdem Österreich der Europäi-schen Kommission am 31. März das Beihilfevorhaben notifiziert habe, genehmigte    die EU Kommission am 8.4.2020 eine Liquiditätsregelung im Ausmaß von 15 Milliarden Euro, am 16.4.2020 folgten Garantieregelungen für Klein- und Mittelunternehmen. (Pressemeldung, 29.4.2020: Europäische Kommission weist Österreichs Kritik an Beihilfeprüfung zurückStandard, 29.04.2020: EU-Kommission weist Österreichs Kritik an Beihilfeprüfung zurück

Außerdem verwies die Kommission darauf, dass die Mitgliedstaaten gemäß dem adaptierten temporären Beihilferahmen vom 3. April bereits die Möglichkeit gehabt hätten, eine staatliche Garantie von bis zu 100% für Kredite von bis zu 800.000 Euro pro Unternehmen zu gewähren. Auch geringfügige Beihilfen (in Höhe von bis zu 200.000 Euro) wären kumulativ zur Kreditgarantie erlaubt und nicht meldepflichtig          gewesen, um den Mitgliedsstaaten so schnell wie möglich den maximalen Spielraum von bis zu 1 Million Euro pro Unternehmen zu geben. Bei der Erarbeitung der beiden Beihilferahmen hätten alle Mitgliedstaaten die Möglichkeit gehabt, ihre Meinung    kundzutun; laut Kommission habe Österreich jedoch weder bei der Konsultation zum ursprünglichen noch zum erweiterten Rahmen eine Garantie von bis zu 100 % für    Unternehmen gefordert. (Pressemeldung, 29.4.2020: Europäische Kommission weist Österreichs Kritik an Beihilfeprüfung zurückStandard, 29.04.2020: EU-Kommission weist Österreichs Kritik an Beihilfeprüfung zurück

Des Weiteren forderte der Finanzminister in einer Pressekonferenz vom 20.04.2020 die gänzliche Aussetzung des EU Beihilfenrechts, um es Österreich zu ermöglichen, den Unternehmen schneller und unbürokratischer zu helfen, denn so müsste man  nicht jede Hilfsmaßnahme mit der EU-Kommission verhandeln. (Standard, 20.04.20: Blümel sieht in Aussetzung des EU-Beihilfenrechts "Akt der Solidarität")

Auch diese Aussage kritisierte die EU Kommission: Das EU Beihilfenrecht solle si-cherstellen, dass faire Rahmenbedingungen für alle Marktteilnehmer_innen bewahrt werden, denn ein funktionierender Binnenmarkt stelle eine Grundvoraussetzung für die wirtschaftliche Erholung der Mitgliedsstaaten dar. Zudem sorge das EU Beihilfenrecht auch dafür, dass "Klein- und Mittelbetriebe gegenüber großen Unternehmen   und Konzernen nicht benachteiligt und Konsument_innen ausreichend geschützt    werden," so die Kommission. (Pressemeldung, 29.4.2020: Europäische Kommission weist Österreichs Kritik an Beihilfeprüfung zurückStandard, 29.04.2020: EU-          Kommission weist Österreichs Kritik an Beihilfeprüfung zurück

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:



Laut einem Bericht der Kleinen Zeitung vom 25.04.2020 erklärte Finanzminister Blümel, dass die Ausschüttung oder Garantiebewilligung von Unternehmenskrediten für                                      ……………………..…………………………………………………………………………………………………österreichische Betriebe von der EU um 14 Tage verzögert wurde. 

a.    Was in der EU Kommission Antwort führte beim BMF zur Annahme, dass Garantiebewilligungen oder Kredite nicht zeitnah ausgegeben werden dürfen?

b.    Auf welche Summen belaufen sich die Gelder, die Österreich aufgrund der angeblichen Blockade durch die EU Kommission nicht auszahlen oder garantieren konnte – oder glaubte nicht auszahlen oder garantieren zu können?

c.    Wurden auch Kredite/Kreditgarantien unter 800.000 Euro aufgrund der EU Position zurückgehalten? Wurden Kredite bis zu 200.000 Euro aufgrund   der Kommissionsentscheidung nicht ausbezahlt?

1.    Laut der Stellungnahme der EU Kommission fehlten in den von Österreich eingereichten Unterlagen erforderliche Elemente. Unklar sei gewesen, ob nur Maß-   nahmen auf staatlicher Ebene oder auch auf Länderebene erfasst sein sollen und welche Wirtschaftssektoren einbezogen werden sollen. Zudem fehlten für einige Maßnahmen noch die nationalen Rechtsgrundlagen.

a.    Warum fehlten diese Elemente? Handelte es sich um ein Versehen, oder war es die Einschätzung der Mitarbeiter_innen des BMF, dass die Unterlagen korrekt eingebracht worden waren? 

b.    Um welche fehlenden Rechtsgrundlagen handelte es sich in der Rechts-meinung der Kommission?

c.    Wie lange dauerte die Vervollständigung der Unterlagen und wie lange     verzögerte sich durch das Nachreichen die Auszahlung oder Gewährung von Garantien bzw. Beihilfen an die Betriebe?

d.    Wann wurden die ersten Kredite unter 800.000 Euro bewilligt?

e.    Wann wurden die ersten Kredite unter 200.000 Euro bewilligt?

f.      Wie wird die Republik Österreich die fehlenden Rechtsgrundlagen beheben? Ist diese Behebung Teil eines der COVID-19 Maßnahmenpakete?

2.    Finanzminister Gernot Blümel behauptete in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am 27.04.2020, dass Österreich zum damaligen Zeitpunkt aus EU-rechtlichen Gründen nicht mehr als 500.000 Euro an Krediten genehmi-gen könnte. Laut EU-Kommission sei es jedoch aufgrund des temporären Beihil-    ferahmen vom 3. April möglich gewesen, eine staatliche Garantie von bis zu    100% für Kredite von bis zu 800.000 Euro pro Unternehmen zu gewähren. Laut Kommission habe Österreich zudem bei der Erarbeitung der Beihilferahmen nie eine Garantie von bis zu 100 Prozent für Unternehmen gefordert.  

a.    Warum hat Österreich im Zuge der Erarbeitung der Beihilferahmen kein Recht auf Garantieleistung von bis zu 100% für Unternehmen eingefordert, obwohl solche Garantien zum Zeitpunkt der Diskussion um den Beihilfe- rahmen in Österreich schon in Erwägung gezogen wurden?

b.    Hat Österreich bei der Erarbeitung der beiden Beihilferahmen eine Stel-lungnahme abgegeben? Wenn ja, bitte um Übermittlung dieser. Wenn    nein, warum nicht?

3.    War Ihnen bzw. Ihren Berater_innen und Kabinettsmitarbeiter_innen vor Ihrer    Forderung nicht bekannt, dass eine substantielle Änderung des EU Beihilfen- rechts – wie etwa das Aussetzen der Kontrollen von Staatshilfen – eine Änderung des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union voraussetzen wür-  de?

4.    Haben Sie das Angebot eines direkten Gesprächs mit Kommissarin Vestager angenommen?

a.    Wenn ja, welche Punkte gibt es nach der Richtigstellung durch die Kom-missarin zu erörtern? Was sind Österreichs verbleibende Forderungen?

5.    Haben Sie die von Kommissarin Vestager in ihrem Brief erwähnte Erweiterung    des Hilfsprogramms um Kreditgarantien für KMUs einleiten lassen?

a.    Sind Sie bzw. das BMF diesbezüglich in Kontakt mit der EU-Kommission? 

b.    Wenn nein, warum nicht?