19297/J XXVII. GP

Eingelangt am 10.07.2024
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ANFRAGE

 

des Abgeordneten Mag. Christian Ragger

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend Kritik an Freiheitsbeschränkungen in Wohn- und Pflegeheimen

 

 

Der ORF berichtete in seinem Online-Medium am 16. Mai 2024 folgendes:

 

Kritik an Freiheitsbeschränkungen in Wohn- und Pflegeheimen

 

Die Bewohnervertretung Vertretungsnetz, die im Auftrag des Justizministeriums Freiheitsbeschränkungen an Menschen, die institutionell betreut oder gepflegt werden, überprüft, meldet einen Rekordanstieg an derartigen Maßnahmen.

 

„Sowohl die Zahl der Betroffenen als auch die Zahl der Freiheitsbeschränkungen sind allein seit 2019 – dem Jahr vor der Pandemie – um über 30 Prozent angestiegen“, so Susanne Jaquemar, die Leiterin der Bewohnervertretung, heute in einer Aussendung.

 

Beispiele seien etwa Bettseitenteile, versperrte Räume, Festhalten gegen körperlichen Widerstand, Gurte am Rollstuhl und auch sedierende Medikamente. „Noch nie seit Inkrafttreten des Heimaufenthaltsgesetzes 2005 wurden uns so viele Freiheitsbeschränkungen gemeldet wie 2023“, wurde Jaquemar zitiert.

 

Bewohnervertretung warnt vor Negativspirale

Als besonders alarmierend wurde der erneut starke Anstieg von Freiheitsbeschränkungen in Alters- und Pflegeeinrichtungen bezeichnet, denn verglichen mit 2019 beträgt der Zuwachs 60 Prozent. Bei wiederkehrenden Überprüfungsbesuchen der Bewohnervertretung zeigte sich eine Negativspirale, die Patientinnen und Patienten würden in die Immobilität gepflegt.

 

Als Beispiel wurden Bettruhezeiten teilweise schon am späten Nachmittag genannt. Würden die Betroffenen dann Unruhe und Bewegungsdrang zeigen, gebe es dann allzu oft sedierende Medikamente. Gegen das so erhöhte Sturzrisiko würden die Menschen zusätzlich zu ihrem Schutz in den Sitzgelegenheiten mit Gurten fixiert oder im Bett mit Seitenteilen beschränkt werden.[1]

 

 

In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für Justiz nachstehende

 

Anfrage

 

 

1.    Wie erklären Sie den Anstieg der Freiheitsbeschränkungen seit 2019 um über 30 Prozent, und welche Faktoren werden als Hauptursachen identifiziert?

2.    Welche spezifischen Maßnahmen wurden seit 2019 ergriffen, um die Ursachen für den Anstieg der Freiheitsbeschränkungen zu ermitteln und zu bekämpfen?

3.    Inwieweit entsprechen die aktuellen gesetzlichen Regelungen den internationalen Standards zum Schutz der Freiheit und Würde von Menschen in Pflegeeinrichtungen?

4.    Wie wird sichergestellt, dass die gesetzlichen Vorgaben zum Schutz vor unrechtmäßigen Freiheitsbeschränkungen in den Heimen konsequent umgesetzt und eingehalten werden?

5.    Welche Kontrollmechanismen sind derzeit etabliert, um Freiheitsbeschränkungen zu überwachen und zu verhindern, und wie effektiv sind diese Mechanismen?

6.    Inwieweit wird das Meldesystem der Freiheitsbeschränkungen unabhängig überwacht, um mögliche Interessenkonflikte zu vermeiden?

7.    Welche Maßnahmen sind geplant, um die Transparenz und Genauigkeit der Meldungen zu verbessern?

8.    Welche konkreten Kriterien müssen erfüllt sein, um eine Freiheitsbeschränkung zu rechtfertigen, und wie wird deren Notwendigkeit regelmäßig überprüft?

9.    Wie häufig werden die gemeldeten Freiheitsbeschränkungen von unabhängigen Instanzen als unangemessen oder unverhältnismäßig eingestuft?

10. Welche Maßnahmen werden ergriffen, um sicherzustellen, dass Freiheitsbeschränkungen nur als letztes Mittel eingesetzt werden und die Rechte der Bewohner gewahrt bleiben?

11. Wie werden die Bewohner und ihre Angehörigen über ihre Rechte und die Gründe für Freiheitsbeschränkungen informiert?

12. Wie hat sich die Anzahl der Freiheitsbeschränkungen in den letzten fünf Jahren entwickelt, und was sind die Hauptgründe für die festgestellten Veränderungen?

13. Welche Lehren wurden aus den Jahren der Pandemie bezüglich der Anwendung von Freiheitsbeschränkungen in Heimen gezogen?

14. Wie viele Fälle von Freiheitsbeschränkungen wurden in den letzten Jahren vor Gericht angefochten und wie haben die Gerichte in diesen Fällen entschieden?

15. Welche Maßnahmen werden ergriffen, um sicherzustellen, dass die Freiheitsbeschränkungen nicht missbräuchlich angewendet werden?

16. Welche Maßnahmen haben Sie bzw. die zuständige Sektion im Zusammenhang der Prävention bezüglich Freiheitsbeschränkungen in Heimen ergriffen?

 



[1] https://orf.at/stories/3357844/