19298/J XXVII. GP
Eingelangt am 10.07.2024
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ANFRAGE
des Abgeordneten Mag. Christian Ragger
und weiterer Abgeordneter
an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz
betreffend Debatte über Freiheitsbeschränkung im Heim
Der ORF Tirol berichtete in seinem Online-Medium am 18. Mai 2024 folgendes:
Die ARGE Altenheime weist Vorwürfe zurück, wonach Heimbewohnerinnen und -bewohner noch nie so häufig in ihrer Freiheit beschränkt worden sind wie im Jahr 2023. Die Freiheitsbeschränkungen dienten dem Schutz der Betroffenen, die Statistik sei irreführend, so die Vertretung der Altenheime.
Noch nie seien Menschen in Alten- und Pflegeheimen so häufig in ihrer Freiheit beschränkt worden wie im abgelaufenen Jahr. Diese Meldung des Vereins Bewohnervertretung sorgte zuletzt für Empörung in ganz Österreich, vor allem bei Pflegekräften der Heime. Der Obmann der Arbeitsgemeinschaft Altenheime in Tirol argumentiert damit, dass mit Freiheitsbeschränkungen oft Sicherungsmaßnahmen oder Medikamente gemeint seien, die für die Sicherheit und Gesundheit der Heimbewohnerinnen und Heimbewohner erforderlich seien.
Der Verein Bewohnervertretung überprüft im Auftrag des Justizministeriums Fälle von Freiheitsbeschränkungen in Heimen. Dabei handle es sich nicht um Beschwerden von Bewohnern, vielmehr meldeten die Heime selbst jede Maßnahme, mit der sie die Freiheit ihrer Patientinnen einschränken müssten, sagt Georg Berger, Obmann der Arbeitsgemeinschaft Altenheime in Tirol.
„Es gibt in der Pflege Situationen, wo Menschen aufgrund ihrer Behinderung oder aufgrund ihrer psychischen Erkrankung sich selbst oder andere Menschen gefährden. Und für diese Fälle hat der Gesetzgeber das Heimaufenthaltsgesetz vorgesehen, welches genau regelt, unter welchen Voraussetzungen Menschen in ihrer Freiheit beschränkt werden müssen, um eben diese Gefahren abzuwenden“, so Berger.
Muss zum Beispiel ein Patient mit einem Gurt in seinem Rollstuhl gesichert werden oder wird ein Sensor aktiviert, der anschlägt, wenn eine sturzgefährdete Person nachts ihr Bett verlässt, so muss das als freiheitsbeschränkende Maßnahme gemeldet werden und fließt in die Statistik ein.
Auch die Verschreibung beruhigender Medikamente, selbst wenn der Beruhigungseffekt nur eine Nebenwirkung darstellt, fällt darunter. „Ich nenne jetzt einfach als Beispiel Schmerzmittel, das kann genauso sedieren und beruhigen, aber der Zweck, warum der Arzt oder die Ärztin das verschreiben, ist einfach die Schmerzreduktion“, so Berger.
Fragt sich, wie oft eine solche Maßnahme von einem Gericht als überzogen verurteilt wird. Georg Berger: „Also mir sind jetzt aus der mittleren und kurzen Vergangenheit keine Fälle bekannt, wo das vor Gericht festgestellt worden ist.“
Bleibt der Vorwurf, dass die Zahl der gemeldeten Freiheitsbeschränkungen in den Heimen im Vorjahr um fünf Prozent gestiegen ist. Bergers relativiert. „Im gleichen Betrachtungszeitraum gibt es auch um drei Prozent mehr Heime, die Meldungen erstatten. Das einmal zum einen, und zum anderen hat sich auch die Mitarbeiterstruktur der Bewohnervertretung erhöht. Je mehr Prüfungsorgane es gibt, desto mehr Arbeit beschaffen sie sich.“
Berger appelliert an die Bewohnervertretung, ihre Zahlen künftig mit den Heimen zu besprechen und gemeinsam an Verbesserungen zu arbeiten, statt zu „skandalisieren“ und die Pflegekräfte in ein schlechtes Licht zu rücken, so der Obmann der Arbeitsgemeinschaft Altenheime Tirol.[1]
In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz nachstehende
ANFRAGE
1. Welche genauen Kriterien und Definitionen werden zur Erfassung von Freiheitsbeschränkungen in Alten- und Pflegeheimen verwendet?
2. Wie wird sichergestellt, dass die gemeldeten Zahlen nicht irreführend sind und ein klares Bild der Situation vermitteln?
3. Inwieweit wird das Meldesystem der Freiheitsbeschränkungen unabhängig überwacht, um mögliche Interessenkonflikte zu vermeiden?
4. Gibt es unabhängige Kontrollen, um sicherzustellen, dass die Heime alle Freiheitsbeschränkungen korrekt und vollständig melden?
5. Welche spezifischen Maßnahmen werden als „Freiheitsbeschränkungen“ erfasst und wie wird ihre Notwendigkeit überprüft?
6. Wie oft werden die gemeldeten Maßnahmen von einem Gericht oder einer anderen unabhängigen Instanz als unangemessen oder überzogen eingestuft?
7. Welche Maßnahmen werden ergriffen, um sicherzustellen, dass Freiheitsbeschränkungen nur als letztes Mittel eingesetzt werden und die Rechte der Bewohner gewahrt bleiben?
8. Wie werden die Bewohner und ihre Angehörigen über ihre Rechte und die Gründe für Freiheitsbeschränkungen informiert?
9. Welche Schulungen und Weiterbildungen erhalten Pflegekräfte bezüglich des rechtmäßigen Einsatzes von Freiheitsbeschränkungen und dem Schutz der Bewohnerrechte?
10. Gibt es Richtlinien oder Protokolle, die Pflegekräften helfen, Alternativen zu Freiheitsbeschränkungen zu finden und anzuwenden?
11. Wie hat sich die Anzahl der Freiheitsbeschränkungen in den letzten fünf Jahren entwickelt und was sind die Hauptgründe für etwaige Veränderungen?
12. Wie erklären Sie den Anstieg der gemeldeten Freiheitsbeschränkungen im Jahr 2023 im Vergleich zu den Vorjahren?
13. Welche konkreten Schritte werden unternommen, um die Zusammenarbeit zwischen den Heimen und der Bewohnervertretung zu verbessern und gemeinsame Lösungen zu finden?
14. Inwieweit werden die Vorschläge und Kritikpunkte der Bewohnervertretung in die Praxis umgesetzt?
15. Welche psychologischen und physischen Auswirkungen haben die verschiedenen Arten von Freiheitsbeschränkungen auf die Bewohner der Heime?
16. Gibt es Langzeitstudien oder Untersuchungen, die die Auswirkungen von Freiheitsbeschränkungen auf die Lebensqualität der Heimbewohner analysieren?