Eingelangt am 11.07.2024
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Anfrage
der Abgeordneten Douglas
Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen
an die Bundesministerin für
Landesverteidigung
betreffend Unerledigtes aus dem
Regierungsprogramm
Auf fünf Seiten beschreibt das
Regierungsprogramm 2020-2024 die Vorstellungen, Ziele und Pläne, die das
BMLV "Aus Verantwortung für Österreich" (so der
Titel) in der diesen Herbst auslaufenden Gesetzgebungsperiode umsetzen wollte.
Das das BMLV betreffende Kapitel wird mit "Landesverteidigung &
Krisen- und Katastrophenschutz" betitelt und zeigt eine
Stoßrichtung der Bundesregierung weg von klassischer,
konventionell-militärischer Landesverteidigung und hin zu Assistenz- und
Hilfseinsätzen.
Mit dem russischen Einmarsch in der Ukraine
hat sich diese Stoßrichtung drastisch umgekehrt, obwohl die grundlegende
Situation für Österreich sich nicht stark verändert hat. Ein
konventioneller Krieg auf österreichischem Boden bleibt aufgrund der
glücklichen geografischen Lage praktisch auszuschließen. Hier bleibt
die Formulierung im Regierungsprogramm aufrecht: "Österreich ist ...
an unseren unmittelbaren Landesgrenzen von keinen Feinden umgeben." Die
Frage ist vielmehr, wie stark sich Österreich in der Verteidigung des
Risikoumfelds, also der europäischen Außengrenzen und der
Peripherie, einbringen will.
Im Unterschied zu anderen Themenbereichen sind
im Landesverteidigungskapitel Ziele relativ klar beschrieben.
Grundsätzlich sollte das Bundesheer in dieser Gesetzgebungsperiode
- den Schwerpunkt auf Krisen- und
Katastrophenmanagement sowie neue Bedrohungsbilder, also hybride Gefahren,
setzen;
- im Krisenmanagement die Resilienz
stärken:
- ein attraktiverer Arbeitgeber werden und,
auch durch die Erweiterung der Tauglichkeitskriterien, mehr
Grundwehrdiener ausbilden und bestmöglich an einem
weiterführenden Dienst interessieren; und
- das Milizsystem als Grundform des ÖBH
wiederherstellen.
Obgleich sich nach dem Angriffskrieg Russlands
die Zielsetzungen verschoben haben, bleiben diese Pläne – neben
neuen – aufrecht. Die Gesetzgebungsperiode neigt sich dem Ende zu, im
September werden die politischen Karten neu gemischt. Die Bundesregierung hat
es nicht geschafft, eine neue Sicherheitsstrategie vorzulegen, das Arbeitsklima
unter den Koalitionspartnern scheint nicht mehr lösungsorientiert. Daher
ist es wichtig zu wissen, welche Probleme die Bundesregierung, und spezifisch
die Bundesministerin, der nächsten Regierung hinterlässt, damit diese
dann die Verantwortung für Österreich weiter übernehmen kann.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher
folgende
Anfrage:
- Auf Seite 162 spricht das Regierungsprogramm
von der Wiederherstellung des verfassungsmäßigen Zustands der
Miliz. Dazu gehören Ausbildung und Auffrischungsübungen sowie
adäquate Ausrüstung, aber auch ein ausreichender Personalstand.
Die Miliz klagt jedoch über ein hohes Fehl in allen
Dienstkategorien.
- Welche Maßnahmen hat das BMLV im
Dienst-, Besoldungs- und Pensionsrecht gesetzt, um den Milizdienst zu
attraktivieren? Wie viel Geld wurde dafür in die Hand genommen?
Welche Budgetposten sind für den Rest des Finanzrahmens dafür
vorgesehen?
- Wurde der One-Stop-Shop für Anliegen
der Milizsoldat:innen umgesetzt?
i. Wenn ja, bitte um Beschreibung inkl. der Budgetmittel.
ii. Wenn nein, ist Umsetzung bzw. weitere Verbesserung noch in dieser
Legislaturperiode geplant?
- Bitte um einen Statusbericht der Umsetzung
des Sicherheitsinselkonzepts. Wie viele Kasernen sind vollständig als
Sicherheitsinseln verfügbar, wie viele werden noch bis Ende der
Legislaturperiode umgebaut, und wie viele werden erst in der nächsten
Legislaturperiode fertiggestellt bzw. in welchen muss der Umbau erst
begonnen werden?
- Auf Seite 163 beschreibt das
Regierungsprogramm die Attraktivierung des Militärdiensts. Eine
Maßnahme ist die primär militärische Verwendung der
Rekruten, eine andere der verstärkte Einsatz des ÖBH bei
Assistenzeinsätzen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen
Sicherheit. Der Titel des Kapitels deutet an, dass
Katastropheneinsätze auch eine wichtige Aufgabe des ÖBH sind.
- Die Bundesministerin will derzeit die
Assistenzeinsätze im Gegensatz zur Formulierung im
Regierungsprogramm auf ein Minimum beschränken. Die Bundesregierung
besteht weiterhin auf Assistenzeinsätze, die von Expert:innen und
dem Rechnungshof als wahrscheinlich verfassungswidrig, weil nicht ultima
ratio, eingestuft werden. Hat sich die Position der Bundesregierung
zu diesem Thema innerhalb ihrer Amtszeit geändert, bzw. gibt es
Auffassungsunterschiede innerhalb der Bundesregierung zum Thema
Assistenzeinsätze?
- Hat sich die Schwerpunktfokussierung auf
Seite 163 geändert? Das Regierungsprogram listet hier acht Punkte
auf. Wenn ja, bitte um Beschreibung der neuen Schwerpunkte.
- Im Zuge der Anpassung des ÖBH an die
aktuelle Bedrohungslage (Seite 163-164) sieht das Regierungsprogramm den
Ausbau einer Cyber-Truppe unter verstärkter Zusammenarbeit mit
Bildungs- und Forschungseinrichtungen vor. Anträge zur Bildung einer
Cyber-Miliz und eines Cyber-Stabes wurden abgelehnt, der Rechnungshof
kritisiert die Cyber-Defense weiterhin als unzulänglich.
- Welche Maßnahmen wurden seit
Veröffentlichung des kritischen RH-Berichts gesetzt, um die Cyber-Defense
zu stärken?
- Welche Maßnahmen sind bis Ende der
Legislaturperiode noch geplant bzw. am Laufen?
- Welche spezifischen Kooperationsprojekte
mit Bildungs- und Forschungseinrichtungen kann das BMLV zum Thema
Cyber-Defense anführen? Welche Budgetmittel wurden in dieser
Legislaturperiode dafür aufgewendet, wie viel Geld ist im
Finanzrahmen in der Pipeline?
- Das Regierungsprogramm verspricht die
"Fortführung des Beitrags des ÖBH zur Stärkung der
Stabilität der Westbalkan-Staaten." Das österreichische Truppenkontingent
am Westbalkan wurde verringert, die Anzahl der österreichischen
Soldat:innen im Auslandseinsatz liegt bei etwa 800 (Soll =1.100). Das
ÖBH zählt nun in Österreich übende Soldat:innen als im
Auslandseinsatz befindlich, wenn sie sich auf potentielle
Auslandseinsätze vorbereiten oder in Reserve sind. Das
Regierungsprogramm spricht jedoch von der "Entsendung" von
"mindestens 1.100 Soldaten als Dauerleistung."
- Plant das BMLV noch, die Soll-Zahl von
1.100 im Auslandseinsatz aktiven Soldat:innen zu erreichen, oder wurde
die Sollzahl revidiert bzw. umdefiniert?
- Im Krisen- und Katastrophenschutz plante das
Regierungsprogramm auf Seiten 164 und 165 verschiedene Maßnahmen,
zum Teil gemeinsam mit den Bundesländern.
- Welche rechtlichen Klarstellungen wurden
für bundesländerübergreifende Krisen und Katastrophen im
Hinblick auf Zuständigkeit, Befugnisse und Informationsweitergabe
seit Amtsantritt der Bundesregierung getroffen?
- Welche weiteren derartigen Klarstellungen
sind geplant?
- Welche neuen Krisenkommunikationsnetze zur
krisenfesten Kommunikation wurden seit Amtsantritt der Bundesregierung
neu geschaffen?
- Wie viele solche Kommunikationsnetze sind
noch geplant, und werden diese noch in dieser Regierungsperiode
fertiggestellt werden können?
- Wie viele "Katastrophenschutzübungen
unter ... Einbeziehung von zivilgesellschaftlichen Organisationen,
Institutionen und Ministerien wurden seit Amtsantritt der
Bundesministerin ausgeführt? Welche Organisationen, Institutionen
und Ministerien waren miteinbezogen?
- Welches "Sicherheitszonenmodell"
wurde erstellt, in dem alle für die Sicherheit in ganz
Österreich relevanten Organisationen zusammenwirken? Welche
Organisationen sind beteiligt?