19318/J XXVII. GP

Eingelangt am 15.07.2024
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Anfrage

der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Bildung‚ Wissenschaft und Forschung

betreffend 100 Schulen 1000 Chancen

 

Wie internationale Vergleichsstudien seit Jahrzehnten immer wieder aufzeigen, hängt eine erfolgreiche Bildungslaufbahn in Österreich mehr als in anderen Ländern vom Bildungsniveau und vom sozioökonomischen Hintergrund der Eltern ab. Dies haben auch die im Dezember 2023 veröffentlichten Hauptergebnisse der PISA-Studie 2022 und die im Juni 2024 präsentierte Erhebung "PISA Financial Literacy" bestätigt. In Schulen in herausfordernder Lage - also in Schulen mit einem hohen Anteil an Kindern aus "bildungsfernen" und sozioökonomisch schwachen Familien - verstärkt sich der beschriebene Effekt noch, indem alle Kinder durch das insgesamt niedrigere Leistungsniveau in ihrem Lernfortschritt gebremst werden ("Kompositionseffekt"). 

Um diese negative Dynamik zu durchbrechen und Kindern und Jugendlichen unabhängig von ihrer Herkunft gute Bildungschancen zu bieten, wurden auch in Österreich Projekte in den Bereichen Schulentwicklung und Chancenindex ins Leben gerufen, die allerdings nur sehr zaghaft im Bildungsbudget berücksichtigt wurden. Von 2021-2024 lief das Forschungsprojekt "100 Schulen, 1000 Chancen", das von der Universität Wien wissenschaftlich begleitet wird. Ausgewählt wurden 100 Volks- und Mittelschulen nach einem Index des Instituts des Bundes für Qualitätssicherung im österreichischen Schulwesen (IQS) sowie nach Kriterien der Universität Wien. Diese Kriterien waren die Alltagssprache der Schülerinnen und Schüler sowie der Bildungshintergrund und sozioökonomische Faktoren des Elternhauses. Ausgewählt wurden Schulen aus allen Bundesländern, die Teilnahme war freiwillig. 

Da das Projekt als Pilotprojekt für die mögliche Einführung eines flächendeckenden Chancenindex bzw. Chancenbonus präsentiert wurde, stellt sich die Frage, welche Erkenntnisse aus diesem Projekt zu Ende der Legislaturperiode vorliegen. 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Wie viel Budget war für das Projekt "100 Schulen – 1000 Chancen" vorgesehen und wieviel davon wurde tatsächlich an die Schulen ausbezahlt oder in anderer Form (z.B. in Form von Personalressourcen) den Schulen zur Verfügung gestellt? Bitte um Aufgliederung nach Schularten und Bundesländern.
    1. Im Jahr 2023
    2. Im Jahr 2024
    3. Kumuliert über die gesamte Laufzeit
  1. Wie verteilen sich die zugeteilten Mittel auf Sachkosten und Personalkosten?
    1. Im Jahr 2023
    2. Im Jahr 2024
    3. Kumuliert über die gesamte Laufzeit
  1. Welche Arten von Investitionen bzw. Unterstützungen (bspw. Umbaukosten, Lernmittel, IT, Mobiliar, Lehrpersonal, Supportpersonal, ...) haben die Schulen angefragt? Bitte um prozentuelle Darstellung.
    1. Im Jahr 2023
    2. Im Jahr 2024
    3. Kumuliert über die gesamte Laufzeit
  1. Aufgrund der kurzen Laufzeit des Projekts war anzunehmen, dass die teilnehmenden Schulen eher Sachinvestitionen tätigen und nicht Personal (etwa psychosoziales Supportpersonal) aufbauen, das nach Projektende wieder gekündigt werden muss. 
    1. Hat sich diese Annahme bestätigt?
    2. Betrachten Sie die Ergebnisse dennoch als aussagekräftig hinsichtlich der Fragestellung, was Schulen in herausfordernder Lage benötigen, um die Herausforderungen zu bewältigen?
    3. Welche Einschränkungen der Aussagekraft müssen gff. hingenommen werden bzw. was ist bei der Interpretation der Ergebnisse aus Ihrer Sicht zu beachten?
  1. Wie haben sich die Leistungen der Schüler:innen an Schulen in herausfordernder Lage ("Brennpunktschulen") im Vergleich zur Schüler:innen-Gesamtpopulation bei der letzten IKMPLUS und vorhergehenden Messungen (BIST-Ü und IKMPLUS) entwickelt? Haben die Leistungsunterschiede zugenommen oder abgenommen?
  2. Wie viele Schüler:innen wurden mit dem Projekt insgesamt erreicht?
    1. Gibt es Auswertungen, wie sich das Projekt für diese Schüler:innen auf die weitere Schullaufbahn (zB beim Wechsel in die Sekundarstufe 1 oder in die Sekundarstufe 2) ausgewirkt hat?
  1. Wann wird die Evaluierung des Projekts vorliegen und wie wird sie dann der Öffentlichkeit zugänglich gemacht?
    1. Welche wissenschaftlichen Methoden werden zur Evaluierung des Projekts und der Maßnahmen eingesetzt?
    2. Wird die Evaluierung nach Stakeholder-Gruppen (Politik, Verwaltung, Schulleitungen, Lehrkräfte, ...) gegliederte Empfehlungen umfassen?
  1. Welche Zwischenergebnisse liegen bisher vor und wo können diese eingesehen werden?
    1. Welche Erkenntnisse konnten bisher aus dem Projekt gewonnen werden?
    2. Gibt es bereits erste Hinweise darauf, welche Maßnahmen besonders wirkungsvoll sind?
    3. Setzt das BMBWF bereits Schritte, um wirkungsvolle Maßnahmen auf eine größere Anzahl an Schulen auszudehnen?
  1. Wie wird sichergestellt, dass die im Rahmen des Projekts gewonnenen Erkenntnisse nachhaltig in das österreichische Bildungssystem integriert werden?
  2. Es wird kolportiert, dass die Unterstützung der teilnehmenden Schulen auf zahlreiche bürokratische Hürden gestoßen ist, die sich meist aus zersplitterten Zuständigkeiten (Bund, Länder, Bildungsdirektionen, Gemeinden, Bezirke etc.) und/oder komplizierten rechtlichen Vorgaben (Dienstrecht, Schulgesetze etc.) ergeben haben. 
    1. Können Sie Beispiele für solche Schwierigkeiten nennen?
    2. Wurden diese Schwierigkeiten bzw. Hürden dokumentiert und gesammelt, um Anregungen für Reformen ableiten zu können?

                                          i.    Wenn ja, wo und wie?

                                        ii.    Wenn nein, warum nicht?

  1. Welche Rolle spielt die Innovationsstiftung für Bildung in dem Projekt und welche Ressourcen wendet sie dafür auf?
  2. Haben die Schulen die Möglichkeit, eigenständig über den Einsatz der bereitgestellten Mittel zu entscheiden?
    1. Wenn ja, inwiefern?
    2. Wenn nein, warum nicht?
  1. Welche Rolle spielen die Schulleitungen
    1. bei der Ist-Stand-Analyse und der Erstellung von Ressourcenanträgen?
    2. in der Durchführung und Steuerung der Maßnahmen?
    3. in der Evaluierung des Projekts und in der Formulierung von Empfehlungen an die Politik?
  1. Ist im Projekt eine Partizipation der Schüler:innen und Eltern vorgesehen? Wenn ja, wie wird diese gewährleistet?
  2. Auf Ebene der Bundesländer und Bildungsdirektionen gibt es ebenfalls Ansätze von indexbasierter Ressourcenzuteilung an die Schulen sowie Unterstützungs- und Schulentwicklungsprogramme für Schulen mit größeren sozialen Herausforderungen. 
    1. Verfügt das BMBWF über eine Zusammenstellung dieser Programme und Ansätze? 

                                          i.    Wenn ja, ist diese auch öffentlich einsehbar? Wo ggf.?

                                        ii.    Wenn nein, warum nicht?

    1. Wie stellt das BMBWF sicher, dass die Programme und Projekte der Bundes- und Länderebene zum Thema Chancengerechtigkeit aufeinander abgestimmt werden?
  1. Gibt es seitens des BMBWF Pläne oder Vorarbeiten, um zukünftig flächendeckend Zusatzmittel für Schulen mit größeren sozialen Herausforderungen bereitzustellen?
    1. Wenn ja, inwiefern?
    2. Wenn nein, warum nicht?
  1. Gibt es seitens des BMBWF Pläne oder Vorarbeiten, um zukünftig flächendeckend eine indexbasierte Finanzierung des gesamten Schulsystems einzuführen?
    1. Wenn ja, inwiefern?
    2. Wenn nein, warum nicht?