19321/J XXVII. GP
Eingelangt am 16.07.2024
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Eva-Maria Holzleitner, BSc, Sabine Schatz, Genossinnen und Genossen
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend den Mario Kunasek und der FPÖ Finanzskandal in der Steiermark
Die FPÖ-Finanzaffäre in Graz bzw. der Steiermark beschäftigt seit Monaten die Öffentlichkeit. Ausgangspunkt war eine Selbstanzeige des ehemaligen Finanzreferenten Matthias Eder vom 5. November 2021, er habe ganz allein 700.000 Euro an Klubgeldern veruntreut. Schon zum Zeitpunkt der Selbstanzeige wurden Zweifel laut, dass er allein gehandelt hat. Gestützt wurden diese Bedenken von einer Tonaufnahme, die Ex-FPÖ-Funktionär Alexis Pascuttini angefertigt hat und von der Staatsanwaltschaft sichergestellt wurde, auf der zu hören sein soll, dass Eder die Einzeltäter-Theorie als erfunden bezeichnet.
Wie der „Standard“ berichtet, handelt es sich in dieser Causa um „einen Skandal rund um mutmaßlich veruntreutes Steuergeld, der sich mittlerweile zu einem Flächenbrand für die steirische FPÖ entwickelt hat. Die Liste der Beschuldigten umfasst zehn Personen, darunter den Landesparteiobmann und Ex-Minister Mario Kunasek genauso wie den mittlerweile parteilosen früheren Grazer Vizebürgermeister Mario Eustacchio. Die Ermittler gehen inzwischen von 1,8 Millionen Euro aus, die versickert sind.“[1]
Bereits Anfang Februar hatte die Oberstaatsanwaltschaft Graz bekannt gegeben, dass sie in dieser Causa um die Verwendung von Finanzmitteln der FPÖ Steiermark die Staatsanwaltschaft Klagenfurt ersucht hat, im Sachverhaltskomplex „Hausbau Kunasek“ die Ermittlungen auf mögliche Beitragstäter auszudehnen und ergänzende Ermittlungen zur Verbreiterung der Entscheidungsgrundlagen durchzuführen.[2]
In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigen Abgeordneten an die Bundesministerin für Justiz folgende
Anfrage
1. Wegen welcher Straftatbestände wird zum Stand 10. Juli 2024 im FPÖ Finanzskandal ermittelt? Ist es noch aktuell, dass wegen des Verdachts der Veruntreuung, der Untreue und des Förderungsmissbrauches, in eventu schweren Betruges, Ermittlungen geführt werden?
2. Was ist der konkrete Inhalt der Selbstanzeige von Matthias Eder vom 5. November 2021?
3. Was ist der Inhalt der anonymen Anzeige vom 31. Oktober 2021 gegen die Verdächtigen Mario Eustacchio und Armin Sippel?
4. Wer wird als „Beschuldigter“ bei diesen Ermittlungen geführt?
5. Wird das Ermittlungsverfahren aktuell noch immer gegen zehn Personen geführt? Ist Mario Kunasek unter den Beschuldigten?
6. In welchen anderen Verfahren wird Mario Kunasek als Verdächtiger oder Beschuldigter geführt?
7. Wie viele Verfahren wegen des Verdachts welcher strafbarer Handlungen, in denen Mario Kunasek als Verdächtiger oder Beschuldigter geführt wurde, wurden in Ihrer Amtszeit eingestellt?
8. Wurden Verfahren in der Causa FPÖ Graz abgetrennt?
a. Wenn ja, wie viele?
b. Wenn ja, welche?
c. Wenn ja, wer sind die Beschuldigten in diesen ausgelagerten Verfahren?
d. Was sind die Straftatbestände, die in diesen ausgelagerten Verfahren Gegenstand von Ermittlungen?
9. Für welche FPÖ-Abgeordnete beantragte die Staatsanwaltschaft Klagenfurt im Zusammenhang mit dem Finanzskandal aufgrund von welchen Straftatbeständen die Auslieferung?
10. Kam es im Zuge der Ermittlungen zu Zufallsfunden und wurden ausgehend von diesen Zufallsfunden Ermittlungen eingeleitet? Um den Verdacht des Verstoßes gegen welche Strafbestimmungen handelt es sich dabei jeweils?
11. Warum und wann hat sich die gesamte Staatsanwaltschaft Graz für befangen erklärt und nicht nur einzelne Staatsanwält:innen?
12. Nach der Anfragebeantwortung 15565/AB hat die Oberstaatsanwaltschaft Graz aufgrund „entfernter Bekanntschaft zweier Bediensteter der Staatsanwaltschaft Graz mit einer der in der gegenständlichen Strafsache beschuldigten Person zur Vermeidung jedweden Anscheins einer (strukturellen) Befangenheit das Verfahren gemäß § 28 StPO der Staatsanwaltschaft Klagenfurt übertragen.“ . Gibt es auch andere Verfahren, bei der die Oberstaatsanwaltschaft Graz der Staatsanwaltschaft Klagenfurt das Verfahren aus dem Grund der „entfernten Bekanntschaft“ zu FPÖ-nahestehenden Personen übertragen hat?
I. Wenn ja, welche?
II. Wenn ja, wie viele?
III. Wenn ja, wegen welcher Straftatbestände?
IV. Wenn ja, wer sind die Beschuldigten in diesen Verfahren?
V. Wenn ja, was sind die Aktenzahlen dieser Verfahren?
13. Erfolgte die Übertragung der Zuständigkeit an die Staatsanwaltschaft Klagenfurt auf Ersuchen der Staatsanwaltschaft Graz oder durch die Oberstaatsanwaltschaft Graz aus eigenem?
14. Wie viele Zeugenvernehmungen wurden bislang vorgenommen?
a. Was ist der Inhalt von Mario Kunaseks zeugenschaftlicher Vernehmung vom 13. Juni 2022?
b. Warum wurde Mario Kunasek zunächst nur als Zeuge vernommen?
c. Bestanden Zweifel, ob Mario Kunasek bei seiner Vernehmung als Zeuge wahrheitsgemäß ausgesagt hat und wenn ja, welche?
d. Bestand der Verdacht, dass Mario Kunasek Beweismittel unterdrückt hat?
15. Wurden bereits Beschuldigtenvernehmungen vorgenommen?
a. Wenn ja, wurde Mario Kunasek als Beschuldigter vernommen?
b. Wenn ja, wurde Mario Eustacchio als Beschuldigter vernommen?
c. Wenn ja, wurde Armin Sippel als Beschuldigter vernommen?
16. Welche Zwangsmaßnahmen wurden ergriffen?
a. Um welche handelte es sich und wann wurden diese durchgeführt?
17. Wie viele Opfer sind bekannt?
18. Wurden bekannte Opfer bereits einvernommen?
a. Wenn ja, wer sind diese Opfer?
b. Wenn nein, warum wurden sie noch nicht einvernommen?
19. Gibt es bei einem der Verfahren in dieser Causa bereits bekannte Privatbeteiligungen?
a. Wenn ja, haben diese Privatbeteiligten bereits die Summe bekannt gegeben, mit der sie vorhaben, an diesem Verfahren anzuschließen?
20. Ist die Staatsanwaltschaft Klagenfurt ihrer Berichtspflicht an die Oberstaatsanwaltschaft nachgekommen?
a. Wenn ja, wie viele Berichte hat die Staatsanwaltschaft Klagenfurt zu welchem Zeitpunkt vorgelegt?
b. Wenn nein, warum nicht?
c. Wenn nein, wird das noch passieren?
21. Hat die Oberstaatsanwaltschaft Graz von ihrem Weisungsrecht gegenüber der Staatsanwaltschaft Klagenfurt in der Causa „FPÖ Finanzskandal Graz/Steiermark“ gebraucht gemacht?
a. Wenn ja, wie oft?
b. Wenn ja, was war der Inhalt dieser Weisung(en)?
22. Hat die Oberstaatsanwaltschaft Graz Berichte über die Strafverfahren in der Causa „FPÖ Finanzskandal Graz/Steiermark“ an die Bundesministerin für Justiz gelegt?
a. Wenn ja, wie viele Berichte hat die Oberstaatsanwaltschaft Graz der Bundesministerin für Justiz vorgelegt?
23. Hat die Bundesministerin für Justiz von ihrem Weisungsrecht gegenüber der Oberstaatsanwaltschaft Graz in der Causa „FPÖ Finanzskandal Graz/Steiermark“ gebraucht gemacht?
a. Wenn ja, wie oft?
b. Wenn ja, was war der Inhalt dieser Weisung(en)?
24. Wie viele Staatsanwält:innen sind mit dieser Ermittlung beschäftigt?
25. Wurden Wirtschaftsexpert:innen in dieser Causa zur Rate gezogen?
a. Wenn ja, wie viele?
b. Wenn ja, wer sind diese Wirtschaftsexpert:innen?
26. Wie hoch ist die Schadenssumme von der nach aktuellem Stand ausgegangen wird?
27. In der Nacht vom 15. auf den 16. April 2024 kam es zum Zusammentreffen zwischen Matthias Eder und Alexis Pascuttini sowie zwei weiteren Mitgliedern der FPÖ-Abspaltung „KFG“ (Korruptionsfreier Gemeinderatsklub) an einem Grazer Würstelstand. Dieses Gespräch soll laut „Standard“ mit Smartphones mitgeschnitten worden sein.
a. Wurde dies Audiodatei bereits sichergestellt?
I. Wenn ja, was ist der strafrechtlich relevante Inhalt dieses Gesprächs?
b. Es soll von Alexi Pascuttini auch ein Transkript an die Staatsanwaltschaft übergeben worden sein – wurde dieses Transkript bereits ausgewertet?
28. Mag. Alexis Pascuttini war am 7. Mai 2024 in der 11. Sitzung als Auskunftsperson im von der ÖVP-eingesetzten Untersuchungsausschuss (8/US).
a. Wurde das Protokoll davon bereits zum Aktenbestand genommen?
b. Wenn ja, wurde das Protokoll auf relevante Aussagen für die Ermittlung ausgewertet?
c. Wenn nein, warum wurde es nicht in den Bestand des Ermittlungsakts aufgenommen?
d. Wenn nein, wird das Protokoll noch in den Bestand des Ermittlungsakts aufgenommen?
29. Mag. Alexis Pascuttini sagte aus, dass die Staatsanwaltschaft „in den ersten Monaten nicht unbedingt übereifrig war“ (976/KOMM, Seite 13)[3]. Ist es hier in der Ermittlung tatsächlich zu Verzögerungen gekommen?
a. Wenn ja, woran lagen diese Verzögerungen?
b. Wenn ja, welche Maßnahmen wurden im Rahmen der Fachaufsicht gesetzt, um dem Beschleunigungsgebot zu entsprechen?
30. Mag. Alexis Pascuttini hat nach eigener Angabe Mario Kunasek und Stefan Herrmann wegen „Nötigung“ angezeigt.
a. Zu welcher Aktenzahl wird dazu ermittelt?
b. Haben dazu schon Einvernahmen stattgefunden?
c. Werden in diesem Verfahren Kunasek und Herrmann als Verdächtigte oder Beschuldigte geführt?
d. Wie ist der Stand des Verfahrens?
31. Der verstorbene ehemalige Büroleiter von Mario Eustacchio in seiner Zeit als Grazer Vizebürgermeister wurde zwar von anderen Zeugen immer wieder als Zeuge genannt, der einen essenziellen Beitrag zur Aufklärung in den unterschiedlichen Verfahren leisten könnte, laut der Aussage von Mag. Alexis Pascuttini wurde der ehemalige Büroleiter jedoch nie als Zeuge einvernommen.
a. Ist das korrekt?
b. Wenn ja, warum wurde er nicht als Zeuge vernommen?
32. Beim verstorbenen Büroleiter fand am 18. Mai 2024, drei Wochen nach seinem Tod, eine Sicherstellung statt. Dabei wurden diverse Datenträger sichergestellt.
a. Wie weit ist die Auswertung dieser Datenträger?
b. Wurden von diesen Datenträgern Dokumente zum Ermittlungsakt genommen?
I. Wenn ja, zu welcher Ermittlung und zu welcher Aktenzahl?
c. Wie umfangreich sind die für die Ermittlungen relevanten sichergestellten Dateien?
33. Wurden in Zusammenhang mit dem Tod des ehemaligen Büroleiters Ermittlungen eingeleitet?
34. An welche Vereine und andere juristischen Personen wurden aus den Parteikassen der FPÖ Graz, der FPÖ Steiermark, des Gemeinderatsklubs und des Landtagsklubs Gelder überwiesen, soweit aus den Akten bekannt?
35. Wurde an die „Identitäre Bewegung“ Geld überwiesen?
a. Wenn ja, wie viel?
b. Wenn ja, zu welchem Zeitpunkt?
36. Wurde an den „Freiheitlichen Akademikerverband – FAV“ Geld überwiesen?
a. Wenn ja, wie viel?
b. Wenn ja, zu welchem Zeitpunkt?
37. Der Sachverhaltskomplex „Hausbau Kunasek“ ist nach Angaben der Oberstaatsanwaltschaft Graz vom 8. Februar 2024 Gegenstand von Ermittlungen.
a. Wegen welcher Straftatbestände wird in diesem Sachverhaltskomplex gegen wie viele Beschuldigten ermittelt?
b. Hat es zu diesem Sachverhaltskomplex schon Zeugenvernehmungen gegeben?
c. Hat es zu diesem Sachverhaltskomplex schon Beschuldigtenvernehmungen gegeben?
d. Wie hoch ist die Schadenssumme in diesem Sachverhaltskomplex?
[1] https://www.derstandard.at/story/3000000217059/wuerstelstand-ibiza-tonaufnahme-wirft-neues-licht-auf-fpoe-finanzcausa [abgerufen am 01.07.2024]
[2] https://www.justiz.gv.at/osta-graz/oberstaatsanwaltschaft-graz/medienstelle/pressemitteilungen/presseinformation-vom-8-februar-2024-in-der-causa-fpoe-graz-fpoe-steiermark.dcc.de.html [abgerufen am 01.07.2024]
[3] Kommuniqué des Untersuchungsausschusses betreffend Aufklärung, ob öffentliche Gelder im Bereich der Vollziehung des Bundes aus sachfremden Motiven zweckwidrig verwendet wurden ("ROT-BLAUER Machtmissbrauch-Untersuchungsausschuss") Veröffentlichung des wörtlichen Protokolls über die öffentliche Befragung der Auskunftsperson Mag. Alexis Pascuttini in der 11. Sitzung vom 7. Mai 2024
https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/KOMM/976?selectedStage=100