Eingelangt am 18.07.2024
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Anfrage
der Abgeordneten Henrike Brandstötter,
Kolleginnen und Kollegen
an den Bundesminister für
europäische und internationale Angelegenheiten
betreffend Unerledigtes aus dem
Regierungsprogramm
Das Regierungsprogramm 2020-2024 beschreibt
auf 12 Seiten die Vorstellungen, Ziele und Pläne, die das BMEIA "Aus
Verantwortung für Österreich" (so der Titel) in der diesen
Herbst auslaufenden Gesetzgebungsperiode umsetzen wollte. Einige dieser Ziele
hat die Regierung bereits aufgegeben.
- Die schrittweise Erreichung des
international vorgegebenen Ziels, 0,7% des BIP für internationale
Entwicklungszusammenarbeit aufzubringen, ist gescheitert. Nicht nur hat
Österreich die Hälfte des Zieles nicht erreicht; die Zahlen sind
im Finanzrahmen nun auch rückläufig.
- Die Ausarbeitung eines gesamtstaatlichen
Afrikaplans kam über die (wiederholte) Ankündigung nicht
hinaus.
Viele im Regierungsprogramm
niedergeschriebenen Zielvorstellungen bleiben vage formuliert, mit
Formulierungen wie "Österreich unterstützt," die
Bundesregierung "setzt sich dafür ein," oder "bekennt sich
zu ... ." Konkreter formulierte Ziele (wie etwa das 0,7% Ziel) werden
nicht immer realisiert. Die Gesetzgebungsperiode neigt sich dem Ende zu, im
September werden die politischen Karten neu gemischt. Bundesminister
Schallenberg soll, ungeachtet des Wahlausgangs, in der nächsten GP nicht
mehr als Außenminister zur Verfügung stehen. Daher ist es wichtig zu
wissen, welche Probleme die Bundesregierung und spezifisch der Bundesminister
der nächsten Regierung hinterlässt, damit diese dann die Verantwortung
für Österreich weiter übernehmen kann.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher
folgende
- Auf Seite 125 des Regierungsprogramms findet
sich ein deutlicher Widerspruch über die Verantwortung für den
gerade für Österreich so wohlstandsschaffenden Handel. Einerseits
schreibt die Regierungskoalition von einem Bekenntnis zu "einer
EU-Handelspolitik, die sich für umfassende internationale
Handelsabkommen einsetzt." Im Detail bekennt sich Regierung zur
Unterstützung von Handelsabkommen, solange diese Konsument:innen in
Österreich zugute kommen, Konsumentenschutzstandards, Umweltschutz
und Klimaschutz beinhalten, Regenwaldabholzung in Betracht ziehen etc.
Andererseits lehnt die Bundesregierung im letzten Punkt das
MERCOSUR-Abkommen "in der derzeitigen Form" ab. Zusätzlich
wiederholt die Bundesregierung auf Seite 131 das Bekenntnis zu einer
"regelbasierten und nachhaltigen Handelspolitik" auf Basis
europäischer und österreichischer Werte. Die Europäische
Union hat das MERCOSUR-Abkommen nachverhandelt. Der Text ist einsehbar.
Das Regierungsabkommen sieht vor dass "[b]ei voller
Gewährleistung der Transparenz neue Abkommen rascher abgeschlossen
werden können" sollen.
- Aus welchen Gründen erfüllt das
nachverhandelte MERCOSUR-Abkommen die Transparenzkriterien im
Regierungsprogramm nicht?
- Welche auf Seite 125 des
Regierungsabkommens aufgelisteten Voraussetzungen für den
"raschen Abschluss" von Handelsabkommen hat die
Europäische Union beim MERCOSUR-Abkommen nicht erfüllt? Bitte
um spezifischen Verweis auf die Kriterien im Regierungsabkommen.
- Welche Punkte im nachverhandelten
MERCOSUR-Abkommen widersprechen "europäischen oder
österreichischen Werten?"
- Im Absatz über Handelsabkommen
schreibt die Koalition auch "Österreich wirkt auf
internationaler Ebene protektionistischen Tendenzen entschlossen
entgegen." Ist diese Position auch am Ende der Regierungsperiode
noch gültig? Wenn ja, welche Maßnahmen setzt die
Bundesregierung, um protektionistischen Tendenzen in Europa
entgegenzuwirken?
- Im selben Absatz steht zu lesen: "Eine
starke Exportwirtschaft schafft Arbeitsplätze in der EU,
insbesondere auch in Österreich." Es gibt Schätzungen der
WKO und anderen Instituten, dass der Zugang zum MERCOSUR-Handelsraum
gerade für Österreich stark positive wirtschaftliche
Auswirkungen haben würde. Gibt es im BMEIA andere
Einschätzungen?
i. Wenn ja, welche?
ii. Wenn nein, warum stemmt sich Österreich in der EU immer noch gegen
MERCOSUR?
- Wird es in dieser GP noch eine
Überarbeitung der MERCOSUR-Position im Sinne der
Regierungsvereinbarung geben?
- Auf Seite 127 ist zu lesen: "Es braucht
wirksame Sanktionen für Mitgliedsstaaten, die das Dublin-Abkommen
brechen, indem sie illegale Migration nach Mitteleuropa zulassen und nicht
gegen Schlepperei vorgehen." Es ist bekannt, dass Ungarn Asylsuchende
regelmäßig nach Österreich durchwinkt.
- Welche Sanktionen hat Österreich wann
in welchen Gremien in diesem Zusammenhang gegen Ungarn
eingefordert?
- Wird es in dieser GP noch
Sanktionsforderungen gegen Ungarn oder andere Staaten aufgrund deren
laxer Durchsetzung des Dublin-Abkommens geben?
- Auf Seite 128 steht zu lesen, dass
Österreich für eine "Gemeinsame Außenpolitik mit
einer Stimme" sei und "Österreich sich für ... die
Annahme vom Beschlüssen mit qualifizierter Mehrheit in
zusätzlichen Bereichen (z.B. Außenpolitik)" einsetze. In
Debatten, z.B. in Ausschüssen, wurde diese Position von Bundeskanzler
Nehammer sowie Außenminister Schallenberg nicht konsequent
vertreten. Ein Antrag, der die Bundesregierung auffordert, sich in
Brüssel für außenpolitische Entscheidungen mittels
qualifizierter Mehrheit einzusetzen, wurde vertagt. Der
Außenminister sprach sich im Ausschuss für das
Einstimmigkeitsprinzip aus indem er erklärte, dass Konsensus zu
besseren, konsensualen Entscheidungen führe und daher die europäische
Außenpolitik verbessere.
- Ist die Abschaffung der Einstimmigkeit
nicht mehr die offizielle Position der Bundesregierung?
i. Wenn nein, wurde das Regierungsprogramm in diesem Punkt von den
Koalitionspartnern abgeändert, und wurde die neue Position mit dem
Koalitionspartner abgesprochen?
- Wird es in dieser GP noch Versuche geben,
in Brüssel das Einstimmigkeitsprinzip zugunsten von qualifizierten
Mehrheiten aufzugeben?
- Auf Seite 129 verlangt das
Regierungsabkommen die Prüfung der "Etablierung einer
Mediationsfazilität im BMEIA und der Einrichtung eines
österreichischen zivilen Friedensdienstes ... [und] entsprechende
Ressourcenausstattung."
- Wurde die Etablierung einer solchen
Mediationsfazilität geprüft?
i. Wenn ja, durch wen, und mit welchem Ergebnis?
ii. Wenn nein, wird eine solche Prüfung noch in dieser GP
stattfinden?
- Welche Budgetmittel stehen einer derartigen
Fazilität derzeit zur Verfügung? Bitte verweisen Sie auf die
Konten, in denen diese Ressourcen verbucht sind. Welche Mittel sind
für den Rest des Finanzrahmens geplant?
- Ebenso auf Seite 129 wird die Stärkung
der Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Einrichtungen sowie NGOs im
Bereich Sicherheitsforschung, Mediation und Krisenmanagement
vorgeschlagen.
- Wie – durch welche Programme,
Maßnahmen und finanzielle Ressourcen – wurde diese
Stärkung erreicht? Welche Institutionen sind beteiligt?
- Wird es in dieser GP noch zu weiteren
Maßnahmen zu diesem Thema kommen? Wenn ja, welche sind geplant?
- Auf Seite 130 wird die Einführung einer
Klimabotschafterin bzw. eines Klimabotschafters und die Erstellung eines
Konzeptes für "grüne Diplomatie" vorgestellt.
- Welche konkreten
Schritte sind diesbezüglich seitens der Bundesregierung gesetzt
worden?
- Was sind die Eckpunkte
des Konzeptes "grüne Diplomatie?"
- Auf Seite 131 findet man eine Kurzposition
der Bundesregierung zu China, inkl. dem Versprechen, eine gesamtstaatliche
Strategie zu China auszuarbeiten. Auf Anfrage zu diesem Thema sagte der
Außenminister im Ausschuss dieses Jahr, es gäbe kein Papier,
sondern eine informelle Abstimmung im Haus.
- Ist es die Position des BMEIA, dass die im
Regierungsprogramm geforderte "gesamtstaatliche Länderstrategie
zu China" unnötig ist und dass Abstimmung im BMEIA eine
gesamtstaatliche, verschriftlichte Strategie ersetzen kann?
- Wurde ein "Österreich-Haus"
in Peking als "One-Stop-Shop für Visa,
Wirtschaftsangelegenheiten, Kulturvermittlung und Spracherwerb"
eingerichtet?
- Hat sich im Zuge der Gesetzgebungsperiode
die Position gegenüber China, ähnlich wie die der
Europäischen Union, verschoben? Wenn ja, inwiefern?
- China-Strategie hat sich in der EU in den
letzten Jahren aufgrund der – wirtschaftlich wie politisch –
immer aggressiver werdenden chinesischen Politik geändert. Wie wird
angesichts der sich wandelnden europäische
Politik die gesamtstaatlich-einheitliche Positionierung ohne
verschriftlichte Strategie über alle staatlichen Einrichtungen
hinweg durchgesetzt?
- Auf Seite 132 verspricht die Bundesregierung
eine gesamtstaatliche Afrikastrategie sowie eine österreichische
Initiative in der EU für einen EU-Zukunftspakt mit Afrika.
- Die Afrikastrategie ist gescheitert, die
Koalitionspartner können sich nicht abstimmen. Welche
"österreichischen Initiativen in der EU für einen
EU-Zukunftspakt mit Afrika" hat die Bundesregierung gesetzt?
- Wird es noch (gegebenenfalls weitere)
derartige österreichische Initiativen im Laufe dieser GP auf
europäischer Ebene geben?
- Welche Maßnahmen hat Österreich
in Hinblick auf die Bewerbung für den UN Sicherheitsrat 2027/28
gesetzt (Regierungsprogramm Seite 132)? Welche Mittel wurden dafür
bislang budgetiert, welche sind bis 2027 im Finanzrahmen vorgesehen?
- Welche Maßnahmen zur
"nachhaltigen Modernisierung des Vienna International Centers
... mit dem Ziel der Ausweitung der Aktivitäten und
Organisationen" wurden von der Bundesregierung in dieser
Legislaturperiode gesetzt? Welche Mittel wurden dafür bereitgestellt,
bzw. finden sich im aktuellen Finanzrahmen (Regierungsprogramm Seite
132)?
- Was ist der Status der "Schaffung einer
nachhaltigen Finanzierungsgrundlage für die International Anti-Corruption
Academy in Zusammenarbeit mit internationalen Partnern?" Welche
Budgetmittel stehen zur Verfügung und nach welchem
Aufteilungsschlüssel mit welchen internationalen Partnern (Seite
133)?
- Auf Seite 133 verlangt das
Regierungsprogramm eine "bessere Ausstattung von
österreichischen Vertretungen in besonders gefährdeten
Krisenregionen." Es handelt sich dabei wohl um die Verbesserung der
Sicherheitsausstattung.
- Welche Budgetmittel wurden in dieser GP zur
Erfüllung dieses Versprechens an Österreichs Diplomat:innen in
Risikoländern spezifisch zur Verfügung gestellt, und welche
weiteren sind im Finanzrahmen vorhanden. Bitte um Auflistung pro Jahr
seit Beginn der Legislaturperiode.
- Welche Ausstattung wird mit diesen Mitteln
angeschafft?
- Auf Seite 133 schreibt die Bundesregierung,
man benötige eine "Prüfung der Anpassung des KSE-BVG an
geänderte Missionsprofile und Herausforderungen ... ." Zum
Zeitpunkt der Erstellung des Regierungsprogramms war der Strategische
Kompass der EU noch in Ausarbeitung. Das Verteidigungsministerium
erkannte nach Veröffentlichung des Kompasses schnell die
Notwendigkeit einer Anpassung des Truppenentsendungsgesetztes (KSE) an die
neuen Herausforderungen im Rahmen der österreichischen Entsendungen
an die Rapid Deployment Capacities. Folgerichtig wurde ein
Antrag auf Novellierung des KSE im Oktober 2022 beschlossen. Mehr als ein
Jahr später antwortete Verteidigungsministerin Tanner auf eine
Statusanfrage, sie habe noch nichts vom Bundeskanzleramt
gehört.
- Warum wurde die im Regierungsprogramm
bereits enthaltene und vom Nationalrat beschlossene Novellierung des KSE
nicht umgesetzt?
- Wird es noch eine Umsetzung dieses
Nationalratsbeschlusses geben, vor allem in Hinblick auf Österreichs
Teilnahme an den RDC bereits 2025?
- Auf Seite 134 verpflichtet sich die
Bundesregierung zu einer "Weiterentwicklung des 3-Jahresprogramms der
ADA" zu einer gesamtstaatlichen Entwicklungspolitik, in der den
einzelnen Ministerien klare Zuständigkeiten zugewiesen werden, um
sicherzustellen, dass alle Ministerien mit ihren Maßnahmen die
entwicklungspolitischen Ziele der Bundesregierung auch tatsächlich
fördern.
- Wann wird das 3-Jahresprogramm 2024-26
vorgestellt, und wird die Vorstellung rechtzeitig erfolgen, um den
Entwurf der Bundesregierung noch im EZA-Unterausschuss zu debattieren?
- In letzter Zeit gab es verschiedentliche
"Abstimmungsprobleme" zwischen den Koalitionspartnern. Ist die
Abstimmung zwischen den Ministerien für die gesamtstaatliche
ADA-Strategie sichergestellt?
- Das Regierungsprogramm spricht von
"regional fokussierten" Schwerpunkten. Auf welche Regionen
fokussiert das Programm 2024-26?
- Das Regierungsprogramm spricht von
"thematischen Schwerpunkten." Auf welche Schwerpunkte
fokussiert das Programm 2024-26?
- Welche Maßnahmen wurden gesetzt, um in
der EZA "wirtschaftliche Kooperation und Zusammenarbeit mit
Unternehmen" zu stärken?
- Welche Maßnahmen wurden gesetzt, um
in der EZA "eine stärkere Knüpfung von EZA-Mitteln an
Fortschritte bei der Erreichung von gemeinsamen Zielen mit
Partnerländern" zu erwirken?
i. In Debatten im Unterausschuss hat Bundesminister Schallenberg
wiederholt eine Konditionalisierung der EZA abgelehnt. Wie sieht angesichts
dieser Ablehnung eine "Knüpfung der EZA ... an gemeinsame Ziele"
konkret aus?
ii. Welche Fortschritte in dieser "Knüpfung" wurden in der
ablaufenden Gesetzgebungsperiode konkret erreicht?
- Welche Anreize konnten für
österreichische Firmen für "Investitionen in relevanten
Drittstaaten" ausgearbeitet werden? Handelt es ich dabei um die im
Regierungsprogramm angedachten Bankgarantien?
i. Welche Mittel sind in den Budgets, die diese Bundesregierung zu
verantworten hat, sowie im Finanzrahmen, für diese Anreize veranschlagt?
- Welche privaten Fonds konnten für die
"Unterstützung und Absicherung von SDG- oder KMU-Finanzierung
in weniger wirtschaftlich entwickelten Ländern" ins Leben
gerufen bzw. unterstützt werden? Welche Mittel sind dafür in
den Budgets der letzten vier Jahre bzw. im Finanzrahmen veranschlagt?
- Auf Seite 135 steht geschrieben,
Österreich wolle sich in der EU für einen Regenwaldfonds
einsetzen.
- Wurde ein europaweiter Fonds zur Erhaltung
des Regenwalds ins Leben gerufen? Welche Initiativen hat Österreich
in diese Richtung gesetzt?
- Wurde die rasche Hilfe bei Waldbränden
auf europäischer Ebene, wie im Regierungsprogramm gefordert,
umgesetzt? Welche Maßnahmen hat Österreich dahingehend
gesetzt, und wurden Mittel aus dem Katastrophenfonds oder anderen
Finanzierungstöpfen wurden dafür eingesetzt? Wenn ja, aus
welchen Töpfen und in welchem Ausmaß?
- Welche österreichische Initiativen
wurden in der EU für einen "Zukunftspakt mit Afrika" (Seite
135) gesetzt?