19342/J XXVII. GP

Eingelangt am 18.07.2024
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Anfrage

der Abgeordneten Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten

betreffend Unerledigtes aus dem Regierungsprogramm

 

Das Regierungsprogramm 2020-2024 beschreibt auf 12 Seiten die Vorstellungen, Ziele und Pläne, die das BMEIA "Aus Verantwortung für Österreich" (so der Titel) in der diesen Herbst auslaufenden Gesetzgebungsperiode umsetzen wollte. Einige dieser Ziele hat die Regierung bereits aufgegeben.

Viele im Regierungsprogramm niedergeschriebenen Zielvorstellungen bleiben vage formuliert, mit Formulierungen wie "Österreich unterstützt," die Bundesregierung "setzt sich dafür ein," oder "bekennt sich zu ... ." Konkreter formulierte Ziele (wie etwa das 0,7% Ziel) werden nicht immer realisiert. Die Gesetzgebungsperiode neigt sich dem Ende zu, im September werden die politischen Karten neu gemischt. Bundesminister Schallenberg soll, ungeachtet des Wahlausgangs, in der nächsten GP nicht mehr als Außenminister zur Verfügung stehen. Daher ist es wichtig zu wissen, welche Probleme die Bundesregierung und spezifisch der Bundesminister der nächsten Regierung hinterlässt, damit diese dann die Verantwortung für Österreich weiter übernehmen kann.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Auf Seite 125 des Regierungsprogramms findet sich ein deutlicher Widerspruch über die Verantwortung für den gerade für Österreich so wohlstandsschaffenden Handel. Einerseits schreibt die Regierungskoalition von einem Bekenntnis zu "einer EU-Handelspolitik, die sich für umfassende internationale Handelsabkommen einsetzt." Im Detail bekennt sich Regierung zur Unterstützung von Handelsabkommen, solange diese Konsument:innen in Österreich zugute kommen, Konsumentenschutzstandards, Umweltschutz und Klimaschutz beinhalten, Regenwaldabholzung in Betracht ziehen etc. Andererseits lehnt die Bundesregierung im letzten Punkt das MERCOSUR-Abkommen "in der derzeitigen Form" ab. Zusätzlich wiederholt die Bundesregierung auf Seite 131 das Bekenntnis zu einer "regelbasierten und nachhaltigen Handelspolitik" auf Basis europäischer und österreichischer Werte. Die Europäische Union hat das MERCOSUR-Abkommen nachverhandelt. Der Text ist einsehbar. Das Regierungsabkommen sieht vor dass "[b]ei voller Gewährleistung der Transparenz neue Abkommen rascher abgeschlossen werden können" sollen.
    1. Aus welchen Gründen erfüllt das nachverhandelte MERCOSUR-Abkommen die Transparenzkriterien im Regierungsprogramm nicht? 
    2. Welche auf Seite 125 des Regierungsabkommens aufgelisteten Voraussetzungen für den "raschen Abschluss" von Handelsabkommen hat die Europäische Union beim MERCOSUR-Abkommen nicht erfüllt? Bitte um spezifischen Verweis auf die Kriterien im Regierungsabkommen. 
    3. Welche Punkte im nachverhandelten MERCOSUR-Abkommen widersprechen "europäischen oder österreichischen Werten?"
    4. Im Absatz über Handelsabkommen schreibt die Koalition auch "Österreich wirkt auf internationaler Ebene protektionistischen Tendenzen entschlossen entgegen." Ist diese Position auch am Ende der Regierungsperiode noch gültig? Wenn ja, welche Maßnahmen setzt die Bundesregierung, um protektionistischen Tendenzen in Europa entgegenzuwirken?
    5. Im selben Absatz steht zu lesen: "Eine starke Exportwirtschaft schafft Arbeitsplätze in der EU, insbesondere auch in Österreich." Es gibt Schätzungen der WKO und anderen Instituten, dass der Zugang zum MERCOSUR-Handelsraum gerade für Österreich stark positive wirtschaftliche Auswirkungen haben würde. Gibt es im BMEIA andere Einschätzungen?

                                          i.    Wenn ja, welche?

                                        ii.    Wenn nein, warum stemmt sich Österreich in der EU immer noch gegen MERCOSUR?  

    1. Wird es in dieser GP noch eine Überarbeitung der MERCOSUR-Position im Sinne der Regierungsvereinbarung geben?
  1. Auf Seite 127 ist zu lesen: "Es braucht wirksame Sanktionen für Mitgliedsstaaten, die das Dublin-Abkommen brechen, indem sie illegale Migration nach Mitteleuropa zulassen und nicht gegen Schlepperei vorgehen." Es ist bekannt, dass Ungarn Asylsuchende regelmäßig nach Österreich durchwinkt.
    1. Welche Sanktionen hat Österreich wann in welchen Gremien in diesem Zusammenhang gegen Ungarn eingefordert? 
    2. Wird es in dieser GP noch Sanktionsforderungen gegen Ungarn oder andere Staaten aufgrund deren laxer Durchsetzung des Dublin-Abkommens geben?
  1. Auf Seite 128 steht zu lesen, dass Österreich für eine "Gemeinsame Außenpolitik mit einer Stimme" sei und "Österreich sich für ... die Annahme vom Beschlüssen mit qualifizierter Mehrheit in zusätzlichen Bereichen (z.B. Außenpolitik)" einsetze. In Debatten, z.B. in Ausschüssen, wurde diese Position von Bundeskanzler Nehammer sowie Außenminister Schallenberg nicht konsequent vertreten. Ein Antrag, der die Bundesregierung auffordert, sich in Brüssel für außenpolitische Entscheidungen mittels qualifizierter Mehrheit einzusetzen, wurde vertagt. Der Außenminister sprach sich im Ausschuss für das Einstimmigkeitsprinzip aus indem er erklärte, dass Konsensus zu besseren, konsensualen Entscheidungen führe und daher die europäische Außenpolitik verbessere.
    1. Ist die Abschaffung der Einstimmigkeit nicht mehr die offizielle Position der Bundesregierung?

                                          i.    Wenn nein, wurde das Regierungsprogramm in diesem Punkt von den Koalitionspartnern abgeändert, und wurde die neue Position mit dem Koalitionspartner abgesprochen?

    1. Wird es in dieser GP noch Versuche geben, in Brüssel das Einstimmigkeitsprinzip zugunsten von qualifizierten Mehrheiten aufzugeben?  
  1. Auf Seite 129 verlangt das Regierungsabkommen die Prüfung der "Etablierung einer Mediationsfazilität im BMEIA und der Einrichtung eines österreichischen zivilen Friedensdienstes ... [und] entsprechende Ressourcenausstattung." 
    1. Wurde die Etablierung einer solchen Mediationsfazilität geprüft?

                                          i.    Wenn ja, durch wen, und mit welchem Ergebnis?

                                        ii.    Wenn nein, wird eine solche Prüfung noch in dieser GP stattfinden? 

    1. Welche Budgetmittel stehen einer derartigen Fazilität derzeit zur Verfügung? Bitte verweisen Sie auf die Konten, in denen diese Ressourcen verbucht sind. Welche Mittel sind für den Rest des Finanzrahmens geplant? 
  1. Ebenso auf Seite 129 wird die Stärkung der Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Einrichtungen sowie NGOs im Bereich Sicherheitsforschung, Mediation und Krisenmanagement vorgeschlagen. 
    1. Wie – durch welche Programme, Maßnahmen und finanzielle Ressourcen – wurde diese Stärkung erreicht? Welche Institutionen sind beteiligt?
    2. Wird es in dieser GP noch zu weiteren Maßnahmen zu diesem Thema kommen? Wenn ja, welche sind geplant?
  1.  Auf Seite 130 wird die Einführung einer Klimabotschafterin bzw. eines Klimabotschafters und die Erstellung eines Konzeptes für "grüne Diplomatie"  vorgestellt.
    1. Welche konkreten Schritte sind diesbezüglich seitens der Bundesregierung gesetzt worden?
    2. Was sind die Eckpunkte des Konzeptes "grüne Diplomatie?"
  1. Auf Seite 131 findet man eine Kurzposition der Bundesregierung zu China, inkl. dem Versprechen, eine gesamtstaatliche Strategie zu China auszuarbeiten. Auf Anfrage zu diesem Thema sagte der Außenminister im Ausschuss dieses Jahr, es gäbe kein Papier, sondern eine informelle Abstimmung im Haus. 
    1. Ist es die Position des BMEIA, dass die im Regierungsprogramm geforderte "gesamtstaatliche Länderstrategie zu China" unnötig ist und dass Abstimmung im BMEIA eine gesamtstaatliche, verschriftlichte Strategie ersetzen kann?
    2. Wurde ein "Österreich-Haus" in Peking als "One-Stop-Shop für Visa, Wirtschaftsangelegenheiten, Kulturvermittlung und Spracherwerb" eingerichtet?
    3. Hat sich im Zuge der Gesetzgebungsperiode die Position gegenüber China, ähnlich wie die der Europäischen Union, verschoben? Wenn ja, inwiefern?  
    4. China-Strategie hat sich in der EU in den letzten Jahren aufgrund der – wirtschaftlich wie politisch – immer aggressiver werdenden chinesischen Politik geändert. Wie wird angesichts der sich wandelnden europäische Politik die gesamtstaatlich-einheitliche Positionierung ohne verschriftlichte Strategie über alle staatlichen Einrichtungen hinweg durchgesetzt?  
  1. Auf Seite 132 verspricht die Bundesregierung eine gesamtstaatliche Afrikastrategie sowie eine österreichische Initiative in der EU für einen EU-Zukunftspakt mit Afrika.
    1. Die Afrikastrategie ist gescheitert, die Koalitionspartner können sich nicht abstimmen. Welche "österreichischen Initiativen in der EU für einen EU-Zukunftspakt mit Afrika" hat die Bundesregierung gesetzt?
    2. Wird es noch (gegebenenfalls weitere) derartige österreichische Initiativen im Laufe dieser GP auf europäischer Ebene geben? 
  1. Welche Maßnahmen hat Österreich in Hinblick auf die Bewerbung für den UN Sicherheitsrat 2027/28 gesetzt (Regierungsprogramm Seite 132)? Welche Mittel wurden dafür bislang budgetiert, welche sind bis 2027 im Finanzrahmen vorgesehen?
  2. Welche Maßnahmen zur "nachhaltigen Modernisierung des Vienna International Centers ... mit dem Ziel der Ausweitung der Aktivitäten und Organisationen" wurden von der Bundesregierung in dieser Legislaturperiode gesetzt? Welche Mittel wurden dafür bereitgestellt, bzw. finden sich im aktuellen Finanzrahmen (Regierungsprogramm Seite 132)? 
  3. Was ist der Status der "Schaffung einer nachhaltigen Finanzierungsgrundlage für die International Anti-Corruption Academy in Zusammenarbeit mit internationalen Partnern?" Welche Budgetmittel stehen zur Verfügung und nach welchem Aufteilungsschlüssel mit welchen internationalen Partnern (Seite 133)?
  4. Auf Seite 133 verlangt das Regierungsprogramm eine "bessere Ausstattung von österreichischen Vertretungen in besonders gefährdeten Krisenregionen." Es handelt sich dabei wohl um die Verbesserung der Sicherheitsausstattung. 
    1. Welche Budgetmittel wurden in dieser GP zur Erfüllung dieses Versprechens an Österreichs Diplomat:innen in Risikoländern spezifisch zur Verfügung gestellt, und welche weiteren sind im Finanzrahmen vorhanden. Bitte um Auflistung pro Jahr seit Beginn der Legislaturperiode.
    2. Welche Ausstattung wird mit diesen Mitteln angeschafft?
  1. Auf Seite 133 schreibt die Bundesregierung, man benötige eine "Prüfung der Anpassung des KSE-BVG an geänderte Missionsprofile und Herausforderungen ... ." Zum Zeitpunkt der Erstellung des Regierungsprogramms war der Strategische Kompass der EU noch in Ausarbeitung. Das Verteidigungsministerium erkannte nach Veröffentlichung des Kompasses schnell die Notwendigkeit einer Anpassung des Truppenentsendungsgesetztes (KSE) an die neuen Herausforderungen im Rahmen der österreichischen Entsendungen an die Rapid Deployment Capacities. Folgerichtig wurde ein Antrag auf Novellierung des KSE im Oktober 2022 beschlossen. Mehr als ein Jahr später antwortete Verteidigungsministerin Tanner auf eine Statusanfrage, sie habe noch nichts vom Bundeskanzleramt gehört. 
    1. Warum wurde die im Regierungsprogramm bereits enthaltene und vom Nationalrat beschlossene Novellierung des KSE nicht umgesetzt?
    2. Wird es noch eine Umsetzung dieses Nationalratsbeschlusses geben, vor allem in Hinblick auf Österreichs Teilnahme an den RDC bereits 2025?
  1. Auf Seite 134 verpflichtet sich die Bundesregierung zu einer "Weiterentwicklung des 3-Jahresprogramms der ADA" zu einer gesamtstaatlichen Entwicklungspolitik, in der den einzelnen Ministerien klare Zuständigkeiten zugewiesen werden, um sicherzustellen, dass alle Ministerien mit ihren Maßnahmen die entwicklungspolitischen Ziele der Bundesregierung auch tatsächlich fördern.
    1. Wann wird das 3-Jahresprogramm 2024-26 vorgestellt, und wird die Vorstellung rechtzeitig erfolgen, um den Entwurf der Bundesregierung noch im EZA-Unterausschuss zu debattieren?
    2. In letzter Zeit gab es verschiedentliche "Abstimmungsprobleme" zwischen den Koalitionspartnern. Ist die Abstimmung zwischen den Ministerien für die gesamtstaatliche ADA-Strategie sichergestellt?
    3. Das Regierungsprogramm spricht von "regional fokussierten" Schwerpunkten. Auf welche Regionen fokussiert das Programm 2024-26?
    4. Das Regierungsprogramm spricht von "thematischen Schwerpunkten." Auf welche Schwerpunkte fokussiert das Programm 2024-26?
    5. Welche Maßnahmen wurden gesetzt, um in der EZA "wirtschaftliche Kooperation und Zusammenarbeit mit Unternehmen" zu stärken?
    6. Welche Maßnahmen wurden gesetzt, um in der EZA "eine stärkere Knüpfung von EZA-Mitteln an Fortschritte bei der Erreichung von gemeinsamen Zielen mit Partnerländern" zu erwirken?

                                          i.    In Debatten im Unterausschuss hat Bundesminister Schallenberg wiederholt eine Konditionalisierung der EZA abgelehnt. Wie sieht angesichts dieser Ablehnung eine "Knüpfung der EZA ... an gemeinsame Ziele" konkret aus?

                                        ii.    Welche Fortschritte in dieser "Knüpfung" wurden in der ablaufenden Gesetzgebungsperiode konkret erreicht?

    1. Welche Anreize konnten für österreichische Firmen für "Investitionen in relevanten Drittstaaten" ausgearbeitet werden? Handelt es ich dabei um die im Regierungsprogramm angedachten Bankgarantien?

                                          i.    Welche Mittel sind in den Budgets, die diese Bundesregierung zu verantworten hat, sowie im Finanzrahmen, für diese Anreize veranschlagt?

    1. Welche privaten Fonds konnten für die "Unterstützung und Absicherung von SDG- oder KMU-Finanzierung in weniger wirtschaftlich entwickelten Ländern" ins Leben gerufen bzw. unterstützt werden? Welche Mittel sind dafür in den Budgets der letzten vier Jahre bzw. im Finanzrahmen veranschlagt?
  1. Auf Seite 135 steht geschrieben, Österreich wolle sich in der EU für einen Regenwaldfonds einsetzen.
    1. Wurde ein europaweiter Fonds zur Erhaltung des Regenwalds ins Leben gerufen? Welche Initiativen hat Österreich in diese Richtung gesetzt?
    2. Wurde die rasche Hilfe bei Waldbränden auf europäischer Ebene, wie im Regierungsprogramm gefordert, umgesetzt? Welche Maßnahmen hat Österreich dahingehend gesetzt, und wurden Mittel aus dem Katastrophenfonds oder anderen Finanzierungstöpfen wurden dafür eingesetzt? Wenn ja, aus welchen Töpfen und in welchem Ausmaß?
  1. Welche österreichische Initiativen wurden in der EU für einen "Zukunftspakt mit Afrika" (Seite 135) gesetzt?