19438/J XXVII. GP
Eingelangt am 18.09.2024
Dieser Text ist elektronisch
textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.
Anfrage
der Abgeordneten: NR Andreas Kühberger, Kolleginnen und Kollegen
an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz
betreffend Landwirtschaftliche Direktvermarktung – Wann kommt Beraten statt Strafen in der Praxis an?
In Zeiten steigender Aufwände stellt die landwirtschaftliche Direktvermarktung eine wichtige Möglichkeit für eine höhere Wertschöpfung in der Landwirtschaft dar. Dementsprechend wurde die wirtschaftliche Bedeutung der Direktvermarktung für die Betriebe in den letzten Jahren immer größer, (vgl. Lfi, 2022)
Andererseits weist der Lebensmittelhandel die stärkste Marktkonzentration unter den Handelsbranchen auf. Wie in Abbildung 1 ersichtlich, nehmen die fünf größten Marktteilnehmer dabei 95 Prozent des Marktes ein. (vgl. RegioDataResearch u. Statista, 08.08.2024)
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Abbildung 1: „Verteilung der Marktanteile unter österreichischen Lebensmittelversorgern“ Quelle: Statista.com,
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1389425/umfrage/marktanteile-der-top-5-lebensmitteleinzelhaendler-in-oesterreich/,
08.08.2024
Somit stellt die bäuerliche Direktvermarktung eine wichtige Möglichkeit der Diversifizierung in einem Markt dar, der von einigen wenigen Playern beherrscht wird.
Gerade die bäuerliche Direktvermarktung ist auch für Konsumenten eine Möglichkeit regionale, qualitativ hochwertige Produkte zu beziehen. Verschiedene Umfragen zeigen, dass es eine hohe Nachfrage nach bäuerlichen Produkten gibt, die von den derzeitigen Produzenten nicht gedeckt werden kann. (Lfi, 2022)
Speziell in der Produktkennzeichnung gibt es allerdings erhebliche Schwierigkeiten für die Direktvermarktung. Dies zeigt auch der jährliche Lebensmittelbericht der AGES:
„Da jeder Einzelfall unter dem Aspekt der Gesamtaufmachung und des Gesamteindrucks zu betrachten ist, sind auch die Beanstandungen vielschichtig und es kommt nur teilweise bei einer Warengruppe zu einer Häufung ähnlicher Sachverhalte. Dabei sind oftmals Kleinerzeugerinnen und Kleinerzeuger ohne ausreichende Kenntnis der lebensmittelrechtlichen Bestimmungen oder auch mehrere Produkte aus dem Sortiment eines Betriebes betroffen.“ (AGES-Lebensmittelsicherheitsbericht, 2022)
Wenn seitens der AGES ein Fehler bei der Kennzeichnung festgesteilt wird, ist sowohl die Untersuchung als auch eine allfällige Strafe zu bezahlen. Dies gilt auch für geringfügige Kennzeichnungsfehler, die keinen Einfluss auf die Qualität und die Sicherheit des Lebensmittels haben, (vgl. Direktvermarktung.Lko.at)
In der landwirtschaftlichen Direktvermarktung werden in der Regel alle Arbeitsschritte von der bäuerlichen Familie durchgeführt. Das reicht von der Urproduktion über die Verarbeitung und Verpackung bis zum Vertrieb. Dadurch sind die Ressourcen für Produktkennzeichnungen, Etikettierung und Prüfung der rechtlichen Rahmenbedingungen sehr begrenzt. Auch die Chargen sind mit der industriellen Lebensmittelproduktion nicht vergleichbar. Dadurch sind die Stückpreise, beispielsweise für Etiketten höher. Auch eventuelle Strafzahlungen aufgrund von Fehlern bei der Kennzeichnung können auf weniger Produkte verteilt und aufgeschlagen werden.
Diese Nachteile führen oft dazu, dass Landwirte nicht in die Direktvermarktung einsteigen oder diese wieder aufgeben, wie das jüngste Beispiel aus der Oststeiermark, welches im folgenden Artikel der „Kleinen Zeitung“ beschrieben wird, zeigt: Nach Strafen für Schrift auf Joghurtbecher: Oststeirischer Bauer stellt Produktion ein (kleinezeitung.at)
Wie im LMSVG (§ 35 (7)) ersichtlich, gäbe es bereits die rechtliche Grundlage kleinere Verstöße angemessen zu reagieren.
(7) Die Aufsichtsorgane können bei der Wahrnehmung von Verstößen gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften eine Organstrafverfügung gemäß § 50 Abs. 1 VStG erlassen oder gemäß $ 50 Abs. 5a VStG vorgehen. Sie können auch von der Erstattung einer Anzeige absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie können den Beschuldigten in solchen Fällen in geeigneter Weise auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens aufmerksam machen.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende Anfrage:
1. Wie beurteilen Sie die Verhältnismäßigkeit der Strafen anhand des Strafenkatalogs in der Produktkennzeichnung von Lebensmitteln?
2. Wie viele Strafen nach dem LMSVG wurden im vergangenen Jahr ausgesprochen?
3. Wie groß war der Anteil der Vergehen, die relevant für die Lebensmittelqualität bzw. die Lebensmittelsicherheit waren?
4. Wie groß war der Anteil der Strafen, die die landwirtschaftliche Direktvermarktung betroffen haben?
5. Wie groß war der Anteil der Strafen in der Direktvermarktung, weicher die Lebensmittelkennzeichnung betroffen hat?
6. Welche Maßnahmen wurden in den letzten Jahren seitens des BMSGPK gesetzt, um den Grundsatz „Beraten statt Strafen“ in der Praxis der Lebensmittelbranche umzusetzen?
7. Wie oben erwähnt, gäbe es bereits eine Rechtsgrundlage im LMSVG um bei kleineren Verstößen, die keine Auswirkung auf die Lebensmittelqualität- und Sicherheit haben nach dem Grundsatz „Beraten statt Strafen“ zu reagieren. Sind hier Maßnahmen geplant, um diesen Grundsatz in der Praxis durchzusetzen?
a. Wenn ja:
i. Welche Maßnahmen sind geplant?
ii. Wann ist mit einer Umsetzung dieser Maßnahmen zu rechnen?
b. Wenn nein, sind andere Maßnahmen geplant, um die landwirtschaftlichen Direktvermarkter in diesem Bereich zu unterstützen?
8. Ist die Erstellung eines Vorgabenkataloges für die Entscheidungsträger an den Bezirksverwaltungsbehörden mit Anhaltspunkten, ab wann eine Bestrafung notwendig ist und wann eine Verwarnung reicht, geplant?
a. Wenn ja, ab wann?
b. Wenn nein, sind andere Maßnahmen geplant, um die landwirtschaftlichen Direktvermarkter in diesem Bereich zu unterstützen
9. Ist geplant, eine Kleinerzeugerregelung für landwirtschaftliche Direktvermarkter zu implementieren, um den Wettbewerbsnachteil gegenüber dem Lebensmitteleinzelhandel abzufedern?
a. Wenn ja, ab wann?
b. Wenn nein, sind andere Maßnahmen geplant, um die landwirtschaftlichen Direktvermarkter in diesem Bereich zu unterstützen?