2077/J XXVII. GP
Eingelangt am 26.05.2020
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ANFRAGE
der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Peter Wurm
und weiterer Abgeordneter
an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend
betreffend Kündigungen wegen Betreuungspflichten in COVID-19-Zeiten
Der Bericht in der Kronenzeitung vom 19.Mai 2020 macht betroffen:
Tageswerkstätte war zu
Vater betreute behinderte Zwillinge: Job verloren
Kinder und Erwachsene mit Behinderung und speziellen Bedürfnissen, die derzeit nicht in ihrer Tageswerkstätte betreut werden können - auch das ist Corona. Diese Situation stellt Familien vor große Herausforderungen. Ein Vater aus Wien wurde deshalb gekündigt!
Klaus R. ist Vater von Zwillingen mit besonderen Bedürfnissen. Vor der Corona-Krise ist sich der Alltag immer irgendwie ausgegangen: Eines der 26-jährigen Kinder besuchte eine Tageswerkstätte für Behinderte, das andere Kind wurde von der Mutter daheim betreut. Herr R. ging Vollzeit arbeiten. Dann kam Corona, und die Werkstätte ist zu. „Ich stand vor der Entscheidung zwischen Arbeit und Hilfe zu Hause. Ich habe mich für Letzteres entschieden und nach 20 Jahren in leitender Funktion meinen Job verloren“, so der 59-Jährige.
Zwar wurde die Möglichkeit geschaffen, eine dreiwöchige Sonderbetreuungszeit zu nehmen. Aber damit muss ein Arbeitgeber einverstanden sein. Und die Tageswerkstätten sind seit weit mehr als drei Wochen zu! Doch egal, an welche Stelle er sich wandte, Hilfe hat er in dieser Situation keine erhalten. „Offenbar haben wir, die Gruppe der pflegenden Angehörigen, keine Stimme in der Öffentlichkeit.“
Sozialministerium rät, Zuschuss aus Hilfsfonds zu beantragen
Laut Sozialministerium pflegen rund 950.000 Menschen in Österreich ihre Angehörigen. Für sie sei eine Reihe Maßnahmen ergriffen und Geld zur Verfügung gestellt worden. Konkret konnte man Herrn R. nur raten, einen Zuschuss zu behinderungsbedingten Mehraufwendungen aus dem Unterstützungsfonds für Menschen mit Behinderung zu beantragen. Nur wo wird er mit 59 Jahren wieder einen Job bekommen, um seine Familie zu versorgen?
https://www.krone.at/2154965
Weder das Sozialministerium, zuständig für das Pflege- und Behindertenwesen noch das Arbeitsministerium, -zuständige für das Arbeitsrecht, konnten dem Vater helfen. Er bleibt mit seinem Verlust des Arbeitsplatzes in COVID-19-Zeiten allein.
In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend folgende
ANFRAGE
1) Ist Ihnen als zuständige Bundesministerin für Arbeit, Jugend und Familie dieser Fall bekannt?
2) Wenn ja, seit wann?
3) Welche arbeitsrechtlichen Möglichkeiten sehen Sie als zuständige Bundesministerin für Arbeit, Jugend und Familie, diesem Arbeitnehmer zu helfen?
4) Wie viele andere solche Fälle wurden an Sie als zuständige Bundesministerin für Arbeit, Jugend und Familie herangetragen?
5) Gibt es eine Statistik darüber, wie viele Arbeitnehmer in COVID-19-Zeiten durch die Inanspruchnahme von Sonderbetreuungszeiten gekündigt oder entlassen worden sind?
6) Wenn nein, warum nicht?
7) Wenn ja, wie teilen sich diese Kündigungen und Entlassungen auf Frauen und Männer mit Betreuungspflichten auf?
8) Wenn ja, wie teilen sich diese Kündigungen und Entlassungen auf die Altersgruppen der Beschäftigten auf?
9) Wenn ja, wie teilen sich diese Kündigungen und Entlassungen auf die Wirtschaftssparten auf?
10) Hätte eine 100-prozentige Übernahme der Lohn- und Lohnnebenkosten (von der FPÖ beantragt und von Schwarz-Grün mehrfach abgelehnt), und das für einen vorerst unbeschränkten, dh. auf den Zeitraum von COVID-19-Maßnahmen und deren Auswirkungen, solche Kündigungen oder Entlassungen, wie sie im Medienbericht geschildert wurden, verhindert?
11) Sind Sie als zuständige Bundesministerin für Arbeit, Jugend und Familie gesprächsbereit, hier rückwirkend eine 100-prozentige Übernahme der Lohn- und Lohnnebenkosten, und das einmal grundsätzlich unbefristet, einzuführen?