2651/J XXVII. GP

Eingelangt am 06.07.2020
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Anfrage

der Abgeordneten Nurten Yılmaz, Genossinnen und Genossen

an die Bundesministerin für Frauen und Integration im Bundeskanzleramt

betreffend Dokumentationsstelle für politischen Islam

Bereits ein paar Tage nach ihrer Angelobung als Integrationsministerin hat BM Raab in Interviews angekündigt „in den ersten 100 Tagen eine Dokumentationsstelle für den politischen Islam auf den Weg [zu] bringen“ (Ö24, 9.1.2020). Auch fünf Monaten nach dieser medialen Ansage existiert diese Dokumentationsstelle immer noch nicht. Auch in den Diskussionen über das Budget 2020 hat BM Raab in ihren mündlichen Beantwortung am 11.Mai eingestanden hat, dass es derzeit für die Dokumentationsstellen noch keine „Finanzposition“ gebe, sondern diese aus dem Regelbudget des BKA getragen werden solle. Kontrastierend dazu wurden von BM Raab in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit BM Nehammer am 29.6.2020 bereits konkrete Details der Dokumentationsstelle angeführt, die „schon im Sommer die Arbeit“ aufnehmen und rechtlich als „Fonds der Republik“ konstituiert werden solle. Dies und die Tatsache, dass im schwarz-grünen Regierungsprogramm von der Schaffung einer Forschungs- und Dokumentationsstelle für Antisemitismus, für den religiös motivierter politischer Extremismus (politischer Islam) und für den Rassismus im 21. Jahrhundert“ (S. 52) die Sprache ist, wirft einige Fragen auf.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

1.      Wann soll die „Forschungs- und Dokumentationsstelle für Antisemitismus, für den religiös motivierten politischen Extremismus (politischer Islam) und für den Rassismus im 21. Jahrhundert“ eröffnet werden und mit ihrer Arbeit beginnen?

2.      Warum wurde in der Pressekonferenz am 29.6.2020 ausschließlich von einer Dokumentationsstelle für „Politischen Islam“ gesprochen?

3.      Bilden Antisemitismus und Rassismus im 21.Jahrhundert kein Thema mehr im Rahmen der zukünftigen Dokumentationsstelle für Politischen Islam?

a.      Wenn ja: Wann wurde diese thematische Einschränkung innerhalb der Regierungsparteien beschlossen? Wer hat dies beschlossen und warum?

b.      Wenn ja: Wird es trotzdem – aber in anderer Form – eine Forschungs- und Dokumentationsstelle für Antisemitismus und Rassismus im 21.Jahrhundert geben?

c.       Wenn nein: In welcher Form wird im Rahmen der Dokumentationsstelle der Antisemitismus und Rassismus von deutschnationalen und rechtsextremen Gruppierungen untersucht werden?

4.       Wie und wann wurden VertreterInnen der Grünen Partei in die Konzeptualisierung der Dokumentationsstelle eingebunden?

5.      Wer ist mit der Konzeptualisierung der Dokumentationsstelle in ihrem Ministerium betraut?

6.      Wie viele Personen sind in ihrem Kabinett mit der Dokumentationsstelle befasst?

7.      Wie viele Arbeitsstunden wurden im Ministerium seit Jänner für das Projekt Dokumentationsstelle insgesamt aufgewandt?

8.      Sind andere Ministerien in die Konzeptualisierung der Dokumentationsstelle eingebunden?

a.      Wenn ja, in welcher Form?

b.      Wenn nein, warum nicht?

9.      Welche universitären und wissenschaftlichen Einrichtungen sind in die Konzeptualisierung der Dokumentationsstelle eingebunden?

10.  Mit welchen WissenschaftlerInnen und ExpertInnen fanden Gespräche bezüglich der Dokumentationsstelle statt (Auflistung nach Namen und Terminen)?

11.  Wurden externe BeraterInnen und/oder Einrichtungen mit der Ausgestaltung und Einrichtung der Dokumentationsstelle beauftragt?

a.      Wenn ja, wer? Und wie hoch sind die Kosten dafür?

b.      Wenn nein, warum nicht?

12.  Welche konkreten Schritte wurden seit dem Jänner 2020 gesetzt, um einen baldigen Start der Dokumentationsstelle zu ermöglichen?

13.  Was waren die Gründe, warum die Dokumentationsstelle nicht bereits „100 Tage“ nach der Angelobung der schwarz-grünen Regierung die Arbeit aufgenommen hat?

14.  Im Budgetausschuss hat BM Raab erwähnt, dass die Dokumentationsstelle auch eine Empfehlung des „Netzwerkes Prävention und Deradikalisierung“ sei, an der auch alle Bundesländer mitarbeiten würden.

a.      Wie hat diese Empfehlung konkret gelautet?

b.      Wie wird das „Netzwerk Prävention und Deradikalisierung“ in die zukünftige Arbeit der Dokumentationsstelle eingebunden?

c.       Sind RepräsentantInnen der Bundesländer in die Konzeptualisierung der Dokumentationsstelle eingebunden? Wenn ja, wer?

15.  Wird die Dokumentationsstelle einen strukturierten und systematischen Austausch mit den Sicherheitsbehörden, dem Verfassungsschutz oder dem Kultursamt pflegen?

a.      Wenn ja, warum und zu welchem Zweck?

b.      Wenn nein, warum nicht?

16.  In welcher Art und Weise soll die Dokumentationsstelle einen Austausch mit Bundesländern, Städten und Gemeinden pflegen und/oder ihre Forschungsergebnisse zur Verfügung stellen?

17.  Wie oft wurde seit Jänner mit ExpertInnen des „Dokumentationsarchiv österreichischer Widerstand“ (DÖW) über die Dokumentationsstelle gesprochen?

a.      Hatten diese Gespräche Einfluss auf die Ausrichtung und Form der Dokumentationsstelle?

b.      Was waren die Ergebnisse dieser Gespräche?

18.  Die Dokumentationsstelle soll als „unabhängige, aber staatlich legitimierte Stelle eingerichtet werden, rechtlich gesehen ein Fonds der Republik nach dem Bundesstiftungs- und Fondsgesetz“ (Pressekonferenz 29.6.2020, BM Raab).

a.      Wann wird der Fonds konkret gegründet?

b.      Wann wird der Fonds in das Fondsregister eingetragen?

c.       Wer formuliert die Gründungserklärung des Fonds?

d.      Wird der Fonds mehrere Gründer haben?

e.      Wer ist Mitglied des Fondsvorstands?

f.        Wer ist Mitglied des Aufsichtsorgans?

19.  Warum wurde die rechtliche Konstruktion „Fonds“ ausgewählt und keine andere?

20.  Wird es weitere PartnerInnen in diesem Fonds geben wie es beispielsweise beim „Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW)“ der Fall ist (Republik, Stadt Wien und der Verein Dokumentationsarchiv)?

a.      Wenn ja, wer wird dies sein?

b.      Wenn nein, warum nicht?

21.  Was genau ist der „Zweck“ des Fonds, wie er im Fondsregister anzugeben ist bzw. angegeben wurde?

22.  Braucht es für die Gründung des Fonds einen Ministerialbeschluss?

a.      Wenn ja, wann wird oder wurde dieser gefasst?

b.      Wenn nein, wie wurde trotzdem die Zustimmung des Koalitionspartners zur Dokumentationsstelle sichergestellt?

23.  Wie soll die Unabhängigkeit des Fonds gegenüber der Gründerin (die Republik bzw. dem Ministerium) gewahrt werden?

24.  Warum braucht es überhaupt eine eigene Forschungsstelle zumal das Geld ja auch über kompetitive Ausschreibungen (z.B. im Rahmen des FWF) vergeben werden könnte?

25.  Welchem Ministerium wird der Fonds letztendlich untergeordnet?

26.  Wie soll die parlamentarische Kontrolle der Dokumentationsstelle als Fonds sichergestellt werden eingedenk der Erfahrungen mit dem „Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) und dessen Intransparenz?

27.  Im Budgetausschuss im Mai 2020 hat BM Raab angegeben, dass die Kosten für die Dokumentationsstelle aus dem Regelbudget des BKA getragen werden sollen und es keinen Budgetposten 2020 für die Dokumentationsstelle im BMFI gebe.

a.      Stimmt das?

b.      Wenn ja, warum wurde die Dokumentationsstelle nicht budgetiert?

c.       Von welchem Budgetposten wollen Sie ab Sommer 2020 die Dokumentationsstelle bezahlen?

d.      Werden andere Ministerien die Dokumentationsstelle mitfinanzieren? Wenn ja, welche?

e.      Ist die Dokumentationsstelle angehalten auch selbst Gelder über Drittmittel (FWF, etc.) zu lukrieren?

f.        Wie hoch werden die Kosten der Dokumentationsstelle 2020 und 2021 sein?

g.      Wie viel Geld wird der Fonds 2020 bzw. 2021 zur Verfügung haben?

h.      Wird im Budget für 2021 ein eigener Budgetposten für die Dokumentationsstelle im BMFI oder BKA ersichtlich sein?

i.        Soll die Dokumentationsstelle auch Fördergeber sein? Wenn ja, in welchem Rahmen und Verhältnis zum Gesamtbudget?

28.  Auf welchen wissenschaftlichen Publikationen beruhen die Konzeptualisierung und formale Ausgestaltung der Dokumentationsstelle?

29.  Welche Definition von „politischer Islam“ liegt die Dokumentationsstelle zugrunde?

30.  Wann ist eine staatlich anerkannte Religion aus Sicht des Ministeriums bzw. der Dokumentationsstelle politisch und/oder unpolitisch?

31.  Auf welchen wissenschaftlichen Grundlagen wird mit dieser engen Definition von Politik gearbeitet?

32.  Wie wollen Sie als für das Kultusamt zuständige Ministerin das staatliche Neutralitätsgebot gegenüber allen staatlich anerkannten Religionen gewährleisten, wenn sie ausschließlich eine Dokumentationsstelle für eine Religionsgemeinschaft entwickeln und hier zwischen politisch und unpolitischer Auslegung selbst eine Entscheidung vornehmen?

33.  Gibt es für Sie „politische“ Auslegungen anderer staatlich anerkannten Religionsgemeinschaften?

a.      Wenn ja, warum werden diese nicht im Rahmen der Dokumentationsstelle beobachtet?

b.      Wenn nein, warum nicht?

34.  Wo werden die Schwerpunkte in der Arbeit der Dokumentationsstelle liegen?

35.  Was sind die Aufgaben und Ziele der Dokumentationsstelle?

36.  Wie soll die Dokumentationsstelle konkret arbeiten?

37.  Ab wann werden die ersten Angestellten in der Dokumentationsstelle arbeiten?

38.  Wie wird sichergestellt, dass die Angestellten über die nötige wissenschaftliche Ausbildung, Sprachenkenntnisse und Expertise im Bereich Extremismusforschung, Antisemitismus und Radikalisierung verfügen?

39.  Wie viele Vollzeitstellen sollen in der Dokumentationsstelle geschaffen werden?

40.  Wie viele Personen wurden bis zum Zeitpunkt der Beantwortung dieser Anfrage in der Dokumentationsstelle angestellt und über welche Ausbildung verfügen diese?

41.  Wie viel Prozent des zur Verfügung stehenden Geldes für die Dokumentationsstelle wird für wissenschaftliches Personal und Angestellte aufgewendet werden?

42.  Nach welchem Kollektivvertrag bzw. Dienstschema werden die Angestellten der Dokumentationsstelle entlohnt?

43.  Wo wird die Dokumentationsstelle räumlich eingerichtet?

44.  Die Dokumentationsstelle soll laut der Pressekonferenz vom 29.6.202 von einem Direktor bzw. einer Direktorin geleitet werden.

a.      Wer wird diese Position innehaben?

b.      Wann und wo wird diese Stelle ausgeschrieben?

c.       Wie viele Personen haben sich dafür beworben?

d.      Wie wurde das Auswahlverfahren organisiert?

e.      Wer hat die Auswahl nach welchen Kriterien getroffen?

f.        Welche wissenschaftliche Expertise kann der/die neue Direktor/in vorweisen?

45.  Wie wird sichergestellt, dass der/die Direktor/in entlang wissenschaftlicher Kriterien und unabhängig von Staat und Ministerien arbeiten kann?

46.   Laut BM Raab soll die Stelle „auf wissenschaftlicher Grundlage die Netzwerke und Vereine durchleuchten, die der Nährboden seien für die extremistische Ideologie des politischen Islams“ (Pressekonferenz am 29.6.2020).

a.       Wird es eine Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz und der Polizei geben und, wenn ja, in welcher Form?

b.       Wie wird sichergestellt, dass die Dokumentationsstelle nicht die Arbeit der Sicherheitsbehörden übernimmt?

c.       Sollen MitarbeiterInnen der Dokumentationsstelle verdächtige Tätigkeiten der Vereinspolizei melden?

d.       Wie wird sichergestellt, dass die Tätigkeit der Dokumentationsstelle beobachtend und analysierend ist und nicht selbst „politisch“ (siehe Definition oben)?

47.  Die Dokumentationsstelle soll (laut Pressekonferenz am 29.6.2020) die „Internetaktivitäten und soziale Medien beobachten“ wobei die „Öffentlichkeit in Form von Studien, Berichten, Veranstaltungen informiert werden“ soll, wobei es einmal im Jahr einen über „problematische, segregierten Milieus“ geben soll?

a.      Welche Gruppierung(en) oder Bevölkerungsgruppen sind mit „problematische, segregierten Milieus“ gemeint?

b.      Soll nur die Internetaktivität bzw. Aktivität auf sozialen Medien dieser Gruppierungen beobachtet werden?

c.       Wird auch die off-line-Aktivität der Gruppen beobachtet?

d.      Auf welcher rechtlicher Grundlage soll der Fonds überhaupt Menschen und Vereine „beobachten“?

e.      In welcher Form soll dieser Jahresbericht präsentiert werden?

48.  Welchen inhaltlichen und wissenschaftlichen Mehrwert sollen die Erkenntnisse und Publikationen der Dokumentationsstelle für die Öffentlichkeit haben?

49.  In welcher Weise sollen – falls überhaupt – die Erkenntnisse und Publikationen der Dokumentationsstelle im Integrationsministerium verwendet werden?

50.  In der Pressekonferenz vom 29.6.2020 hat BM Raab berichtet, dass sie „in den nächsten Tagen“ eine Videokonferenz mit österreichischen und internationalen ExpertInnen im Bereich Extremismusforschung und politischer Islam „einberufen“ werde, in der die „letzten Züge der Dokumentationsstelle mit den ExpertInnen besprochen werden solle“.

a.      Wann fand die Konferenz statt?

b.      Wie lange hat die Konferenz gedauert?

c.       Welche konkreten Punkte wurden besprochen?

d.      Wer genau hat an dieser Konferenz teilgenommen?

e.      Wurden die teilnehmenden ExpertInnen entlohnt?

f.        Wer hat die teilnehmenden ExpertInnen ausgewählt?

g.      Zu welchem Ergebnis ist die Videokonferenz gekommen?

h.      Werden sich ExpertInnen aus der Videokonferenz auch im Beirat der Dokumentationsstelle wiederfinden? Wenn ja, wer?

51.  Welche nationalen und internationalen ExpertInnen konnten für den Beirat gewonnen werden?

52.  Was ist die Aufgabe des Beirates?

53.  Wer entscheidet bzw. hat entschieden, welche ExpertInnen im Beirat tätig sind?

54.  Wie oft kommt der Beirat zusammen?

55.  Bekommen die ExpertInnen des Beirats finanzielle Entschädigungen für ihre Arbeit?