269/J XXVII. GP
Eingelangt am 06.12.2019
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Anfrage
der Abgeordneten Max Lercher, Jan Krainer,
Genossinnen und Genossen
an den Bundesminister für Finanzen
betreffend Negativzinsen für Sparerinnen und Sparer
Seit der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 wurde der Leitzins durch die EZB zur Bekämpfung der schwächelnden Wirtschaft im Euroraum gesenkt. Seit mehreren Jahren fährt die EZB eine sogenannte Nullzinspolitik um einerseits die Konjunktur im Euroraum zu stützen und andererseits die Deflationsgefahr zu bekämpfen.
Ein grundsätzliches Versäumnis der europäischen Wirtschaftspolitik war die mangelnde Unterstützung seitens der Fiskalpolitik. Statt die Geldpolitik mit expansiven Maßnahamen zu unterstützen, haben sich die Staaten der Europäischen Union einem strengen Spardiktat unterworfen. Die USA haben die Finanz- und Wirtschaftskrise beispielsweise viel schneller hinter sich gelassen, weil der Staat expansiv gehandelt hat. In den Jahren nach der Krise hatten die USA teilweise zweistellige Defizite zu verzeichnen. Dadurch wurde aber auch der Spielraum für die Geldpolitik wieder größer und die USA konnten die Nullzinspolitik schon 2016 beenden.
Diese Entwicklung führt in Europa nunmehr dazu, dass Banken Negativzinsen auf Einlagen einheben (wollen). Mitte Oktober berichtet „Die Presse" von den Plänen der Unicredit in Österreich Strafzinsen ab 1 Mio. Euro für Privatkunden einzuführen.[1]
Im gleichen Bericht wird darauf verwiesen, dass in Deutschland die Diskussion schon viel weiter ist: „Etwa zwölf Prozent aller Geldhäuser verrechnen im Privatkundenbereich negative Zinsen, hat die Deutsche Bundesbank im September errechnet. So zieht zum Beispiel die Berliner Sparkasse neuerdings ab 500.000 Euro auf dem Tagesgeld- oder Girokonto negative Zinsen ab. Zuvor lag die Schwelle bei einer Million Euro. Auch bei der größten deutschen Sparkasse, der Hamburger Sparkasse, liegt der Freibetrag auf Termin- und Giroeinlagen bei 500.000 Euro, für alles darüber müssen 0,4 Prozent entrichtet werden."
In Deutschland werden Einlagen ab 500.000 Euro von den Banken also mit 0,4% „besteuert". Besonders interessant dabei ist, dass die gleichen Lobbyisten, die mit Vehemenz gegen eine Besteuerung von großen Vermögen ab 1 Mio. € (in Deutschland sowie in Österreich) eintreten, ziemlich leise werden, wenn diese Steuer nicht vom Staat (beispielsweise zur Finanzierung von Schulen, Kindergärten oder den Bereich der Pflege), sondern von den Banken eingehoben wird.
Geradezu grotesk ist die Tatsache, dass in Österreich offenbar hohe Geldbeträge aus großen Vermögen derzeit beim BMF als Steuervorauszahlung geparkt werden, um der Negativsteuer durch Banken zu entgehen.
Es brauchte hier einen Systemwechsel und ein radikales Umdenken. Wäre es nicht sinnvoll von Seiten des Bundes hohe Vermögen mit einer kleinen Steuer von 0,1 bis 0,9% zur Finanzierung von Infrastrukturinvestitionen heranzuziehen, statt zuzusehen wie Banken „Vermögenssteuern" auf hohe Spareinlagen einheben und dabei die Grenze - wie in Deutschland - sukzessive senken?
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
Anfrage
1) Ist die Einhebung von Negativzinsen für private Sparerinnen und Sparer seitens österreichischer Banken aus Sicht des Finanzministeriums problematisch?
a. Welche Auswirkungen hätte diese Maßnahme auf die private Vermögensbildung?
2) Welche Auswirkung hätte die Maßnahme auf die Finanzmarktstabilität?
3) Welche Maßnahmen plant das BMF um Negativzinsen insbesondere für kleine Sparerinnen und Sparer zu verhindern?
a. Auf Grund höchstgerichtlicher Judikatur wäre eine Nullverzinsung nichtig, als sie dem Zweck einer Spareinlage widerspricht. Der OGH hat allerdings kein betragliches Limit festgelegt, sondern allgemein Spareinlagen bezeichnet. Welche Maßnahmen sind vorgesehen, sollten von Bank in Österreich Negativzinsen verrechnet werden, um dies zu verhindern?
b. Ab welchem Betrag erachtet das BMF angesichts der vorliegenden OGH- Judikatur die Verrechnung von Negativzinsen als zulässig, bzw. „bis zu" oder „ab" welchem Betrag würden Maßnahmen zur Verhinderung der Negativzinsenverrechnung gesetzt werden?
c. Plant das BMF im kommenden Jahr banken-/finanzmarktrechtliche Änderungen, wenn ja welche? Stehen diese im Zusammenhang mit einer möglichen Negativzinsenverrechnung auf Spareinlagen und Girokonten durch Banken? Wenn nein, warum nicht?
4) Wie hoch wäre das Aufkommen aus einer moderaten Vermögensbesteuerung für Nettovermögen über 1 Mio. €?
a. Wie hoch wurde das Aufkommen einer solchen Steuer von der letzten Steuerreformkommission aus dem Jahr 2014 geschätzt?
i. Inwieweit hätte sich das Aufkommen einer solchen Steuer - gemäß dieser Schätzung - bis heute entwickelt, wissend, dass die Zahl der Millionärinnen und Millionäre in Österreich steigt?
Wie hoch wäre das Aufkommen von Vermögenssteuern, wenn Österreich - gemessen am BIP - im Durchschnitt der OECED Länder bei der Vermögensbesteuerung liegen würde?