2742/J XXVII. GP

Eingelangt am 08.07.2020
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Anfrage

des Abgeordneten Andreas Kollross, Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten

betreffend menschenrechtsverachtende Gerichtsprozesse in der Türkei

Hunderte von AnwältInnen sind seit dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei von 2016 verhaftet worden. Oft wird ihnen genau dasselbe vorgeworfen wie ihren MandantInnen, die sie verteidigen: Unterstützung von Terrorismus. Wie im EU-Türkei-Fortschrittsbericht festgehalten, spitzt sich die Menschenrechtslage in der Türkei zu. Angriffe gegenüber OppositionspolitikerInnen, JournalistInnen oder der Justiz haben ein unerträgliches Ausmaß angenommen. Täglich werden Oppositionelle als TerroristInnen bezichtigt. Von den Inhaftierten in den Gefängnissen ist kaum mehr etwas zu hören. Folter, Isolation und Staatsterror inner- und außerhalb der Gefängnisse sind in der Türkei auf der Tagesordnung. Um auf diese unmenschliche Situation aufmerksam zu machen, befinden sich mehrere politische Gefangene im Hungerstreik. So auch die in der Türkei inhaftierten AnwältInnen Ebru Timtik und Aytaç Ünsal.

Die beiden AnwältInnen verteidigten entlasse ArbeiterInnen, Opfer von Folter und politischen Morden, ebenso wie die Angehörigen der aufgrund unterlassener Sicherheitsvorkehrungen getöteten 300 Bergarbeiter in Soma. Frau Timtik und Herr Ünsal gehören zu einer Gruppe von 18 AnwältInnen der CHD (Verteidigung Progressiver JuristInnen), die im vergangenen Jahr in einem unfairen Prozess zu insgesamt 159 Jahren verurteilt wurden. Ein umfangreicher Bericht zu ihrem Fall ist von einer Gruppe von 15 AnwältInnen aus sieben europäischen Ländern erstellt und auf der Seite der International Association of Democratic Lawyers einsehbar.

Im Januar bzw. Februar 2020 begannen die inhaftierten AnwältInnen mit ihrem Hungerstreik, um gegen die Unregelmäßigkeiten im Strafverfahren zu protestieren und ihre ernsthafte Besorgnis über die Unabhängigkeit der Justiz zum Ausdruck zu bringen. Am 5. April 2020 anlässlich des Tages gefährdeter AnwältInnen gab der Anwaltsverband CHD bekannt, dass die RechtsanwältInnen Ebru Timtik und Aytaç Ünsal ihren Hungerstreik in ein Todesfasten umwandeln, bis die Regierung ihre Einflussnahme auf die Justiz beendet und ihre Forderung nach einem rechtmäßigen Verfahren akzeptieren. Ihre Lage ist äußerst kritisch und ihr Leben in unmittelbarer Gefahr. 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

1.       Sind Ihnen die Gerichtsverfahren rund um die 18 verurteilten türkischen RechtsanwältInnen bekannt?

 

2.       Wissen Sie um den gesundheitlichen Zustand der inhaftierten AnwältInnen Bescheid?

 

3.       Kennen Sie die Forderungen der Hungerstreikenden?

a.       Wenn ja, wie stehen Sie dazu?

4.       Haben Sie sich auf diplomatischer Ebene für die Rechte von AnwältInnen eingesetzt?

 

5.       Waren die Menschenrechtsverletzungen, sowie die Inhaftierung von AnwältInnen, JournalistInnen und OppositionspolitikerInnen in der Türkei Thema bei den Gesprächen mit dem türkischen Botschafter in Wien am 29. Juni?

a.       Wenn ja, was war Ihre Position?

b.      Wenn nein, warum nicht?

 

6.       Welche Mittel und Wege haben Sie bisher gewählt, um sich für eine Verbesserung der Haftbedingungen in den türkischen Gefängnissen einzusetzen?

 

7.       Welche Mittel und Wege werden Sie in Zukunft ergreifen, um sich für eine Verbesserung der Haftbedingungen in den türkischen Gefängnissen einzusetzen?

 

8.       Welche (schweren und/oder weitverbreiteten) Menschenrechtsverletzungen in der Türkei sind Ihnen bekannt?

 

9.       Welche Möglichkeiten sehen Sie, um sich als Außenminister für die Menschenrechte im Allgemeinen in der Türkei einzusetzen?

 

10.   Welche Möglichkeit sehen Sie im Speziellen, um sich für die Presse- und Meinungsfreiheit, sowie die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit in der Türkei einzusetzen?

 

11.   Wie schätzen Sie als Außenminister die Menschenrechtssituation in der Türkei ein?

a.       Welche Quellen dienen Ihnen zur Information?

 

12.   Welche konkreten Handlungen setzt Ihr Ressort auf bilateraler Ebene, um auf die Einhaltung der Menschenrechte in der Türkei nachhaltig hinzuwirken ?

 

13.   Wurden bereits Gespräche mit der türkischen Regierung bezüglich der herrschenden Menschenrechtsverletzungen in der Türkei geführt?

a.       Wenn ja, in welchem Rahmen, wann, mit welchen VertreterInnen und was war der Inhalt dieser Gespräche?

b.      Wenn nein, warum nicht?

 

14.   Sind (weitere) Gespräche mit der türkischen Regierung bezüglich der herrschenden Menschenrechtsverletzungen in der Türkei geplant?

a.       Wenn ja, in welchem Rahmen, mit wem und zu welchen (Menschenrechts-)Themen?

b.      Wann werden diese genannten Gespräche stattfinden?

 

15.   Welche konkreten Handlungen setzt das BMEIA innerhalb der Europäischen Union, um auf eine nachhaltige Verbesserung der Menschenrechtslage in der Türkei hinzuwirken?

a.       Welche Handlungsoptionen hat Österreich innerhalb der Europäischen Union?

b.      Welche Handlungsoptionen hat Österreich im Europarat, um auf eine nachhaltige Verbesserung der Menschenrechtslage in der Türkei hinzuwirken, und wie wurden und werden diese genützt?

 

16.   Welche Rolle werden Sie bzw. Ihr Ministerium in Bezug auf die Menschenrechtsverletzungen in der Türkei im UN Menschenrechtsrat einnehmen?

a.       Welche konkreten Maßnahmen wollen Sie bis zu welchem Zeitpunkt in diesem Zusammenhang umsetzen?

 

17.   Welche Fragen und Empfehlungen brachten Sie bzw. Ihr Ministerium bei der letzten Universellen Periodischen Überprüfung (UPR) der Türkei im Jänner 2020 ein?

 

18.   Welchen Beitrag leisten Sie bzw. Ihr Ministerium (auf bi- und multilateraler Ebene), um die Zivilgesellschaft (AnwältInnen, JournalistInnen, WissenschafterInnen, MenschenrechtsaktivistInnen etc.) in der Türkei zu unterstützen und ihre Sicherheit zu gewährleisten?

 

19.   Stehen Sie bzw. Ihr Ministerium im regelmäßigen, direkten Austausch mit der Zivilgesellschaft in der Türkei?

a.       Wenn ja, mit welchen VertreterInnen, seit wann, und zu welchen (Menschenrechts-) Themen?

b.      Wenn nein, warum nicht?

 

20.   Ist ein (weiterer) direkter, regelmäßiger Austausch mit der türkischen Zivilgesellschaft geplant?

a.       Wenn ja, mit weichen VertreterInnen, für welchen Zeitraum, und zu weichen (Menschrechts-)Themen?