2828/J XXVII. GP

Eingelangt am 09.07.2020
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Philip Kucher,

Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend „COVID-19-Risikogruppen"

Am 30. März kündigten Bundeskanzler Kurz und Bundesminister Anschober in einer ihrer unzähligen Pressekonferenzen eine rasche Lösung für RisikopatientInnen an. Im Kurier hieß es „alle Personen aus Risikogruppen sollen beruflich freigestellt werden - außer, sie können im Homeoffice arbeiten."[1]

Auf die konkrete Umsetzung der Regierungsversprechen mussten die betroffenen Menschen und ihre Angehörigen jedoch wochenlang warten. Erst ab 4. Mai, also rund fünf Wochen nach der öffentlichen Präsentation, erfolgte die schriftliche Information von 67.000 Menschen, dass sie auf Grund ihrer Medikation potentielle Risikopatientinnen sind.

Insbesondere auch für die Angehörigen von Riskopatientlnnen sind weiterhin viele Fragen zur Einstufung und Entscheidungsfindung rund um die COVID-19-Risikogruppen unbeantwortet.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgende Anfrage

1)     Am 30. März verkündeten Sie im Rahmen einer Pressekonferenz eine „Lösung" für Personen die einer Risikogruppe angehören. Erst mit 4. Mai wurden dann Briefe entlang der Medikation von Personen an 67.000 „PatientInnen" versandt, die die EmpfängerInnen über eine potenzielle Zugehörigkeit zur besonders gefährdeten Gruppe informierten. Wofür brauchte man fünf Wochen?

a.     Auf Basis welcher Evidenzen wurden Risikogruppen definiert?

b.     Wie viele derjenigen, die einen Brief erhalten haben, wurden in weiterer Folge tatsächlich als einer Risikogruppe zugehörig attestiert?

c.     Wie viele derjenigen, die einen Brief erhalten haben, befanden sich jeweils mit Stichtag 1. April, 1. Mai, 1. Juni und 1. Juli 2020 in geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen?

d.     Wie viele derjenigen, die einen Brief erhalten haben, befanden sich jeweils mit Stichtag 1. April, 1. Mai, 1. Juni und 1. Juli 2020 in Kurzarbeit?

e.     Wie viele derjenigen, die einen Brief erhalten haben, befanden sich jeweils mit Stichtag 1. April, 1. Mai, 1. Juni und 1. Juli 2020 in Homeoffice?

f.      Wie viele derjenigen, die einen Brief erhalten haben, wurden tatsächlich freigestellt?

g.     Wie viele derjenigen, die mit Beginn 4. Mai einen Brief erhalten haben, gingen mit Stichtag 1. April 2020 „normal" ihrer Arbeit nach und waren daher einem besonderen Risiko ausgesetzt?

h.     Wie viele Personen, die keinen Brief erhalten haben wurden darüber hinaus auf Basis einer attestierten Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe freigestellt?

i.      Wie hoch ist die angenommene Dunkelziffer jener Personen, die einer Risikogruppe angehören, aber keinen Brief erhalten haben?

j. Wie viele Atteste wurden insgesamt seit dem Stichtag 4. Mai „abgerechnet"?

k. Wie viele von den insgesamt seit dem Stichtag 4. Mai „abgerechneten" Attesten waren negativ (dh Beratung, aber kein Attest, weil kein Risiko)?

I. Wie viel Ersatzleistungen wegen Freistellung wurden bereits abgerechnet?

2)     Warum wurden an arbeitslose Arbeitnehmerlnnen keine Briefe verschickt, obwohl dies für die Vermittlung und Arbeitsaufnahme eine wichtige Information sowohl für das AMS, die Arbeitgeber als auch für die Arbeitnehmerlnnen wäre?

3)     Vom 30. März bis zum 4. Mai vergingen fünf Wochen. In diesem Zeitraum haben von einer Risikogruppe umfasste Dienstnehmerlnnen - sofern sie nicht unverschuldet arbeitslos wurden, in Kurzarbeit oder Homeoffice waren - entweder regulär gearbeitet und sich den Risiken ausgesetzt, oder mussten Urlaub nehmen. Die nun geltenden Regelungen werfen Fragen auf:

a.     Wieso mussten Arbeitnehmerlnnen aus Risikogruppen in diesem Zeitraum Urlaub aufbrauchen?

b.     Wie verhält es sich rechtlich für diese Personen im Zusammenhang mit einem etwaigen Kündigungsschutz?

c.     Mit welchem Stichtag wurden Dienstnehmer-Eigenschaften geprüft?

d.     Wie geht man mit nach diesem Stichtag hinzugekommenen Personen um?

e.     Warum fand dies keinen Niederschlag in der Aussendung der Briefe durch Dachverband?

4)     Personen die nunmehr attestierter Weise zu einer Risikogruppe gehören, können durch das Problem der Stigmatisierung Nachteile am Arbeitslatz aber auch am Arbeitsmarkt entstehen: Wie gehen Sie mit diesem Problem um?

a.     Wie geht man mit arbeitslos gewordenen Menschen um, bekommen auch diese ein Attest?

b.     Welche Maßnahmen Ihres Ressorts bestehen, um dem Problem entgegenzuwirken, dass Arbeitslose mit „bescheinigter" Risikogruppenzugehörigkeit womöglich aufgrund dessen schwerer einen Job finden?

5)     Warum sind Angehörige von Personen, die einer Risikogruppe angehören, nicht von den damit einhergehenden Schutzbestimmungen umfasst?

a. Ist geplant die Schutzbestimmungen für Personen, die einer Risikogruppe angehören, für deren Angehörige auszuweiten?

i.        Wenn ja, wie kommen diese an „Atteste"?

ii.       Wenn ja, ab wann ist dies geplant?

iii.      Wenn ja, mit welcher Begründung waren sie bisher noch nicht umfasst?

iv.      Wenn nein, warum nicht?

 

 

6)     Österreichische AIDS Gesellschaft und Aids Hilfe Wien wiesen in Stellungnahmen darauf hin, dass es aktuell keine Hinweise gibt, dass eine HlV-lnfektion das Risiko für einen schwereren Verlauf von COVID-19 erhöht. Wer hat auf Basis welcher Datenlage entschieden, Menschen mit einer HIV-lnfektion pauschal als Risikogruppe zu definieren?



[1] https://kurier.at/politik/inland/kurz-verschaerft-corona-massnahmen-maskenpflicht-im-supermarkt-
geschaefte-werden-als-erstes-oeffnen/400796996