2895/J XXVII. GP

Eingelangt am 17.07.2020
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Mag. Thomas Drozda,

Genossinnen und Genossen

an den Bundeskanzler

betreffend: Wo bleibt das Zukunftskonzept für die Wiener Zeitung?

Die „Wiener Zeitung“ wurde 1703 gegründet und ist die älteste noch bestehende Tageszeitung der Welt. Neben den Pfiichtveröffentlichungen des Bundes und der Unternehmen im Amtsblatt bietet sie qualitativ hochwertige Berichterstattung zu den wichtigsten politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Ereignissen. Das Archiv der „Wiener Zeitung“ wiederum gehört zum UNESCO-Dokumentenerbe. Es zeigt die Entwicklung des Pressewesens sowie des Amtlichen Nachrichtenblattes Österreichs. Die Zeitung selbst ist ebenfalls im Rang eines schützenswerten Kulturgutes und würde ebenfalls die Zuordnung zum Welterbe verdienen.

Bereits im schwarz-btauen Regierungsprogramm war die Streichung der Pflichtveröffentlichungen des Bundes und der Unternehmen im „Amtsblatt der Wiener Zeitung“ vorgesehen. Im schwarz-grünen Regierungsprogramm ist abermals verankert, die Veröffentlichungspflicht in Papierform in der „Wiener Zeitung“ abzuschaffen. Lediglich die Marke „Wiener Zeitung“ soll als Serviceplattformen des Bundes erhalten bleiben. Vom Kernprodukt, der täglichen Printausgabe, also der eigentlichen „Wiener Zeitung“ ist im Regierungsprogramm keine Rede. Von dem ebenfalls im Regierungsprogramm beschworenen „neuen Geschäftsmodel!“ für die „Wiener Zeitung“ ist derzeit noch nichts bekannt.

Ein ersatzloses Streichen der Pflichtveröffentlichungen würde die derzeitige finanzielle Grundlage zerstören und wäre ohne Alternativkonzept das Ende der langen Geschichte dieser traditionsreichen Zeitung. Die schriftliche Anfragebeantwortung 1003/AB aus dem Jahr 2018 legt dar, dass von dem Umsatz in der Höhe von 22,6 Mio. € im Jahr 2017 allein 18 Mio. € auf Pflichtveröffentlichungen zurückzuführen sind.

Zum selben Zeitpunkt verlautbarte der damalige Medienminister Gernot Blümel, dass Gespräche zu einem Zukunftskonzept für die Wiener Zeitung laufen. Auch in der Anfragebeantwortung aus 2018 heißt es: „Es gilt nun, neue innovative Geschäftsmodelle für den Entfall der Einnahmen aus Pflichtveröffentlichungen zu finden, die tatsächlich eine nachhaltige Geschäftsgrundlage für die Zukunft des Unternehmens darstellen. Aufgabe des Aufsichtsrates und der künftigen Geschäftsführung wird es sein, ein passendes Zukunftskonzept dazu zu entwickeln und in Folge zu implementieren.“ Es ist bisher nichts darüber bekannt, ob die Geschäftsführung und der Aufsichtsrat diesem Auftrag nachgekommen sind.

Bekannt ist nur, dass der derzeitige Geschäftsführer - ein früherer führender Funktionär der Jungen ÖVP, der schon vor seiner Ernennung durch den Bundeskanzler an die Unternehmensspitze als früherer IT-Chef genau für solche Reformen zuständig war- bisher keines dieser Projekte am Markt positionieren konnte.

Verschärfend kommt noch hinzu, dass die „Wiener Zeitung“ - anders als andere Tageszeitungen - keinerlei Presseförderung erhält. Auch in der schwierigen Zeit des Lock downs aufgrund von Covid-19 gab es keine Unterstützung. Während für andere Printmedien sogar eine Sonderförderung aufgelegt wurde, muss die Wiener Zeitung die Einnahmeneinbußen aus eigener Kraft stemmen.

Gerade im Zeitalter von Fake News bietet die „Wiener Zeitung“ hervorragende journalistische Qualität und ein exzellentes Team an Redakteurinnen und
Redakteuren. Die „Wiener Zeitung“ ist ein nicht wegzudenkender Bestandteil der österreichischen Printmedienlandschaft. Es bedarf daher eines zukunftsträchtigen Konzepts, um den Fortbestand dieser Institution zu sichern, deren Wirken klar in öffentlichem Interesse ist.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage

1.    Wie hoch waren die Umsätze der Wiener Zeitung GmbH 2017-2020 (bitte nach Jahr aufgliedern)?

2.    Welcher Anteil davon ist auf Pflichtveröffentlichungen zurückzuführen (bitte aufgliedern nach Jahr und Höhe)?

a.    Wie groß ist hier der Entfall seit der Corona-Krise?

3.    Was sind die Aufgaben der Wiener Zeitung GmbH im Detail?

4.    Wie hoch waren die Umsätze der Tochter Wiener Zeitung Digitale Publikationen GmbH in den Jahren 2010 bis 2020? (bitte einzeln nach Jahr aufführen)

5.    Was sind die konkreten Aufgaben der Wiener Zeitung Digitale Publikationen GmbH?

6.    Welche Leistungen erbringt die Wiener Zeitung Digitale Publikationen GmbH für die Wiener Zeitung GmbH und umgekehrt?

7.    Wie viele Journalistinnen und Journalisten waren 2017-2020 in Vollzeitstellen in der Redaktion der „Wiener Zeitung“ beschäftigt (bitte nach Jahr aufschlüsseln)?

8.    Wie hat sich der Personalstand in der Wiener Zeitung und ihrer Tochter zwischen 2010 und 2020 entwickelt (bitte nach Jahr, Gesellschaft und Tätigkeitsbereich aufschlüsseln)?

a.     In welchen Bereichen haben eine Aufstockung und ein

Personalzuwachs stattgefunden und in welchen Bereichen wurde Personal reduziert?

9.    Ist es zutreffend, dass sich - betrachtet man die „Wiener Zeitung“ und ihre Tochter zusammen - die Anzahl der JournalistInnen seit Bestellung des derzeitigen Geschäftsführers reduziert wurde, während der Personalstand im wirtschaftlichen Bereich erhöht wurde?

10. Welche Maßnahmen in welcher Höhe wurden von Ihrer Seite getroffen, um die „Wiener Zeitung“ - so wie andere Tageszeitungen auch - in der schwierigen Coronazeit oder in deren Folge zu unterstützen?

a. Welche Maßnahmen sind hier noch geplant?

11. Im Gegensatz zu anderen Tageszeitungen hat die „Wiener Zeitung“ auch bestimmte öffentliche Verpflichtungen im Auftrag und Interesse der Republik (z. B. Versorgungs- und Verbreitungspflichten, Preisbindung, etc.)- Welche Unterstützung erhält sie hierfür von Seiten des Eigentümers Republik Österreich?

12. Welche arbeitsplatzrelevanten Maßnahmen werden von Seiten des Eigentümers und des Geschäftsführers gesetzt, um qualitativ hochwertige journalistische Arbeitsplätze zu sichern?

13. Welche Maßnahmen werden von Zeiten des Bundes ergriffen, um das Kulturerbe „Wiener Zeitung“ zu sichern?

14. Welche Maßnahmen werden von Seiten des Eigentümers ergriffen, um sicherzustellen, dass die Wiener Zeitung auch in Zukunft einen wichtigen Beitrag zu einer vielfältigen österreichischen Medienlandschaft leisten kann?

15. Nachdem die Streichung der Pflichtveröffentlichungen im gedruckten „Amtsblatt der Wiener Zeitung“ im Regierungsprogramm vorgesehen ist: Mit welchem Umsatz rechnen Sie nach einer Streichung?

a.    Wie wollen Sie sicherstellen, dass die Wiener Zeitung trotz des Einnahmenausfalles weiterbesteht?

b.    Welchen Zeitplan verfolgen Sie bei den Änderungen in Zusammenhang mit den Pflichtveröffentlichungen?

16. Bereits im Jahr 2018 war die Rede davon, ein Zukunftskonzept für die „Wiener Zeitung“ zu erarbeiten. Liegt dieses bereits vor?

a.    Wenn ja, was sind hier die wesentlichen Elemente, um den Fortbestand der Wiener Zeitung zu sichern?

b.    Welche Maßnahmen betreffen dabei das Printprodukt?

c.     Was waren die Kosten für die Erstellung?

d.    Wenn nein, warum nicht?

17. Wie viele Journalistinnen und Journalisten in Vollzeitstellen wird es nach der „Reform“ noch bei der Tageszeitung „Wiener Zeitung“ ihren Arbeitsplatz geben?

18. In welchen Bereichen wird es zu Einsparungen kommen und in welchem Ausmaß (bitte einzeln anführen)?

19. Welche neuen Geschäftsfelder wurden seit Einsetzung der Geschäftsführung vor zwei Jahren von dieser entwickelt und realisiert?

a.    Welche Umsätze werden jeweils durch diese neuen Geschäftsfelder erwirtschaftet?

20. War der derzeitige Geschäftsführer schon als vormaliger IT-Chef für Digitalisierungsprojekte der "Wiener Zeitung" GmbH zuständig?

a.    Wenn ja, seit wann war dies der Fall?

b.    Wenn ja, welche Projekte wurden konkret mit welchem Ziel umgesetzt und was waren die Kosten dafür?

21.  Fiel eine allfällige Reform der digitalen Ausgabe des Amtsblattes schon früher in die Kompetenz des derzeitigen Geschäftsführers und seit wann?

a.    Was war das Ergebnis seiner Tätigkeit?

b.    Welches seiner Projekte konnte in diesem Bereich erfolgreich für die "Wiener Zeitung GmbH" umgesetzt werden und was waren jeweils die Kosten dafür?

22.  Wie lange wurde am Projekt Einbindung der Kreditkartenzahlung gearbeitet und welche Kosten sind dadurch entstanden?

23.  Entspricht es den Tatsachen, dass bis heute ein Abo der Tageszeitung online nicht mittels Kreditkarte, PayPal, Sofortüberweisung uÄ zahlbar ist, sondern nur per Zahlschein oder Sepa-Lastschrift?

a. Halten Sie die ausschließliche Zahlmöglichkeit per Zahlschein und Sepa-Lastschrift für angemessen im 21. Jahrhundert, wo selbst kleine Online-Shops übereine große Anzahl digitaler Zahlungsmöglichkeiten verfügen?

24.  Wurde für die Abwicklung der Kreditkartenzahlung als digitales Service die Firma Wirecard als Partner ausgewählt?

a.    Wenn ja, seit wann besteht die geschäftliche Verbindung und was umfasst sie konkret?

b.    Welche Zahlungen an Wirecard erfolgten seit Bestehen dieser Verbindung (bitte nach Jahr aufschlüsseln)?

c.     Gab es persönlichen Kontakt zwischen der Geschäftsführung und der Firma Wirecard?

d.    Wenn ja, mit wem konkret und wann?

e.    Gab es direkte Kontakte von Ihnen oder der Geschäftsführung mit Ex- Wirecard-Vorstand Jan Marsalek und Markus Braun?

f.      Wenn ja, wann und zu welchem Zweck?

25.  Für das Jahr 2021 ist die Ausschreibung des Geschäftsführerpostens vorgesehen. Wie wird das Ausschreibungsprozedere aussehen?

a. Wann wird dieses stattfinden?

26.  Werden Sie sicherstellen, dass diesmal gezielt nach einem/r Zeitungsfachmann/-frau für den Geschäftsführerlnnenposten gesucht wird oder zumindest explizit auf eine Qualifikation Wert gelegt wird, die der eines echten Zeitungsfachmannes/frau entspricht