2902/J XXVII. GP
Eingelangt am 21.07.2020
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Anfrage
der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen
an den Bundesminister für Inneres
betreffend Polizeiliche Einsatztechnik "Halsklammer"
Der Todesfall George Floyd ereignete sich am 25. Mai 2020 in Minneapolis im US-Bundesstaat Minnesota, als der 46-jährige Afroamerikaner George Perry Floyd durch eine gewaltsame Festnahme getötet wurde. Ein Video des Vorfalls sorgte weltweit für Aufsehen. Die vier an dem Einsatz beteiligten Polizeibeamten wurden nach Bekanntwerden des Videos entlassen und wegen des Verdachts auf ein Tötungsdelikt inhaftiert. Der Fall löste großflächige Proteste gegen Polizeigewalt und Rassismus in den Vereinigten Staaten sowie anderen Teilen der Welt aus.
Videos vom Einsatz zeigen, wie ein Polizist sein linkes Knie auf Floyds Hals drückt. Sein Kollege übt gleichzeitig Druck auf Floyds Körper und seine Beine aus, während ein Dritter neben ihnen steht und Passanten zurückhält. Als Floyd immer wieder äußert „I can’t breathe!“ („Ich kann nicht atmen!“), bittet ein Passant die Beamten, ihn atmen zu lassen. Als Floyd warnt, er werde gleich sterben, fordert ihn einer der Polizisten auf, sich zu entspannen. Auf die Frage eines Polizisten, was Floyd wolle, wiederholt dieser, dass er nicht atmen könne.
Gegen 20:22 Uhr Ortszeit riefen die vor Ort anwesenden Polizeibeamten einen Krankenwagen – zunächst ohne den Einsatz als Notfall zu deklarieren. Bei einer erneuten Meldung stuften sie den Einsatz auf einen Notfall hoch. Die Polizisten pressten die Knie allerdings auch nach der Alarmierung des Krankenwagens weiterhin auf Floyds Hals. Als ein Passant Floyd zurief, er solle in den Streifenwagen gehen, antwortete Floyd, dass er dies nicht könne und dass sein Bauch, sein Genick und alles andere schmerzen würden. Zudem bat er um Wasser und flehte, ihn nicht zu töten. Ein Passant wies die Beamten darauf hin, dass Floyd aus der Nase blute. Ein anderer betonte, dass Floyd keinen Widerstand leiste. Als ein Polizist entgegnete, dass Floyd sprechen könne und dies ein Zeichen sei, dass es ihm gut gehe, widersprach ihm einer der Zeugen und forderte die Beamten auf, Floyd in den Streifenwagen zu setzen. Er warf ihnen zudem vor, die Situation zu genießen. An die Umstehenden gewandt erklärte ein Polizist mit Blick auf die Situation Floyds: „Deshalb solltet ihr keine Drogen nehmen, Jungs!"
Um 20:25 Uhr verlor George Floyd das Bewusstsein. Passanten wiesen die Beamten auf diesen Umstand hin und forderten sie auf, seinen Puls zu prüfen. Einer fühlte daraufhin Floyds Handgelenk, konnte jedoch keinen Puls finden. Dennoch blieben drei Polizeibeamten weiterhin auf Floyd sitzen und machten keinerlei Versuche, Erste Hilfe zu leisten. Floyd hatte zuvor mindestens 16 Mal angegeben, dass er nicht atmen könne.
Gegen 20:27 Uhr erreichte ein Krankenwagen den Ort des Geschehens, und ein Sanitäter fühlte vergeblich erneut nach Floyds Puls. Einer der Polizisten ließ sein Knie nach Ankunft des Krankenwagens noch fast eine Minute auf Floyds Hals. Laut späterer Anklage befand sich das Knie dort insgesamt über einen Zeitraum von acht Minuten und 46 Sekunden, davon zwei Minuten 53 Sekunden nach Eintreten der Bewusstlosigkeit Floyds. Gegen 20:29 Uhr wurde der bewusstlose Floyd in den Krankenwagen gebracht und abtransportiert. Alle Wiederbelebungsversuche, bis hin zur Defibrillation, blieben erfolglos.
Um 21:25 Uhr wurde George Floyd in der Notaufnahme des örtlichen Krankenhauses für tot erklärt.
Der Todesfall George Floyd bewegte die Menschen auch hierzulande.
In einem Zeitungsinterview erklärte ein hoher Polizeivertreter, in Österreich sei diese Form der Fixierung undenkbar, weil gar nicht zulässig. „Der Hals ist generell tabu“, so Generalmajor Thomas Schlesinger, der die Grundausbildung für angehende Polizisten leitet (https://www.krone.at/2171296).
Laut den Abgeordneten zugeleiteten Informationen gäbe es im polizeilichen "Einsatztraining-Handbuch" explizit eine "Halsklammer", die angeblich auch trainiert wird. Der Zweck der "Halsklammer" sei es auch, ein Subjekt kampfunfähig und ohnmächtig zu machen, indem gezielt die Blutzufuhr zum Gehirn unterbunden wird.
Bei entsprechenden
Übungen auf der SIAK seien schon einige Polizeischüler kurz
ohnmächtig geworden.
Insofern sind die Medienaussagen „Der Hals
sei generel tabu“ zu hinterfragen Auch gab es dazu
verwaltungsgerichtliche Verfahren, in denen die Einsatztechnik „Halsklammer“
explizit Erwähnung fand (https://rdb.manz.at/document/ris.lvwg.LVWGT_SA_20151120_LVwG_12_26_9_2015_00).
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
1. Wie ist die Aussage „Der Hals ist generell tabu“ konkret zu verstehen?
2. Welche konkreten Vorkehrungen, entsprechende Dienstanweisungen (Erlässe, Handbücher, o.ä.) sind in Österreich getroffen, damit es hierzulande zu keinem derart tragischen Todesfall kommen kann?
3. Gibt es eine entsprechende Dienstanweisung (Erlässe, Handbücher, o.ä.), die die Aussage „Der Hals ist generell tabu“ vermittelt?
a. Wenn ja, wo genau findet sich diese Aussage?
b. Wenn nein, weshalb nicht?
4. Welche internen Regelungen (Erlässe, Handbücher etc.) gibt es derzeit in Bezug auf die Anwendung von Einsatztechniken?
a. Sind diese Regelungen als Handlungsanleitung für Polizeibeamte anzusehen?
b. Werden bzw. wurden in verwaltungsgerichtlichen Verfahren mit Bezug auf die Anwendung von Körperkraft diese Handbücher als Beweismittel vorgelegt?
5. Wird oder wurde in einer dieser Regelungen (Erlässe, Handbücher etc.) auch eine Einsatztechnik "Halsklammer" beschrieben?
a. Wenn ja, was ist unter "Halsklammer" in Österreich zu verstehen?
b. Wenn ja, welche konkreten Ausführungen finden sich dazu in den Handbüchern?
i. Wofür und unter welchen Umständen wird die Technik angewendet?
c. Wenn ja, wird in den Handbüchern ausgeführt, dass diese Einsatztechnik "Halsklammer" zu Atemnot führen kann?
6. Wird diese Einsatztechnik "Halsklammer" im Rahmen des Einsatztrainings geschult?
a. Wenn ja, wie viele Stunden sind für die Anwendung der Einsatztechnik "Halsklammer" in der Polizeigrundausbildung vorgesehen?
b. Wenn ja, wie viele Stunden sind für die Anwendung der Einsatztechnik "Halsklammer" in den weiteren Einsatztrainigs pro Jahr vorgesehen?
c. Ist es bei diesen Schulungen in der Vergangenheit dazu gekommen, dass Polizeibeamte oder Polizeischüler kurzzeitig das Bewusstsein verloren haben bzw. ohnmächtig wurden?
i. Wenn ja, wie oft kam das vor?
7. Wann wurde die Einsatztechnik "Halsklammer" in diese Regelungen (Erlässe, Handbücher etc.) aufgenommen und damit legitimiert?
8. Wer war der verantwortliche Bundeseinsatztrainer, der der Einsatztechnik "Halsklammer" in diesen Regelungen (Erlässe, Handbücher etc.) legitimiert hat?
9. Wie viele aktenkundige Anwendungen der Einsatztechnik "Halsklammer" gab es:
a. im Jahr 2020?
b. im Jahr 2019?
c. im Jahr 2018?
d. im Jahr 2017?
10. Wie oft wurde die konkrete Anwendung der Einsatztechnik "Halsklammer" von Gerichten bislang als rechtswidrig erkannt?