3066/J XXVII. GP

Eingelangt am 12.08.2020
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Anfrage

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Klimaschutz‚ Umwelt‚ Energie‚ Mobilität‚ Innovation und Technologie

betreffend parteipolitische Aufsichtsratsbesetzungen im Kompetenz- und Wirkungsbereich des BMK/BMVIT

Dank ersten Befragungserfolgen im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss wissen wir nun, dass sich Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache und Bundeskanzler Sebastian Kurz im Zuge ihrer Regierungsverhandlungen auf einen parteipolitischen 2:1-Schlüssel bei der Besetzung wichtiger Posten in staatlichen und teilstaatlichen Unternehmen geeinigt hatten. Bestätigt wurde dies unter anderem vom damaligen Infrastrukturminister Norbert Hofer, der unter Türkis-Blau als Koalitionskoordinator auf politische Ebene fungierte. Es sei zwar nicht im Regierungsprogramm gestanden, so der nunmehrige FPÖ-Chef vor dem Untersuchungsausschuss, aber zwischen Kurz und Strache so vereinbart gewesen (siehe: https://www.tt.com/artikel/17105705/hofer-vor-dem-ibiza-ausschuss-postenvergabe-nach-dem-2-zu-1-schluessel).

Hofer war in der Position, Besetzungen selbst vorschlagen zu können, und davon machte er gerne auch gebrauch: So ließ er unmittelbar nach seinem Amtsantritt im Jänner 2018 Brigitte Ederer als ÖBB-Aufsichtsratschefin von seinem alten Parteifreund Arnold Schiefer ablösen (siehe: https://www.nachrichten.at/politik/innenpolitik/Blau-statt-rot-Neuer-OEBB-Aufsichtsrat-hat-sich-konstituiert;art385,2828898). Auch dieser bestätigte im Untersuchungsausschuss den türkis-blauen 2:1-Schlüssel: Es sei darum gegangen, nachhaltigen Informationsfluss aus und Kontrolle über die Gremien zu gewährleisten (siehe: https://orf.at/stories/3172006/). Schiefer stand den Untersuchungsausschussakten zufolge regelmäßig in Kontakt mit Strache und Hofer, schickte ihnen Medienberichte über Postenbesetzungen und übermittelte Informationen aus dem Umfeld der Casinos Austria AG (CASAG). Er war nicht nur FPÖ-Chefverhandler für “Verkehr und Infrastruktur”, sondern dürfte auf Mitarbeiterebene laut sichergestellten Nachrichten Straches an Ex-Finanminister Hartwig Löger die Besetzungen mit dessen damaligem Generalsekretär Thomas Schmid, der zum alleinigen Vorstand der Österreichischen Beteiligungs AG (ÖBAG) avancierte, koordiniert haben:

·         "Beide haben bereits für Öbib/Öbag neu vereinbart, dass, wenn Schmid Aufsichtsratsvorsitzender ist, dann alle AR-(Aufsichtsrats-) Neubesetzungen sofort – nämlich 2019 – erfolgen. vor der Hauptversammlung im April vom Verbund, Post, OMV, BIG, etc! Alles andere wäre eine Provokation.“ (siehe: https://www.derstandard.at/story/2000111176872/postenschacher-ein-einblick-in-den-chat-zwischen-strache-und-loeger)

·         "Wir haben bei der ÖBB, Asfinag, Donau etc alle eure 30 AR (Aufsichtsräte) sofort umgesetzt ... in euren Ressorts warten wir bis heute ... auch Telekom! Ausgemacht war 2018/2019. das bitte auch sicherstellen und einhalten! Lg HC" (siehe: https://kurier.at/politik/inland/whatsapp-verlaeufe-deuten-postenschacher-bei-den-casinos-an/400677896)

Schiefer ist bei weitem nicht die einzige türkis-blaue Personalie im Kompetenz- und Wirkungsbereich des BMK (damals noch BMVIT), die mit hoher Wahrscheinlichkeit auf rein parteipolitischen Motiven basiert (siehe z.B.: https://kurier.at/wirtschaft/blaue-an-den-schalthebeln-der-macht-wie-lange-noch/400500217). Bisher fanden sich schon einige Postenbesetzungen, bei denen entweder hinterfragt werden muss, ob Auswahlprozesse ausreichend transparent und sachlich abgelaufen sind und Begünstigte die notwendige Qualifikation vorweisen können, oder bei denen der Verdacht von Gegengeschäften im Zusammenhang mit Parteispenden oder gar illegalen Absprachen oder Geschenkannahmen im Raum steht (siehe u.a.: https://www.derstandard.at/story/2000105923318/hofer-erhoehte-als-minister-noch-schnell-oebb-und-asfinag-ar): 

Teresa Pagitz: Die Eigentümerin des Hotels Großarler Hof spendete 2017 und 2019 mind. 30.000€ an die ÖVP. 2018 kam sie unter Hofer in den Aufsichtsrat der ÖBB Holding. (siehe: https://www.derstandard.at/story/2000105361923/wenn-spenden-an-kurz-der-karriere-nicht-schaden)

Eva Hieblinger-Schütz: Die ehemalige Mitarbeiterin Lögers wurde unter Hofer direkt aus dem BMF-Kabinett in den Aufsichtsrat der ÖBB Rail Cargo gehoben. Ihr Ehemann, C-Quadrat-Gründer Alexander Schütz, spendete 40.000€ an die ÖVP. (siehe u.a.: https://www.pressreader.com/austria/kurier-3402/20190731/281831465342731)

Katherina Levina-Rabl: Die Anwältin und Ehefrau des Welser FPÖ-Bürgermeisters Andreas Rabl wurde im Mai 2018 von Hofer in den Aufsichtsrat der Austro Control berufen.

Peter Franzmayr: Der Trauzeuge Hartwig Hufnagls führt seit März 2018 den Aufsichtsratsvorsitz bei der Asfinag und stimmte im Jänner 2019 für dessen Bestellung als Vorstand. Hufnagl wechselte direkt aus Hofers Kabinett in den Vorstandssessel. (siehe: https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/wirtschaft/oesterreich/2010435-Wo-die-FPOe-noch-lange-mitmischt.html)

Werner Walch: Der Jurist gilt als FPÖ-nahe und kam schon bei der letzten blauen Regierungsbeteiligung in den Aufsichtsrat der Austro Control. 2018 wurde er unter Hofer zum Aufsichtsratsvorsitzenden gemacht, kurz vor dem Antritt der türkis-grünen Regierung verkündete er allerdings seinen Rückzug. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt aktuell gegen ihn auf Basis einer Anzeige, wonach der damalige BMVIT-Generalsekretär Andreas Reichhardt in seinem Beisein Axel Schwarz, Vorstand der Austro Control, aufgefordert haben soll, Posten unabhängig von Qualifikation, nur nach Parteizugehörigkeit zu besetzen. (siehe: https://www.diepresse.com/5695402/postenschacher-bei-der-austro-control)

Kathrin Glock

Kathrin Glock, Ehefrau des Waffenproduzenten Gaston Glock, wurde im April 2018 unter Hofer in den Aufsichtsrat der Flugbehörde Austro Control geholt. Dabei ist ihre Erfahrung in der Luftfahrt sehr bescheiden, wie beispielsweise die Rechercheplattform Dossier im Mai 2019 im Zusammenhang mit dubiosen Treffen zwischen dem heutigen FPÖ-Chef, seinem Vorgänger Strache und der Familie Glock berichtete: „Sieben Monate zuvor wird sie Ko-Geschäftsführerin der Glock Aviation GmbH, über die Gaston Glock von Klagenfurt aus drei Bombardier-Privatjets und einen Helikopter betreibt – ihr einzig öffentlich bekannter Berührungspunkt mit der Luftfahrtbranche. Handelte es sich bei der Postenvergabe gar um eine vereinbarte Gegenleistung der FPÖ gegenüber Glock?“ (siehe: https://www.dossier.at/dossiers/glock/von-ibiza-zum-ossiacher-see/ und https://www.dossier.at/dossiers/glock/keine-hinweise-auf-qualifikation/)

Hofer dementierte dies, doch die jüngsten Erkenntnisse des „Ibiza“-Untersuchungsausschusses haben den Verdacht eines direkten Zusammenhangs zwischen der Bestellung Kathrin Glocks und den Besuchen Straches und Hofers im Glock Horse Performance Center verhärtet. Dass es zu irgendeiner Art von Gegengeschäft gekommen sein könnte – neben Parteispenden könnte das etwa auch Vergünstigungen am Klagenfurter Flughafen, an dem die Familie Glock beteiligt ist, oder Jobversprechungen für Familienangehörige von Politiker_innen umfassen –, legen zudem die Aussagen von Gudenus und Strache im „Ibiza-Video“ nahe. Kurz nach Ihrem Amtsantritt als Infrastrukturministerin hieß es in mehreren Medienberichten, Sie würden die Bestellung Kathrin Glocks in den Aufsichtsrat der Austro Control evaluieren lassen wollen, weil ihre Qualifikation für Sie nicht nachvollziehbar sei (siehe z.B.: https://kurier.at/wirtschaft/austro-control-muss-kathrin-glock-aufsichtsrat-verlassen/400754898). In Ihrer Anfragebeantwortung 285/AB zur schriftlichen Anfrage 185/J schrieben Sie: „Mir ist nicht bekannt, aufgrund welcher Kriterien meine Amtsvorgänger die Qualifikation von Frau Kathrin Glock bewertet haben." 

Siegfried Stieglitz

Der von Hofer in den Asfinag-Aufsichtsrat geholte Siegfried Stieglitz wurde erst kürzlich von Ihnen wieder abbestellt, weil er insgesamt rund 10.000 Euro an den FPÖ-Verein "Austria in Motion" gespendet haben soll und die WKStA nun wegen des Verdachts der illegalen Geschenkannahme ermittelt. (siehe: https://www.derstandard.at/story/2000114975873/wksta-beantragte-auslieferung-hofers-wegen-ermittlungen)

Allem Anschein nach führen aber auch die Grünen die üble Tradition des parteipolitischen Postenschachers fort: Der Lebenslauf der Ende Mai 2020 nach einem Schnellverfahren bestellten Austro-Control-Aufsichtsrätin Karin Tausz weist keinerlei berufliche Vorerfahrung oder Expertise in der Luftfahrt auf. Das legt die Vermutung nahe, dass vielmehr ihre Rolle als "Aktivistin" der Grünen in Wien-Wieden sowie als Ex-Bezirksrätin für ihre Bestellung ausschlaggebend war (siehe z.B.: https://kurier.at/wirtschaft/wirtschaft-von-innen/austro-control-turbulenzen-um-postenbesetzung/400850945).

Aufgrund der jüngsten Erkenntnisse aus den laufenden Ermittlungen sowie dem "Ibiza"-Untersuchungsausschuss ("2:1-Schlüssel", "Stieglitz-Spende" etc.) ist es aus Sicht der Anfragesteller_innen nun höchste Zeit, für völlige Transparenz zu sorgen und nicht einige wenige, sondern sämtliche Aufsichtsratsbestellungen, die in den letzten Jahren innerhalb des Kompetenz- und Wirkungsbereichs des BMF vollzogen worden sind, grundlegend zu überprüfen (einschließlich der jeweiligen Ausschreibungsprozesse, beruflicher Qualifikationen der Begünstigten, besondere Naheverhältnisse, Parteizugehörigkeiten etc.), um eruieren zu können, ob dabei tatsächlich oder nur vorgeblich im Interesse der Republik und ihrer Bürgerinnen und Bürger vorgegangen wurde.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

1.    Welche Aufsichtsratsposten in Unternehmen innerhalb des Kompetenzbereichs des BMK wurden zwischen Dezember 2017 und Juli 2020 neu besetzt (mit der Bitte um chronologische Auflistung)? 

a.    Wie kamen die jeweiligen Besetzungen wann zustande?

b.    Laut Angaben Ihres Vorgängers lief alles transparent ab- wie wurde diese Transparenz gewährleistet?

2.    Welche Stelle des BMK ist für die Postenbesetzungen in Unternehmen innerhalb des Kompetenzbereichs des BMK verantwortlich? 

a.    Gibt es eine Abteilung oder einen Beirat, der Vorschläge aus dem Kabinett begutachtet und bewertet?

b.    Welche Stelle in Ihrem Ressort ist für den Kontakt mit den Bewerberinnen und Bewerbern um Aufsichtsratsposten zuständig?

3.    Wer legte Ihnen wann nahe Siegfried Stieglitz abzuberufen?

4.    Wie kam es zu dieser Entscheidung?

5.    Wie laufen die Bestellungen von Aufsichtsrät_innen in Unternehmen innerhalb des Kompetenzbereichs des BMK in der Regel ab?

a.    Wie können sich Interessent_innen für diese Positionen bewerben und wodurch erfahren Sie von den geplanten Neubesetzungen?

b.    Wie wird sichergestellt, dass die Bestellungen auf einer sachlichen und intersubjektiven Entscheidungsgrundlage beruhen?

6.    Wurden die zwischen Dezember 2017 und Juli 2020 vergebenen Aufsichtsratsposten öffentlich ausgeschrieben?

a.    Wenn ja, wann und wo jeweils (mit der Bitte um detaillierte Erläuterung und Beifügung der Ausschreibungsunterlagen für alle Bestellungen zwischen Dezember 2017 und Juli 2020)?

b.    Wenn nein, weshalb nicht?

7.    Wurden die zwischen Dezember 2017 und Juli 2020 vergebenen Aufsichtsratsposten anderweitig - etwa hausintern - ausgeschrieben?

a.    Wenn ja, wann und wo und für welche Zielgruppe (mit der Bitte um detaillierte Erläuterung und Beifügung der Ausschreibungsunterlagen für alle Bestellung zwischen Dezember 2017 und Juli 2020)?

b.    Wenn nein, weshalb nicht (um detaillierte Erläuterung wird ersucht)?

8.    Wurden für Aufsichtsratsbestellungen zwischen Dezember 2017 und Juli 2020 Interviews oder Hearings abgehalten?

a.    Wenn ja, wann und wo (mit der Bitte um chronologische Auflistung)?

b.    Wenn ja, in welchem Rahmen bzw. nach welchen Regeln liefen diese konkret ab? 

                                      i.Wer war von Seiten des Ministeriums anwesend?

c.    Wenn nein, weshalb nicht?

9.    Wurden "Interessentenerhebung" für die Aufsichtsratsbesetzungen zwischen Dezember 2017 und Juli 2020 durchgeführt?

a.    Wenn ja, wann, wie sehen diese im Detail aus und an welche Zielgruppe sind sie gerichtet?

                                      i.Wenn ja, bitte fügen Sie die diesbezüglichen Unterlagen hinsichtlich aller zwischen Dezember 2017 und Juli 2020 umgesetzten Aufsichtsratsbestellungen bei.

b.    Wenn nein, weshalb nicht?

10. An wie viele Personen wurden Aufsichtsratspositionen zwischen Dezember 2017 und Juli 2020 sonst noch "herangetragen"?

a.    Wann, wie und von wem wurde die mögliche Bestellung an die betreffenden Personen "herangetragen"?

b.    Wie darf man sich den Prozess vorstellen?

11. Wie erfolgte Karin Tausz' "Bewerbung" um einen Aufsichtsratsposten bei der Austro Control?

a.    Wie kann man sich den Prozess genau vorstellen?

                                      i.Wurde seitens des Ministeriums auf Frau Tausz aktiv zugegangen?

1.    Wenn ja, wann und wer nach mit ihr von Seiten des Ministeriums Kontakt auf?

2.    Wer hatte konkret veranlasst, dass auf Frau Tausz zugegangen wurde?

3.    Wer im Ministerium wusste davon Bescheid, dass auf Tausz zugegangen wird?

a.    Wussten Sie davon Bescheid?

                                    ii.Kam Frau Tausz aktiv auf das Ministerium zu?

1.    Wenn ja, wann ging Frau Tausz aktiv auf das Ministerium zu und aufgrund welcher Vorinformationen?

                                   iii.Wie, in welcher Form und von wem im Ministerium erfuhr Frau Tausz von der frei werdenden Stelle im Aufsichtsrat?

b.    Wie wurde in Folge verfahren?

                                      i.Wurde Frau Tausz vom Ministerium die Position als Aufsichtsrätin versprochen oder anderweitig signalisiert, dass ihre Bestellung "fix" sei (um detaillierte Erläuterung wird ersucht)?

1.    Wenn ja, von wem und weshalb?

2.    Wenn nein, war im Vorhinein nicht schon klar, dass Frau Tausz zur Aufsichtsrätin bestellt würde?

c.    Sind Bewerbungsunterlagen von Frau Tausz vorhanden?

                                      i.Wenn ja, fügen Sie diese bitte als Beilage an.

                                    ii.Woraus bestanden die Bewerbungsunterlagen von Frau Tausz?

1.    Aus einem CV?

a.    Wenn ja, in welchem Seitenumfang?

2.    Aus einem Motivationsschreiben?

a.    Wenn ja, in welchem Seitenumfang?

3.    Aus anderen Unterlagen?

a.    Wenn ja, welche waren das?

                                   iii.Wenn nein, weshalb nicht?

d.    Gab es neben Frau Tausz noch andere Bewerber_innen für die frei werdende Stelle im Aufsichtsrat?

                                      i.Wenn ja, wie viele und wer bewarb sich konkret noch um diese Positionen?

                                    ii.Wenn nein, weshalb gab es denn keine anderen Bewerber_innen? Solch eine Position ist doch sicherlich auch für andere fachlich geeigneten Personen interessant. Bitte um Erläuterung des Vorgangs zum besseren Verständnis für Außenstehende.

                                   iii.Wenn es andere Bewerber_innen gab: Weshalb kamen diese nicht zum Zug? Nach welchen Kriterien wurden sie abgelehnt?