3087/J XXVII. GP

Eingelangt am 14.08.2020
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Anfrage

der Abgeordneten Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Klimaschutz‚ Umwelt‚ Energie‚ Mobilität‚ Innovation und Technologie

betreffend Tunnelprojekt im Flachgau

 

Für eine nachhaltige Mobilitätszukunft ist ein Ausbau der Bahninfrastruktur und eine Verbesserung des Angebots öffentlicher Verkehrsmittel entscheidend. Allerdings ist es wichtig, dass die Planung und der Vollzug dieses Ausbaus mit maximaler Transparenz und umfassender Einbindung jener Bevölkerungsteile, die durch den Bau und den Betrieb dieser Infrastruktur am stärksten betroffen sind, geschieht sowie dass die gewählte Streckenführung und infrastrukturelle Umsetzung des Projektes die Beeinträchtigungen der Lebensqualität dieser Bevölkerungsgruppen weitestgehend minimiert. Zusätzlich ist auch beim Bau selbst darauf zu achten, dass Methoden und logistische Lösungen gefunden werden, welche die geringstmögliche Belastung der Umwelt sowie der lokalen Bevölkerung gewährleisten.

Bei einem derzeit noch in Planung befindlichen Tunnelbauprojekt bei Köstendorf/Neumarkt im Flachgau gibt es allerdings seitens der lokalen Bevölkerung und einer entsprechend ins Leben gerufenen Bürgerinitative massive Bedenken, dass dies nicht der Fall ist. Kritikpunkte sind unter anderem:

·         Fehlendes bzw. nicht ausreichend kommuniziertes Gesamtverkehrskonzept während der Bauzeit bzw. danach für die gesamte betroffene Region (vor allem hinsichtlich des Bauverkehrs)

·         Fehlende bzw. nicht ausreichend kommunizierte Informationen zu den Auswirkungen des Baus auf die Umwelt (v.a. bzgl. möglicher Grundwasserkontamination, Waldrodungen, Emissionen etc.)

·         Fehlende bzw. nicht ausreichend kommunizierte Einbindung bzw. Informationen im Bezug auf Lärmschutz

·         Fehlende bzw. nicht ausreichend kommunizierte Angaben zur geplanten langfristigen Emissionsreduktion durch das Projekt

·         Durch - von der BI selbst finanzierte - Gutachten gestützte Zweifel an der Vollständigkeit der UVP, betreffend Auswirkungen des Projekts u.a. auf Lärmbelästigung, Schadstoffbelastung und Landschaftsbild.

Es scheint also offensichtlich, dass hier bestenfalls erhebliche Kommunikations- und Informationsdefizite gegenüber der lokalen Bevölkerung bestehen und möglicherweise sogar deutliche Mängel bei der Planung und Durchführung des Projektes. Im Interesse, den Bahnausbau langfristig transparenter und nachhaltiger zu gestalten sowie die Einbindung der durch das Projekt betroffenen Bevölkerung zu gewährleisten und um die durch die Gutachten gestützten Bedenken zu untersuchen, müssen diese Punkte adressiert werden.

Bereits im Herbst stellten die Abgeordneten Hoyos-Trauttmansdorff, Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen eine Anfrage an Ihren Amtsvorgänger. Eine erneute Anfrage ist aus zwei Gründen wichtig. Erstens blieben nach Beantwortung der Anfrage im Herbst noch einige Unklarheiten, die nun beseitigt werden können. Zweitens ist zu hoffen, dass eine umweltverträgliche Umsetzung von Infrastrukturprojekten im BMK möglicherweise einen noch höheren Stellenwert genießt als es zuvor im BMVIT der Fall war.

Untenstehende Tabelle 3, auf welche in der nachfolgenden Anfrage verwiesen wird, zeigt die Zusammenfassung und Gesamtbeurteilung der Allgemeinverständlichen UVE-Zusammenfassung (S. 39) des Projekts Neubaustrecke Köstendorf - Salzburg.

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Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:



1.    Die zusammenfassende Gesamtbeurteilung der Schutzgüter (siehe Tabelle 3 aus D.01_Rev.01, Allgemeinverständliche UVE-Zusammenfassung, Seite 39) führt in den Bereichen Raumnutzung, Tiere und ihre Lebensräume, Boden und Landschaftsbild sowohl in der Bau- als auch in der Betriebsphase eine „merkbar nachteilige“ Beurteilung an. In der Bauphase werden nachteilige Auswirkungen für alle sieben Schutzgüter angeführt und in der Betriebsphase wird mit nachteiligen Auswirkungen in beinahe ebenso vielen Kategorien gerechnet.

a.    Mit welchen Maßnahmen reagieren Sie auf die in den Einreichunterlagen aufgezeigten merkbar nachteiligen Eingriffe in die Bereiche Raumnutzung Tier- und Pflanzenwelt, Gewässerökologie, Boden, Luft und Landschaftsbild?

b.    Mit welchen Maßnahmen wollen Sie gewährleisten, dass es das an die Baustelleneinrichtung und an die vorgesehene Deponie angrenzende Europaschutzgebiet Wenger/Zeller Moor nach 18 Jahren Bauzeit noch gibt, wenn hinsichtlich biologischer Vielfalt (Tiere, Pflanzen und Gewässerökologie) während der Bauzeit merkbar nachteilige Auswirkungen prognostiziert werden?

c.    Müsste ein Projekt, das während einer Bauzeit von 18 Jahren derart nachteilige Auswirkungen auf die Mehrzahl der Schutzgüter hat nicht umgeplant werden, damit die Auswirkungen auf Mensch und Umwelt weniger dramatisch sind?

                                      i.Wenn ja, wann werden Sie eine entsprechende Maßnahme setzen?

                                    ii.Wenn nein, weshalb nicht?

2.    Durch die aufgrund des Verbesserungsauftrages vom Oktober 2019 neu in Erwägung gezogene und von den ÖBB favorisierte Deponie „Karlsreith“ (Deponienähe zu Natura 2000-Gebiet Wenger/Zeller Moor, Konzentration BE und Deponie) wird sich die oben beschriebene Matrix weiter verschlechtern.

a.    Ist Ihnen bekannt, dass es in den UVP-Unterlagen klare Hinweise auf eine erhebliche Schwermetallbelastung im Ausbruchsmaterial gibt?

b.    Mit welchen Maßnahmen wollen Sie sicherstellen, dass diese Schwermetalle nicht ins Grundwasser bzw. in die Oberflächengewässer des Naturschutzgebietes gelangen?

c.    Die geplanten großflächigen Geländeschüttungen mit diesem Material und die geplante Deponie stellen eine langfristige Gefahr für das lokale Ökosystem dar. Welche Maßnahmen werden Sie setzen, damit das Ökosystem der Region keinen Schaden nimmt?

3.    Die offensichtlichen Schwierigkeiten bei der Planung zeigen, dass möglicherweise ein falscher Einbindungspunkt der Neubaustrecke in die Bestandsstrecke gewählt wurde. Wurden verschiedene mögliche Einbindungspunkte geprüft?

a.    Wenn ja, weshalb entschied man sich für den aktuell geplanten Einbindungspunkt?

b.    Wenn nein, weshalb nicht?

4.    Der Eisbach weist laut Einreichunterlagen (D.01_Rev.01, Allgemeinverständliche UVE-Zusammenfassung Seite 21) schon jetzt einen „unbefriedigenden“ Zustand auf. Wie soll gewährleistet werden, dass die betroffenen Gewässer nicht weiter geschädigt werden?

5.    Wie soll gewährleistet werden, dass es nicht zu Störfällen mit verheerenden Auswirkungen auf die Natur und das direkt angrenzende Natura 2000-Gebiet kommt?

6.    Bauern berichten, dass ihnen in der Trassenfindungsphase von den ÖBB-Planern Ausgleichsflächen versprochen wurden. Aktuell ist davon nicht mehr die Rede.

a.    Wurden diese Ausgleichsflächen tatsächlich in Aussicht gestellt und das Angebot dann zurückgezogen?

                                      i.Wenn ja, weshalb?

7.    Rund zehn Bauern befürchten durch dieses Projekt ihre Existenzgrundlage zu verlieren. Vor allem die lange Bauzeit trägt zu diesen Ängsten bei.

a.    Welche konkreten Maßnahmen werden Sie und die ÖBB setzen, um den Bauern das Überleben zu sichern?

b.    Welche Ausgleichsflächen stehen zur Verfügung? Wurde dies den betroffenen Bauern bereits kommuniziert?

c.    Welche Maßnahmen sind geplant, damit Bauern, die ihre Existenz verlieren nach Ende der Bauzeit und entsprechender Rekultivierungszeit wieder als Landwirte Fuß fassen können?

8.    Der Flächenbedarf liegt laut Einreichunterlagen bei ca. 250 ha. Damit wird in den Einreichunterlagen das Schutzgut Boden als merkbar nachteilig beurteilt. Wurden Maßnahmen geprüft um den Flächenbedarf zu minimieren?

9.    Warum müssen die im Tunnel verwendeten Tübbinge vor Ort produziert werden, wo durch das zu errichtende Tübbingwerk und die Lagerung/Trocknung der Tübbinge wertvolle Wald- und Wiesenflächen verloren gehen?

10. Beim Semmering-Basistunnel werden die fertigen Tübbinge von einem 30 km entfernten Tübbingwerk angeliefert.

a.    Wurde die Anlieferung der fertigen Tübbinge geprüft?

                                      i.Wenn ja, was ergab diese Prüfung?

                                    ii.Wenn nein, weshalb nicht?

b.    Weshalb werden die fertigen Tübbinge nicht in bestehenden Tübbingwerken produziert und mittels Bahn angeliefert?

11. Welche Maßnahmen wurden geplant, um das Projekt möglichst verkehrsneutral zu gestalten?

12. Anrainer_innen berichten, dass sie das Gefühl haben, dass über ihre Interessen "darübergefahren" wird; dass zwar immer wieder betont wird, dass Vorschläge gemacht werden können, dass aber letztlich Entscheidungen ohne Rücksicht darauf wer von den ÖBB bzw. vom Ministerium gefällt werden.

a.    Inwiefern wird mit Anrainer_innen in den betroffenen Gebieten auf Augenhöhe kommuniziert?

b.    Wie können Sie sicherstellen, dass Beschwerden von Anrainer_innen minimiert werden?

c.    Warum gibt es kein 3-D-Modell (Tunnelportal Ost, Einbindung)? Dieses 3-D-Modell wurde von den Anrainer_innen schon mehrfach eingefordert.

d.    Warum gibt es kein 3-D-Modell der favorisierten Deponie „Karlsreith“, bei der die Geländeaufschüttungen bis zu 25 m betragen werden?

13. Als Begründung für die Neubaustrecke Köstendorf – Salzburg wird in den Einreichunterlagen u.a. angeführt, dass sie die Voraussetzungen für einen leistungsfähigeren Nahverkehr im Salzburger Flachgau schafft.

a.    Durch die Anlieferung der für die Tübbingproduktion erforderlichen Materialen mittels Lkw werden sich im Großraum Salzburg Stausituationen und auch der LKW-Transport auf der Straße weiter verstärken. Welche Maßnahmen werden gesetzt, um den Lkw-Verkehr im Rahmen dieses Projekts zu reduzieren?

b.    Welche Maßnahmen werden gesetzt, um die durch den projektbedingten zusätzlichen Lkw-Verkehr entstehenden CO2-Emissionen zu vermindern?

c.    Es ist bekannt, dass durch die Produktion des Zements, der zur Herstellung der Tübbinge benötigt wird, viel CO2 freigesetzt wird.

                                      i.Wurde dies in der CO2 Bilanz der Einreichunterlagen berücksichtigt?

1.    Wenn nein, weshalb nicht?

d.    Wurden die CO2 Freisetzung weiterer Beton-Zusatzstoffe in der CO2-Bilanz ausgewiesen?

                                      i.Wenn nein, weshalb nicht?

e.    Welche Maßnahmen werden geplant (außer der Situierung der Deponie in der Nähe der Baustelleneinrichtung), um das Projekt möglichst nachhaltig bzw. emissionsarm zu gestalten?

14. 18 Jahre Bauzeit bedeuten enorme gesundheitliche Belastungen (Feinstaub, Lärm, Licht, …) für die betroffenen Anrainer_innen. Im Jahr 2005 wurde vom damaligen Planer Herrn DI Plank eine Bauzeit von 6 -7 Jahren für das vorliegende Projekt angegeben.

a.    Warum hat sich trotz technischem Fortschritt die Bauzeit nun fast verdreifacht?

b.    Werden Versuche unternommen, die Bauzeit des vorliegenden Projekts wesentlich zu verkürzen?

                                      i.Wenn ja, welche Versuche werden unternommen?

                                    ii.Wenn nein, weshalb nicht?

c.    Worin liegen die Gründe für die lange Bauzeit?

d.    Wurden Zwischenanstiche wie beim Semmering Basis-Tunnel geprüft?

                                      i.Wenn ja, was ergab diese Prüfung?

15. Anrainer_innen berichten, dass im Flachgau die Auswirkungen von größeren Wassereinbrüchen katastrophal wäre. Wie wollen Sie sicherstellen, dass es zu keinen Wassereinbrüchen kommt?

16. Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um sowohl eine temporäre Notversorgung, als auch eine dauerhafte Ersatzwasserversorgung zu gewährleisten?

17. Welche Maßnahmen werden gesetzt, um physische und psychische Gesundheitsschäden bei den unmittelbaren Anrainer_innen zu vermeiden?

18. Gibt es Weiterführungspläne für eine viergleisige HL-Strecke Richtung Wels?

a.    Wenn ja, wann ist ein weiterer Ausbau vorgesehen?

b.    Wenn nein, weshalb nicht?

19. Der EuRH hat Ende 2018 einen Sonderbericht „Europäisches Hochgeschwindigkeitsschienennetz: keine Realität, sondern ein unwirksamer Flickenteppich“ herausgegeben und kommt zu einem vernichtenden Urteil. U. a. wird auf Seite 10 folgendes angemerkt: „Die Bewertung des tatsächlichen Bedarfs in den Mitgliedstaaten ist von unzureichender Qualität, und die alternative Lösung, bestehende herkömmliche Strecken aufzurüsten, wird oftmals nicht ausreichend berücksichtigt, obwohl sich damit erhebliche Einsparungen erzielen lassen. Entscheidungen zum Bau von Hochgeschwindigkeitsstrecken beruhen oftmals auf politischen Erwägungen, und es erfolgt kein systematischer Einsatz von Kosten-Nutzen-Analysen, um Grundlagen für Entscheidungen zu schaffen, bei denen die Kosteneffizienz berücksichtigt wird.“

a.    Inwiefern stellen Sie sicher, dass diese Kritik auf vorliegendes Projekt nicht zutrifft?

b.    Können Sie gewährleisten, dass bei vorliegendem Projekt alternative Lösungen, bestehende Strecken aufzurüsten, ausreichend berücksichtigt wurden?

c.    Wurde bei vorliegendem Projekt systematisch eine Kosten-Nutzen-Analyse eingesetzt?

d.    Mit welchen Maßnahmen stellen Sie sicher, dass es bei diesem Projekt zu keinen Kostenüberschreitungen kommen wird?

e.    Weiters ist auf Seite 11 darauf hingewiesen, dass die Verzögerungen auf Projekt- und Streckenebene ebenfalls erheblich waren: „Bei acht der 30 geprüften Projekte kam es zu Verzögerungen von mindestens einem Jahr, und bei fünf Strecken (d. h. bei der Hälfte der geprüften Stichprobe) waren Verzögerungen von mehr als 10 Jahren zu verzeichnen.“ Wie stellen Sie sicher, dass es bei diesem Projekt zu keiner Zeitverzögerung kommt?