309/J XXVII. GP

Eingelangt am 11.12.2019
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Sonja Hammerschmid,

Genossinnen und Genossen

an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Inklusive Pädagogik und Sonderpädagogik

Die 2008 von Österreich ratifizierte Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen und der Nationale Aktionsplan Behinderung 2012 bis 2020 (NAP) sehen vor, in Österreich ein „Disability Mainstreaming“ einzuführen. Im Rahmen des NAP sind Maßnahmen zur Umsetzung von Inklusion in allen Gesellschaftsbereichen geplant, die von jedem Ministerium ressortverantwortlich wahrzunehmen sind. Eine zentrale Bedeutung nimmt die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung im Bildungsbereich ein, die vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung verantwortet wird und von der Elementar- bis zur Erwachsenenbildung reicht. Die Aktivitäten des Bundeszentrums für inklusive Pädagogik und Sonderpädagogik (BZIB) zielten auf die Umsetzung des Artikels 24 der UN- Behindertenrechtskonvention[1] und der festgelegten Maßnahmen im Nationalen Aktionsplan ab. Hiermit verpflichtete sich Österreich ein inklusives Bildungssystem aufzubauen und die „Inklusiven Modellregionen“ bundesweit auszurollen. Die ersten „Inklusiven Modellregionen“ wurden zunächst in den Bundesländern Kärnten, Steiermark und Tirol eingeführt und wissenschaftlich vom BZIB begleitet. Danach sollen die Modellregionen auf alle weiteren Bundesländer ausgerollt werden.

Ein inklusives Bildungssystem ermöglicht auf die Bedürfnisse jedes Schülers und jeder Schülerin einzugehen, Vorurteile gegenüber Menschen mit Behinderung abzubauen und das Erlernen von Toleranz. Außerdem zeigen internationale Beispiele, dass integrative Schulen einen positiven Einfluss auf die Bildungs- und Berufskarrieren von Menschen mit Behinderung haben, ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen und gesellschaftliche Toleranz fördern. Die ÖVP/FPÖ Bundesregierung sprach sich jedoch dafür aus, eine „Balance“ zwischen der Ausweitung des inklusiven Unterrichts und der Stärkung des Sonderschulwesens zu finden. Dafür wurde ein Consulting Board Inklusion und Sonderpädagogik eingerichtet, das sich mit Fragen im Bereich der inklusiven Pädagogik beschäftigt und Lösungen für eine Verbesserung der Situation vorlegen sollte. Das Consulting Board nahm im September 2018 seine Arbeit auf und gab im April 2019 seine letzten Empfehlungen an das BMBWF ab.

 

Die unterzeichneten Abgeordneten richten an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Forschung nachstehende

Anfrage:

1.     Ende des Jahres 2018 wurde das Bundeszentrum für inklusive Pädagogik und Sonderpädagogik an der PH Oberösterreich geschlossen.

a.    Welche Begründung gab es für die Schließung de BZIB?

b.    Wurde die Arbeit des BZIB evaluiert?

c.    Wenn ja, wer evaluierte das BZIB und was sind die Ergebnisse der Evaluierung?

d.    Wenn nein, warum wurde die Arbeit nicht evaluiert?

e.    Wurde die Schließung des BZIB vom Consulting Board für Inklusion und Sonderpädagogik empfohlen?

2.     Die Zielsetzungen des BZIB waren die österreichweite Koordination und Vernetzung der Hochschulen und Universitäten; Gestaltung eines inklusiven Systems auf Schul- und Hochschulebene; Erarbeitung der Curricula im
Rahmen der Pädagoglnnenbildung NEU; Entwicklung von Projekten auf nationaler sowie internationaler Ebene; Vertretung des Bildungsministeriums
in der European Agency for Special Needs and Inclusive Education.

Außerdem übernahm das BZIB die wissenschaftliche Begleitung der
Einführung der „Inklusiven Modellregionen“ Welche Institutionen und
Personen nehmen nach Schließung des BZIB diese Aktivitäten wahr? Bitte um detaillierte Auflistung pro Themenbereich.

3.     Laut Anfragenbeantwortung 2124/AB und 2022/AB „wird sich das Consulting Board [...] mit der Frage der Integrationsklassen an Sonderschulen und einer möglichen bundesweiten rechtlichen Regelung befassen“.

a.    Zu welchen Ergebnissen kam das Consulting Board bezüglich dieser Fragestellungen?

b.     Welche Empfehlungen wurden diesbezüglich abgegeben.

c.     Welche Stelle bearbeitet das Thema nach Beendigung der Aktivitäten
des Consulting Boards weiter?

4.     BM Faßmann gab im Rechnungshofausschuss im März 2019 an, dass das Consulting Board an der „Präzisierung des Inklusionsbegriffs und Kriterien zur Definition sonderpädagogischen Förderbedarfs“ arbeite. In der Anfragenbeantwortung 3791/AB werden jedoch nur zwei Empfehlungen bezüglich Lehrpläne und Umsetzung des Regierungsprogramms der
ÖVP/FPÖ Regierung als Ergebnisse der Arbeit des Consulting Boards
genannt. Hat das Consulting Board Empfehlungen bezüglich Inklusionsbegriff und Definition des sonderpädagogischen Förderbedarfs vorgelegt?

a.    Wenn ja, welche Empfehlungen wurden vorgelegt?

b.    Welche Empfehlungen hinsichtlich der Lehrpläne hat das Consulting Board vorgelegt?

c.    Ist geplant die Lehrpläne auf Basis der Empfehlungen des Consulting Boards zu überarbeiten?

d.    Wenn ja, wann soll diese Überarbeitung stattfinden und wer soll diese Überarbeitung, die zuvor im Aufgabenbereich des BZIB lag, übernehmen?

e.    Wenn nein, warum werden die Empfehlungen nicht berücksichtigt?

5.    Welche Kosten sind durch das Consulting Board entstanden? Bitte um differenzierte Darstellung der Kosten nach Ursache und Höhe.

6.    Der Fachbereich Inklusion, Diversität und Sonderpädagogik an den Bildungsdirektionen ist für die Erstellung der Bescheide für
sonderpädagogischen Förderbedarf (SPF) und Beratung der Eltern bezüglich
der Wahlmöglichkeit zwischen integrativer Schule und Sonderschule
zuständig.

a.    Wie viele Bescheide für SPF wurden im Jahr von 2015 bis 2019 ausgestellt. Bitte um detaillierte Auflistung pro Jahr und Bundesland/Bildungsdirektion.

b.    Wie viele Beratungen wurden in den Fachbereichen im Jahr 2019 durchgeführt und wie viele Kinder wurden daraufhin in einer
integrativen bzw. Sonderschule unterrichtet? Bitte um detaillierte Auflistung pro Bundesland/Bildungsdirektion.

7.    Gibt es Bestrebungen seitens des BMBWF eine Evaluierung der inklusiven Maßnahmen im Bildungssystem hinsichtlich der Bildungs- und Berufskarrieren
von Menschen mit Behinderung durchzuführen?

a.    Wenn ja, wann wird diese Evaluierung durchgeführt?

b.    Wenn ja, welche sind etwaige Ergebnisse oder Zwischenergebnisse
der Evaluierung?

c.    Wenn nein, warum wird keine Evaluierung durchgeführt?

8.    Der Nationale Aktionsplan Behinderung 2012 - 2020 sieht die Evaluierung
und bundesweite Ausrollung der „Inklusiven Modellregionen“ vor.

a.    Wurden die Modellregionen in der Steiermark, Kärnten und Tirol evaluiert?

b.    Wenn ja, bitte um detaillierte Darstellung der Ergebnisse oder Zwischenergebnisse der Evaluierung pro Region.

c.    Wenn nein, warum wurden diese nicht evaluiert?

d.    Bitte um detaillierte Darstellung der weiteren Schritte zur Ausrollung der „Inklusiven Modellregionen“ auf die weiteren Bundesländer.



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[1]
„Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung. Um dieses Recht ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleicheit zu verwirklichen, gewährleisten die
Vertragsstaaten ein integratives [inklusivens] 1 Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen [...]"