3543/J XXVII. GP

Eingelangt am 24.09.2020
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Anfrage

der Abgeordneten Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen

an den Vizekanzler und Bundesminister für Kunst‚ Kultur‚ öffentlichen Dienst und Sport

betreffend Bemängelung der intransparenten Fördermittelvergabe bei sportlichen Großevents anhand der ursprünglich in Wien geplanten Judo-WM 2021

 

Im September 2018 hat der ehemalige Vizekanzler und Sportminister Heinz-Christian Strache die Ausrichtung der Judo-WM 2021 in Wien gesichert. Er reiste gemeinsam mit dem damaligen ÖJV-Präsidenten Hans Paul Kutschera und einer FPÖ-Delegation in die aserbaidschanische Hauptstadt Baku und machte dort Zusagen in Millionenhöhe, ohne dass  - Medienberichten zufolge -  ein klarer Finanzierungsplan für das sportliche Großevent vorlag.1 Alleine die Veranstaltungsgebühren, die an die International Judo Federation IJF gehen sollten, betrugen EUR 6 Mio, das insgesamte WM-Budget sollte sich auf EUR 12 Mio belaufen. Ein Jahr später hat die IJF Österreich die Ausrichtung der Judo-WM wieder entzogen und das, obwohl bereits EUR 2 Mio an Veranstaltungsgebühren vom Bund überwiesen wurden. Der Grund dafür: der ÖJV hat die Frist zur Zahlung des zweiten Teilbetrags der Veranstaltungsgebühren im September 2019 ohne Bitte um Aufschub verstreichen lassen, weil die finanziellen Mittel fehlten. Der ÖJV fühlt sich von der Stadt Wien im Stich gelassen, Wiens Sportstadtrat Peter Hacker meint, er sei in die Finanzierungspläne der Judo-WM vom ehemaligen Sportminister Strache und ehemaligen ÖJV-Präsident Kutschera nicht eingebunden gewesen. Normalerweise würden sich Bund und Stadt die Kosten solcher Sportevents teilen, doch wie DER STANDARD im Mai 2019 berichtete, hat Hacker "bis heute keine brauchbare Kalkulation gesehen", stufte das Vorhaben daher als hohes Risiko ein und zog die Notbremse.2 

Die wenigen bisher bekannten Informationen zum sog. Finanzierungsplan der Judo-WM stammen aus dem "Vortrag an den Ministerrat" (BMöDS-11.400/0234-I/A/3/2018) vom ehemaligen Sportminister Strache und ehemaligen Finanzminister Löger vom 12. Dezember 2018 sowie einem gleichermaßen undetaillierten Entschließungsantrag von ÖVP-Abgeordneter Tanja Graf und FPÖ-Abgeordneter Petra Steger (124/UEA). Die darin enthaltenen gleichlautenden Passagen zum "Finanzierungsplan" lauten wie folgt:

"Die Veranstalter beziffern die Gesamtkosten für die Durchführung dieser Sportgroßveranstaltung mit € 12,000.000,--. Der Finanzierungsplan sieht Eigenmittel der Veranstalter (Ticketverkauf, Sponsoring) sowie Förderungen vor. Um die für den Österreichischen Sport im Rahmen der Österreichischen Sportstrategie wichtige Veranstaltung sicherzustellen, ist eine umfassende Förderung durch den Bund notwendig: Die eingesetzten Eigenmittel des Österreichischen Judoverbandes werden € 3.000.000,-- betragen. Weitere Mitel werden durch Werbe- und Sponsoreneinnahmen sowie andere Fördergeber aufgebracht werden; der verbleibende offene Teil wird vom Bund getragen."

Abgesehen von den EUR 3 Mio, die der ÖJV von den EUR 12 Mio selbst übernehmen soll, handelt es sich bei den anderen Angaben wie "weitere Mittel" durch "andere Fördergeber" oder dem verbleibenden offenen Teil, der vom Bund getragen werden soll, gelinde gesagt um unpräzise Angaben. Auch dass die Stadt Wien dieses Finanzierungskonzept bemängelt und basierend auf diesen Angaben keine Finanzierungszusage macht, scheint nachvollziehbar. Die ÖVP-NR-Abgeordnete Graf behauptet in der NR-Sitzung von 12. bis 13. Dezember 2018 jedoch ausdrücklich, es läge ein "konkreter Finanzierungsplan" zu den EUR 12 Mio Gesamtbudget für die Judo-WM vor. 

 

1 https://www.derstandard.at/story/2000103771476/sportverbaende-werden-reich-veranstalter-zahlen-drauf
2
siehe Fn. 1

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

1.    Auf welchen "Finanzierungsplan" könnte sich die ÖVP-NR-Abgeordnete Graf in ihrer Aussage im Dezember 2018 bezogen haben?

a.    Seit wann liegt dieser "Finanzierungsplan" genau vor?

b.    Von wem wurde dieser "Finanzierungsplan" genau vorgelegt, wer waren die genauen Beteiligten?

c.    Ist dieser "Finanzierungsplan" einsehbar?

d.    Wenn ja, wo genau ist er einsehbar?

e.    Wenn nein, warum nicht?

2.    Wann wurde die Stadt Wien in die Finanzierungspläne des ehemaligen Sportministers Strache und ehemaligen ÖJV-Präsidenten Kutschera zur Ausrichtung der Judo-WM 2021 in Wien eingeweiht und in welchem Ausmaß ist dies geschehen?

3.    Laut § 8 Abs. 2 BSFG 2017 gelten für Förderanträge folgende inhaltliche Muss-Kriterien:

1.

Angabe von Leistungszielen und Zielerreichungsindikatoren unter Beachtung der Grundsätze der Wirkungsorientierung;

2.

Konzept zur Entwicklung der Leistungsfähigkeit unter Angabe eines Zeitplanes für die Erreichung der Leistungsziele während der Förderperiode;

3.

allgemeine inhaltliche und organisatorische Darstellung der einzelnen zu fördernden Vorhaben sowie deren Ziele innerhalb der Förderbereiche (§ 7 Abs. 2);

4.

Höhe der beantragten Förderung, Darstellung der Gesamtkosten und des Finanzierungsplans für die einzelnen Vorhaben und Förderbereiche gemäß § 7 Abs. 2.

Auch laut Information auf der BMKÖS-Homepage zum Förderprogramm von Sportgroßveranstaltungen wird folgendes vorausgesetzt: i) laut Punkt 4. eine "vorherige Abklärung der Unterstützung durch das jeweilige Bundesland und/oder Gemeinden" vor der Antragsstellung ii) laut Punkt 5.1 muss das Informationsdatenblatt "Sportgroßveranstaltungen" 6 Monate vor der beabsichtigten Bewerbung um die Ausrichtung einer Großveranstaltung an die Abteilung II/B/4 des BMKÖS eingebracht werden iii) Punkt 5.3 verlangt einen "Kosten- und Finanzierungsplan (Aufstellung sämtlicher Einnahmen/Ausgaben inkl. der Beiträge der öffentlichen Hand)". Wurden all diese Voraussetzungen von Seiten des ÖJV erfüllt und alle oben genannten Kriterien ordnungsgemäß eingehalten?

a.    Wenn ja, wie sieht dieser gesamtheitliche "Kosten- und Finanzierungsplan" im Detail aus?

b.    Welche Akteure sollten Kosten in welcher Höhe für die Ausrichtung der Judo-WM in Wien übernehmen?

4.    Laut § 18 Abs 6 BSFG 2017 ist "vor Auszahlung einer Förderung [ist] mit dem Förderwerber ein Vertrag abzuschließen, der alle Bedingungen enthält, die den wirtschaftlichen Einsatz der Förderung sicherstellen." Wie sieht dieser Vertrag und die darin enthaltenen Bedingungen aus bzw. gibt es einen solchen Vertrag zwischen Bund und ÖJV?

5.    Laut Anfragebeantwortung des ehemaligen Sportministers Strache (2937/AB) wurde der ÖJV 2018 mit EUR 3 Mio gefördert, die explizit für die Ausrichtung der Judo-WM 2021 vorgesehen waren. Bislang ist die Auszahlung von EUR 2 Mio vom Bund an den ÖJV und in weiterer Folge an die IJF bekannt.

a.    In welchem Zusammenhang stehen diese beiden Beträge bzw. wurden die bereits an die IJF überwiesenen EUR 2 Mio von den EUR 3 Mio Förderungsmitteln bezahlt?

b.    Wenn nein, woher stammen die bereits an die IJF überwiesenen EUR 2 Mio, woher stammen die oben genannten EUR 3 Mio an Sportförderung und was ist mit ihnen seit der Auszahlung 2018 passiert?

c.    Wenn ja, was ist mit der übrigen EUR 1 Mio passiert, die nach der Überweisung des ersten Veranstaltungs-Teilbetrages von EUR 2 Mio übrig blieb?

d.    Warum scheint die Förderung von EUR 3 Mio, die offensichtlich bereits 2018 erfolgte, nicht auf der Website der BSG neben den anderen Förderungen auf?

e.    Handelt es sich bei den EUR 3 Mio an Fördermitteln ausschließlich um Förderungen basierend auf § 14  BSFG 2017, die vom damaligen BM Strache festgelegt wurden?

6.    Eine andere Anfragebeantwortung unsererseits (904/AB) hat ergeben, dass im Jahr 2018 im Rahmen der § 14-Förderungen im Bereich "Spitzen-, Leistungs- und Nachwuchssport 2018" statt EUR 3 Mio sogar EUR 6 Mio explizit für die Ausrichtung der Judo-WM in Wien 2021 an den ÖJV ausgezahlt wurden. Laut Anfragebeantwortung des ehemaligen Sportministers Strache (2937/AB) wurden jedoch nur EUR 3 Mio an Fördermitteln ausgezahlt. Wie kommt es zu diesen enorm unterschiedlichen Auskünften von Seiten des Sportministeriums?

a.    Welche Zahl ist nun korrekt?

b.    Sollten tatsächlich EUR 6 Mio an Fördermitteln für die Ausrichtung der Judo-WM 2021 in Wien ausgezahlt worden und somit genügend Geld für die Bezahlung der zweiten (und dritten) Rate der Veranstaltungsgebühr vorhanden gewesen sein, wieso wurde dieser Betrag nicht ordnungsgemäß an die IJF überwiesen?

c.    Sollten tatsächlich EUR 6 Mio an Fördermitteln für die Ausrichtung der Judo-WM 2021 in Wien ausgezahlt worden sein, wo sind die restlichen EUR 4 Mio verblieben, die nie an die IJF überwiesen wurden?

7.    Wie ist es möglich, dass der Bund basierend auf dem BSFG 2017 Fördermittel in der Höhe von EUR 2 Mio (oder sogar EUR 6 Mio?) auszahlt und das zu einem Zeitpunkt, als einerseits das Gesamtbudget von EUR 12 Mio bereits bekannt war, andererseits die Auszahlung weiterer Fördermittel durch sog. andere Fördergeber und die Stadt Wien aber offensichtlich nicht gesichert war?

a.    Welches Gremium hat die Auszahlung der Fördermittel kontrolliert, genehmigt und veranlasst?

8.    Wie kann es angesichts der in Punkt 3. genannten Auflagen und Regelungen passieren, dass ein sportliches Großevent wie die Judo-WM angeblich plötzlich nicht genügend Fördermittel erhält und der ÖJV eine Zahlungsfrist untätig verstreichen lässt?

a.    Wussten das BSG und der Sportminister um die Zahlungsfrist für den zweiten Teilbetrag der Veranstaltungsgebühr im September 2019?

b.    Wer trägt die Verantwortung für die nicht eingehaltene Zahlungsfrist, die dem internationalen Ansehen Österreichs im Sportbereich nicht gerade förderlich war?

c.    Warum ist die zweite Teilzahlung nicht abgewickelt worden?

d.    Wer trägt die Verantwortung für die bereits an die IJF überwiesenen EUR 2 Mio, v.a. wenn diese nicht rückerstattet werden?

e.    Wer trägt die Verantwortung für die Rückerstattung der restlichen Million(en) an die BSG?

9.    Ein explizites Ziel der Neuauflage des BSFG 2013 im BSFG 2017 und der damit einhergehenden Schaffung der Bundes Sport-GmbH (BSG) war es, Sportfördermittel und deren Vergabe an einem Ort zu bündeln, nämlich in der BSG. Die §§ 14 und 24 räumen jedoch dem Sportminister weitreichende Kompetenzen ein, sowohl, was die Fördermittelvergabe als auch die Festlegung und Ausnahmeregelung von Förderrichtlinien betrifft. Abgesehen davon, dass das dem expliziten Zweck der Schaffung der BSG diametral entgegensteht, wie begründen Sie als zuständiger Minister in fachlicher Hinsicht die Kompetenzen und damit einhergehende Verantwortung des Sportministers hinsichtlich der Vergabe von Förderungen?

a.    Wie verhindern Sie (in Zukunft) die intransparente Vergabe von Fördermitteln auf Basis des § 14, wie sie bei der Judo-WM offensichtlich stattgefunden hat?

b.    Wie bewerten Sie in fachlicher Hinsicht nach Analyse des Sachverhaltes und aller eventuell vorliegenden Dokumente die Rolle des ehemaligen Sportministers bei der Vergabe von Fördermitteln für die Judo-WM 2021?

c.    Wie bewerten Sie in fachlicher Hinsicht nach Analyse des Sachverhaltes und aller eventuell vorliegenden Dokumente die Rolle des ÖJV bzw. des ehemaligen ÖJV-Präsidenten bei der Vergabe von Fördermitteln für die Judo-WM 2021?

d.    Wie bewerten Sie in fachlicher Hinsicht nach Analyse des Sachverhaltes und aller eventuell vorliegenden Dokumente die Rolle der Stadt Wien bei der Vergabe von Fördermitteln für die Judo-WM 2021?

10. Was passiert mit den bereits an die IJF überwiesenen EUR 2 Mio an Sportförderung?

a.    Gab es in einem eventuell vorhandenen Vertrag mit der IJF Vorkehrungen für den Fall, dass eine Rückerstattung des Veranstaltungsbetrages notwendig wird?

b.    Wird die bereits ausgezahlte Summe von der IJF dem Bund vollständig rückerstattet?

c.    Wenn nein, wie viel wird rückerstattet und gibt es einen zeitlichen Rahmen für die Rückerstattung?

11. Wie gedenken Sie in Zukunft konkret, die Abwicklung solcher sportlichen Großevents zu gestalten, damit Österreich auch weiterhin als verlässlicher Partner bei der Ausrichtung solcher Events wahrgenommen wird?

a.    Gedenken Sie, konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um willkürlichen Förderungen auf Basis des § 14 entgegenzuwirken?

b.    Wenn ja, welche konkreten Maßnahmen wären das und wann sollen sie umgesetzt werden?

c.    Wenn nein, warum nicht?

d.    Wenn nein, sind Sie dann also der Meinung, dass hinsichtlich der Judo-WM 2021 die Sportförderung durch den Bund und den ÖJV korrekt abgewickelt wurde?

12. Laut oben erwähnter Anfragebeantwortung (2937/AB) wurden 2018 vom ehemaligen BM Strache außerdem Fördermittel u.a. an folgende Initiativen und Vereine vergeben: i) Österreichische Bhutan Gesellschaft, Multifunktionssportplatz in Rangtse, Bhutan, EUR 17.000; ii) Wissen macht stark, ecole de foot Fußballschule im Senegal, EUR 10.100; iii) Hilfswerk International, Sport für Inklusion von benachteiligten Kindern und Jugendlichen im Libanon, EUR 22.409; iv) SONNE-International, Schulsportprogramme in Bangladesch, EUR 27.966; v) HOPE’87, Sportzentrum für Mali, EUR 30.000;

a.    Auf Basis welcher Grundlage bekommen Vereine wie die oben genannten Fördermittel auf Basis des BSFG 2017 zugesprochen, haben sich diese Vereine z.B. aktiv um eine Förderung beworben?

b.    Gibt es über die ungenauen Angaben des Verwendungszweckes in der Anfragebeantwortung hinaus Informationen dazu, wofür exakt die angegebenen Mittel eingesetzt wurden?

c.    Wer überprüft, ob diese Mittel zweckgebunden eingesetzt wurden bzw. wer überprüft den Baufortschritt der Sportstätten, die Umsetzung der Initiativen etc.?