3573/J XXVII. GP

Eingelangt am 28.09.2020
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Anfrage

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend Die mögliche Rolle ÖVP-naher Netzwerke rund um die Causa "Ibiza"

 

Die Rechercheplattform "zackzack.at" berichtete von einem Schriftsatz des Anwalts von Ramin M., den mutmaßlichen Hauptdrahtzieher rund um die Herstellung des "Ibiza-Videos", in welchen eine Involvierung von ÖVP-nahen Persönlichkeiten rund um das geplante Vorgehen gegen HC Strache in den Jahren 2014-15 in den Raum gestellt wird (https://zackzack.at/2020/08/31/aktion-koks-die-oevp-geheimaktion-gegen-strache-geheimes-dokument-belastet-chef-der-soko-ibiza-schwer/).

Demnach soll es zu Kontakten und persönlichen Treffen zwischen Ramin M. einerseits und Ex-ÖVP Generalsekretär Fritz Kaltenegger, Dietmar Halper (Direktor der Politischen Akademie der ÖVP), Werner Suppan (ÖVP Wien, heute Richter am VfGH) und Daniel Kapp (ÖVP-naher Netzwerker) andererseits gekommen sein. Kapp und Kaltenegger hätten dabei den Wunsch geäußert, eine Haarprobe von Strache zum Zwecke des forensischen Nachweises von Drogenkonsum zu erhalten, was Ramin M. letztlich laut dem Vorbringen auch gelang. 

Halper und Suppan sollen M. gegenüber auch die Bereitschaft geäußtert haben, die Summe von € 40.000 bis 70.000 für belastendes Material gegen Strache zu bezahlen.

Kapp solle sich mehrfach belastendes Material gegen Strache zeigen lassen haben. 

Kaltenegger soll in weiterer Folge den Kontakt zum nunmehrigen SOKO-Leiter Holzer hergestellt haben

Am 27. März 2015 soll es zu einem Termin zwischen Holzer, Csefan (beide heute führende Mitglieder der SOKO-Tape) und Ramin M. im Bundeskriminalamt gekommen sein. Dabei solle Holzer geäußert haben, dass "Straches Drogenkonsum" im BKA bekannt sei. 

Am 5. August 2015 soll sich Kapp nochmals bei Ramin M. gemeldet haben, ob seitens des Mandanten (Oliver R.) noch Interesse bestünde und was er (Kapp) seinen Gesprächspartner sagen dürfe (das entsprechende Mail wurde im Artikel abgedruckt).

Letztlich wurde von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens in dieser Sache nach § 35c StAG abgesehen.

Die behauptete (und zum Teil durch Dokumente belegte) Involvierung von ranghohen Funktionären der ÖVP in die Herstellung, Aufarbeitung und mögliche Finanzierung von belastenden Material gegen HC Strache in den Jahren 2014 bis 2015 ist ein völlig neuer Aspekt in der gesamten Ibiza Causa, insbesondere da die damals handelnden Personen (Ramin M., Oliver R.) mutmaßlich auch die späteren Drahtzieher rund um die Erstellung des Ibiza-Videos waren. Unklar und unverständlich ist auch, weshalb von den Ermittlungen im Jahre 2015 abgesehen wurde, zumal - wie sich aus den auch im Untersuchungsausschuss thematisierten Aktenvermerken zum Vorbringen von Ramin M. ergibt - sämtliche Themenkreise (Spesen, Mandatskauf, Suchtmittel), zu welchen nunmehr ermittelt wird, bereits dargelegt wurden und auch die im Mai 2019 veröffentlichten Passagen aus dem "Ibiza-Video" keinerlei neue Ermittlungsansätze für diese Themenkreise boten - die Ermittlungen aber dennoch höchst ergiebig sind. 

So führte in der ZIB 2 vom 2. September 2020 Georg Krakow (Transparency International Österreich) in Zusammenhang mit den den Behörden bereits 2015 vorliegenden Informationen aus:

"Aufgrund des Inhalts des Aktenvermerks, den Sie mir gezeigt haben, bin ich aber schon der Ansicht, dass damals ein Ermittlungsverfahren einzuleiten gewesen wäre und geführt werden hätte müssen."

Dies steht im Widerspruch zum letztlich gewählten Vorgehen der Behörden. Laut einer Anfragebeantwortung von Innenminister Nehammer erging seitens der Staatsanwaltschaft Wien an das Bundeskriminalamt anlässlich einer Besprechung am 9. April 2015 der Auftrag, mit dem Anzeiger Ramin M. in Kontakt zu treten. Dies sei, so Nehammer, ohne Erfolg versucht worden (https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/AB/AB_00442/imfname_783463.pdf). Aus Sicht der Anfragesteller_innen ist nicht nachvollziehbar, weshalb dies nicht gelang bzw. weshalb die Staatsanwaltschaft Wien sich mit der lapidaren Mitteilung der Erfolglosigkeit der Kontaktversuche zufrieden gab, war M. damals doch als Rechtsanwalt tätig und seine Büroadresse ebenso wie Mail- und Telefonnummer öffentlich abrufbar über die entsprechenden Seiten der Rechtsanwaltskammer.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:



1.    Sind die im Schriftsatz vom 21.7.2020 seitens RA Soyer namens seines Mandanten Ramin M. vorgebrachten Ausführungen, wonach SOKO-Leiter Holzer im Jahr 2015 bereits vorab vom Anruf des Ramin M. in dieser Angelegenheit informiert wurde, korrekt?

2.    Erfolgte diese Vorabinformation durch Mag. Kaltenegger, wie im Schriftsatz vom 21.7.2020 vorgebracht?

a.    Wenn nein, durch wen erfolgte diese Information?

3.    Was war der genaue Inhalt der Vorabinformation?

4.    Ist es üblich, dass BM.I fremde Personen aus dem Umkreis der Politik in solche Fällen den Kontakt zwischen Informanten und Beamten herstellen?

5.    Wurden bereits Ermittlungsschritte dahingehend gesetzt zu eruieren, wer die "Gesprächspartner" Kapps waren (siehe oben und verlinkten Artikel, Mail vom 5. August 2015)?

a.    Handelt es sich dabei um aktuelle oder ehemalige Politiker der ÖVP?

6.    Ohne Zweifel ergäbe sich aus dem Vorbringen vom 21.7.2020, dass ein ÖVP-nahes Netzwerk, in welches auch SOKO-Leiter Holzer eingebunden war, versuchte, belastendes Material gegen Strache herzustellen und zu erlangen. Nunmehr leitet aber Holzer jene Ermittlungen, durch welche die Hintermänner des Ibiza-Videos ausgeforscht werden sollen - ein Zustand, der zumindest bis zur Entkräftung der im Raum stehenden Vorwürfe auf Grund möglicher Befangenheiten nicht tragbar ist. Welche Schritte gedenken Sie hier zu setzen, um eine objektive Ermittlungsführung sicherzustellen?

7.    Wurde im Jahr 2015 die formelle Vernehmung von RA Ramin M. - dessen Adresse und weitere Kontaktdaten ja öffentlich einsehbar waren - angeordnet ehe von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abgesehen wurde?

a.    Wenn ja, gelang es dem Bundeskriminalamt den Kontakt zum Zeugen herzustellen?

b.    Wenn nein, wurde Ramin M. je eine Ladung zu einer Einvernahme an seine Melde- bzw. Kanzleiadresse zugestellt, bzw. versucht diesen dort anzutreffen?

                                      i.Wenn nein, warum unterblieb dies?

8.    Was war Inhalt des Berichts des Bundeskriminalamts vom 19. August 2015 (siehe 442/AB 1 von 6 vom 20.02.2020 zu 428/J (XXVII. GP) - S 3)?

9.    Wird der zu Grunde liegende Akt dem Untersuchungsausschuss vorgelegt werden?

a.    Wenn nein, warum nicht?

10. Wie erklären sich die unterschiedlichen Vorgehensweisen in den Ermittlungen 2015 und nach Bekanntwerden des Ibiza-Videos?

11. Ist es korrekt, dass Straches angeblicher Drogenkonsum bereits 2015 im BKA bekannt war?

a.    Wenn ja, welche Schritte wurden gesetzt?

b.    Wurde der zuständigen Staatsanwaltschaft berichtet und wenn ja, wann?

c.    Ist es korrekt, dass SOKO-Leiter Holzer im Gespräch mit Ramin M. in dem Sinne äußerte, dass der (angebliche) Drogenkonsum Straches im BKA bekannt sei?