3721/J XXVII. GP
Eingelangt am 08.10.2020
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Anfrage
Des Abgeordneten Lausch, Mag.Stefan
und weiterer Abgeordneter
An die Bundesministerin für Justiz
betreffend Staatsverträge zur Haftverbüßung im Heimatstaat
Geht es nach der FPÖ, dann sollen in Zukunft verstärkt Staatsverträge abgeschlossen werden, die sicherstellen, dass in Österreich verurteilte ausländische Staatsbürger zur Haftverbüßung im eigenen Land übernommen werden. NAbg. Christian Lausch weist in einem entsprechenden Entschließungsantrag (190/A(E)) auf den hohen Anteil ausländischer Häftlinge in den österreichischen Gefängnissen hin und erwartet sich von der Maßnahme vor allem eine Entlastung der Justizanstalten und budgetäre Einsparungen. Er verwies auch auf Steuereinsparungsmöglichkeiten, zumal der Ausländeranteil bei Insassen bei mehr als 50% liege.
Grüne und ÖVP stimmten am 30.06.2020 im Justizausschuss dem Entschließungsantrag von NAbg. Christian Lausch nicht zu.
In seinem "Wahrnehmungsbericht" hat ihr unmittelbarer Amtsvorgänger ausgeführt:
„Im Jahr 2019 werden bis Anfang November 167 Verurteilte zur Verbüßung ihrer restlichen Haftstrafe in ihre Herkunftsländer überstellt werden, was zwar eine Steigerung von ca. 18 % gegenüber 2018 darstellt, aber in absoluten Zahlen immer noch gering ist. Multilaterale Strafvollstreckungsübereinkommen bringen derzeit keine nennenswerte Entlastung, zumal der Großteil der Verurteilten kurze Freiheitsstrafen verbüßt und aufgrund des zeitaufwändigen bürokratischen Vorlaufs in den Aufnahmestaaten nicht mehr rechtzeitig vor Strafende in die Heimatstaaten überstellt werden kann. Trotz großer Bemühungen (Schaffung einer eigenen Überstellungseinheit, verbesserter Informationsaustausch mit den für Aufenthaltsrecht zuständigen Behörden, Einrichtung einer Arbeitsgruppe mit Serbien) lässt sich auf Beamtenebene kaum noch zu einer Steigerung der Überstellungen zur Verbüßung der Haft im Heimatstaat beitragen. So haben sich insbesondere die politischen Erwartungen betreffend die Zahl der Überstellungen von Straftätern nach Serbien – serbische Staatsangehörige stellen die größte Gruppe der ausländischen Insassen – trotz intensiver Bemühungen nicht erfüllt. Die serbische Seite reagiert sehr zögerlich und verweist regelmäßig auf die unabhängige Rechtsprechung, der die Entscheidungen obliegen würden. Eine Erhöhung der Zahl der von Serbien übernommenen Insassinnen und Insassen könnte allenfalls durch politisches Einwirken auf den EU-Aufnahmewerber erzielt werden.“
Als Ziel definiert er zugleich eine:
„Deutliche Steigerung der Zahl der Überstellungen von Insassinnen und Insassen in ihre Heimatstaaten zur Entlastung des österreichischen Strafvollzugssystems und zur Verbesserung ihrer Resozialisierungschancen.“
Dennoch kann man auf der Homepage des Bundesministeriums für Justiz folgendes lesen:
„Der hohe Ausländeranteil stellt für den österreichischen Strafvollzug eine von vielen Herausforderungen dar. Insbesondere im Hinblick auf eine erfolgreiche Resozialisierung wird die möglichst rasche Überstellung in die Herkunftsstaaten forciert. Die ausländischen Insassen kommen in erster Linie aus Rumänien, den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawiens, Ungarn, Nigeria und der Türkei.“
https://www.justiz.gv.at/home/strafvollzug/statistik/insassinnenstand-nach-staatsbuergerschaft~2c94848542ec498101444595343b3e06.de.html
In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an die Bundes-ministerin für Justiz folgende
Anfrage
1. Wird von ihnen und ihrem Ministerium die Haftverbüßung verurteilter Ausländer im Heimatland forciert?
a. Wenn ja, ist ihnen bekannt warum die Regierungsabgeordneten von ÖVP und GRÜNE dem Entschließungsantrag (190/A(E)) dann nicht zugestimmt haben?
b. Wenn ja, warum haben Sie im Justizausschuss am 30.06.2020 ihren Nationalratsabgeordneten von den Regierungsfraktionen nicht nahegelegt dem Entschließungsantrag zuzustimmen?
c. Wenn nein, warum werben sie dann auf der Homepage des BMJ damit?
2. Wie ist stehen Sie zur Rückführung von verurteilten ausländischen Staatsbürger in das Herkunfts-/ Heimatland um dort ihre Haft zu verbüßen?
3. Welche konkreten Anstrengungen haben Sie bisher unternommen, damit in Österreich verurteilte ausländische Staatsbürger zur Haftverbüßung in ihren Heimatstaat rückgeführt werden?
4. Mit welchen Ländern gibt es bereits Abkommen, dass verurteilte Straftäter rückgeführt werden? (Bitte um Aufschlüsselung der Länder)
5. Wie viele Häftlinge sind 2018 – 2020 aufgeschlüsselt nach EWR-Staaten und Drittstaaten rückgeführt worden? (Bitte um Aufschlüsselung nach Jahren, Staaten und nach Anzahl der Häftlinge)
6. Wie viele ausländische Häftlinge musste Österreich in den Jahren 2018 bis jetzt von anderen Staaten zurücknehmen? (Bitte um Aufschlüsselung nach Jahren, Anzahl der Häftlinge und nach Staaten)
7. Wie viele Häftlinge mit österreichischer Staatsbürgerschaft die eine Haftstrafe im Ausland zu verbüßen hatten, wurden in den Jahren 2018 bis jetzt zurückgenommen? (Bitte um Aufschlüsselung nach Jahren, von welchen Staaten und wie viele Häftlinge)
8. Wer trägt die Kosten für die Überstellung von verurteilten ausländischen Staatsbürgern?
9. Wer trägt die Kosten für Häftlinge mit österreichischer Staatsbürgerschaft die von Österreich zurückgenommen werden?
10. Wie hoch waren die Kosten von 2018 bis jetzt für Rückführungen in das jeweilige Heimatland von verurteilten ausländischen Staatsbürgern? (Bitte um Aufschlüsselung nach Jahren, Kosten und welche Staaten)
11. Wie hoch waren die Kosten von 2018 bis jetzt für die Rücknahme von Häftlingen mit österreichischer Staatsbürgerschaft? (Bitte um Aufschlüsselung nach Jahren, Kosten und welche Staaten)
12. Welche Gründe wurden schlagend, dass verurteilte ausländische Staatsbürger zur Haftverbüßung nicht in ihr Heimatland rückgeführt werden konnten?
13. Gibt es verurteilte Straftäter die freiwillig in ihre Heimat zurückwollen?
a. Wenn ja, wie viele?
b. Wenn ja, aus welchen Ländern?
14. Laut diversen Medienbeiträgen hat der ehemalige Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter im Jahr 2017 eine "Absichtserklärung", ein "Abkommen", einen „Deal" etc. in Marokko unterzeichnet, um marokkanische Staatsbürger aus dem österreichischen Strafvollzug in ihren Heimatstaat rückführen zu können. Worum handelte es sich bei dieser als "Absichtserklärung", "Abkommen" oder "Deal" etc. bezeichneten Aktion genau?
15. Wie viele marokkanische Staatsbürger befanden sich in Jahren 2010 bis Juni 2020 im österreichischen Strafvollzug (aufgegliedert nach Monat und Haftart)?
16. Wie viele marokkanische Staatsbürger wurden in den Jahren 2010 bis Juni 2020 aus dem österreichischen Strafvollzug zur Strafverbüßung in ihren Heimatstaat rückgeführt (aufgegliedert nach Monat und Haftart)?
17. Haben Sie die Feststellung und Zieldefinition ihres Vorgängers im Hinblick auf die Rückführungen bewertet bzw. evaluiert?
a. Wenn ja, wie und mit welchem Ergebnis?
b. Wenn nein, warum nicht?
18. Haben Sie die genannte "Überstellungseinheit" bewertet bzw. evaluiert?
a. Wenn ja, wie und mit welchem Ergebnis?
b. Wenn nein, warum nicht?
19. Ist ihnen bekannt, dass folgender Text „Der hohe Ausländeranteil stellt für den österreichischen Strafvollzug eine von vielen Herausforderungen dar. Insbesondere im Hinblick auf eine erfolgreiche Resozialisierung wird die möglichst rasche Überstellung in die Herkunftsstaaten forciert. Die ausländischen Insassen kommen in erster Linie aus Rumänien, den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawiens, Ungarn, Nigeria und der Türkei.“ auf der Homepage des BMJ veröffentlicht ist?
20. Wenn ja, seit wann?
21. Wer bearbeitet die Homepage des BMJ und wird dies mit ihnen abgesprochen?