3749/J XXVII. GP

Eingelangt am 14.10.2020
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DRINGLICHE ANFRAGE

gem. § 93 Abs 2 GOG-NR



der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Soziales‚ Gesundheit‚ Pflege und Konsumentenschutz

betreffend Per Pressekonferenz ins Corona-Chaos: Die Verantwortung von Gesundheitsminister und Bundeskanzler an der europaweiten Ausbreitung des Covid-Virus aus Ischgl 

Begründung

 

"Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten." 

 

Am Montag, dem 13.10. 2020, veröffentlichte die Unabhängige Expertenkommission ihren Bericht zum "Management Covid-19-Pandemie Tirol".

Der Bericht zeichnet ein erschreckendes Bild im Umgang mit der Pandemie auf Seiten der Regierungsspitze. Veraltete Rechtsgrundlagen, fehlende Pandemiepläne, mangelnde Abstimmung zwischen den verschiedenen Ebenen der Verwaltung, das Hineingrätschen eines unzuständigen Bundeskanzlers, ein Gesundheitsminister der untätig daneben steht, Fehleinschätzungen von Behörden über das Ansteckungsrisiko und eine verfehlte Öffentlichkeitsarbeit bewirkten im Ergebnis massives Chaos. Der damit einhergehende Schaden für den Tourismusstandort Österreich ist nachhaltig, wie ausländische Medienberichte bestätigen.

Der vernichtende Expertenbericht hält unter anderem fest:

"Am 13.03. kam es unmittelbar vor der Pressekonferenz des Landeshauptmanns zu einem Telefonat zwischen diesem und dem Bundeskanzler. Der Bundeskanzler teilte mit, dass im Einvernehmen mit dem Innenminister und dem Gesundheitsminister die Quarantäne für das Paznauntal und St. Anton a. A. ausgesprochen werden soll. Der Bundeskanzler erklärte, die Bundesregierung sei zuständig und übernehme auch die Kommunikation. Der Landeshauptmann erklärte sich einverstanden, verwies aber darauf, dass sich jetzt die Stäbe rasch zusammensetzen müssen, um die Details auszuarbeiten, weil es diese noch nicht gibt. Der Landeshauptmann verständigte unmittelbar nach dem Telefongespräch den Landesamtsdirektor, damit die erforderlichen Vorbereitungen getroffen werden. In die weitere Vorgehensweise erachtete sich der Landeshauptmann nicht mehr eingebunden, weil das eine Entscheidung des Bundes gewesen sei."

"Von Gesundheitsexperten gab es den Vorschlag einer Quarantäne, um zu verhindern, dass es aus dem Hotspot zu einer Weiterverbreitung kommt. Nach Absprache mit dem Gesundheitsminister und Rücksprache mit dem Landeshauptmann wurde es als sinnvoll erachtet, dass der Bundeskanzler die Verhängung der Quarantäne kommuniziert. Die Frage nach der damals geltenden Gesetzeslage beantwortete der Bundeskanzler bei seiner Anhörung dahingehend, dass er davon ausgegangen sei, dass die zuständigen Verantwortlichen die Quarantäne im Verordnungsweg vorbereiten. Die Einschätzung der Stäbe sei gewesen, dass das geltende Epidemiegesetz für die Verhängung der Quarantäne ausreiche. Unter Stäben seien jene des Gesundheits- und des Innenministeriums sowie des Landes Tirol zu verstehen. Die Überlegungen der Beamten der Bezirkshauptmannschaft Landeck, die Gäste über das Wochenende nach Hause fahren zu lassen, sei nicht bis zum Bundeskanzler vorgedrungen. Nach der Erinnerung des Bundeskanzlers sei die Verhängung der Quarantäne erst am Freitagvormittag ein Thema geworden. Am 13.03. um ca. 14:00 Uhr kündigte der Bundeskanzler im Rahmen einer gemeinsam mit Gesundheitsminister Anschober und Innenminister Nehammer, MSc, gehaltenen Pressekonferenz an, dass es insbesondere in einigen Gebieten Tirols zu einer sehr rasanten Ausbreitung des Virus komme und zielgerichtet, geographisch und punktgenau gegengesteuert werden müsse. Wörtlich führte er sodann aus: „Es werden daher das Paznauntal und St. Anton am Arlberg unter Quarantäne gestellt. Diese Gebiete werden ab sofort isoliert. Österreicherinnen und Österreicher, die in diesen Gemeinden Ischgl, See, Kappl, Galtür und St. Anton am Arlberg leben, aber auch die österreichischen Urlauberinnen und Urlauber dort sowie alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesen Gemeinden werden selbstverständlich bestens versorgt und werden schon in 14 Tagen die Möglichkeit haben, ihr gewohntes Leben wieder fortzusetzen. (...) Durch diese Ankündigung des Bundeskanzlers kam es zu Panikreaktionen von Gästen und Mitarbeitern, wodurch es zu der in der Folge beschriebenen überstürzten Abreise kam. Anhaltspunkte dafür, dass auch ohne eine derartige Ankündigung, die am Wochenende 14./15.03. mögliche Abreise der Gäste gleichermaßen chaotisch verlaufen wäre, bestehen nicht. " (Seiten 26 ff) 

Wie Sebastian Kurz am 13.10.2020 gegenüber Medien erklärte, waren diese Entscheidungen alle "abgestimmt".

"Ausgelöst durch die Pressekonferenz des Bundeskanzlers herrschte im Ort Panikstimmung. Dazu kam, dass die Seilbahn plötzlich ab 14:54 Uhr stillstand, obwohl noch viele Gäste auf dem Berg waren. Die Gäste im Tal eilten zu ihren Autos, um möglichst rasch aus dem Ort zu gelangen. Die Hotels und Unterkünfte wurden fluchtartig verlassen.

Es kam zu Staus. Nach Aufbau der Polizeisperre mussten Gäste teilweise wieder zurück ins Hotel, um die Ausreiseformulare zu holen. Kurz nach 13:00 Uhr wurden die Beamten des Postens Ischgl von ihrem Kommandanten verständigt, dass Check-Points im Bereich Ulmich eingerichtet werden sollen. Gegen 14:00 Uhr wurden insgesamt drei Check-Points aufgebaut. Weil die Verordnung noch nicht vorhanden war, wurden Verkehrskontrollen durchgeführt. Gegen 16:30 Uhr wurden die Ausreiseformulare vom Tourismusverband an die Hotels weitergegeben. Auch die Beamten der Polizeiinspektion Ischgl haben über das Bezirkskommando die Formulare bekommen und diese vielfach für die Check-Points ausgedruckt, damit Personen, die keine Formulare hatten, geholfen werden konnte. Die Verordnung selbst kam um 19:20 Uhr zur Polizeiinspektion. Der Stau erreichte eine Länge bis zu 15 km.

Die Fahrzeuge haben sich auch noch um Mitternacht gestaut. Von Rettung und Feuerwehr wurden die Leute mit Lebensmitteln und Getränken versorgt. Für den Autobusunternehmer, den die Polizei informiert und um Hilfe gebeten hatte, eine ordentliche Abreise zustande zu bringen, war die Situation sehr herausfordernd. Die Linienbusse brachten die Leute zum Bahnhof. Die Busse, die als Skibusse normalerweise 80 bis 90 Leute fassen, konnten wegen des Gepäcks, das viel Platz beanspruchte, nur maximal 40 Personen transportieren. Die Hoteliers waren durch die Ankündigung des Bundeskanzlers überrascht. Die Gäste, die gehört haben, dass Quarantäne über das ganze Tal verhängt wird, haben innerhalb von ein paar Minuten die Koffer gepackt und sind so schnell wie möglich aus dem Tal abgereist. Sie haben Angst gehabt, dass sie zwei, drei Wochen eingesperrt sind und nicht wegkommen. Deswegen war das totale Chaos." (S 81 ff)

"Die Ankündigung der Quarantäne über das Paznauntal und St. Anton a. A. durch den österreichischen Bundeskanzler erfolgte ohne dessen unmittelbare Zuständigkeit, überraschend und ohne Bedachtnahme auf die notwendige substantielle Vorbereitung. Die dadurch bewirkte unkontrollierte Abreise hat eine sinnvolle epidemiologische Kontrolle behindert. Es war ein Kommunikationsfehler, dass die Frage der durch den Bundeskanzler angekündigten Quarantäne davor nicht rechtzeitig unter Einbeziehung der Bezirkshauptmannschaft Landeck abgeklärt wurde und niemand aus der Bundesregierung bzw. den dort eingerichteten Stäben oder von den Verantwortlichen des Landes Tirol den Bundeskanzler darauf hinwies, welche schwerwiegenden Konsequenzen die mediale Ankündigung einer „sofortigen“ Isolierung des Paznauntales und von St. Anton a. A. in der Praxis nach sich ziehen wird, sowie dass es dringend erforderlich ist, einen Hinweis auf die fortbestehende Ausreisemöglichkeit für ausländische Gäste bis 15.03. zu machen." (S 139 ff)

"Obwohl die Beamten des im Wege der mittelbaren Bundesverwaltung zuständigen Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz die Covid-Entwicklung seit Dezember 2019 beobachteten, wurden die rechtlichen Grundlagen der in mittelbarer Bundesverwaltung zu ergreifenden gesundheitsschützenden Maßnahmen nicht oder nur unzulänglich vorbereitet. Der in Arbeit befindliche Pandemieplan wurde nicht veröffentlicht. Das Epidemiegesetz 1950 wurde weder - für die nachgeordneten Behörden erkennbar - auf seine Anwendbarkeit in Tourismusgebieten geprüft, noch wurden rechtzeitig Schritte eingeleitet, das Gesetz den Gegebenheiten der heutigen Mobilität anzupassen. Praktikable Auslegungsmöglichkeiten des Gesetzes wurden nicht wahrgenommen bzw. nicht an das Land und die Bezirksverwaltungsbehörden kommuniziert. Dadurch wurden die Bezirksverwaltungsbehörden in ihrer Entscheidungsfindung nicht unterstützt und das erforderliche rasche Eingreifen behindert." (S 141 ff)

Am 13.10.2020 titelte die Kleine Zeitung: "Der Kanzler trug zum Chaos der Abreise bei". Durch das chaotische Management der Bundesregierung und die Kommunikationsfehler des Kanzlers wurde das Virus unkontrolliert quer über die Welt verteilt. Alleine auf den Hotspot Ischgl gehen weltweit 6.170 Infektionen zurück.

Heute, sieben Monate nach der berühmten Pressekonferenz des Bundeskanzlers, hat man nach wie vor den Eindruck, die Bundesregierung agiert genauso unvorbereitet und dilettantisch wie zu Beginn der Krise. Maßnahmen werden entkoppelt von der Corona-Ampel überhastet beschlossen, sodann übereilt medial verkündet ohne dass die notwendigen Rechtsakte in Form der jeweiligen Verordnungen rechtzeitig kundgemacht werden. Die Normunterworfenen erfahren so erst im Nachhinein, was wirklich gilt. Ein rechtsstaatlich unerträglicher Zustand.

 

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten folgende

Dringliche Anfrage

 

1.    Der Bericht der unabhängigen Expertenkommission hält auf S. 139 fest, dass die Ankündigung der Quarantäne über das Paznautal und St. Anton a. A. durch Bundeskanzler Kurz "ohne dessen unmittelbare Zuständigkeit, überraschend und ohne Bedachtnahme auf die notwendige substantielle Vorbereitung" erfolgte. Die "dadurch bewirkte unkontrollierte Abreise" habe "eine sinnvolle epidemiologische Kontrolle verhindert". Teilen Sie diese Feststellung der unabhängigen Expertenkommission?

a.    Wenn ja, warum?

b.    Wenn nein, warum nicht?

2.    Besprachen Sie im Vorfeld Ihrer Pressekonferenz mit Bundeskanzler Kurz am 13.03.2020 die konkreten Kommunikationsinhalte mit ihm?

a.    Wenn ja, besprachen Sie konkret, dass der Herr BK die "Quarantäne" des Paznauns aussprechen soll?

                                      i.Wenn ja, auf wessen Initiative und weshalb erfolgte die Ankündigung der Quarantäne ausgerechnet im Zuge der Pressekonferenz am 13.03.2020 und durch den unzuständigen Bundeskanzler?

1.    Geschah das auf Ihre Initiative, Herr Minister?

2.    Geschah das auf Initiative des Bundeskanzlers?

3.    Geschah das auf Initiative von jemand anderem?

a.    Von wem?

                                    ii.Wenn ja, welche konkreten organisatorischen Vorbereitungen und Koordinierungen wurden seitens Ihres Ressorts für die Umsetzung der Quarantäne im Vorfeld der Pressekonferenz am 13.03.2020 getroffen? Laut BK Kurz waren die Maßnahmen "immer abgestimmt zwischen den Gesundheitsbehörden und der Regierung, aber auch mit den Bundesländern und so war es auch mit den Entscheidungen in Tirol".

1.    Waren diese Koordinierungen aus Ihrer Sicht angemessen und ausreichend? 

a.    Wenn ja, weshalb?

b.    Wenn nein, inwiefern nicht?

b.    Wenn, nein warum nicht?

3.    War Ihnen oder dem Bundeskanzler zum Zeitpunkt der Pressekonferenz am 13.03.2020 bewusst, dass die zur Vollziehung der Quarantäne berufenen Landes- und Bezirksbehörden nichts von der Quarantäne wussten?

a.    Wenn ja, weshalb ließen Sie dennoch zu, dass der Herr BK die Quarantäne ankündigt?

b.    Wenn nein, wie erklären Sie sich, dass eine derart drastische Maßnahme vom Bundeskanzler verkündet wird, ohne, dass diese vorab mit den zuständigen Behörden vor Ort koordiniert und von diesen angemessen vorbereitet wurde?

4.    War die gemeinsame Vorgehensweise des Bundeskanzlers und Ihnen vom 13.03.2020 geeignet, um eine geordnete Vollziehung im Wege der mittelbaren Bundesverwaltung im Land Tirol sicherzustellen?

a.    Wenn ja, weshalb, wo und bei wem lag der Vollzugsfehler?

b.    Wenn nein, weshalb nicht?

5.    Haben Sie dem Bundeskanzler inzwischen geraten, in Zukunft davon Abstand zu halten, überraschend Maßnahmen anzukündigen, für die er nicht zuständig ist, bzw. von denen die zur Vollziehung berufenen Behörden nichts wissen?

a.    Wenn nein, weshalb nicht?

6.    Was werden Sie in Zukunft unternehmen, um eine - vor allem mit Blick auf die Kompetenzverteilung - ordnungsgemäße und rechtskonforme Vollziehung sicherzustellen?

7.    Der Bericht der unabhängigen Expertenkommission hält auf S. 141 fest, dass die Beamten des im Wege der mittelbaren Bundesverwaltung zuständigen BMSGPK "die rechtlichen Grundlagen der in mittelbarer Bundesverwaltung zu ergreifenden Maßnahmen nicht oder nur unzulänglich vorbereitet" haben, obwohl die Beamten die Covid-19-Entwicklung seit Dezember 2019 beobachteten. Das Epidemiegesetz 1950 wurde weder für die nachgeordneten Behörden erkennbar auf seine Anwendbarkeit in Tourismusgebieten geprüft, noch wurden rechtzeitig Schritte eingeleitet, das Gesetz den Gegebenheiten der heutigen Mobilität anzupassen. Dies behinderte laut Bericht das erforderliche rasche Eingreifen der Bezirksverwaltungsbehörden. Warum wurden die rechtlichen Grundlagen der in Ihrer Zuständigkeit liegenden zu ergreifenden Maßnahmen nicht oder nur unzulänglich vorbereitet, obwohl Sie seit Dezember 2019 von der Covid-19-Entwicklung wussten oder wissen mussten?

8.    Der Bericht der unabhängigen Expertenkommission hält auf S. 141 fest, dass die Öffentlichkeitsarbeit des Landes Tirol in Form der beiden Landes-Informationen vom 05.03.2020 und 08.03.2020 "unwahr und daher schlecht war". Teilen Sie diese Auffassung? 

a.    Wenn ja, welche konkreten Lehren ziehen Sie daraus für die kommenden Monate?

b.    Wenn nein, warum nicht?

9.    Die unabhängige Expertenkommission gab aufgrund der im Lauf der Arbeit gewonnenen Erkenntnisse einige Empfehlungen ab. Unter anderem empfiehlt die Kommission dem BMSPGK, also Ihnen, die rasche Erarbeitung eines Gesetzesentwurfes für ein modernes, umfassendes Epidemiegesetz und die Veröffentlichung eines den modernen Erfordernissen angepassten Pandemieplans. Werden Sie dieser Empfehlung folgen?

a.    Wenn ja, wann ist mit einem Gesetzesentwurf zu rechnen und was sind die wesentlichen Inhalte?

b.    Wenn ja, wann ist mit der Veröffentlichung eines den modernen Erfordernissen angepassten Pandemieplans zu rechnen?

c.    Wenn nein, warum nicht?

10. Gab es zu Beginn der Pandemie im März 2020 einen "Pandemieplan"?

a.    Wenn ja, von wann datierte dieser und unter welchem Minister wurde dieser ausgearbeitet?

b.    Wenn nein, weshalb nicht?

11. Gibt es jetzt einen aktualisieren "Pandemieplan", der die Erkenntnisse der letzten Monate beinhaltet?

a.    Wenn ja, seit wann und was beinhaltet er konkret?

b.    Wenn nein, weshalb nicht?

12. Der Ischgl Bericht zeigt, wie chaotisch die "Evakuierung" des Paznauntales vonstatten ging. Wurden inzwischen strukturierte Pläne für geordnete "Evakuierungen" von Talschaften bzw. Tourismusregionen ausgearbeitet um für den Fall des Falles vorbereitet zu sein?

a.    Wenn ja, von welchen Stellen, inwiefern und was sehen diese Pläne konkret vor?

b.    Wenn nein, weshalb nicht?

13. Was haben Sie und Ihr Ministerium im Sommer konkret getan, um Österreich auf den pandemischen Herbst und Winter vorzubereiten?

14. Wie stellen Sie einen rechtsstaatlichen Vollzug innerhalb Ihres Zuständigkeitsbereiches in den kommenden Monaten sicher? 

15. Werden Sie dafür Sorge tragen, dass die Praxis der faktischen "Rechtssetzung durch Regierungspressekonferenzen" bei Corona-Maßnahmen endlich ein Ende hat?

a.    Wenn ja, wie werden Sie das sicherstellen?

16. Für die Bürger_innen ist zuweilen besonders schwer herauszufinden, welche Verordnung in einem bestimmten Bundesland oder in einem bestimmten Bezirk in Geltung stehen. Verschärft wird die Situation durch Verordnungskompetenzen auf den verschiedenen Ebenen der Verwaltung. So können Verordnungen aufgrund des COVID-19-Maßnahmengesetzes sowohl auf Bundesebene durch den Gesundheitsminister, auf Landesebene durch den Landeshauptmann oder auf Bezirksebene durch die Bezirksverwaltungsbehörde erlassen werden. In Summe gibt es in Österreich seit der Novelle des COVID-19 Maßnahmengesetzes 104 potentielle Verordnungsgeber. In manche Bezirken fällt das Auffinden der erlassenen und auf den digitalen Amtstafeln kundgemachten Verordnungen im Internet besonders schwer. Werden Sie dafür sorgen, dass die Verordnungen von Bund, Ländern und Bezirken aufgrund des Covid-19-Maßnahmengesetzes für die Bürger einfach und übersichtlich abrufbar sein werden?

a.    Wenn ja, wie werden Sie das sicherstellen?

b.    Wenn nein, weshalb nicht?

17. Der VfGH sprach in seinem Erkenntnis zur gesetzwidrigen Covid-Maßnahmenverordnung (BGBl. II Nr. 98/2020) (V 363/2020-25 vom 14. Juli 2020) aus, dass für diese Verordnungen seitens der Behörden besondere Dokumentationspflichten bestehen. "Der Verordnungsgeber muss die nach dem Gesetz maßgeblichen Umstände entsprechend ermitteln und dies im Verordnungserlassungsverfahren auch nachvollziehbar festhalten, sodass nachgeprüft werden kann, ob die konkrete Verordnungsregelung dem Gesetz in der konkreten Situation entspricht."

a.     

                                      i.Wie wird dieser Anordnung im Gesundheitsministerium derzeit konkret nachgekommen?

                                    ii.Wie wird dieser Anordnung bei den Landeshauptleuten derzeit konkret nachgekommen?

                                   iii.Wie wird dieser Anordnung bei den Bezirksverwaltungsbehörden derzeit konkret nachgekommen?

18. Wie viele Verordnungen aufgrund des COVID-19-Maßnahmengesetzes sind mit Stand heute

a.     

                                      i.von Ihnen, Herr Bundesminister, in Kraft?

                                    ii.von den Landeshauptleuten in Kraft? 

                                   iii.von den Bezirksverwaltungsbehörden in Kraft?

19. Wieso werden die Begründungen der Verordnung aufgrund des COVID-19-Maßnahmengesetzes nicht veröffentlicht?

a.    Werden Sie veranlassen, dass die Begründungen der Verordnung aufgrund des COVID-19-Maßnahmengesetzes künftig veröffentlicht werden?

                                      i.Wenn ja, ab wann und wie werden Sie das umsetzen?

                                    ii.Wenn nein, weshalb nicht?

20. Haben Sie der AGES einen "Maulkorb" verpasst oder eine Weisung erteilt, nicht mit Vertreter_innen der Opposition zu sprechen?

a.    Wenn ja, weshalb?

b.    Wenn nein, weshalb betreibt die AGES dann aktive Gesprächsverweigerung?

21. Inwiefern hat Ihr Ministerium seit Beginn der Krise juristische Kompetenz aufgebaut?

a.    Wie viele Jurist_innen hat das Gesundheitsministerium seither eingestellt?

22. Welche konkrete Pläne haben Sie für Österreich für die kommenden Wochen und Monate angesichts steigender Infektionszahlen?

a.    Planen Sie derzeit einen zweiten Lockdown wie im Frühjahr?

                                      i.Wenn ja, inwiefern?

                                    ii.Wenn nein, weshalb nicht?

b.    Unter welchen Bedingungen wird ein zweiter Lockdown für Sie realistisch bzw. unumgänglich? 

23. Planen Sie derzeit einen partiellen Lockdown?

a.    Wenn ja, inwiefern?

b.    Wenn nein, weshalb nicht?

c.    Unter welchen Bedingungen ist ein solcher für Sie realistisch bzw. unumgänglich?

24. Gegenüber Medien sprachen Sie davon, noch diverse Maßnahmen in Ihrer "Schublade" zu haben?

a.    Von welche konkreten Maßnahmen, die Sie in Ihrer Schublade haben, sprachen Sie?

25. Bereiten Sie Restriktionen für Zusammenkünfte im Privat- und Familienbereich vor?

a.    Wenn ja, welche, ab wann und unter welchen Bedingungen und aufgrund welcher wissenschaftlichen Evidenz?

b.    Wenn nein, können Sie ausschließen, dass es künftig Restriktionen für Zusammenkünfte im Privat- und Familienbereich geben wird?

26. Bereiten Sie Ausgangsverbote vor?

a.    Wenn ja, ab wann und unter welchen Bedingungen und aufgrund welcher wissenschaftlichen Evidenz?

b.    Wenn nein, können Sie ausschließen, dass es künftig Ausgangsverbote geben wird?

27. Bereiten Sie Sperrstunden in der Gastronomie vor?

a.    Wenn ja, welche, ab wann und unter welchen Bedingungen und aufgrund welcher wissenschaftlichen Evidenz?

b.    Wenn nein, können Sie ausschließen, dass es künftig bundesweite Sperrstunden in der Gastronomie geben wird?

28. Bereiten Sie Betretungsverbote für bestimmte Orte vor?

a.    Wenn ja, welche, ab wann und unter welchen Bedingungen?

29. Bereiten Sie eine Maskenpflicht im Freien vor?

a.    Wenn ja, welche, ab wann und unter welchen Bedingungen und aufgrund welcher wissenschaftlichen Evidenz?

b.    Wenn nein, können Sie ausschließen, dass es künftig bundesweite Sperrstunden in der Gastronomie geben wird?

30. Weshalb wurde die im Ministerialentwurf zum Epidemiegesetz noch vorgesehene Regelung zum Contact-Tracing in der Gastronomie und anderen Betrieben wieder verworfen?

a.    Aus welchen konkreten datenschutzrechtlichen Gründen wurde die Regelung verworfen?

b.    Inwiefern sehen Sie die derzeit in Wien praktizierte Datenerfassung in der Gastronomie als rechtskonform und überhaupt zulässig?

c.    Ist Ihnen bekannt, dass derzeit in Wien für Gastronomen keine aktive Pflicht besteht, die Kontaktdaten Ihrer Kund_innen zu erheben?

                                      i.Wie erklären Sie dann die diesbezüglich irreführende Kommunikation der Gemeinde Wien, die von einer Erhebungspflicht spricht?

d.    Ist Ihnen bekannt, dass derzeit in Wien für Kund_innen keine aktive Pflicht besteht, Ihre Kontaktdaten gegenüber den Gastronom_innen bekannt zu geben?

                                      i.Wie erklären Sie dann die diesbezüglich irreführende Kommunikation der Gemeinde Wien, die von einer Bekanntgabepflicht für Kund_innen spricht?

e.    Bereiten Sie eine bundesweite Contact-Tracing Regelung auf gesetzlicher Grundlage für die Gastronomie oder andere Betriebe vor?

                                      i.Wenn ja, wie ist hier der aktuelle Stand der Planung bzw. wann soll diese in Umsetzung gehen?

                                    ii.Wenn ja, wie soll hier der Datenschutz konkret sichergestellt werden? 

                                   iii.Wenn nein, weshalb nicht?

31. Wie viele Personen wurden seit März 2020 aufgrund von Strafbestimmungen des COVID-19-Maßnahmengesetzes bestraft?

a.    Wie hoch waren die aufgrund des COVID-19-Maßnahmengesetzes verhängten Verwaltungsstrafen in Summe?

32. Wie viele Personen wurden seit März 2020 aufgrund der vom VfGH wegen Gesetzwidrigkeit aufgehobenen COVID-19-Maßnahmenverordnung (BGBl. II Nr. 98/2020) bestraft?

a.    Wie hoch waren die aufgrund der vom VfGH wegen Gesetzwidrigkeit aufgehobenen COVID-19-Maßnahmenverordnung verhängten Verwaltungsstrafen in Summe?

33. Bereiten Sie eine Generalamnestie für unrechtmäßige "Coronastrafen" vor, damit die wegen der gesetzwidrigen COVID-19-Maßnahmenverordnung 

a.    eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahren eingestellt werden?

                                      i.Wenn ja, wie werden Sie das umsetzen?

                                    ii.Wenn nein, weshalb nicht?

b.    bereits verhängte Strafen nachgesehen werden?

                                      i.Wenn ja, wie werden Sie das umsetzen? 

                                    ii.Wenn nein, weshalb nicht?

c.    bereits bezahlte Strafen rückerstattet werden?

                                      i.Wenn ja, wie werden Sie das umsetzen? 

                                    ii.Wenn nein, weshalb nicht?

34. Unter welchen behördlichen Bedingungen wird das Weihnachtsfest 2020 stattfinden?

a.    Welche konkreten Pläne haben Sie bzw. Ihr Ressort diesbezüglich?

b.    Worauf müssen sich die Menschen in Österreich einstellen?

35. Wurde das gesamte Schutzmaterial, das der Bund über das Österreichische Rote Kreuz beschaffen ließ, bereits geliefert?

a.    Wenn nein, was ist noch ausständig?

36. Welche konkreten gesundheitspolitischen Leitlinien für die kommenden Monate haben Sie zur Bewältigung der Pandemie konkret in Ihrem Ressort ausgegeben?

a.    Welche Schritte haben Sie zur Verbesserung der Datenlage der Gesundheitsdaten gesetzt, um die Krise besser zu bewältigen?

b.    Welche Schlüsse haben Sie aus COVID-19-Strategien anderer Länder gezogen und welche Maßnahmen haben Sie daraus folgend gesetzt?

                                      i.Welche Länder konkret sehen Sie als besondere Vorbilder, um Ihre COVID-19-Maßnahmen zu verbessern?

c.    Sie mussten medial zugeben, dass Ihnen keine Diagnose- und Arzneimitteldaten zu COVID-19-Spitalspatient_innen vorliegen. Welche Schritte haben Sie gesetzt, um den Datenaustausch zwischen den Spitälern und dem Bund hinsichtlich ICD-10-Diagnosen und Arzneimittelcodes von COVID-19-Spitalspatient_innen zu etablieren.

d.    In welchen Intervallen melden die Spitäler ICD-10-Diagnosen und Arzneimittelcodes von COVID-19-Spitalspatient_innen?

e.    Welche Schritte haben Sie gesetzt, um von den Spitälern zu erfahren, mit welchen Behandlungsmethoden COVID-19-Spitalspatient_innen behandelt werden und welche Erfolge die Behandlungen mit diesen Methoden haben?

                                      i.Wurde dazu eine Datenbank angelegt?

1.    Wenn ja, welche Daten werden darin konkret abgelegt?

2.    Wenn ja, welche Behandlungsmethoden von COVID-19-Spitalspatient_innen zeigen Behandlungserfolge?

3.    Wenn nein, weshalb nicht?

f.     Sie haben in Ihrer Pressekonferenz am 07.05.2020 betont, dass die Behandlung von Corona-Erkrankten mit Rekonvaleszentenblutplasma eine vielversprechende Behandlungsmethode ist:

                                      i.Wurde diesbezüglich schon ein regelmäßiger Datenaustausch mit den Spendeorganisationen und den Spitälern eingerichtet?

1.    Wenn ja, beschreiben Sie diesen bitte konkret.

2.    Wenn nein, wieso nicht?

                                    ii.Wie viele COVID-19-Patient_innen wurden bereits mit Rekonvaleszentenblutplasma behandelt und mit welchem Behandlungserfolg?

1.    Falls Sie die Frage nicht beantworten können, wieso haben Sie diesbezüglich eine Pressekonferenz abgehalten?

g.    Welche Schritte haben Sie gesetzt, um internationale COVID-19-Datenkooperationen zu etablieren?

h.    Welche Gesundheitsdaten werden dabei ausgetauscht?

i.      Gibt es auch internationale Datenaustauschaktivitäten mit ICD-10-Diagnosen und Arzneimitteldaten zu COVID-19-Erkrankten? Wenn ja, welche?

37. Wurde das Datenkooperationsangebot der Charité Berlin bereits angenommen?

a.    Wenn nein, weshalb nicht?

b.    Wenn ja, welche Daten werden dabei in welchen Intervallen ausgetauscht?

38. Welche Datenzugänge werden der Wissenschaft und Forschung zu Daten der COVID-19-Spitalspatient_innen ermöglicht?

a.    Auf welche konkreten Daten hat die Wissenschaft und Forschung dabei Zugriff?

b.    Wenn keine, weshalb nicht?

39. Welche konkrete Teststrategie ist jeweils für folgende Einrichtungen vorgesehen:

a.    Schulen (Schüler_innen und Lehrer_innen)

b.    Kindergärten

40. Gibt es bundesweit einheitliche Vorgaben, wie viele PCR-Zyklen bei Testungen durchgeführt werden?

a.    Wenn ja, wie viele Zyklen werden vorgegeben?

b.    Wenn nein, warum nicht? Wie wird die Vergleichbarkeit der Testergebnisse gewährleistet?

c.    Welche Antigenschnelltests kommen in Österreich zum Einsatz? Von welchem Hersteller wurden sie entwickelt? Wie funktioniert die Qualitätssicherung dieser Tests?

41. Was wurde aus den Antikörperschnelltests (lateral flow; Beijing Wantai Biological Pharmacy Enterprise), die das Ministerium im März beschafft hat?

a.    Wofür werden bzw. wurden sie eingesetzt?

42. Falls PCR-Testungen über 1450 bzw. über die Teststraßen durchgeführt werden: Wird nachverfolgt, wie viele positiv Getestete in weiterer Folge Symptome entwickeln, bzw. wird abgeklärt, wie viele der positiv Getesteten bereits Symptome hatten, die zum Zeitpunkt der Testung bereits abgeklungen waren?

a.    Wenn ja, werden diese Daten der Forschung zur Verfügung gestellt und wie?

b.    Wenn nein, warum nicht?

43. Wie viele Kontaktpersonen ersten Grades sind seit März bescheidmäßig abgesondert worden?

44. Wie viele Kontaktpersonen ersten Grades, denen beispielsweise von 1450 mündlich Quarantäne auferlegt wurde, waren zum Stichtag 13.10.2020 noch auf ihren Absonderungsbescheid?

45. Wieso gibt es noch keine Verordnung zu § 742 ASVG betreffend Vergütung der Ärzte für PCR-Tests?

 

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs 2 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln und dem Erstanfragesteller Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.