3759/J XXVII. GP

Eingelangt am 14.10.2020
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Michael Seemayer, Nurten Yilmaz,

Genossinnen und Genossen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend: Rechtsberatung für Asylwerbende/Fremde

Ab 1. Jänner 2021 wird die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) die Rechtsberatung im Asylverfahren übernehmen. Bislang wurde die Rechtsberatung von unabhängigen Nichtregierungsorganisationen, nämlich der ARGE Rechtsberatung (Volkshilfe und Diakonie) und dem Verein Menschenrechte Österreich (VMÖ) durchgeführt. Der neuen Regelung wird von UNHCR, RichterInnen, RechtsanwältInnen, führenden Verfassungs- und VölkerrechtsprofessorInnen uvm. die Aushöhlung des Rechtsstaates vorgeworfen. Besonders gefährdet sehen die ExpertInnen die Unabhängigkeit der Rechtsberatung, da die BBU, in welche die Rechtsberatung eingegliedert wird, im Einflussbereich des Bundesministers für Inneres steht, dem auch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl untersteht. Zudem sind viele zentrale Fragen, die aus dem Gesetzesentwurf und den entsprechenden Materialien herausgehen, bislang nicht hinreichend beantwortet.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende Anfrage

1.    Wie  hoch sind derzeit in der Rechtsberatung für Asylwerbende/Fremde die Pauschalbeträge pro Fall für eine Vertretung, aufgelistet nach den Teilkategorien und Reduktionsstufen?

2. Wie hoch sind derzeit in der Rechtsberatung für Asylwerbende/Fremde die Pauschalbeträge pro Fall für eine Verhandlung?

3. Wie werden die Pauschalbeträge ausgelöst? Wird bei jeder Beratung (auch Folgeberatung) ein Pauschalbetrag fällig?

4. Wie hoch sind derzeit die gesamten Kosten der Rechtsberatung für Asylwerbende/Fremde pro Fall, aufgelistet nach den einzelnen Teilkategorien, von Beginn des zweitinstanzlichen Verfahrens bis zu dessen Abschluss?

5.  Falls derzeit bei einer Rechtsberatung für Asylwerbende/Fremde DolmetscherInnen benötigt werden, wer trägt diese Kosten? Sind diese Kosten bereits in den Pauschalbeträgen inkludiert?

6. Aus welchen Faktoren setzen sich die Pauschalbeträge im jeweiligen Verfahren zusammen?

a. ) Wie schlüsseln sich die Kosten innerhalb einer Pauschale auf?

b. ) Welche Leistungen sind inkludiert?

7. Wie hoch werden die gesamten Kosten (inkl. aller Kosten wie etwa Personalkosten, Infrastrukturkosten, Fahrtkosten, DolmetscherInnenkosten, Verwaltungskosten, etc.) der Rechtsberatung für Asylwerber/Fremde pro Fall, aufgelistet nach den einzelnen Teilkategorien für die BBU, von Beginn bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens, für das Jahr 2021 veranschlagt?

8. Wie hoch werden die gesamten Kosten (inkl. aller Kosten wie etwa Personalkosten, Infrastrukturkosten, Fahrtkosten,                                                                                   Sachkosten, DolmetscherInnenkosten, Verwaltungskosten, etc.) der Rechtsberatung für Asylwerber/Fremde pro Fall, aufgelistet nach den einzelnen Teilkategorien für die BBU, von Beginn des zweitinstanzlichen Verfahrens bis zu dessen Ende, für das Jahr 2021 veranschlagt?

9.  a.) Wie hoch wird der durchschnittliche Zeitaufwand in der Rechtsberatung der BBU pro Fall für eine Beratung veranschlagt?

b.) Welche Arbeitsschritte, wie etwa das Studium umfassender Länderberichte, Verfassen von Stellungnahmen, Vorbereitung zur Verhandlung, etc. wurden bei der Festsetzung des Zeitaufwandes berücksichtigt?

10. a.) Wie hoch wird der durchschnittliche Zeitaufwand in der Rechtsberatung der BBU pro Fall für eine Vertretung veranschlagt?

b.) Welche Arbeitsschritte, wie etwa das Studium der Bescheide und Länderinformationen, Beratungsgespräch, Verfassen von Beschwerden, etc. wurde bei der Festsetzung des Zeitaufwandes berücksichtigt?

11. a.) Welche Faktoren wurden bei der Kostenberechnung berücksichtigt?

b.  )  Wie schlüsseln sich die Kosten auf?

c.   )  Welche Leistungen sind inkludiert?

12. In seiner Anfragebeantwortung 2187/AB vom 28.07.2020 zu 2152/J (XXVII.GP) gab der Bundesminister für Inneres an, dass lediglich 5 DolmetscherInnen zum Start der BBU- GmbH geplant sind.

a.  )  Welchem Bundesministerium unterstehen die DolmetscherInnen der BBU-GmbH?

b.  )  Welche Sprachen sprechen diese 5 DolmetscherInnen und wie werden diese auf die einzelnen Standorte verteilt?

c.   ) In welchen Bereichen der BBU werden wo wie viele DolmetscherInnen eingesetzt werden?         (Bitte    genaue Auflistung des Bereichs z.B. Rückkehrberatung, Rechtsberatung, Unterbringung etc., Anzahl und Standort)

d.  )  Der Bundesminister für Inneres gab weiters an, dass im Rahmen eines Pilotbetriebes zunächst die Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit überprüft werden, bevor die eingesetzten Personalkapazitäten erhöht werden. Hat dieser Pilotbetrieb bereits stattgefunden und wurde dieser bereits evaluiert? Wenn ja, was war das Ergebnis hinsichtlich der Anzahl der DolmetscherInnen? Wenn nein, wann werden der Pilotbetrieb und die Evaluierung stattfinden?

13. In den Materialen zum BBU-G wird auf eine erhebliche Kostenersparnis unter anderem bei der Rechtsberatung verwiesen.

a.  )  Bei welchen Aufgaben der Rechtsberatung wird mit Kostenersparnissen in welcher Höhe gerechnet?

b.  )  Bei welchen Aufgaben der Rechtsberatung wird mit keiner Kostenersparnis gerechnet?

c.   )  Gibt es bei der Berechnung der tatsächlichen Kosten der BBU - insbesondere in den Bereichen der Rechtsberatung - Veränderungen im Vergleich mit jenen, die zum Zeitpunkt der Entstehung des Gesetzes angeführt wurden?

14. Ab wann rechnen Sie mit dieser Kostenersparnis?

15. Wieviel Kosten hat der Aufbau der BBU aufgeschlüsselt nach Zuständigkeitsbereichen seit Inkrafttreten bis dato verursacht?

16. Welchem Bundesministerium wird die Rechtsberatung zugeordnet?

17. Wird auch in anderen Rechtsbereichen die Verfahrenshilfe von einer dem Bund unterstehenden Agentur durchgeführt werden?

18. Mit welcher Begründung gewährleistet die Eingliederung der Rechtsberatung für Asylwerbende/Fremde in der BBU im Vergleich zum derzeitigen System eine - wie in den Materialen angeführte - Kostenersparnis, kürzere Verfahrensdauern, Optimierung der Kosteneffizienz und Qualitätssicherung auf hohem Niveau?

19. Wenn ein/e Asylwerberin trotz vorangehender Aufklärung über die geringen Erfolgsaussichten eine Beschwerde wünscht, wird diese von der BBU trotzdem eingebracht?

20. a.) Gab es bei dem Gesetz, das die Eingliederung der Rechtsberatung in die BBU regelt, verfassungsrechtliche Bedenken? Wenn ja, welche?

b.   ) Wie wurde die Verfassungsmäßigkeit der Regelung geprüft?

c.    ) Welche ExpertInnen mit welchen Rechtsmeinungen wurden dabei herangezogen (genaue Auflistung der zugezogenen ExpertInnen samt Kurzbeschreibung der Rechtsmeinung)?

21.  Für die Republik Österreich besteht durch das BBU-Einrichtungsgesetz, das die Eingliederung der Rechtsberatung in diese Bundesagentur regelt, das Risiko eines Vertragsverletzungsverfahrens, wie etwa die ehemalige Bundesministerin für Justiz und Richterin des EuGH Maria Berger im Standard vom 15. Oktober 2019 anmerkte.

a.   ) Wie wurde das Gesetz, das die Eingliederung der Rechtsberatung in die BBU regelt, an den Vorgaben der EU geprüft?

b.   ) Wessen Fachexpertise mit welcher Rechtsmeinung wurde dabei einbezogen? (Genaue Auflistung der zugezogenen Experlnnen samt Kurzbeschreibung der Rechtsmeinung)

c.    ) Sind Maßnahmen geplant, einem Vertragsverletzungsverfahren entgegenwirken?

22. Wie gewährleisten Sie den geregelten Übergang der offenen Verfahren auf die BBU und wie wird der Übergang der offenen Verfahren auf die BBU aus datenschutzrechtlicher Sicht erfolgen?

23. Welchen Einfluss hat der Bundesminister für Inneres in der BBU und speziell auf die Rechtsberatung?

24. Welchen Einfluss hat der Bundesminister für Inneres auf die Auswahl der RechtsberaterInnen und die Modalitäten bzw. Ausgestaltung der Rechtsberatung?

25. Welchen Einfluss hat der Bundesminister für Inneres generell bei der Auswahl des Personals und der Führung in der Rechtsberatung?

26. Wie ist die im Gesetz festgeschriebene Unabhängigkeit der RechtsberaterInnen mit der Funktion, den Aufgaben und Rechten des Bundesminister für Inneres innerhalb der BBU und der Tatsache, dass der Innenminister Oberbehörde des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ist, vereinbar?

 

27.Sie waren immer eine große Kritikerin der Eingliederung der Rechtsberatung für Asylwerbende/Fremde in die BBU-GmbH. So sahen Sie etwa in diesem Modell keine fairen Asylverfahren mehr gewährleistet, grundsätzliche Rechte der Asylwerberlnnen und ein unabhängiges Verfahren verletzt (vgl. Wiener Zeitung vom 16.05.2019, https://www.wienerzeitunq.at/nachrichten/politik/oesterreich/2009601-Heftiqe-Kritik-an-neuer-Asylagentur.html). Was wurde seither an dem Gesetz hinsichtlich dieser Kritikpunkte geändert?

28.Hat sich in Ihrer Amtszeit hinsichtlich Einflussnahme und Kompetenzen des Innenministers auf die Rechtsberatung etwas geändert, wenn ja was und wo wurde dies verankert?

29.Auch wenn sich der Einfluss des Bundesministers für Inneres auf die Rechtsberatung reduzieren sollte, bleibt der Einflussbereich des Aufsichtsrates der BBU weitreichend. Inwieweit wird dahingehend die Unabhängigkeit der Rechtsberatung gewährleistet?

 

30. Sie haben in Ihrem Regierungsprogramm die Schaffung eines Qualitätsbeirates zur zusätzlichen Absicherung der Unabhängigkeit der Rechtsberatung verankert.

a.   )   Wie und von wem wird dieser Qualitätsbeirat eingesetzt?

b.   )  Wie stellt sich dieser zusammen?

c.   )   Welche Aufgaben hat der Qualitätsbeirat?

d.   )  Welche Rechte hat der Qualitätsbeirat?

e.   )   Welchen Einfluss hat dieser auf die tatsächliche Arbeit der RechtsberaterInnen?

f.   )   Wie sieht die Arbeit des Qualitätsbeirates konkret aus?

g.   )  Hat dieser lediglich beratende Funktion oder müssen die Vorgaben verpflichtend umgesetzt werden?

h.   )  Wann wird es eine diesbezügliche Gesetzesnovelle geben?

31. Wird es eine Gesetzesnovelle zum 2019 beschlossenen BBU-G geben? Wenn ja, wann und mit welchem Inhalt?

32. a.) An welchem Ort bzw. an welchen Orten werden die Leistungen der Rechtsberatung erbracht?

b.   ) Welche Infrastruktur haben Sie für die Koordination der Rechtsberatung geplant?

33. § 2 Abs. 1 Z 3 BBU-G sieht die Durchführung der Rückkehrberatung und der Rückkehrhilfe vor. Einem/einer Fremden darf nicht Rückkehrberatung oder Rückkehrhilfe und Rechtsberatung von demselben/derselben Beschäftigten der Bundesagentur gewährt werden. Werden in der BBU RechtsberaterInnen in verschiedenen Fällen auch als RückkehrberaterInnen eingesetzt werden oder ist eine strikte personelle Trennung von RechtberaterInnen einerseits und RückkehrberateriInen andererseits vorgesehen?

34. Der              Bundesminister               für              Inneres               gab             in             seiner Anfragebeantwortung 2187/AB vom 28.07.2020 zu2152/J (XXVII.GP) an, dass die Rechtsberatung unabhängig und weisungsfrei erfolgt und dies durch institutionelle und organisatorische Maßnahmen sichergestellt werde. Welche Maßnahmen sind dies konkret (Bitte um abschließende Auflistung und Begründung)?

35. Werden für die Rechtsberatung in der BBU regelmäßig Evaluierungen hinsichtlich Effizienz und Wirtschaftlichkeit stattfinden?

a.  Wenn ja, in welchem Zeitraum und in welchen Intervallen?

b.  Wenn ja, was wird nach welchen Kriterien wie evaluiert werden?

c.  Wenn ja, von wem?

e.  Wenn nein, warum nicht?

f.  Wenn nein, inwiefern gewährleisten Sie dann die Effizienz und Wirtschaftlichkeit?

36. Werden regelmäßige Intervalle zur Evaluierung hinsichtlich der Erfüllung menschen- und grundrechtlicher Standards stattfinden?

a.  Wenn ja, in welchem Zeitraum und in welchen Intervallen?

b.  Wenn ja, was wird nach welchen Kriterien wie evaluiert werden?

c.  Wenn ja, von wem wird evaluiert?

e.  Wenn nein, warum nicht?

f.  Wenn nein, inwiefern gewährleisten Sie dann die Einhaltung der menschen- und grundrechtlichen Standards?

37. Wird regelmäßig eine Evaluierung der Rechtsberatung zur Qualitätssicherung stattfinden?

a.  Wenn ja, in welchem Zeitraum und in welchen Intervallen?

b.  Wenn ja, was wird nach welchen Kriterien wie evaluiert werden?

c.  Wenn ja, von wem wird evaluiert?

e.  Wenn nein, warum nicht?

f.  Wenn nein, inwiefern gewährleisten Sie dann die Qualität der Rechtsberatung?