Eingelangt am 15.10.2020
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Anfrage
der Abgeordneten Dr.
Christoph Matznetter, Kai Jan Krainer,
Genossinnen und Genossen
an den Bundesminister für Finanzen
betreffend: Verkauf von alten Hüten
Sehr geehrter Herr Finanzminister!
In der Tageszeitung Die Presse vom 10.9.2020 stand zu lesen,
dass sie wieder an die Einführung der Eigenkapitalverzinsung denken.
Wirtschaftsministerin Schramböck bestätigt die Verhandlungen, man sei
gerade mitten drin, und das Finanzministerium wird zitiert mit „Aktuell
wird Eigenkapital in Österreich im Vergleich zum Fremdkapital steuerlich schlechter
behandelt – das soll beseitigt werden.“
Angesichts der negativen Erfahrungen mit dieser
komplizierten steuerlichen Förderung auf Kosten der Allgemeinheit und der
verstaubten altliberalen „der Markt regelt ohnehin
alles“-Wirtschaftsideologie der ÖVP überrascht dieses Vorhaben.
Die unterzeichnenden Abgeordneten stellen daher nachstehende
Anfrage:
- Seit wann verfolgen Sie die Idee, in Österreich schon
wieder eine Eigenkapitalverzinsung einzuführen?
- Sie sind noch nicht lange Finanzminister, wissen Sie, dass
es schon zwei gescheiterte Versuche gab die Eigenkapitalverzinsung zu
normieren bzw. zum Laufen zu bringen?
- Wurden Sie von der Fachabteilung darauf hingewiesen?
- Ist Ihnen bekannt, dass es von 1999 bis 2003 die
sogenannte „Verzinsung des Eigenkapitalzuwachses“ im § 11
EStG gab? Was waren die Gründe warum diese abgeschafft wurde?
- Ist Ihnen bekannt, dass es seit 2003 in § 11a die
sogenannte „Begünstigte Besteuerung für nicht entnommene
Gewinne“ gibt? Was waren die Gründe dafür, dass diese
Regelung 2009/2010 entfallen ist?
- Ist Ihnen bekannt, dass im Jahr 2009 der Freibetrag
für investierte Gewinne in „Gewinnfreibetrag“ umbenannt
und ausgeweitet wurde, wodurch im Gegenzug die Eigenkapitalverzinsung der
„nicht entnommenen Gewinne“ gestrichen wurde? Werden Sie bei
Einführung der neuen (alten) Eigenkapitalverzinsung den
Gewinnfreibetrag streichen?
- Haben Sie mit Herrn Vizekanzler Kogler schon gesprochen?
Er meinte in der 16. Nationalratssitzung vom 11. März 2009
„Schaun Sie, wir stehen ja nicht an, die wenigen Punkte die positiv
sind, auch als solche zu markieren. [….] und auch im
Unternehmensbereich ist nicht alles schlecht, wenn etwas die
Begünstigung der Besteuerung der nicht entnommenen Gewinne beseitigt
wird et cetera.“
In der verstaubten „neoliberalen“
Wirtschaftsideologie der ÖVP regelt der Markt ja alles selber:
- Ist die Rendite des Fremdkapitals der dafür bezahlte
Zins?
- Ist die Rendite des Eigenkapitals in einem Unternehmen der
(ausgeschüttete) Gewinn?
- Aus welchem Grund wollen Sie die Verzinsung des
Eigenkapitals im Steuerrecht verankern, wenn der ausbezahlte Gewinn die
Verzinsung des Eigenkapitals ist?
- Worin besteht die steuerliche Schlechterstellung des
Eigenkapitals zum Fremdkapital, wenn in beiden Fällen die Rendite
beim Empfänger besteuert wird?
- In dem genannten Presseartikel steht, dass Ministerin
Schramböck vermeint, dass Investoren jetzt kein Geld für KMUs
haben, aber mit der beabsichtigten Eigenkapitalverzinsung als steuerlichem
Anreiz in KMU investieren könnten. Laufen die Vorbereitungsarbeiten
im Finanzministerium unter diesem Gesichtspunkt? Wie sie das Modell aus?
Wie hoch soll die Eigenkapitalverzinsung sein, damit Investoren den Reiz
verspüren?
- Ein mögliches Modell der Eigenkapitalverzinsung
bewirkt die fiktive Berücksichtigung von Zinsen auf das Eigenkapital
im steuerlichen Ergebnis, mindert den Gewinn und damit die Steuerzahlung.
Getragen würden diese Kosten von der Allgemeinheit, insbesondere also
den ArbeitnehmerInnen und Arbeitnehmern, den PensionistInnen und
Pensionisten. Ist es steuerlich gerecht die Anteile dieser Gruppen am
Steueraufkommen zu erhöhen, und dafür den Anteil des Kapitals zu
senken? Aus welchen Gründen legen Sie kein
Steuergerechtigkeitskonzept vor, dass den Steueranteil des Kapitals und
der Vermögenden erhöht und jenen der arbeitenden Menschen senkt?
- Wenn sie einen steuerlichen Anreiz in Form der
Eigenkapitalverzinsung setzen wollen, beeinflussen Sie den internen
Zinsfuß der Investition in ein Unternehmen, denn nur so würde
ein Investor entscheiden sein Kapital im Unternehmen zu lassen. Warum wollen
sie den Kapitalmarkt mit der steuerlichen Eigenkapitalverzinsung
verzerren? Das müsste nach Ihrer Ideologie zu Fehlallokationen des
Kapitals führen – welche Begleitmaßnahmen planen Sie um
den Markt wieder sich selbst zu überlassen?
- Mit welchen Kosten im Budget rechnen Sie jährlich
durch Einführung Ihres „neuen“ gebrauchten
Eigenkapitalverzinsungsmodells (bitte um jährliche Darstellung in
Mio. € für die Jahre 2020-2025)?
- Wie sieht die Gegenfinanzierung dieser Kosten aus? Welche
Steuern wollen Sie erhöhen? Welche Steuern sollen dafür nicht
gesenkt werden?