3813/J XXVII. GP

Eingelangt am 15.10.2020
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Christoph Matznetter, Kai Jan Krainer,
Genossinnen und Genossen

 

an den Bundesminister für Finanzen

 

betreffend: Verkauf von alten Hüten

 

Sehr geehrter Herr Finanzminister!

In der Tageszeitung Die Presse vom 10.9.2020 stand zu lesen, dass sie wieder an die Einführung der Eigenkapitalverzinsung denken. Wirtschaftsministerin Schramböck bestätigt die Verhandlungen, man sei gerade mitten drin, und das Finanzministerium wird zitiert mit „Aktuell wird Eigenkapital in Österreich im Vergleich zum Fremdkapital steuerlich schlechter behandelt – das soll beseitigt werden.“

Angesichts der negativen Erfahrungen mit dieser komplizierten steuerlichen Förderung auf Kosten der Allgemeinheit und der verstaubten altliberalen „der Markt regelt ohnehin alles“-Wirtschaftsideologie der ÖVP überrascht dieses Vorhaben.

Die unterzeichnenden Abgeordneten stellen daher nachstehende

 

Anfrage:

  1. Seit wann verfolgen Sie die Idee, in Österreich schon wieder eine Eigenkapitalverzinsung einzuführen?
  2. Sie sind noch nicht lange Finanzminister, wissen Sie, dass es schon zwei gescheiterte Versuche gab die Eigenkapitalverzinsung zu normieren bzw. zum Laufen zu bringen?
  3. Wurden Sie von der Fachabteilung darauf hingewiesen?
  4. Ist Ihnen bekannt, dass es von 1999 bis 2003 die sogenannte „Verzinsung des Eigenkapitalzuwachses“ im § 11 EStG gab? Was waren die Gründe warum diese abgeschafft wurde?
  5. Ist Ihnen bekannt, dass es seit 2003 in § 11a die sogenannte „Begünstigte Besteuerung für nicht entnommene Gewinne“ gibt? Was waren die Gründe dafür, dass diese Regelung 2009/2010 entfallen ist?
  6. Ist Ihnen bekannt, dass im Jahr 2009 der Freibetrag für investierte Gewinne in „Gewinnfreibetrag“ umbenannt und ausgeweitet wurde, wodurch im Gegenzug die Eigenkapitalverzinsung der „nicht entnommenen Gewinne“ gestrichen wurde? Werden Sie bei Einführung der neuen (alten) Eigenkapitalverzinsung den Gewinnfreibetrag streichen?
  7. Haben Sie mit Herrn Vizekanzler Kogler schon gesprochen? Er meinte in der 16. Nationalratssitzung vom 11. März 2009 „Schaun Sie, wir stehen ja nicht an, die wenigen Punkte die positiv sind, auch als solche zu markieren. [….] und auch im Unternehmensbereich ist nicht alles schlecht, wenn etwas die Begünstigung der Besteuerung der nicht entnommenen Gewinne beseitigt wird et cetera.“

In der verstaubten „neoliberalen“ Wirtschaftsideologie der ÖVP regelt der Markt ja alles selber:

  1. Ist die Rendite des Fremdkapitals der dafür bezahlte Zins?
  2. Ist die Rendite des Eigenkapitals in einem Unternehmen der (ausgeschüttete) Gewinn?
  3. Aus welchem Grund wollen Sie die Verzinsung des Eigenkapitals im Steuerrecht verankern, wenn der ausbezahlte Gewinn die Verzinsung des Eigenkapitals ist?
  4. Worin besteht die steuerliche Schlechterstellung des Eigenkapitals zum Fremdkapital, wenn in beiden Fällen die Rendite beim Empfänger besteuert wird?
  5. In dem genannten Presseartikel steht, dass Ministerin Schramböck vermeint, dass Investoren jetzt kein Geld für KMUs haben, aber mit der beabsichtigten Eigenkapitalverzinsung als steuerlichem Anreiz in KMU investieren könnten. Laufen die Vorbereitungsarbeiten im Finanzministerium unter diesem Gesichtspunkt? Wie sie das Modell aus? Wie hoch soll die Eigenkapitalverzinsung sein, damit Investoren den Reiz verspüren?
  6. Ein mögliches Modell der Eigenkapitalverzinsung bewirkt die fiktive Berücksichtigung von Zinsen auf das Eigenkapital im steuerlichen Ergebnis, mindert den Gewinn und damit die Steuerzahlung. Getragen würden diese Kosten von der Allgemeinheit, insbesondere also den ArbeitnehmerInnen und Arbeitnehmern, den PensionistInnen und Pensionisten. Ist es steuerlich gerecht die Anteile dieser Gruppen am Steueraufkommen zu erhöhen, und dafür den Anteil des Kapitals zu senken? Aus welchen Gründen legen Sie kein Steuergerechtigkeitskonzept vor, dass den Steueranteil des Kapitals und der Vermögenden erhöht und jenen der arbeitenden Menschen senkt?
  7. Wenn sie einen steuerlichen Anreiz in Form der Eigenkapitalverzinsung setzen wollen, beeinflussen Sie den internen Zinsfuß der Investition in ein Unternehmen, denn nur so würde ein Investor entscheiden sein Kapital im Unternehmen zu lassen. Warum wollen sie den Kapitalmarkt mit der steuerlichen Eigenkapitalverzinsung verzerren? Das müsste nach Ihrer Ideologie zu Fehlallokationen des Kapitals führen – welche Begleitmaßnahmen planen Sie um den Markt wieder sich selbst zu überlassen?
  8. Mit welchen Kosten im Budget rechnen Sie jährlich durch Einführung Ihres „neuen“ gebrauchten Eigenkapitalverzinsungsmodells (bitte um jährliche Darstellung in Mio. € für die Jahre 2020-2025)?
  9. Wie sieht die Gegenfinanzierung dieser Kosten aus? Welche Steuern wollen Sie erhöhen? Welche Steuern sollen dafür nicht gesenkt werden?