3952/J XXVII. GP

Eingelangt am 23.10.2020
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Anfrage

der Abgeordneten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend Familiengerichtshilfe

Eine moderne Familienpolitik muss Rahmenbedingungen schaffen, die es allen Elternteilen ermöglicht, eine stärkere Rolle im Familienleben einnehmen zu können. Das bezieht sich auch auf getrennt lebende Eltern, die sich gemeinsam und in gleichem Maße um die Versorgung und Betreuung der Kinder kümmern wollen. Chancengerechtigkeit und die Wahrung der psychischen und physischen Gesundheit der Kinder muss ein zentrales Anliegen sein.

Um Eltern bei einer Trennung zu unterstützen und das Kindeswohl zu schützen, gibt es in Österreich mehre Institutionen, die Eltern in dieser Zeit weiterhelfen. Mit dem Kindschafts- und Namensrechtsänderungsgesetz 2013 wurde unter anderem das verfahrensrechtliche Instrumentarium des Familiengerichts erweitert. Den Familienrichter_innen werden in Angelegenheiten der Obsorge und des Rechts auf persönliche Kontakte Sozialarbeiter_innen, Psycholog_innen und Pädagog_innen in Form der Familiengerichtshilfe zur Seite gestellt. Die Familiengerichtshilfe wird im Auftrag des Gerichts tätig und ist an den gerichtlichen Auftrag gebunden und ist berechtigt, Personen, die über die Lebensumstände eines Kindes Auskünfte erteilen können, zu befragen, und Kontakt mit dem Kind bzw. Jugendlichen herzustellen. Im genaueren kann der Aufgabenbereich in folgende Kategorien unterteilt werden:

Mit einem sogenannten Clearing wird versucht, Möglichkeiten und Wege einer gütlichen Einigung zwischen den Elternteilen auszuloten, um eine einvernehmliche Lösung der Streitpunkte zu erreichen. Dabei werden die Parteien des gerichtlichen Verfahrens – Mutter, Vater, Großeltern, Pflegeeltern etc. – über die speziellen Bedürfnisse ihres Kindes in der Trennungssituation informiert und zugleich in ihrem Bemühen unterstützt, einen gemeinsamen Lösungsweg unter Berücksichtigung des Kindeswohls zu finden. Gelingt das nicht, wird das Gericht bei seiner Entscheidung durch eine von der Familiengerichtshilfe verfasste fachliche Stellungnahme unterstützt.

Die Familiengerichtshilfe kann im Auftrag des Gerichts spezifische Erhebungen durchführen, um dem Richter ein genaueres Bild von der in Diskussion stehenden Problematik zu vermitteln. So kann das Gericht die Familiengerichtshilfe etwa beauftragen, mit Kindergartenpädagog_innen oder Lehrer_innen zu sprechen, die häusliche Situation abzuklären oder eine Übergabe des Kindes zwischen den Parteien am Wochenende zu beobachten.

In den Fällen, in denen keine einvernehmliche Lösung der Eltern erzielt werden konnte und eine solche auch nicht zu erwarten ist, kann die Familiengerichtshilfe mit dem Verfassen einer Fachlichen Stellungnahme beauftragt werden. Im Rahmen dieser Erhebungen werden diverse Gespräche mit allen Beteiligten geführt, Nachforschungen bei Einrichtungen, Hausbesuche und sonstige Interaktionsbeobachtungen gemacht oder diagnostische Erhebungsschritte gesetzt, aus welchen eine fachliche Einschätzung der Sachlage abgeleitet werden kann.

Eine weitere Aufgabe der Familiengerichtshilfe ist die Besuchsmittlung: diese zielt darauf ab, sich mit den Parteien über die konkrete Ausübung der persönlichen Kontakte des Kindes zu den Parteien zu verständigen und bei Konflikten zu vermitteln. Die Mitarbeiter_innen der Familiengerichtshilfe können bei den Übergaben des Kindes beispielsweise anwesend sein und führen mit den Parteien Gespräche, um die Kontakte im Hinblick auf die Bedürfnisse des Kindes zu verbessern.

Der Rechnungshof hat dazu im vorliegenden Bericht (Reihe Bund 2017/24) zahlreiche Feststellungen getroffen und Empfehlungen ausgesprochen, um die neugeschaffene Familiengerichtshilfe effizienter zu gestalten. Der Bericht enthält auch allgemeine Verbesserungsvorschläge für die Familiengerichtsbarkeit. Auch im Regierungsprogramm der Bundesregierung werden die Evaluierung der Familiengerichtshilfe sowie eine Umsetzung der Evaluierung des KindNamRÄG 2013 ausdrücklich genannt.

 

Quellen: 

https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblAuth/BGBLA_2013_I_15/BGBLA_2013_I_15.html

https://www.justiz.gv.at/home/justiz/familien--und-jugendgerichtshilfe/aufgaben-der-familiengerichtshilfe~2c9484853f60f165013f6671e26d24f7.de.html

https://www.derstandard.at/story/2000120067743/familiengerichtshilfe-die-allmacht-im-obsorgeverfahren

https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/I/I_00126/index.shtml

https://www.oesterreich.gv.at/themen/familie_und_partnerschaft/obsorge/Seite.234002.html

https://www.trennungundscheidung.at/

https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Erlaesse/ERL_BMJ_20140613_BMJ_V319_00_0026_III_4_2014/ERL_BMJ_20140613_BMJ_V319_00_0026_III_4_2014.html

https://www.justiz.gv.at/home/justiz/daten-und-fakten/berichte/fortbildung~185.de.html

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

1.    Wie hoch ist die Anzahl der Bediensteten der Familiengerichtshilfe seit 2015?  (Um eine Auflistung nach Vollzeitäquivalenten, Geschlecht, Berufsgruppe, Ausbildung, Jahren und Bezirksgerichten wird gebeten)

2.    Wie hoch ist das jährlich dotierte Budget der Familiengerichtshilfe seit 2015? (Um eine Auflistung nach Bundesländern wird gebeten)

3.    Welche Weiterbildungen werden für Mitarbeiter_innen der Familiengerichtshilfe seit 2015 angeboten? (Um eine Auflistung nach Art der Fort/Weiterbildung wird gebeten)

a.    Wie oft werden jährlich Weitbildungen angeboten?

b.    Welchen Umfang haben diese Weiterbildungen?

c.    Wer ist für die Durchführung der Weiterbildungen verantwortlich?

d.    Wie hoch ist das jährlich dotierte Budget für Weiterbildungen?

4.    Wie hoch ist die Anzahl der Familienrichter_innen seit 2015?  (Um eine Auflistung nach Jahren, Geschlecht und Bundesländern wird gebeten)

5.    Welche Weiterbildungen werden für Familienrichter_innen seit 2015 angeboten? (Um eine Auflistung nach Art der Fort/Weiterbildung wird gebeten)

a.    Wie oft werden jährlich Weitbildungen angeboten?

b.    Welchen Umfang haben diese Weiterbildungen?

c.    Wer ist für die Durchführung der Weiterbildungen verantwortlich?

d.    Wie hoch ist das jährlich dotierte Budget für Weiterbildungen?

e.    Wie viele Personen nehmen jährlich an Fort/Weiterbildung teil?

6.    Wie oft wurde die Familiengerichtshilfe seit 2015 von Gerichten herangezogen?

7.    Worauf führen Sie die im Rechnungshof angesprochenen regional unterschiedliche Inanspruchnahme der Familiengerichtshilfe zurück?

8.    Welche Indikatoren wurden entwickelt, um die Wirkung der Familiengerichtshilfe zu messen?

9.    Wie oft wurde die Familiengerichtshilfe seit 2015 mit Clearings beauftragt? (Um eine Auflistung nach Jahren und Bezirksgerichten wird gebeten)

10. Wie oft wurde die Familiengerichtshilfe seit 2015 mit fachlichen Stellungnahmen beauftragt? (Um eine Auflistung nach Jahren und Bezirksgerichten wird gebeten)

11. Wie oft wurde die Familiengerichtshilfe seit 2015 mit spezifischen Erhebungen beauftragt? (Um eine Auflistung nach Jahren und Bezirksgerichten wird gebeten)

12. Wie oft wurde die Familiengerichtshilfe seit 2015 als Besuchsmittler eingesetzt? (Um eine Auflistung nach Jahren und Bezirksgerichten wird gebeten)

13. Wie viele Gutachten von Sachverständigen wurde seit 2015 von Familiengerichten in Pflegschaftssachen eingeholt und was waren die Kosten in Summe in den jeweiligen Jahren? 

14. Wie viele Vernetzungstreffen haben zwischen dem Gericht, der Familiengerichtshilfe und dem Kinder– und Jugendhilfeträger in den einzelnen Bezirken seit 2015 staatgefunden?

a.    Konnten dadurch die Prozesse verbessert werden?

15. Was sind die Ergebnisse des Jahresberichts der Familiengerichtshilfe? (Um eine Übermittlung der Jahresberichte wird erbeten)

a.    Welche Problem haben die einzelnen Familiengerichtshilfen definiert? 

b.    Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um auf mögliche Probleme zu reagieren?

c.    Wie werden Sie die Familiengerichtshilfe in den nächsten Jahren weiterentwickeln? 

16. Wie hoch ist die Anzahl der einvernehmlichen Lösungen seit 2015? (Um eine Auflistung nach Jahren und Bezirksgerichten wird gebeten)

a.    Worauf führen Sie die regionalen Unterschiede zurück?

b.    Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um den Anteil an einvernehmlichen Lösungen zu steigern?

17. Wie oft wurde seit 2015 eine alleinige Obsorge nach der Scheidung erreicht? (Um eine Auflistung nach Jahren und Bezirksgerichten wird gebeten)

a.    In wie vielen Fällen wurde eine alleinige Obsorge nicht vereinbart? 

b.    In wie vielen Fällen wurden Kinder– und Jugendhilfeträger vorläufig mit der Obsorge betraut?

18. Wie oft wurde seit 2015 eine gemeinsame Obsorge nach der Scheidung erreicht? (Um eine Auflistung nach Jahren und Bezirksgerichten wird gebeten)

19. Wie hoch ist seit 2015 der Anteil der gemeinsamen Obsorge an unehelichen Geburten?  (Um eine Auflistung nach Jahren und Bundesländern wird gebeten)

20. Wie oft wurde eine gemeinsame Obsorge gegen den zuerst vorläufigen Willen eines Elternteils entschieden?  (Um eine Auflistung nach Jahren, Obsorgeantrag, Art des Falles und Bundesländern wird gebeten)   

21. Wie hoch ist die die Anzahl an angeordneten „Phasen vorläufiger elterlicher Verantwortung“ seit 2015? (Um eine Auflistung nach Jahren und Bundesländer wird gebeten)

22. Wie hoch ist die Anzahl an endgültigen Obsorgeregelungen nach Abschluss einer „Phase vorläufiger elterlicher Verantwortung“ seit 2015? (Um eine Auflistung nach Jahren und Bundesländern wird gebeten)

23. Wie hoch ist die Anzahl an vorläufige Obsorge– und Kontaktrechtsentscheidungen seit 2015? (Um eine Auflistung nach Jahren und Bundesländer wird gebeten)

24. Wie viele Maßnahmen zur Sicherung des Kindeswohls gemäß § 107 Abs. 3 AußStrG wurden seit 2015 getroffen? (Um eine Auflistung nach Jahren und Bundesländer wird gebeten)

25. Wie viele Instrumente zur Durchsetzung des Kontaktrechts wurden seit 2015 getroffen? (Um eine Auflistung nach Jahren und Bundesländern wird gebeten)

a.    Welche Instrumente zur Durchsetzung des Kontaktrechts wurden verwendet?

26. Wie lange ist die durchschnittliche Erledigungsdauer der Familiengerichtshilfe seit 2015? (Um eine Auflistung nach Jahren und Bundesländer wird gebeten)

27. Wie hoch ist die durchschnittliche Verfahrensdauer bei Obsorgeverfahren seit 2015? (Um eine Auflistung nach Jahren und Bundesländern wird gebeten)

28. Wie hoch ist die durchschnittliche Verfahrensdauer bei Kontaktrechtsverfahren seit 2015? (Um eine Auflistung nach Jahren und Bundesländern wird erbeten)

29. Aus welchen Gründen dauern Verfahren mit Einbeziehung der Familiengerichtshilfe länger als ohne die Einbeziehung?

a.    Wie viele davon entfielen auf: 

                                      i.verpflichtende Besuch einer Familien-, Eltern- oder Erziehungsberatung

30. Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um das Konfliktpotenzial in Verfahren zu verringern und die Konfliktlösungsbereitschaft der Beteiligten zu verbessern?

31. Wie hoch ist die Anzahl und die Quote der Rechtsmittel in Obsorge– und Kontaktrechtsverfahren seit 2015? (Um eine Auflistung nach Jahren und OLG Sprengel wird gebeten)

32. Wie lange ist die durchschnittliche Verfahrensdauer im Bereich Obsorge?

33. Wie lange ist die durchschnittliche Verfahrensdauer im Bereich Kontaktrechtsverfahren?

34. Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um die  Miteinbeziehung der Familiengerichtshilfe zu verstärkten?

35. Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um die Akzeptanz der Familiengerichtshilfe weiter zu steigern?

36. Wurde die RH Empfehlung bundesweit eine umfassende Information und Beratung der Eltern unter Einbindung der Standesämter sicherzustellen, umgesetzt?

a.    Wenn ja, inwiefern?

b.    Wenn nein, warum nicht?

c.    Ist eine Umsetzung der  RH Empfehlung geplant?

37. Wurde die RH Empfehlung, die Anwendungsmöglichkeiten des Instruments  "Phase vorläufiger elterlicher Verantwortung" in der Praxis, etwa durch einen Erfahrungsaustausch mit den Gerichten, auszuloten und gegebenenfalls auf eine Adaptierung der gesetzlichen Regelung hinzuwirken, umgesetzt?

a.    Wenn ja, inwiefern?

b.    Wenn nein, warum nicht?

c.    Ist eine Umsetzung der RH Empfehlung geplant?

38. Wurde die RH Empfehlung,  eine einheitliche Handhabung der vorläufigen Entscheidungen in Obsorge– und Kontaktrechtsanträgen hinzuwirken, umgesetzt?

a.    Wenn ja, inwiefern?

b.    Wenn nein, warum nicht?

c.    Ist eine Umsetzung der RH Empfehlung geplant?

39. Wurde die RH Empfehlung, verstärkt auf die korrekte und vollständige Erfassung aller vorgesehenen Registerschritte in der Verfahrensautomation Justiz hinzuwirken, umgesetzt?

a.    Wenn ja, inwiefern?

b.    Wenn nein, warum nicht?

c.    Ist eine Umsetzung der RH Empfehlung geplant?

40. Wurde die RH Empfehlung, den Personaleinsatz der Richterinnen und Richter in Außerstreitsachen hinsichtlich Soll– und Ist–Stände zu evaluieren, umgesetzt?

a.    Wenn ja, inwiefern?

b.    Was ist das Ergebnis der Evaluierung?

c.    Wenn nein, warum nicht?

d.    Ist eine Umsetzung der RH Empfehlung geplant?

41. Wurde die RH Empfehlung, den Personalbedarf der Familiengerichtshilfe neu zu berechnen umgesetzt?

a.    Wenn ja, inwiefern?

b.    Was ist das Ergebnis der Evaluierung?

c.    Wie hoch ist der Personalbedarf in der Familiengerichtshilfe in den nächsten Jahren?

d.    Wenn nein, warum nicht?

e.    Ist eine Umsetzung der RH Empfehlung geplant?

42. Wurde die RH Empfehlung, auf die Ausgeglichenheit des Geschlechterverhältnisses innerhalb der Familien– und Jugendgerichtshilfe Wert zu legen und Maßnahmen zu setzen, um den Männeranteil schrittweise zu erhöhen, umgesetzt?

a.    Wenn ja, inwiefern?

b.    Wenn nein, warum nicht?

c.    Ist eine Umsetzung der RH Empfehlung geplant?